Profilbild von EmiliaAna

EmiliaAna

Lesejury Star
offline

EmiliaAna ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit EmiliaAna über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.12.2019

Eine Kommissarin zwischen Genuss und Verbrechen

Verhängnisvolle Provence (Hannah Richter 3)
0

Eigentlich beginnt "Verhängnisvolle Provence", dritter Krimi um die frankoaffine Kölner Kommissarin Hannah Richter, vielversprechend und recht spannend - trotz des Prologs, den viele Schriftsteller scheinbar ...

Eigentlich beginnt "Verhängnisvolle Provence", dritter Krimi um die frankoaffine Kölner Kommissarin Hannah Richter, vielversprechend und recht spannend - trotz des Prologs, den viele Schriftsteller scheinbar für unumgänglich halten, der Hoffnungen weckt, die dann nur zu oft nicht erfüllt werden oder dessen Bezug zur Handlung, wie auch in diesem, als Kriminalroman apostrophierten Buch, erst sehr spät in der Geschichte ersichtlich wird.
Die Kenntnis der Vorgängerbände ist, so wird schnell klar, nicht nötig, um der Handlung folgen zu können, denn die Protagonisten lernt man bald ausführlich kennen. Da sie, bis vielleicht auf den französischen Gefährten der Hauptfigur, keine sonderlich vielschichtigen oder gar tief gehenden Personen sind, kann man sich bald ein ziemlich genaues Bild von ihnen und ihrem Leben machen. Ja, sie sind sympathisch, ohne Abstriche. Lieb sind sie auch, und nett gehen sie miteinander um. Das muss doch erfreuen, zumal sie sich in einem Umfeld bewegen, dessen Schönheit und Reichtum an Farben und Düften die Sinne betören, denn, wie schon der Titel sagt, wir sind schließlich in der Provence, erklärte Lieblingslandschaft zumindest vieler deutscher Urlauber!
Nun, die Sinne dürfen sich auch nach Herzenslust erfreuen, denn es wird gegessen, getrunken, das Kochen wird zelebriert - und darüberhinaus darf es auch tüchtig "menscheln". All dies ist schön und gut und es hätte der perfekte Krimi werden können, wenn der Fall, beziehungsweise die Fälle, die die Kölner Kommissarin gemeinsam mit ihren Kollegen sowohl in Deutschland als auch in Frankreich aufzuklären hat, im Gleichgewicht gewesen wären mit dem Zwischenmenschlichen, dem Genusspart.
Leider aber zeigt sich schon recht bald, viel zu bald nach meinem Empfinden, dass dem nicht so ist, denn die Ermittlungen sind genauso langweilig und nichtssagend wie der Fall, um den es hier geht. Und die Auflösung schließlich mag ja überraschen, aber keineswegs befriedigen, denn sie erscheint mir in einigen Punkten weder logisch noch nachvollziehbar und lässt die eine oder andere Frage gänzlich unbeantwortet. Letzteres darf sein, es regt zum Weiterdenken an, passt aber nicht zu dem "privaten" Teil, der mit unnötiger Ausführlichkeit eben keine Frage unbeantwortet gelassen hat!

Reichlich viele Informationen gibt die Autorin, die sich offenkundig tief in die hintergrundrelevanten Recherchen gestürzt hat über die sogenannte und von vielen zelebrierte und propagierte Naturkosmetik und deren Wust an erlaubten, geduldeten und ganz und gar unerlaubten Inhaltsstoffen. Dass da mitunter tüchtig gemauschelt wird, kann man sich gut vorstellen, vor allem dann, wenn es darum geht, den Profit zu steigern.
Und wenn, wie hier in der Geschichte, ein kleiner, sich der Biokosmetik verschriebener Familienbetrieb mit einem der großen Pharmakonzerne fusioniert, darf man doch berechtigte Zweifel daran hegen, dass alle Richtlinien wirklich befolgt und nicht doch das eine oder andere Hintertürchen gefunden wird, um die Bestimmungen zu umgehen, ja geradezu verbrecherische Manipulationen vorzunehmen.

Aber es gibt, natürlich, auch noch das kleine Volk der Aufrechten - und zu jenen gehört Monsieur Ramon, Mitarbeiter im ehemaligen Familienbetrieb und, man darf es ahnen, das erste Mordopfer, aufgefunden in einem Kölner Stadtpark, womit gleich auch die Ermittlungen der deutschen Kommissarin bei der Kosmetikfirma in Vaison-la-Romaine gerechtfertigt werden.
Häufig abgelenkt von ihrem und ihrer französischen Freunde Liebes- und Familienleben, kommt sie dem, man kann es so bezeichnen, Skandal auf die Spur, für den der ermordete Yannick Ramon Beweise hatte, die allemal fürs Morden herhalten können. Ja, und dann plätschert die Handlung so vor sich hin, die Spannung ebbt ab, selbst dann, als ein weiterer Mord geschieht und sich darüberhinaus ein Unglücksfall ereignet, der gut auch ein dritter Mord sein könnte.
Zur Auflösung, die wirklich nicht zu erwarten gewesen war und für die die Autorin einen Haken schlagen musste wie ein agiler Hase, kommt es in Cannes, wo die neue Produktlinie des Naturkosmetikunternehmens aus der Provence unter der Schutzherrschaft einiger Stars vorgestellt werden soll.
Und ja, das muss man ihr lassen, die Welt des schönen Scheins hat die Autorin recht plastisch gemacht - und entzaubert! Hinter der Fassade herrscht gähnende Langeweile, die sich, nebenbei gesagt und beklagt, auch nach dem x-ten Frankreichkrimi einschleichen kann!

Veröffentlicht am 02.03.2024

Angestrengt konstruierter Krimi

Starmord am Wörthersee
0

Ich lese gerne Kriminalromane – und das schon lange! Im Laufe der Zeit sind mir viele gute, einige wenige sehr gute, aber noch mehr bestenfalls mittelmäßige und auch richtig schlechte Krimis untergekommen. ...

Ich lese gerne Kriminalromane – und das schon lange! Im Laufe der Zeit sind mir viele gute, einige wenige sehr gute, aber noch mehr bestenfalls mittelmäßige und auch richtig schlechte Krimis untergekommen. Leider weiß man vor Beginn der Lektüre niemals so genau, zu welcher Kategorie das gerade auserwählte Exemplar gehört, zumal Klappentexte, an denen man sich ja in der Regel orientiert, in die Irre führen können und dies oft auch tun.
Als ich die Inhaltsangabe des hier zu besprechenden Werkes von Roland Zingerle, „Die Tote im Rampenlicht“, offensichtlich der Einstiegsband in eine Serie um den österreichischen 'Berufsdetektiv Sablatnig, las, hatte ich durchaus den Eindruck, etwas Lohnenswertes würde darauf warten, mir spannende Lesestunden zu bescheren. Doch, um es vorwegzusagen, dem war nicht so! Bereits nach wenigen Seiten hatte ich das noch vage Gefühl, meine Zeit zu vergeuden – was sich bis zum Ende kontinuierlich verstärkte und schließlich Gewissheit wurde, wiewohl ich zwischendurch an der einen oder anderen Stelle dachte, die Geschichte, die ich nach beendeter Lektüre als arg konstruiert bezeichnen möchte, würde nun interessanter, spannender und vor allem glaubwürdiger. Und so las ich weiter, denn ich wollte wissen, das vor allem, was denn um des lieben Himmels Willen dem schlaffen, saft- und kraftlosen Protagonisten, besagtem Berufsdetektiv (verstanden habe ich bis zum Schluss nicht, was diesen denn von einem Privatdetektiv unterscheidet) mit dem wenig eingängigen Nachnamen Sablatnig, in Kolumbien zugestoßen ist, das er kürzlich besucht hat und von wo er völlig verändert wieder in die heimischen Gefilde zurückkehrte.
Ja, zugegeben, der Autor hielt mit den ständigen Anspielungen auf das Kolumbien-Trauma seines gar nicht heldenhaften Helden, der aber genau zu jenem am Ende mutierte, absprungbereite Leser wie mich vom Abbruch seines Romans ab! Genauso geschah es mit einigen unerwarteten Wendungen in der dahinplätschernden Handlung später, als man schließlich genug hatte von den ewigen Andeutungen auf Kolumbien. Das ist durchaus clever gemacht, gibt dem sogenannten Regionalkrimi, der meines Erachtens überall hätte spielen können und in keiner Weise an die Region, nämlich die Gegend um den Wörthersee, gebunden ist, aber keine zusätzliche Qualität.
Der Kriminalfall selber, der am Anfang gar keiner ist, wie man dem Klappentext entnehmen kann, sondern erst einer wird – siehe ebenfalls Klappentext, den ich hier nicht zu wiederholen gedenke! -, hat mich überhaupt nicht überzeugt, und gefesselt schon gar nicht. Die Auflösung war – nun ja, an den Haaren herbeigezogen und kam mir vor wie ein Verlegenheitseinfall des Autors, als Geistesblitz der aus seiner Lethargie erwachenden Sablatnig getarnt. Überraschend war sie schon deshalb nicht, weil die Anzahl der – nebenbei bemerkt ausnahmslos flachen, nichtssagenden – Handlungsträger sehr überschaubar war und im Grunde nur die Person, die übrig blieb, als Bösewicht in Frage kam. Doch – was es da mit dem schlimmen Kolumbienerlebnis auf sich hatte, wird schließlich aufgeklärt, tränenreich! Es erscheint mir reichlich phantastisch, aber da ich die Verhältnisse in besagtem südamerikanischen Land nicht kenne, maße ich mir da kein besserwisserisches Urteil an. Der Autor wird schon seine Hausaufgaben gemacht haben!
Worüber ich mir aber ganz gewiss ein Urteil anmaße, und kein positives, ist die Sprache, derer sich der Autor bedient, wenn er seine Figuren den Mund aufmachen lässt! Dialektgefärbt soll sie sein, diese Sprache? Nicht doch - denn die sprechen ja alle gleich schlecht und nachlässig, lassen Endbuchstaben weg, ziehen Wörter unnötigerweise zusammen, ihre Diktion ist nichtssagend, beinahe kindlich-einfältig, ganz gleich, ob sie aus Österreich kommen, aus München oder, wie die eigenartige, mir höchst simpel und unterbelichtet vorkommende, vom verliebten Rekonvaleszenten Sablatnig aber in den Himmel gehobene (in den sie keinesfalls gehört!) und unmäßig verklärte Schlagersängerin Saskia, die Empfängerin des Drohbriefes, dessen Urheber der wackere Heinz, wie der Berufsdetektiv mit Vornamen heißt, ursprünglich finden sollte, aus dem hohen Norden Deutschlands.
Tja, so ist das nun einmal, wenn man die ausgeklügeltsten, spannendsten, sprachlich auf hohem Niveau angesiedelten Kriminalromane der Meister ihres Fachs gelesen und genossen hat! Man wird anspruchsvoll! Man weiß dann nämlich, wie ein richtig guter Krimi zu sein hat. Und das gereicht der „Toten im Rampenlicht“, die natürlich auch ihre begeisterten Leser hat, unglücklicherweise sehr zum Nachteil!

Veröffentlicht am 17.02.2023

Albtraum ohne Ende

Schwerer als das Licht
0

Als 'düster-schönes Märchen' hat Alexander Solloch von NDR-Kultur den zweiten Roman der gebürtigen Meranerin und Wahlwienerin Tanja Raich bezeichnet, Maria Motter von radio FM4 spricht von einer 'wunderlichen ...

Als 'düster-schönes Märchen' hat Alexander Solloch von NDR-Kultur den zweiten Roman der gebürtigen Meranerin und Wahlwienerin Tanja Raich bezeichnet, Maria Motter von radio FM4 spricht von einer 'wunderlichen Robinsonade', Gerlinde Tamerl, ALBUM, von einer 'nachhaltigen Erschütterung' und Walter Pobaschnig von Literatur outdoors nennt „Schwerer als das Licht“ 'eine packende wie raffiniert hintergründige Parabel über Mensch, Natur, Zeit […] in expressionistischer Sprachschönheit'. So könnte man weitermachen, ist man denn allenthalben des Lobes voll für dieses Buch, mit dem ich mich außerordentlich schwer getan habe, das mich abgestoßen hat ob der blutig-makabren Düsternis, die nur kurz einmal aufreißt, immer dann nämlich, wenn die Autorin sich die wie Bleigewichte über der Geschichte liegenden Schatten für einen Moment heben lässt, um mit ausufernden Worten eine Natur zu beschreiben, die meiner Vorstellung vom Garten Eden vor dem Sündenfall entspricht. Letzterer ist in der fragmentarischen Erzählung ohne erkennbare Handlung wohl gleichzusetzen mit dem gnaden- und hemmungslosen Raubbau an der Natur und allem, was da kreucht und fleucht. Die Folgen sind – hier wie da – fürchterlich! Der Klimawandel, der längst nicht mehr zu stoppen ist, bringt den Weltuntergang, ist in apokalyptischer Breite mit gar schauerlichen Szenen der Inhalt von Tanja Raichs eigenartigem Werk, auf dessen nicht vorhandene Handlung ich in meiner Besprechung nicht weiter eingehen möchte, und das in Aufbau und Dramaturgie ganz gewiss nicht das ist, was mich anspricht, was mich auf irgendeine Weise berührt und was ich lesen möchte.
Was habe ich da überhaupt gelesen? Tatsächlich eine Parabel auf den Klimawandel mit seinen unvermeidbaren Folgen, im Zeitraffer freilich? Das habe ich schon eindrucksvoller gelesen! Oder das Psychogramm einer geistig Verwirrten, die allmählich und dann ganz und gar in den Wahnsinn abdriftet, die Geister und Gespenster sieht, die überall Feinde wittert, sich verbarrikadiert, Fallen stellt und schließlich in einem nicht enden wollenden, sie selbst zerstörendem Blutrausch versinkt? Die aber auf handwerklichem Gebiet so außerordentlich beschlagen ist, dass sie mühelos und auch in ihrer desolaten Verfassung zimmert und konstruiert, mit Werkzeugen, von denen ich keine Ahnung habe, wo sie die auf ihrer Südseeinsel (anhand der Naturbeschreibungen muss es sich um eine solche handeln) findet. Nein, so etwas möchte ich entschieden nicht und nach der Lektüre des gefeierten Buches erst recht niemals mehr lesen! Kann ja auch sein, dass hier ein Albtraum erzählt wird, in dem das Unberührte, Unschuldige, Schöne von einem hässlichen schwarzen Ungeheuer verschlungen wird, das alles Leben auslöscht und schließlich sogar die Sterne vom Firmament purzeln lässt. Ja, wenn ich es recht bedenke, habe ich wohl wahrhaftig ein Albtraum-Märchen gelesen, denn nur in solchen können physikalische Gesetze umgekehrt, außer Kraft gesetzt, ausgehebelt werden. Und das wiederum entspricht meinem Lesegeschmack schon überhaupt nicht!
Nun, die Autorin, in deren Biographie man liest, dass sie gern gesellschaftliche Missstände anprangert und neue Lebensentwürfe fordert, bringt bei mir keine Saite zum klingen. Die 'faszinierende, aufwühlende' Sprache, die in den überwiegend sehr positiven Kritiken bejubelt wird, geht an mir vorüber, ebenso wie die angeblich 'großartigen, bildhaften Passagen', von denen mir schon wesentlich eindrucksvollere, auch besser be- und geschriebene untergekommen sind, solche, die mich wirklich berührten und zum Nachdenken brachten. Soll ich, wie ich das auch in einer Besprechung gelesen habe, das Buch, das auf Sri Lanka, in Italien und Mexiko entstanden ist, inspiriert mit Sicherheit von einer wunderschönen Natur, nicht aber von einer sterbenden, verrottenden, in der die Tiere sich gegenseitig auffressen und alles nach Fäulnis stinkt, noch einmal lesen, um dann vielleicht das zu sehen, was die Autorin uns mitteilen möchte und das außer mir, wie mir scheint, alle Kritiker und Rezensenten verstanden haben? Nein, diese Chance lasse ich mir gerne entgehen, es gibt so vieles, das darauf wartet, gefunden und gelesen zu werden!
Belassen wir es doch einfach dabei, dass Bücher, wie so viele Dinge im Leben, eine Frage des Geschmacks und der Neigung sind, obschon ich nach der Lektüre der Inhaltsbeschreibung glaubte, hier etwas vor mir zu haben, das mich fesseln, das mir ein besonderes Leseerlebnis bescheren könnte. Dass genau das Gegenteil der Fall war, ist niemandem anzulasten, schon gar nicht der mit Lob überhäuften Autorin, die ihre, ihren Stil und ihr Buch bewundernden, Leser hat. Da kann sie die wenigen, die dem Werk ablehnend und, wie ich, völlig unverständig gegenüberstehen, leicht verschmerzen....

Veröffentlicht am 04.10.2021

In Geschichten verstrickt wie in einem Labyrinth

Mord im Lesesaal
0

Als 'die Agatha Christie von Zürich' wird die Protagonistin Cressida Kandel im Klappentext des hier zu besprechenden Romans angekündigt. Genaugenommen ist sie eine der sechs Protagonisten, die allesamt ...

Als 'die Agatha Christie von Zürich' wird die Protagonistin Cressida Kandel im Klappentext des hier zu besprechenden Romans angekündigt. Genaugenommen ist sie eine der sechs Protagonisten, die allesamt als Mörder des verwahrlosten, reichlich unsympathischen Erpressers Josef Gruber in Frage kommen, der ausgerechnet im Lesesaal der Zürcher Museumsgesellschaft sein vorzeitiges, doch wohlverdientes Ende gefunden hat.
Cressida Kandel ist, so wissen wir, Krimi-Autorin, ihre Werke jedoch kennen wir nicht. Doch halt! Wir können durchaus auf die Art und Weise schließen, auf die die Dame mit den blauen Haaren (eine Perücke, wie man gegen Ende erfährt, ohne jedoch jemals dahinter zu kommen, warum sie beschlossen hat, blauhaarig durchs Leben zu gehen!) ihre Geschichten verfasst, denn jedem einzelnen der vielen, unterschiedlich langen Kapitel werden jeweils Zitate eines gewissen Wilhelm Schapp vorangestellt, offensichtlich alle aus dem Buch 'In Geschichten verstrickt' stammend. Und besagter Wilhelm Schapp ist, wie man beiläufig irgendwann erfährt, der Detektiv in den von Cressida geschriebenen Kriminalromanen. Nur – was der Mann so von sich gibt erscheint mir wirr und unverständlich, eben genau so, wie der gesamte Roman, der sich ohne rechte Spannung und reichlich sperrig dahinschleppt. 'In Geschichten verstrickt' eben, in solchen freilich, die bis zum Ende weitgehend rätselhaft, unerhellt bleiben! Ein Anklang an Agatha Christie? Beileibe nicht! Die 'Lady of Crime' verstand zu schreiben, Spannung aufzubauen, Charaktere zu entwickeln und in ihre Tiefen, oft genug Untiefen, blicken zu lassen, wie kein anderer. Unnachahmlich, wie jeder weiß, der auch nur die Hälfte ihrer über siebzig 'Whodunnits' gelesen hat.
Sowohl die in 'Mord im Lesesaal' niedergeschriebene Geschichte als auch die sich darin bewegenden Figuren sind weit von allem entfernt, was die englische Lady jemals zu Papier gebracht hat. Die Mördersuche, auf die sich die sechs Verdächtigen holpernd und stolpernd und ohne System begeben und die eigentlich der Polizei obliegt, wenn diese sich denn nach Meldung des Mordes zum Tatort bequemt hätte (Morde scheinen in Zürich keine Priorität zu haben), bringt zwar einige Seltsamkeiten zutage, ist aber in keiner Weise aufregend und schon gar nicht mitreißend geschrieben. Wirklich mehr erfährt man während der Lektüre von den Hobby-Detektiven ohne Begabung für dieses Metier nicht. Sie bleiben flach, konturenlos und an der Oberfläche. Bis zum Ende, das ich weder als überraschend noch als erhellend, der Geschichte eine interessante, schon überhaupt keine verblüffende Wendung gebend, bezeichnen kann.
Dennoch, einen gewissen Witz, eine gelegentliche Situationskomik kann ich dem Roman nicht absprechen. Dafür sorgen vor allem zwei Figuren am Rande: die eine nennt sich Frau Alkippe, unterhält am Limmatquai einen Stand, an dem sie für ihre Schule oder was auch immer wirbt, an der sie Frauen in der Kunst der Selbstverteidigung unterrichtet und von der sie eine Kostprobe – ohne zwingenden Grund – direkt an Ort und Stelle gibt, ohne freilich einen einzigen Treffer bei der unglückseligen Zielperson zu landen. Der andere ist Herr Ambesser, Anarchist vom Dienst, wie er sich selbst bezeichnet, ein Bewohner des Nicht-nur-Altenheims Felix und Regula – auch hier weiß man nicht, warum er sich dieses Domizil, das eine Brutstätte des Verbrechens zu sein scheint, ausgesucht hat. Er wirft mit Räuchermännchen um sich, ist vielleicht nicht ganz richtig im Kopf, vielleicht aber auch der Klügste von allen, der, der den wahren Durchblick hat, und er sorgt auf jeden Fall für den einen oder anderen weiteren unterhaltsamen, gar liebenswürdigen Moment. Ein einziger Sympathieträger? Zu wenig! Man hätte sich ihn als Hauptfigur gewünscht....
Fazit: 'Mord im Lesesaal' hat sicher seine Leser, diejenigen, die mit einem derartigen Krimi etwas anzufangen wissen. Ich hingegen bin dazu nicht in der Lage. Oder, wie die Autorin Cressidas Detektiv Wilhelm Schapp in der Einleitung zu einem der letzten Kapitel sagen lässt: 'Man kann nicht jede Geschichte jedem einträufeln wie eine Medizin. Die Geschichte kann nur eingebaut werden in vorhandene Horizonte.' Mit Betrübnis und beschämt muss ich mir demzufolge eingestehen, dass mein eigener Horizont wohl nicht vorhanden ist....

Veröffentlicht am 14.06.2021

Wer ist Marlene Torvett?

Marlene Torvett und das falsche Geld
0

Ort der Handlung ist das Land der tausend Seen, genauer gesagt die Gegend um Neustrelitz. Und es geht um Falschgeld, das seit einiger Zeit von einem oder mehreren Unbekannten unter die Leute gebracht wird. ...

Ort der Handlung ist das Land der tausend Seen, genauer gesagt die Gegend um Neustrelitz. Und es geht um Falschgeld, das seit einiger Zeit von einem oder mehreren Unbekannten unter die Leute gebracht wird. Die Spurensuche erweist sich als schwierig, zumal der ermittelnde Kommissar, Tony Babuske, nicht in bester Form ist und nicht nur von seinen privaten Problemen abgelenkt wird, sondern sich überdies auch noch mit voreilig und daher unklug handelnden Vorgesetzten herumschlagen muss – was mehr oder weniger den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen mag, hier aber überzeichnet wird. Nur träge laufen die Nachforschungen an, sind weitgehend unkoordiniert und werden, so mein Eindruck, erst dann ernst genommen und entsprechend forciert, als ein Kind verschwindet, dessen Leiche bald darauf gefunden wird.
Nicht unrealistisch erscheint mir das zunächst! Und in der Tat ist die Handlung nicht schlecht ausgedacht und verspricht Spannung – wenn sie denn folgerichtig, konsequent und ohne Brüche umgesetzt worden wäre, was leider nicht der Fall ist! Und wenn der zerrissen wirkende, sehr menschliche Hauptkommissar mit dem desolaten Eheleben und seinen geheimen Sehnsüchten – übrigens der einzige nicht flache Charakter der Geschichte – im Mittelpunkt gestanden hätte und nicht die Marlene Torvett aus dem Titel und also Hauptperson, aus der ich mir bis zum sehr unbefriedigenden, weil nichts wirklich erklärenden Ende des Kriminalromans keinen rechten Reim machen konnte. Sie ist keine Polizistin und weiß dennoch über Polizeiinterna bestens Bescheid (ein Unding in der Realität!); sie wird in die Ermittlungsarbeiten nicht nur einbezogen sondern man gewinnt sogar den Eindruck, sie würde diese leiten. Eine einflussreiche Person ist sie – was auch immer sie dazu machen mag -, kommt überheblich und sich der eigenen Wichtigkeit bewusst daher, dirigiert, delegiert, bestimmt, befiehlt, ihr Wort ist Gesetz. Eine wahrhaft unsympathische Nervensäge, dennoch allseits bewundert. Warum das so ist, entzieht sich meinem Verständnis, wurde vielleicht im Vorgängerband erklärt – und wenn das so ist, hätte ich unbedingt eine kurze Vorstellung der Dame erwartet.
Gegen Rätselraten habe ich überhaupt nichts, aber ein solches sollte in einem Kriminalroman schon aufgeklärt werden! Und zwischen den Zeilen zu lesen ist ebenfalls in Ordnung, wenn es denn etwas zu lesen gibt. Für diese Art des Lesens braucht man ein wenig mehr Ansatzpunkte als man sie hier bekommt, mehr, als am Ende das über die seltsame Frau Torvett zu wissen, was man schon am Anfang erfährt: offensichtlich schreibt sie ein Buch, ob es ihr Erstling ist, weiß man nicht, ist auch egal, sie liebt Tango und strebt nach der Erfüllung ihrer Sehnsüchte (die scheinbar eine Art Leitmotiv des Romans sind). Welcher? Man bekommt es nicht mitgeteilt, man kennt sie zu wenig, um es sich denken zu können – und das, was man vielleicht denkt, ist denn doch zu banal.
Und zu guter Letzt sind da die viel zu vielen Rechtschreib- und Grammatikfehler! So etwas kann mir auch ein wesentlich schlüssigeres Buch als dieses hier verleiden! Ganz schade! Und an meiner am Ende gar nicht positiven Meinung zu dem Kriminalroman kann auch eine einnehmende Figur wie besagter Babuske sowie die Betroffenheit über den sinnlosen Tod eines Kindes, des falschen Kindes, wenn man Schlüsse zieht aus dem, was man gelesen hat, und das Entsetzen über einen brutalen und gewissenlosen Täter, dessen Persönlichkeit insgesamt im Dunkeln geblieben ist, wenig ändern.