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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.02.2023

Für mich weniger ein Krimi, und dennoch ein gutes Buch.

Das Parfum
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Patrick Süskinds zeitloser Roman ist ein niedergeschriebenes Porträt an Gerüchen, Gestank und Düften, die sein Protagonist Jean-Baptiste Grenouille während der Geschichte mit seiner einzigartigen Nase ...

Patrick Süskinds zeitloser Roman ist ein niedergeschriebenes Porträt an Gerüchen, Gestank und Düften, die sein Protagonist Jean-Baptiste Grenouille während der Geschichte mit seiner einzigartigen Nase erschnuppert, denn darum geht es in seinem Buch in der Hauptsache.
Aus diesem Grunde finde ich den Beititel, "Die Geschichte eines Mörders", etwas unpassend, denn meiner Meinung nach geht es nicht in erster Linie um die Morde, die Grenouille zweifelsfrei begeht, sondern um einerseits das ziemlich menschliche Bedürfnis, gesehen und wahrgenommen zu werden und um den Einfluss von Gerüchen auf unsere innere Erlebniswelt. Aufgrund seiner absoluten Eigengeruchslosigkeit wird Grenouille zumeist gar nicht wahrgenommen zu einer Zeit, in der alles um ihn herum riecht, müffelt und stinkt.
Durch seine Ausbildung als Parfürmeur eignet er sich die Kenntnisse an, die nötig sind, um Düfte herzustellen. Es gelingt ihm schließlich, einen Duft zu kreieren, der so wundervoll ist und seinen Träger so anbetungswürdig macht, dass die Menschen um ihn herum auf der Stelle wie einen Gott verehren. Nach dieser Erkenntnis nimmt er sich auf eine überraschende und grausame Weise das Leben.
Ein gutes Buch, das sich auf jeden Fall zu lesen lohnt, und in dem ich besonders den Teil mit Grenouilles Versuch bewunderte sich soweit als möglich vor der menschlich olfaktorisch wahrnehmbaren Welt zurückzuziehen.

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Veröffentlicht am 19.02.2023

Eine tolle Geschichte von der 'anderen Seite' erzählt und zusätzlich ein visueller Leckerbissen

Verloren in Eis und Schnee
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Ihre Eltern schenken ihnen Notizhefte, welche die Zwillingsgeschwister Nadja und Viktor als Tagebuch nutzen und abwechselnd hineinschreiben. Das Buch erzählt von ihrer Reise zurück zueinander, nachdem ...

Ihre Eltern schenken ihnen Notizhefte, welche die Zwillingsgeschwister Nadja und Viktor als Tagebuch nutzen und abwechselnd hineinschreiben. Das Buch erzählt von ihrer Reise zurück zueinander, nachdem sie bei der Evakuierung der in der Stadt lebenden Kinder nicht weit außerhalb Leningrads voneinander getrennt wurden, als der zweite Weltkrieg 1941 Russland erreicht. Aber noch ein dritter 'stiller' Protagonist tummelt sich auf den Seiten: Oberst Smirnow, denn das gesamte Buch ist wie ein Beweisstück der Polizei des kommunistischen Staates aufgemacht, das der Oberst mit Randnotizen und kapitelabschließenden Berichten immer wieder kommentiert, um zu entscheiden, ob die Geschwister sich diverser Verbrechen schuldig gemacht haben. Das gesamte Buch ist eine Kollage aus der eigentlichen Geschichte, Fotos, Kartenmateriel und Notizen, um den Leser mit weiteren Informationen zu versorgen wie beispielsweise die zurückgelegten Wege der Geschwister zueinander anhand von Landkarten.

Es ist schön, mit diesem Buch andere Perspektive des Geschehens des zweiten Weltkriegs vorliegen zu haben als die deutsche, wobei man in den eigentlichen Krieg selbst innerhalb der Geschichte nur wenig Einblick erhält, Kampfgeschehen selbst gibt es weniger, dafür werden die beiden Kinder auf ihren Wegen oft mit den Problemen der Bevölkerung, die sich um das reine Überleben drehen, wie Hunger oder Kälte konfrontiert. Dabei bleibt es den Kindern natürlich auch nicht erspart, diese Dinge am eigenen Leib zu erfahren, Verlust zu erleben, Hunger zu leiden und die Bedrohung der eisigen Kälte zu spüren. Beim Betrachten der beiliegenden Karten wird dem Leser auch klar wie groß das russische Territorium zu jenem Zeitpunkt war, das durchquert werden musste, denn wo man sein Lager für die Nacht aufschlug, Nahrung oder Herberge fand, das musste bedacht werden.

Schon das Cover ist ansprechend gestaltet, aber was sich einem beim Aufklappen des Buches eröffnet, kann nicht anders bezeichnet werden als ein visueller Leckerbissen. Ich kann dieses Buch jedem nahelegen, der sich für den zweiten Weltkrieg interessiert und das Geschehen jener Zeit aus anderer als deutscher Perspektive betrachten möchte.

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Veröffentlicht am 19.02.2023

Viele Wege führen nach Rom, doch nur einer führt zur Jeans

Eine für vier
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Carmen, Tibby, Lena und Bridget; das sind vier Freundinnen, die sich so nahe stehen, dass sie schon Schwestern sein könnten. Bisher haben sie die Sommerferien immer zusammen verbracht, doch in diesem Jahr ...

Carmen, Tibby, Lena und Bridget; das sind vier Freundinnen, die sich so nahe stehen, dass sie schon Schwestern sein könnten. Bisher haben sie die Sommerferien immer zusammen verbracht, doch in diesem Jahr geht jede von ihnen erstmals eigene Wege. Carmen will ihren Vater besuchen, Bridget fährt in ein Fußballcamp nach Mexiko, Tibby bleibt zu Hause im öden Bethseda und arbeitet in einem Drogeriemarkt, und Lena fährt mit ihrer Schwester nach Griechenland zu ihren Großeltern. Damit sie in dieser Zeit trotzdem etwas verbindet, beschließen die vier Freundinnen, die 'magische' Jeans auf Reisen zu schicken, die aus unerklärlichen Gründen allen Mädchen trotz unterschiedlicher Figur passt. Jede von ihnen bekommt die Jeans für einen bestimmten Zeitraum und danach muss sie sie weiterschicken. Alle vier erleben die verschiedensten Sachen: Liebe, Trauer, Freundschaft. Dies ist ein Buch für Mädchen, junge Frauen, und auch für Frauen über den Zusammenhalt, das Erwachsenwerden und die Entdeckung der Unabhängigkeit. Man lacht, weint und fühlt mit ihnen auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden.

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Veröffentlicht am 04.12.2024

Hat mich nicht voll überzeugt, obwohl der Klappentext interessant klang

Die Welt hat blaue Haare
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Luisa ist 17, mit Benno zusammen und todesgelangweilt. In der Schule beobachtet sie Dunja, von der sie so fasziniert ist, dass sie eine Geschichte über ihre Mitschülerin schreibt. In dieser Geschichte ...

Luisa ist 17, mit Benno zusammen und todesgelangweilt. In der Schule beobachtet sie Dunja, von der sie so fasziniert ist, dass sie eine Geschichte über ihre Mitschülerin schreibt. In dieser Geschichte ist Dunja die Welt, trägt weiße Kleidung und blaues Haar.
An einem Sommernachmittag mit der Familie am Grill liest Luisa ihre Geschichte vor; ihrem Onkel, der Tante, ihrem Cousin, ihrer Mutter und der Oma. In dieser Story ist Dunja leidenschaftlich und geheimnisvoll, gemeinsam begeben sie sich auf eine Reise durch ein orientalisches Land.
Auch wenn Luisa für ihr Schreiben gelobt wird, befremdet der Plot ihre Familie. Ihre Mutter spricht sogar sich offen gegen Luisas Schreiberei aus, spekuliert sie doch, dass hinter dieser Erzählung mehr steckt – Neigungen, die sie keinesfalls bereit ist in ihrer Tochter hinzunehmen.
Mehr und mehr schreibt Luisa sich in eine Fiktion und stülpt ihre Fantasie zunehmend der Realität über.

Ich habe schon ein paar gute Rückmeldungen zu diesem Buch gelesen, aber so richtig kann ich mich nicht komplett anschließen. Der Roman ist ungewöhnlich, gar keine Frage, aber mich haben die beiden Erzählebenen eher verwirrt, zumal ich die Geschichte in der Geschichte nicht so ansprechend fand.
Die Familie der Protagonistin könnte in ihren Einzelteilen kaum mehr Konflikte an einen Tisch bringen und steckt einen Rahmen, in dem es sich als Jugendliche mit Kontrast zur Elterngeneration nur schwer frei atmen lässt. Ihr Onkel ist ein rassistischer Boomer, ihre Oma stramme Alkoholikerin und ihre Mutter verachtet Luisas Vorstellungskraft und „Andersartigkeit“. Lediglich ihr Cousin hebt sich von der Spießbürgerlichkeit und Intoleranz der Familie ab, der mit seinen Äußerungen feministischer und antirassistischer Perspektiven eine Wokeness anführt, die Luisa vielleicht deshalb mangeln lässt, weil sie sich von ihrem Umfeld doch bereits zu viel angenommen hat oder sich nicht traut, offen gegen dieses vorzugehen. Die ausgedachte Geschichte der Protagonistin ist vielleicht ein Versuch, ihrem konservativen Milleu vorsichtig ihre eigenen Bedürfnisse und Neigungen anzudeuten.

Veröffentlicht am 04.12.2024

An American Dream

Das geträumte Land
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Nachdem Jende Jonga seine Frau Neni und den gemeinsamen Sohn Liomi zu sich nach New York geholt hat, glaubt er, endlich sein Leben hier beginnen zu können. In seinem kamerunischen Dorf träumen alle davon, ...

Nachdem Jende Jonga seine Frau Neni und den gemeinsamen Sohn Liomi zu sich nach New York geholt hat, glaubt er, endlich sein Leben hier beginnen zu können. In seinem kamerunischen Dorf träumen alle davon, in Amerika zu leben. Jende lebt den amerikanischen Traum. Er arbeitet hart und findet durch seinen Cousin eine Anstellung als Chauffeur beim erfolgreichen Wallstreet-Banker Clark Edwards.
Jende arbeitet für Clarks gesamte Familie, lernt so dessen Frau und die beiden Söhne kennen, und bekommt durch die Nähe viel von den Problemen der Familie mit, die so ganz anders sind als die eigenen. Während Jendes Ängste existenzieller Natur sind – denn sein Asylantrag soll vor Gericht verhandelt werden – scheinen besonders Clarks Frau und sein ältester Sohn von Kümmernissen geplagt zu sein, die ihre jeweiligen Leben auf ganz andere Weise beeinflussen.
Die Finanzkrise des Jahres 2008 schlägt ihre Wellen durch beide Familien, die jeweils auf ihre Arten mit den Wirkungen der Rezession umgehen müssen.

So wie Jende den Wagen durch den Verkehr New Yorks lenkt, so lenkt Imbolo Mbue ihre Protagonist:innen durch die Höhen und Tiefen des American Dream. Jende versucht seiner Familie ein Leben im verheißenen Land aufzubauen, und auch seine Frau Neni ist darauf bedacht, die Grundsteine für ein besseres Leben für das gemeinsame Kind zu legen. Während Jende im Maßstab zu anderen nicht so viel zu verlieren hat, gilt es für die Clarks, in der Finanzkrise die Verluste so gering wie möglich zu halten. Doch manche Schuld lässt sich nicht tilgen und ihr Verlust ist in keiner Währung der Welt aufzuwiegen.
Mbue zeichnet vielfältige Figuren in ihrem Buch, jede individuell problembeladen und auf der Suche nach der ganz eigenen Lösung. In jeden Kopf ihrer Geschichte lässt sie ihre Leser:innen einmal hineinblicken. Ihr Erzählstil ist schlicht, und doch wirkungsvoll.