Grau und bunt zugleich
Inhalt:
Leena ist immer wieder unaufmerksam und in Gedanken versunken und wird dafür in der Schule blossgestellt. Auch ihre Oma, bei der sie nach dem Tod ihrer Mutter und dem Verschwinden ihres Vaters ...
Inhalt:
Leena ist immer wieder unaufmerksam und in Gedanken versunken und wird dafür in der Schule blossgestellt. Auch ihre Oma, bei der sie nach dem Tod ihrer Mutter und dem Verschwinden ihres Vaters lebt, kann sich nicht auf das neunjährige Kind mit der blühenden Fantasie einlassen. Nachdem Leena bei einem ihrer Streifzüge zusammenbricht, steht die Diagnose Fallsucht (von Leena liebevoll Pepilepsie genannt) im Raum. Die Grossmutter glaubt nicht an die Diagnose, in der Schule steht die selbe Strenge auf dem Programm, wie zuvor und nur eine Begegnung mit einer katholischen Schwester und einem blinden Organisten sowie mit der Musik von Johann Sebastian Bach zeigt Leena auf, dass es noch andere Menschen, Welten, Farben und Wahrheiten in ihrem sonst so grauen Leben gibt.
Meine Meinung:
Eigentlich sind 134 Seiten ganz schmal bedruckte Buchseiten (und ein sehr lesenswertes Nachwort) zu wenig, um so eine grosse Geschichte zu erzählen. Leenas Gedankenwelt ist bunt und voller Musik und eine Flucht aus dem tristen, von Strafen und Blossstellungen geprägten Alltag. Sie trägt die Bürde eines ganzen Lebens auf ihren Schultern und dabei verschwimmen manchmal auch die Grenzen der der Sprache einer Neunjährigen und der Erzählsprache der Autorin. Was ist Leena, was ist Eeva-Liisa Manner? Und ist es relevant, dies zu durchschauen? Manner war Lyrikerin, ihre Gedichte haben die Literaturgeschichte Finnlands des zwanzigsten Jahrhunderts massgeblich mitgeprägt. So erstaunt es nicht, dass auch ihr erster Roman nur so vor sprachlichen Bildern strotzt. Schade finde ich, dass die Weltanschauungen (und die Gesellschaftskritik) des blinden Organisten Filemon so viel Raum im Mittelteil der Geschichte einnimmt und trotzdem wird dabei und vor allem bei der Szene, als die Oma darauf reagiert, dass Leena eine katholische und nicht eine evangelische Kirche besucht hat, klar, dass es in diesem Buch um weit mehr geht als um die Traumwelt eines Mädchens. Religionskonflikte, aber auch der Antisemitismus der Zeit sind zwischen den Zeilen klar erkennbar. Wie Armut und Schicksalsschläge eine Familie zerrütten können und wie dunkel eine Kindheit unter diesen Umständen ist, wird klar erkennbar. Und so düster und tragisch dieses Buch doch ist, so bunt und hoffnungsvoll ist auch das Gefühl, das nach dem Lesen bleibt und definitiv Lust auf mehr Texte aus Manners Feder macht.
Meine Empfehlung:
Dieser aussergewöhnlich bunte, klangvolle und bildhaft erzählte Text macht Lust auf mehr und auch wenn immer wieder vergessen geht, dass die Protagonistin ein neunjähriges Kind ist, weil die Sprache der Autorin ihr so sehr übergestülpt wird, ist dieses Buch sehr faszinierend und lesenswert.