Blankenese- Liebe in schweren Zeiten
Ein Skandal erschüttert Blankenese, als der Reederssohn John nach nur vier Monaten im Oktober 1919 Leni, die mittellose Tochter eines tödlich verunglückten Kapitäns, heiratet. Trotz der eisigen Ablehnung, ...
Ein Skandal erschüttert Blankenese, als der Reederssohn John nach nur vier Monaten im Oktober 1919 Leni, die mittellose Tochter eines tödlich verunglückten Kapitäns, heiratet. Trotz der eisigen Ablehnung, mit der ihr die Familie ihres Mannes begegnet, verschafft sich Leni mit Hilfe ihrer Schwägerin Felicitas und ihrer Freundin Lola ihren Platz in der Hamburger Gesellschaft. Nur John zieht sich in den ersten Ehejahren von Leni zurück. Ein dunkles Geheimnis verbindet die Familien, und John wittert Verrat und kriminelle Machenschaften. Als endlich die persönlichen und wirtschaftlichen Krisen überwunden sind, und das Glück Einzug hält, gerät John als Halbjude nach Hitlers Machtergreifung in lebensgefährliche Bedrängnis.
Mit "Blankenese" erscheint nach der dreibändigen Familiensaga "Palais Heiligendamm" der vierte Roman der Autorin Michaela Grünig. Für mich war "Blankenese" der erste Roman der Autorin, und ich möchte an dieser Stelle ein Zitat einbringen "... lass es kein Abschied für immer sein." Auch ich hoffe auf ein Wiedersehen mit diesen zum großen Teil liebenswerten Romanfiguren.
Michaela Grünig beschreibt einfühlsam und doch mit mächtigen Worten starke und schwache Figuren. In "Blankenese" tut sich die systematische, etwas burschikose Sattelmacherin Leni Hansen schwer in ihrer neuen Welt als Ehefrau des Reeders Casparius. Sie kennt keine finanziellen Sorgen mehr und doch ist sie gefangen in einem goldenen Käfig, bis sie sich in ein soziales Projekt einbringt.
Ehemann John ist ein guter Geschäftsmann und Reeder und nach Aussagen von Freunden ein lieber Kerl, aber mit Schattenseiten. Erst als er sein Herz für Leni wieder öffnet, wird aus dem misstrauischen Einzelgänger ein liebender Familienvater.
Menschliche Stärken und Schwächen werden auch bei den anderen Charakteren gekonnt zum Ausdruck gebracht. Lenis Mutter Irma ist eine Frau, die mitten im Leben steht und ihrem schweren Schicksal die Stirn bietet. Bruder Heinz, der Satansbraten, stellt sich auf die Seite der Nationalsozialisten. Ganz zu schweigen von Johns Kriegskamerad Felix ...
Michaela Grünig beschreibt die Lebensumstände dieser beiden Familien so anschaulich, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen möchte. Der Leser erlebt sowohl die eine wie die andere Welt: ein Wechsel von Arm zu Reich, von Arier zu Jude. Auch in diesem dunklen Kapitel mit Szenen, die unter die Haut gehen, wie Kindertransport, Deportation und tägliche Schikane lässt die Autorin uns teilhaben an Lenis unerschütterliche Liebe zu ihrem Mann. Das Schicksal von John und seiner Schwester, deren Ehemann und den Kindern führt uns schonungslos das Grauen, das das Nazi-Regime über die jüdische Bevölkerung brachte, vor Augen. Doch Lenis Liebe steht als Symbol für das Fünkchen Hoffnung.