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Veröffentlicht am 02.04.2023

Land der Entbehrungen

Morgen und für immer
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Der kleine Kajan lebt während des zweiten Weltkriegs mit seinem Großvater in einem albanischen Bergdorf. 1943 taucht der deutsche Deserteur Cornelius auf – und bei den beiden unter. Er gibt Kajan Klavierunterricht ...

Der kleine Kajan lebt während des zweiten Weltkriegs mit seinem Großvater in einem albanischen Bergdorf. 1943 taucht der deutsche Deserteur Cornelius auf – und bei den beiden unter. Er gibt Kajan Klavierunterricht und dieser schafft es ein bekannter Pianist zu werden. Mittlerweile lebt Kajan in Tirana, wohin seine Mutter als aktive Kommunistin versetzt wurde. Ihre Linientreue reicht sogar so weit ihren Sohn von seiner großen Liebe Elizabeta zu trennen, deren Vater kritisch gegen das Regime eingestellt ist. Kajans Leben ist daraufhin von Wendungen und Zufällen gekennzeichnet und reicht von einer abenteuerlichen Flucht über Ost-nach Westberlin kurz nach dem Mauerbau bis in die USA. Das Schicksal führt schließlich die beiden Liebenden wieder zusammen. Der Roman erzählt von Familie, Verrat und über eine Liebe in Zeiten des Totalitarismus.
Das Cover mit dem Brombeerzweig und den reifen Früchten erscheint zunächst sehr idyllisch. Beim genaueren Hinsehen sind es die unzähligen Dornen, die auffallen. Das Bild vereint dadurch auf sehr ästhetische Weise das Schöne und Süße im Leben mit den unvermeidbaren Problemen, mit welchen Menschen konfrontiert werden. Das Buch ist in sechs Abschnitte unterteilt, die jeweils mit einem wichtigen Einschnitt ins Leben des Protagonisten enden. Wie in einer Art Tagebuch verfügt jeder Kapitelanfang über den genauen Ort und das Jahr von Kajans Erlebnissen. Der Schreibstil holt den Leser sofort ab und nimmt ihn mit auf ein Abenteuer, das einen tief berührt. Die Sprache ist sehr bildhaft und an vielen Stellen von poetischer Schönheit. Trotz der ernsten Themen verfügt die Darstellung der Geschichte durch den Sprachstil doch über eine gewisse Leichtigkeit. Der Lebensweg erscheint einem als wunderschöne Melodie – mit all seinen glücklichen und auch tragischen Passagen. Immer wieder streut der Autor auch Lebensweisheiten auch verschiedenen Kulturkreisen mit ein, die als Hoffnungsschimmer selbst in den traurigen Sequenzen aufblitzen.
Der Klappentext mag irritieren, denn es handelt sich keineswegs nur um eine Liebesgeschichte – schon gar nicht um eine seicht erzählte -, sondern vielmehr um die Darstellung des geschichtlichen Hintergrunds einiger Jahrzehnte; die Stimmung des kalten Kriegs, die Willkür und Grausamkeiten eines totalitären Regimes werden ebenso beleuchtet wie die Tatsache, dass diese Ideologien durchaus auch das Familienleben beeinflussen können.
Selbst wenn einige der Wendungen zunächst fast unwahrscheinlich erscheinen, so strahlt die Geschichte beim näheren Hinsehen doch sehr viel Wahrhaftigkeit aus. Gerne nimmt man dem Autor ab, dass er in diesem Roman die Biographie eines Mannes verarbeitet hat, der tatsächlich gelebt hat. Alle Charaktere sind sehr realistisch beschrieben und ihre Handlungen und Reaktionen nachvollziehbar.
Der Roman verdient eine absolute Leseempfehlung. Die Geschichte berührt zutiefst, erschüttert an vielen Stellen, und gibt doch gleichzeitig Hoffnung.

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Veröffentlicht am 24.03.2023

Salzburgs düstere Seiten

Lost & Dark Places Salzburg
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Mythen und Legenden gibt es in Stadt und Land Salzburg viele. Mit diesem Buch entdeckt man Salzburg abseits der üblichen Touristenwege, versteckt in finsteren Katakomben und alten Gemäuern, und man erfährt ...

Mythen und Legenden gibt es in Stadt und Land Salzburg viele. Mit diesem Buch entdeckt man Salzburg abseits der üblichen Touristenwege, versteckt in finsteren Katakomben und alten Gemäuern, und man erfährt etwas über rätselhafte Tode oder den Schauplatz von Hexenprozessen. Damit man diese schaurige Atmosphäre besonders erleben kann, gibt es hilfreiche Tipps.
Das Coverbild führt in die Katakomben am Petersfriedhof, gleich hinter dem Umschlag befindet sich eine Landkarte, die zu den Lost Places führt in der Stadt und im Land Salzburg führt. Verlassene Ruinen und aufgelassene Industriegebäude vermisst man – darauf wird aber schon im Vorwort hingewiesen. Außerdem beinhaltet der Ratgeber allgemeine Tipps zum Besuch von vergessenen Plätzen. Am Ende befindet sich ein hilfreiches Register mit wichtigen Namen und Orten. Das Buch enthält zahlreiche aktuelle Fotos und ist in 33 Kapitel unterteilt, wovon jedes nach einer kleinen Einleitung neben genauer Adresse und GPS-Daten auch die Anfahrt mit den Öffis beschreibt. Die Abschnitte sind in übersichtliche Unterkapitel unterteilt, der Schreibstil ist angenehm und macht neugierig auf den Besuch der unheimlichen Orte.
Die Lektüre des Buchs ist auch dann interessant, wenn man die Stadt gar nicht kennt; hervorragend eignet es sich natürlich für Salzburg-Besucher, die abseits der üblichen Touristenpfade unterwegs sein wollen. Besonders düster wirken die Plätze dann beim Salzburger Schnürlregen. Nicht zuletzt ist es aber auch für Salzburger sehr interessant – denn viel zu oft übersieht man leider, was man täglich direkt vor der Nase hat.

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Veröffentlicht am 18.03.2023

Liebe als Illusion

Aus ihrer Sicht
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Alessandra wächst im Rom der 1920er Jahre in einer kleinbürgerlichen Familie auf. Der Vater, Beamter im Ministerium, bestimmt als Familienoberhaupt das Leben der Mutter, die leidenschaftlich Klavier spielt. ...

Alessandra wächst im Rom der 1920er Jahre in einer kleinbürgerlichen Familie auf. Der Vater, Beamter im Ministerium, bestimmt als Familienoberhaupt das Leben der Mutter, die leidenschaftlich Klavier spielt. Mit der Erziehung der Tochter ist er nach dem Tod seiner Frau überfordert und schickt Alessandra daher zu seinen Verwandten in ein Dorf in den Abruzzen. Dort soll sie lernen sich unterzuordnen, was nicht gelingt. Zurück in Rom lernt sie Francesco kennen, der im Widerstand gegen die Faschisten kämpft. Die beiden heiraten, doch Alessandra findet auch an Francescos Seite nicht die Zufriedenheit und Freiheit, die sie erhofft hatte. Der Roman beschreibt die Geschichte einer Liebe, und schließlich sogar eines Verbrechens.
Das Cover zeigt das Portrait einer jungen Frau, die selbstbewusst in die Kamera blickt. Das Bild soll auf die Protagonistin Alessandra verweisen, deren Charakter allerdings nicht in nur einem Foto erfasst werden kann. Kapiteleinteilungen gibt es nicht, dafür eine grobe Unterteilung je nach Lebensabschnitt der jungen Frau. Der Roman ist mit seinen mehr als 600 Seiten sehr umfangreich; dennoch scheint kein einziges Wort der Ich-Erzählerin Alessandra überflüssig. Der Schreibstil, teils mit sehr bildhaften, dann wieder sehr direkten Aussagen, entwickelt eine Sogwirkung, die den Leser fesselt und immer tiefer ins Leben der Protagonistin eintauchen lässt. Mit entwaffnender Ehrlichkeit erzählt sie aus ihrem Leben. Ausführlich gibt sie ihre Gedanken wieder und in einer Rückschau auf die Kindheit gibt sie die Geheimnisse des Mietshauses preis, in dem sie aufwächst und zeichnet das zermürbende Leben der Frauen zwischen Haushalt und Kindererziehung. Ganz im Gegensatz dazu steht das ländliche Leben in den Abruzzen. Auch dort erfährt Alessandra, dass Frauen für Haushalt und Kinder zuständig sind, erkennt in ihrer Großmutter allerdings eine sehr starke Persönlichkeit, die sich ihrer Macht sicher ist. In der Ehe mit Francesco stellt Alessandra fest, dass die ursprüngliche Liebe einer oberflächlichen Aufmerksamkeit gewichen ist, die sie nicht länger hinnehmen will. Sie will erreichen, dass Liebe und Ehe nicht unvereinbar, sondern durchaus gleichzeitig bestehen können. Die Charaktere sind alle sehr glaubwürdig dargestellt. Die Autorin geht dabei nicht einseitig vor, denn sie beschreibt nicht nur die „Fehler“ der Männer, sondern geht auch recht offen mit jenen der Frauen um.
Gäbe es nicht Anspielungen auf Faschismus, Besatzung und schließlich das Ende des Kriegs, könnte die Geschichte auch zu einer anderen Zeit spielen. Denn ganz verschwunden ist die untergeordnete Rolle der Frau, die die Gesellschaft ihr zuordnet, auch heute noch nicht.
Interessant ist vor allem auch das Vorwort der Neuausgabe von 1994, in dem die Autorin ihren speziellen Blick auf die italienische Innen- und Außenpolitik darlegt.
Die Originalfassung ist von 1949. Einerseits ist es schade, dass die deutschsprachige Ausgabe erst 2023 erschienen ist, andererseits ist für ein wertvolles Werk wie diesen Roman nie zu spät.

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Veröffentlicht am 09.03.2023

Berufsberatung - kindgerecht

Was ist Noahs Traumberuf?
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Noah weiß zwar noch nicht, was er später arbeiten wird, soll für die Schule aber einen Aufsatz über seinen Traumberuf schreiben. Daher befragt er die Menschen in seiner Umgebung und notiert sich die wichtigsten ...

Noah weiß zwar noch nicht, was er später arbeiten wird, soll für die Schule aber einen Aufsatz über seinen Traumberuf schreiben. Daher befragt er die Menschen in seiner Umgebung und notiert sich die wichtigsten Punkte auch ungewöhnlicher Berufssparten, wie Astronomie, Sport oder Raumfahrt.
Das Bild am Cover ist sehr ansprechend und stammt wie die Aquarelle im Inneren des Buches von Larissa Gurido. Die Sprache ist einfach und kindgerecht; Zeilenabstand und Schrift sind groß und erleichtern das Lesen. Die Erklärungen zu den verschiedenen Berufsbildern sind leicht verständlich.
In übersichtlichen Kapiteln gibt die Autorin einen interessanten Überblick über verschiedene Berufsmöglichkeiten. Nicht nur das Vorstellen verschiedener Berufsbilder und deren Vorteile und Nachteile , sondern vor allem Noahs Herangehensweise an die Aufgabe ist sehr lehrreich für die jungen Leser*innen. Das Buch regt daher allgemein zum Nachdenken über das Leben und Zukunft nach.
Es eignet sich zum Vorlesen für Kinder ab fünf Jahren, aber auch sehr gut zum selber Lesen für ältere Kinder.

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Veröffentlicht am 19.02.2023

Feiner Achtziger-Krimi mit Retro-Charme

Und was ist mit Rosemarie?
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In der Nähe des Kieler Funkturms wir ein Auto mit offenem Kofferraumdeckel gefunden; darin befindet sich der Besitzer des Wagens – tot. Da es nicht um Raubmord handeln kann, warum wurde er erschlagen? ...

In der Nähe des Kieler Funkturms wir ein Auto mit offenem Kofferraumdeckel gefunden; darin befindet sich der Besitzer des Wagens – tot. Da es nicht um Raubmord handeln kann, warum wurde er erschlagen? Und was ist mit Rosemarie? Fragen stellen sich den Ermittlern also genug in diesem Fall, aber werden sie auch Antworten darauf erhalten? Der Roman über Erinnerungen an Gefühle ist bereits 1984 entstanden und wurde vom Autor erst 2020 wiederentdeckt.
Am Cover ist eine Häuserreihe zu sehen, den Großteil des Bildes nimmt das Grün der Kastanienbäume ein, die sich auf die Allee der Straße beziehen, in welcher der Tote wohnte. Am Beginn des Buches befindet sich ein praktisches Personenregister. Die Anzahl der Charaktere ist zwar recht übersichtlich, und eine Aufzählung am Anfang nicht unbedingt notwendig, allerdings sind die Attribute, die der Autor den Personen zuschreibt, sehr aussagekräftig und auch humorvoll gestaltet und schüren daher die Neugierde auf den Inhalt. Der Schreibstil ist flüssig, die Dialoge sind aus dem Leben gegriffen und die Charaktere ebenso realitätsnah.
Auf Seiten der Polizei stechen die gegensätzlichen Ermittler Kühl und Jörgensen hervor. Der an Alter und Erfahrung fortgeschrittene Kommissar Kühl tritt recht selbstbewusst auf und fühlt sich seinem jungen Kollegen Jörgensen sehr überlegen. Die Sympathie liegt jedoch ganz beim jungen Polizisten, der noch ganz am Anfang seiner Karriere bei der Mordkommission steht; seine Ansichten unterscheiden sich ganz wesentlich von denen seines Vorgesetzten. Im Gegensatz zu Kühls Arbeitsweise ist seine Art, die Dinge zu sehen, geradezu erfrischend. Die Lebensweise der Achtziger und die Möglichkeiten der Kriminalpolizei in der damaligen Zeit machen diesen „Retro-Krimi“ sehr interessant. Da weder auf DNA-Analysen noch Handy-Ortung zurückgegriffen werden konnte, liegt die Stärke dieses Buches vor allem in der psychologischen Betrachtung und der Reaktion der handelnden Charaktere. Überraschend und beeindruckend ist auch die Lösung des Falls – oder besser, das Ende der Geschichte – aber davon sollte sich jeder Leser selber überzeugen.

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