Von Polly Horvath habe ich bereits einige Bücher gelesen, die mir sehr gut gefallen haben. Mein Eindruck ist ja, dass die Autorin bei uns nicht so bekannt ist wie in ihrem Heimatland Kanada. Zumindest ich stolpere in Buchläden oder auch im Internet eher selten über ihre Bücher. Wirklich schade, denn Polly Horvaths Bücher sind echt gut. Wer auf schräge Ideen und einen skurrilen Humor steht, wird ihre Geschichten bestimmt lieben. Als ich nun auf ihr neues Werk „Der Nachtgarten“ gestoßen bin, war meine Neugier sofort geweckt. Cover, Titel und Klappentext überzeugten mich auf Anhieb, daher stand für mich sofort fest, dass ich das Buch unbedingt lesen möchte.
Die 12-jährige Franny lebt zusammen mit ihren Pflegeeltern Sina und Tom in einem alten, etwas verfallenen Herrenhaus in Kanada. Dort führen sie ein recht ruhiges Leben, allerdings soll es mit diesem erst einmal vorbei sein, als eines Tages Crying Alice vor der Tür steht. Ihren Spitznamen trägt die Frau nicht ohne Grund, da sie die Angewohnheit hat, bei jeder Kleinigkeit laut in Tränen auszubrechen. Auch an diesem Tag gelingt es ihr nicht, Sina und Tom ohne laute Schluchzer um Hilfe zu bitten. Sie müsse ganz dringend nach ihrem Mann sehen, da sie das ungute Gefühl hat, dass dieser etwas Dummes vorhat. Da sie ihre Kinder nicht mit zum Luftwaffenstützpunkt nehmen kann, lädt sie sie kurzerhand bei Franny, Sina und Tom ab. Mit dem Einzug von Wilfred, Winifred und Zebediah stolpert auch ein sehr turbulentes Abenteuer mit in das Herrenhaus. Rätselhafte Briefe, ein Ufo, das Geheimnis um den magischen Nachtgarten, der angeblich Wünsche erfüllen kann und den zu betreten strengstens verboten ist – all das und noch so manches mehr soll für eine äußerst aufregende und spannende Zeit sorgen. Als Zebediah schließlich gegen das Verbot verstößt und den geheimnisvollen Nachtgarten betritt, wird das Ganze sogar richtig gefährlich.
Sieht das Cover nicht toll aus? So schön düster und geheimnisvoll. Nun, nachdem ich das Buch gelesen habe, muss ich zwar gestehen, dass ich es irgendwie nicht so ganz passend für die Geschichte finde, aber klasse finden tue ich das Cover natürlich dennoch.
Es lag wohl mit an der Gestaltung des Buches, dass ich mit einer ganz anderen Story gerechnet habe, als ich hier zu lesen bekommen habe. Schlecht anders war sie nicht, aber so ganz konnte das Buch meine Erwartungen dann leider doch nicht erfüllen.
Der Anfang hat mir noch richtig gut gefallen. Wir lernen unsere Protagonistin Franny kennen und erfahren, auf welch ungewöhnlichem Weg sie als Baby bei ihren Pflegeeltern gelandet ist. Daraufhin folgt einer schrägen Idee der nächsten. Wie ich es aus Polly Horvaths anderen Werken kenne, hat sie auch hier ihrer Fantasie freien Lauf gelaufen und die Geschichte mit lauter urkomischen Einfällen versehen. Ein besonderes Händchen hat die Autorin für die Ausarbeitung von verrückten Charakteren. Diese haben mir in „Der Nachtgarten“ besonders gut gefallen. Allen voran Franny, mit der Polly Horvath eine tolle Protagonistin erschaffen hat. Aber auch Frannys Pflegeeltern mochte ich unheimlich gerne. Und natürlich die drei Kinder Wilfred, Winifred und Zebediah, die für einige Zeit im alten Herrenhaus zu Gast sein werden.
Mir war hier eigentlich kein Charakter unsympathisch. Alle haben sie ihren besonderen Charme und ihre Macken, die einem als Leser bestens unterhalten und breit grinsen lassen. Manchmal habe ich die Witze zwar schon als etwas zu gewollt empfunden, aber da es sich hier um ein Kinderbuch handelt, hat mich dieser Punkt nicht gestört. Ich denke, dass gerade bei den Stellen, die ich als ein wenig zu übertrieben empfand, Kinder sehr viel Spaß haben werden.
Ich persönlich würde „Der Nachtgarten“ vom Humor her ein bisschen mit den Werken von Lemony Snicket vergleichen. Allerdings wirklich nur ein bisschen, denn die Geschichten Snickets sind dann doch noch mal eine ganze Ecke schräger und skurriler. Ich kann „Der Nachtgarten“ aber dennoch ganz besonders Lemony Snicket Fans wärmstens empfehlen.
Was mir leider nicht so gut gefallen hat, ist die Rolle, die der Nachtgarten einnimmt. Da hatte ich etwas ganz anderes erwartet. Ein bisschen enttäuscht hat mich dieser Punkt schon. Ich dachte, man würde als Leser einen schaurig schönen Garten besuchen, der etwas Geheimnisvolles und Magisches an sich hat. Geheimnisvoll und magisch ist dieser Ort zwar, nur erkundet man ihn als Leser leider nicht. Ich denke, da hat mich vor allem das Cover etwas in die Irre geführt.
Womit ich auch nicht gerechnet habe, ist die Zeit, in der das Buch spielt. Schauplatz ist British Columbia/Kanada, zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, genauer gesagt 1945. Ich weiß noch nicht einmal warum, aber ich lese einfach nicht so gerne Bücher, die in dieser Zeit spielen. Versteht mich bitte nicht falsch, ich halte diese Zeit für unheimlich wichtig und finde es gut, wenn diese in Büchern thematisiert wird, gerade in Kinderbüchern. Dennoch greife ich stets nur ungern zu solchen Büchern.
In diesem Buch spielt der Zweite Weltkrieg auch eine recht große Rolle. Aber keine Sorge, dies natürlich nicht auf brutale Weise, sondern absolut kindgerecht.
Was mir allerdings sehr gut gefallen hat, ist, dass das Buch etwas Zeitloses erhält, wodurch es in meinen Augen durchaus das Zeug dazu hat, zu einem Klassiker zu werden.
Auch wenn mich das Buch leider nicht komplett überzeugen konnte, hatte ich hier dennoch sehr viel Spaß beim Lesen. Die Story ist witzig, spannend und herrlich schräg. Sie enthält geschichtliche Aspekte und Fantasy-Elemente. Eine schöne bunte Mischung, die ich nicht nur Kindern, sondern auch älteren Lesern sehr empfehlen kann.
Wenn ihr gerne wissen möchtet, was eine ziemlich schlechte Köchin, eine immerzu weinende Frau, ein Ufo, Paillettenunterwäsche, rätselhafte Briefe und noch so einiges mehr mit diesem Buch zu tun haben, dann solltet ihr es wohl lesen, denn mehr verraten werde ich hier nicht. Wer gerne schräge Geschichten liest, der wird garantiert sehr viel Freude mit „Der Nachtgarten“ haben. :D
Fazit: Spannend, humorvoll und herrlich schräg. Obwohl das Buch meine Erwartungen leider nicht komplett erfüllen konnte, hatte ich hier dennoch sehr viel Spaß beim Lesen. Mit am meisten gestört hat mich die Rolle des Nachtgartens, die ganz anders war als von mir erwartet. Auch etwas enttäuscht war ich von dem letzten Drittel des Buches. Insgesamt aber hat mir „Der Nachtgarten“ sehr gut gefallen und ich vergebe 4 von 5 Sternen!