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Veröffentlicht am 19.02.2023

Antonia Baum - Siegfried

Siegfried
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Der Erzählerin wird einfach alles zu viel. Sie zieht die Reißleine und begibt sich in die Psychiatrie. Dort muss sie warten und so beginnen die Gedanken zu rotieren. Sie erinnert sich an ihre Kindheit ...

Der Erzählerin wird einfach alles zu viel. Sie zieht die Reißleine und begibt sich in die Psychiatrie. Dort muss sie warten und so beginnen die Gedanken zu rotieren. Sie erinnert sich an ihre Kindheit mit Siegfried, dem Mann ihrer Mutter, und dessen strenge Mutter Hilde, bei der sie immer dann bleiben musste, wenn ihre Eltern auf Geschäftsreise waren. Und sie hält ihr jetziges Leben mit Alex und der gemeinsamen Tochter dagegen. Alex ist nicht wie Siegfried, er kann ihr auch nicht das Leben bieten, das Siegfried ihrer Mutter bot. Je länger der Tag und das Warten dauern, desto negativer wird ihr Bild von ihrem Leben und vor allem ihrem Partner.

Antonia Baums Roman „Siegfried“ spiegelt zwei Männer verschiedener Generationen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Es könnte egal sein, wenn nicht die Erzählerin den Vergleich anstellen würde und unausgesprochene Erwartungen ihr Leben ins Wanken bringen würden. Es ist eine Geschichte von Schieflagen, zwischen den Geschlechtern, den Generationen, auch zwischen Ost und West und je tiefer man eintaucht, desto dominanter wird die kindliche Prägung, die stärker ist, als den Figuren bewusst ist.

Der Titel des Buchs überrascht, ist Siegfried doch eigentlich nicht die zentrale Figur. Erst im Lauf der Handlung wird jedoch deutlich, wie bestimmend der Mann für die Ideale und Erwartungen der Erzählerin ist. Er hat ein Modell vorgelebt, nach dem sie sich mit zunehmendem Alter immer mehr sehnt. Die Strenge seiner Mutter hat ihn erfolgreich werden lassen, auch wenn dies ein unterkühltes Verhältnis zur Folge hatte. Jedoch ermöglicht sein Erfolg einen Lebensstandard, der vor allem mit Sicherheit verbunden ist.

Mit Alex genoss die Erzählerin zunächst die Sorglosigkeit und ein Leben nach eignen Maßstäben. Doch schleichend offenbart sich, dass er ein Kind seiner ostdeutschen Erziehung ist und sie in verschiedenen Welten leben. Unweigerlich treffen zwei sehr verschiedene Sichtweisen aufeinander, die nicht vereinbar sind. Je prekärer die finanzielle Lage des Paares, desto kritischer beäugt die Erzählerin die Leistung ihres Partners und vor allem sein Unvermögen, ihr das zu bieten, was Siegfried ihr bieten konnte.

Die Erzählerin ist eine erfolgreiche und intelligente Frau und dennoch scheitert sie am Alltag und daran, die richtigen Schlüsse aus dem zu ziehen, was sie beobachtet und weiß. Es fehlt ihr der richtige Weg zu kommunizieren, klar zu machen, was sie braucht, stattdessen läuft sie in Eskalation, deren erstes Opfer sie selbst ist.

Auch mich würde Alex wahnsinnig machen, doch er kann nicht aus seiner Haut und kann auch nicht verstehen, was er falsch macht. Die Erzählerin ist jedoch keineswegs in einem Leben mit ihm gefangen. Sie könnte ausbrechen, wie einst ihre Mutter, sie kennt allerdings auch den Preis.

Ein intensiver Roman, der ohne dies groß zu umschreiben eine genaue Analyse vieler westdeutschen Nachkriegsfamilien liefert und Lebensmodelle kontrastiert, die weiter nicht voneinander entfernt sein könnte. Im selben Land zur selben Zeit aufzuwachsen und zu leben, genügt nicht, um auch erfolgreich gemeinsam leben zu können.

Veröffentlicht am 17.02.2023

Heidi Furre – Macht

Macht
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Das schreckliche Ereignis ist bereits Jahre her. Liv war noch Studentin, als sie vergewaltigt wurde und doch verfolgt das Erlebnis sie als erwachsene Frau und Mutter immer noch. Sie wollte nie Opfer sein, ...

Das schreckliche Ereignis ist bereits Jahre her. Liv war noch Studentin, als sie vergewaltigt wurde und doch verfolgt das Erlebnis sie als erwachsene Frau und Mutter immer noch. Sie wollte nie Opfer sein, hat andere für die öffentliche Zurschautragung ihres Leids verachtet, aber den schönen Schein zu wahren, kostet sie enorm viel Energie. Das Kopfkino, die rasenden Gedanken im Zaum zu halten und nicht durchzudrehen. Es war nicht nur in dieser Situation, dass der Mann Macht über sie hatte, er hat sie immer noch, ohne dabei in seinem Familienidyll etwas davon zu ahnen.

„Manchmal ist es schlimmer zu sagen, ich bin vergewaltigt worden, als tatsächlich vergewaltigt zu werden. Als würde man eine Todesnachricht überbringen.“

Die norwegische Fotografin und Autorin Hedi Furre verleiht in ihrem Roman einer Frau eine Stimme, die eigentlich keine haben will. Am Beispiel von Liv wird deutlich, wie gesellschaftliche Normen das Opfer einer Straftat nochmals strafen, indem sie Mitschuld erhält (auch selbst zugeschrieben), indem sie verdrängt, was ihr passiert ist, weil es niemand hören und sehen will und schon gar nicht mit so etwas Schrecklichem belästigt werden möchte. Es sind nicht nur die äußerlichen Wunden, die Leid verursachen, „Macht“ zeigt sehr deutlich, wie schlimm die innerlichen, nicht so leicht erkennbaren Wunden schmerzen und eben nicht verheilen.

Es sind die kleinen Einschränkungen des Alltags, an denen sich tagtäglich die Auswirkungen eines jahrelang zurückliegenden Ereignisses zeigen. Die Ängste, beispielsweise im Dunkeln nach Hause zu laufen, bestimmte Texturen, die an den Tag erinnern, die alle in sich nicht schlimm sind, in der Summe jedoch lebensbestimmend werden. Immer wieder versucht sie, die Kontrolle zurückzugewinnen, es gelingt jedoch nur mäßig.

Es ist ein Buch, das sich nicht leicht aushalten lässt, das für manche Leserinnen wie ein Trigger für böse Erinnerungen wirken könnte und doch ist es wichtig, da es etwas zum Thema macht, über das gesprochen können werden muss. Das einen öffentlichen Raum braucht, damit es Opfern von Gewalttaten eben genau nicht geht wie der Protagonistin.

Veröffentlicht am 12.02.2023

Flynn Berry - Northern Spy

Northern Spy – Die Jagd
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Ein bewaffneter Überfall ist in Nordirland nichts Ungewöhnliches. Doch als die Journalistin Tessa die Aufnahmen des Vorfalls sieht, traut sie ihren Augen kaum: einer der Täter ist ihre Schwester Marian. ...

Ein bewaffneter Überfall ist in Nordirland nichts Ungewöhnliches. Doch als die Journalistin Tessa die Aufnahmen des Vorfalls sieht, traut sie ihren Augen kaum: einer der Täter ist ihre Schwester Marian. Das kann nicht sein. Die Rettungssanitäterin kämpft für Menschenleben und würde sie nie riskieren. Und schon gar nicht ist sie Mitglied der IRA. Doch Tessa muss erkennen, dass sie nur eine Seite von Marian kannte und diese ihr eine andere offenbar über Jahre erfolgreich verschwiegen hat. Die junge Mutter wird vor eine schwere Entscheidung zwischen Familie und Idealen gestellt, die sie und ihren Sohn in größte Gefahr bringen.

Für ihren Debütroman wurde die amerikanische Autorin Flynn Berry mit dem Edgar Award ausgezeichnet, dem bedeutendsten Preis für Kriminalromane. „Northern Spy“ ist ihr dritter Roman, der geschickt die politische Lage in Nordirland mit der persönlichen Geschichte der zwei Schwestern verbindet.

Niemand ist unpolitisch in Nordirland. Selbst wenn man sich nicht positionieren will, hat man doch gewisse Pubs, die man besucht, und ein Umfeld, dass klar der einen oder anderen Seite zuzuordnen ist. Neutralität gibt es nicht, auch wenn Tessa und ihre Familie das lange Zeit glauben. Mit dem Überfall und der zweifelsfreien Zuordnung von Marian zur IRA scheinen sowieso alle Fragen beantwortet. Auch die Folgen bekommen Tessa und ihre Mutter unmittelbar zu spüren, nicht nur die Befragung durch die Polizei, sondern auch die beruflichen Konsequenzen, die sie für das Handeln Marians tragen müssen, lassen sie für das Handeln Marians bezahlen.

Die Autorin bietet einige Überraschungen, die jedoch immer auch einen Funken Zweifel mit sich schwingen lassen. Sagen die Figuren die Wahrheit oder spielen sie doch nur eine Rolle? Zwischen Freund und Feind, Agent und Doppelagent scheint lange alles möglich.

Ein spannungsreicher Krimi, der mehr auf der persönlichen Ebene als auf der politischen spielt. Der Konflikt zwischen den katholischen Nordiren und den englischen Besatzern liefert nur die Kulisse und wird durch das persönliche Schicksal überlagert. Daher sicher kein politischer Roman, sondern eher einer, der psychologisch von den Figuren viel abverlangt.

Veröffentlicht am 18.12.2022

Christine Hutterer - Für ein fittes Immunsystem

Für ein fittes Immunsystem
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Nicht erst in Zeiten einer Tripledemie aus Covid, Grippe und RS-Viren fragt man sich, wie man das Immunsystem dabei unterstützen kann, seinen Job zu machen und all das, was uns krank macht, erfolgreich ...

Nicht erst in Zeiten einer Tripledemie aus Covid, Grippe und RS-Viren fragt man sich, wie man das Immunsystem dabei unterstützen kann, seinen Job zu machen und all das, was uns krank macht, erfolgreich abzuwehren. Aber auch jenseits akuter Bedrohungen kann es ja nicht schaden, den Körper und die Abwehrkräfte zu stärken.

Die Biologin Christine Hutterer hat dazu das Wichtigste kurz und knapp zusammengestellt. Auf rund 150 Seiten findet sich ein knackiger Überblick darüber, wie man im Alltag vorsorgen kann. Nach der Erläuterung der Funktionsweise adressiert sie verschiedene Bereiche wie Stress, Sport und Ernährung. Dabei wird praxisnah Hilfestellung gegeben, wie man nach einem Selbstcheck mittels Listen mit kleinen Veränderungen bereits etwas bewirken kann.

Der Ratgeber liest sich leicht ohne zu viel Fachvokabular, wichtige Hinweise sind optisch hervorgehoben. Die Informationen sind kurz, prägnant und alltagsnah, so dass man sie tatsächlich anwenden kann. Viele Mythen werden kurz erläutert, ebenso wird erläutert, wo es noch Forschungsbedarf gibt, um Wirkweisen tatsächlich nachzuweisen. Wenn man sich mit der Thematik ohnehin auseinandersetzt, bietet das Buch nicht viel Neues, auch ist die fachliche Tiefe notwendigerweise begrenzt.

Daher würde ich es eher jenen Lesern empfehlen, die einen schnellen und kompakten Überblick zur Orientierung ohne zu viel Gerede wünschen und schnell umsetzbare Tipps suchen.

Veröffentlicht am 06.12.2022

Malin Stehn - Happy New Year

Happy New Year – Zwei Familien, ein Albtraum
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Silvester, letzter Tag des Jahres und die Chance, dass im neuen alles besser wird. Doch für die Familien von Lollo und Max und ihren Freunden Fredrik und Nina endet die Nacht im schlimmsten Horror. Ihre ...

Silvester, letzter Tag des Jahres und die Chance, dass im neuen alles besser wird. Doch für die Familien von Lollo und Max und ihren Freunden Fredrik und Nina endet die Nacht im schlimmsten Horror. Ihre Töchter feiern eine Party, am Ende ist eine davon tot. Die Eltern zwischen Vorwürfen und Schuldgefühlen. Haben sie ihre Kinder nicht ausreichend beschützt? Oder tragen sie sogar Schuld? Denn plötzlich drohen alte Geheimnisse ans Licht zu kommen und Gewissheiten zu erschüttern.

Die schwedische Autorin und Übersetzerin Malin Stehn ist in ihrer Heimat vor allem durch Kinder- und Jugendbücher bekannt geworden. Mit „Happy New Year“ wagt sie sich ins Spannungsgenre und kann unmittelbar überzeugen. Aus wechselnden Perspektiven erzählt sie die Geschichte, die immer ein paar Lücken lässt und so Raum für Spekulation eröffnet und die Spannung steigert.

Happy, glücklich, ist leider keine der Figuren. Alle tragen sie ihr Päckchen, stecken fest in verfahrenen Beziehungen, haben den Kontakt zueinander verloren. Ein schreckliches Verbrechen bringt sie auch nicht wieder zusammen, sondern lässt sie noch weiter voneinander entfernen. Die Perspektivwechsel erlauben einen Einblick in die Gedanken und Zweifel der Figuren. Bald scheint alles möglich, jeder zu allem fähig, keine noch so schreckliche Tat mehr unvorstellbar.

Eine spannende Geschichte, die alle Abgründe der menschlichen Natur an die Oberfläche spült und zeigt, wozu Rache fähig.