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Pantoffeltier

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.10.2023

Anstrengend, aber lesenswert

Jenny | Der große Frauen- und Emanzipationsroman von Fanny Lewald | Reclams Klassikerinnen
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Die 16jährige Jenny entstammt einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie. Mit ihrem fröhlichen, offenen Wesen, ihrer Bildung und vor allem ihrer Schönheit, zieht sie bei gesellschaftlichen Anlässen ...

Die 16jährige Jenny entstammt einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie. Mit ihrem fröhlichen, offenen Wesen, ihrer Bildung und vor allem ihrer Schönheit, zieht sie bei gesellschaftlichen Anlässen viel Aufmerksamkeit auf sich. Sie verliebt sich in den bescheiden lebenden Pfarrer Gustav Reinhard und muss zur Ermöglichung einer Hochzeit den christlichen Glauben annehmen. Dies und die starren christlichen Rollenvorstellungen stellen Jenny vor eine große Herausforderung. Und auch Jennys Bruder Eduard ist unglücklich verliebt in die Christin Clara und muss erkennen, wie tief die gesellschaftlichen Gräben zwischen Juden und Christen sind.

Fanny Lewald schöpft aus ihren eigenen Erfahrungen und zeigt sehr deutlich wie tief der Antisemitismus in der Gesellschaft verankert ist und wie starr die gesellschaftlichen Rollen festgelegt waren. Das fand ich aus heutiger Perspektive sehr interessant zu lesen und Lewalds Ansichten erstaunlich modern.

Mir persönlich war es zwischendurch der dramatischen Gefühlsausbrüche etwas zu viel. Glücklicherweise legt sich das in der zweiten Hälfte des Buches bis zu einem dramatischen Ende. Die Aufmachung des Textes finde ich etwas unglücklich gewählt. Es ist recht klein geschrieben und eng gedruckt und die wörtliche Rede ist nicht durch Anführungszeichen gekennzeichnet. Somit wird der Zugang zu diesem fast 200 Jahre alten Text noch weiter erschwert. Sehr interessante fand ich wiederum das durchaus provokativ geschriebene Nachwort, das noch einmal auf die Stellung der Frau in Christentum und Judentum eingeht.

Insgesamt eine anstrengende, aber lesenswerte Lektüre.

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Veröffentlicht am 07.05.2023

Mosaiksteine

Im Widerschein des Krieges
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Gerd Koenen ist Publizist und Historiker, der sich mit deutsch-russischen Beziehungen und der Geschichte des Kommunismus befasst. In diesem Buch sind verschiedene Texte des Autors über Russland aus drei ...

Gerd Koenen ist Publizist und Historiker, der sich mit deutsch-russischen Beziehungen und der Geschichte des Kommunismus befasst. In diesem Buch sind verschiedene Texte des Autors über Russland aus drei Jahrzehnten zusammengefasst. Neben historischen und sozio-ökonomischen Betrachtungen auch Buchbesprechungen und persönliche Eindrücke.
Das Themensprektrum ist breit. Koenen kreist um die Frage warum der Krieg gegen die Ukraine begonnen wurde. Er analysiert die Angst des Kreml vor Massenprotesten, macht Parallelen zu China auf, erinnert an die Kriege in Afghanistan, Tschetschenien und Georgien und den Umgang mit unliebsamen Personen (Journalist:innen, Aktivist:innen).
Sehr interessant ist die Betrachtung davon, wie Russland mit seiner Sowjetgeschichte umgeht. Der Schmerz über den Verlust an Bedeutung nach dem Zerfall der Sowjetunion sitzt tief. Organisationen wie Memorial, die sich mit den Verbrechen der Stalinzeit beschäftigen werden verboten, Stalin gar als selbstloser und weiser Anführer gelobt. Das Verhältnis zum Westen wird thematisiert und ein näherer Blick auf die russische Propaganda und ihre Denkstrukturen geworfen.
Es wird einiges an Wissen vorausgesetzt, da es sich teilweise um Artikel aus wissenschaftlichen Zeitschriften handelt. Die Fußnoten bieten selten Erklärungen, sondern meist nur Zitathinweise. Ich fand es etwas schade, dass die Texte nicht besser in einen thematischen Zusammenhang gebracht werden.
Zwar sind es interessante Sichtweisen, aber die Verbindung zwischen ihnen ist dann doch oft nur, dass sie vom selben Autor geschrieben wurden. So gehen gute Gedanken in der Vielzahl der Themen unter.
Besonders in den extra für das Buch geschrieben Texten am Anfang und am Ende hält der Autor mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg, ordnet die aktuelle Situation ein und wagt sogar vorsichtige Prognosen. Etwas unpassend im Vergleich zum eher wissenschaftlichen Stil des Rests, aber durchaus erhellend.
Insgesamt fand ich es eine etwas anstrengende, fordernde, aber bereichernde Lektüre. Keine klare Linie, dafür viele Mosaiksteine über Putins Russland.

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Veröffentlicht am 20.02.2023

Autobiographische Erzählungen über Beziehungen

Die Kranichfrau
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Die Autorin schreibt ausdrücklich autobiographisch über Beziehungen, Frausein, Freundinnenschaften, Lebensentscheidungen...
Wie es immer so ist bei Kurzgeschichten/Erzählungen mag man einige mehr und andere ...

Die Autorin schreibt ausdrücklich autobiographisch über Beziehungen, Frausein, Freundinnenschaften, Lebensentscheidungen...
Wie es immer so ist bei Kurzgeschichten/Erzählungen mag man einige mehr und andere weniger, kann mit manchen Gedankengängen etwas anfangen und mit anderen eher weniger. Manche Erzählungen fand ich berührend und nachdenklich machend, manche eher etwas ermüdend.

Die Autorin analysiert ihr eigenes Erleben/Verhalten besonders im Hinblick auf vor allem romantische Beziehungen und geht teilweise auch auf Filme/Literatur ein.

Mir gefällt, dass sie keine Lösungen präsentiert, sondern sich als Suchende begreift, deren Entscheidungen nicht immer Sinn ergeben und deren Lebensereignisse sich manchmal nicht schlüssig erzählen lassen. Auch so mancher bildhafter Vergleich wird mich wohl noch ein bisschen beschäftigen. Manchmal hätte ich mir gewünscht, dass sich die Autorin etwas von dem selbst Erinnerten löst und sich durch Fiktionalisierung mehr Freiheiten im Erzählen herausnimmt. Gerade das Nachdenken über das Scheitern der immer gleichen Beziehungen wurde doch etwas sehr ausgewalzt. Und ich hätte gern über mehr Themen gelesen, als vor allem romantische Beziehungen. Das mag für die Autorin interessant und auch heilsam sein, für mich als unbeteiligte Leserin war es nicht ganz so spannend wie erhofft. Gerade die Erzählungen, in denen etwas mehr experimentiert wird (beispielsweise das gleichzeitige Erzählen der Familiengeschichte in Gegenwart und Vergangenheit oder das eine Befragung von Bekannten -vor allem Kindern- darüber, wie sie sich das Haus vorstellen, das sie einmal haben werden) haben mir am besten gefallen.

Insgesamt eine angenehme Lektüre mit kleinen feministischen Denkanstößen, die man nicht verschlingt, aber häppchenweise gut weglesen kann.

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Veröffentlicht am 01.05.2022

Der Nerd im Wandel der Zeit

Nerds
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Annekathrin Kohut nimmmt sich die Figur des Nerds vor, sieht sich an, wie sich der Begriff/die Figur entwickelt hat, in Filmen aufgegriffen wurde und denkt darüber nach, wie seine Zukunft aussieht.

Das ...

Annekathrin Kohut nimmmt sich die Figur des Nerds vor, sieht sich an, wie sich der Begriff/die Figur entwickelt hat, in Filmen aufgegriffen wurde und denkt darüber nach, wie seine Zukunft aussieht.

Das ist auf jeden Fall spannend, denn die Figur des Nerds ist stark mit der Entwicklung von Computertechnologie verknüpft. Nerds sind meist begabte oder fleißige, aber sozial und körperlich schwache Streber- oder Außenseitertypen. Später kommt dann die Aussicht hinzu, dass sich im Berufsleben das Blatt wendet und die ehemaligen Loser nun erfolgreich werden. Besonders in den 80er Jahren folgt die Entwicklung des Nerds vom systemkonformen Streber zum Computerpionier, als aus Jugendlichen, die in ihrer Garage an Computern schraubten und Programme schrieben, Milliardäre wurden.

Die Autorin zeigt auch, dass hinter dem manchmal als rebellisch und unangepasst verstandenen Verhalten der Filmfigur Nerd oft die Sehnsucht nach Reichtum, Erfolg bei Frauen und Statussympolen steckt.

Viele gerade ältere Filme, die die Autorin untersucht, sagen mir nichts, das machte es etwas schwer den Ausführungen zu folgen. Ich kenne die Nerdfigur vor allem aus späteren Serien wie "The Big Bang Theory" und hätte auch andere Serien/Filme noch wichtig gefunden, wie beispielsweise "Mr. Robot". Ich würde bei "How to sell drugs (fast) online" auch nicht Gerda als Nerd etikettieren, sondern Kira. Vermutlich bezieht sich die Autorin nur auf die erste Staffel. Im Grunde genommen verändert sich also das Studienobjekt der Autorin noch während sie darüber schreibt und macht eine genaue Definition und gerade einen Blick auf die Jetztzeit schwierig.

Die Abgerenzung zwischen Nerd, Geek, Streber und Hacker ist meiner Meinung nach auch kaum zu machen und dann noch Youtube und Instagram und die Figur des alten weißen Mannes reinzunehmen, überfrachtet es.

Das wird dann vor allem am Ende etwas knirschig, wenn Kohout versucht einen Zukunftsausblick zu wagen und die Kritik an Misygonie und Rassismus im It-Mileu und seiner Darstelllung aufgreift.

Das war mir dann teilweise zu viel Meinung für ein wissenschaftlich gemeintes Buch. Andererseits kann ich mir gut vorstellen, dass hier einfach Diskussionspotential ist. Ich sehe durchaus, dass "The Big Bang Theory" von ziemlich problematischen Witzen lebt, die man heute vielleicht in den USA nicht mehr so schreiben würde.

Auf jeden Fall eine interessante Lektüre für an Kulturwissenschaft (vor allem Filmen) Interessierte.

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Veröffentlicht am 13.03.2022

Chemie ist Veränderung

Eine Frage der Chemie
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Anfang der 1960er Jahre in Kalifornien: Elizabeth Zott ist eine herausragende Chemikerin, die sich mit Abiogenese beschäftigt. Dass sie als einzige Frau nicht als Sekretärin, sondern in der Forschung arbeitet, ...

Anfang der 1960er Jahre in Kalifornien: Elizabeth Zott ist eine herausragende Chemikerin, die sich mit Abiogenese beschäftigt. Dass sie als einzige Frau nicht als Sekretärin, sondern in der Forschung arbeitet, ist den Männern an ihrem Arbeitsplatz ein Dorn im Auge. Ihr wird so mancher Stein in den Weg gelegt. Aber auch wenn Elizabeth dafür eine Fernsehkochshow nutzen muss, sie lässt sich nicht davon abhalten ihren Weg zu gehen.

Der Ton des Buches ist trotz sehr tragischer und dramatischer Ereignisse leicht und von trockenem Humor getragen. Charakterzeichnungen und Ereignisse werden teilweise bis ins Absurde übertrieben. Das hat mir gerade am Anfang gut gefallen. Es ist spannend und temporeich erzählt und man hat großen Respekt vor Elizabeth, die großen persönlichen Tragödien mit Pragmatismus und Halsstarrigkeit begegnet.
Manchmal fand ich es dann eine Schippe zu viel. Nicht nur Elizabeths vierjährige Tochter sondern auch ihr Hund sind absurd intelligent und so ziemlich alle Frauen schaffen genau das, was sie wollen, wenn sie es nur versuchen zu erreichen oder eine gute Fee in der Hinterhand haben. Allgemein werden groß aufgebaute Probleme etwas zu einfach gelöst. Das fand ich etwas schade, denn die erschreckenden Hintergründe (Das Stehlen von Forschungsergebnissen, das Kleinmachen und Ausschließen von Frauen, die sexualisierte Übergriffigkeit etc.) waren/sind sehr real und nicht so einfach mit Tatkräftigkeit und Entschlossenheit zu beseitigen.
Dennoch, es handelt sich eben um einen Unterhaltungsroman und es hat mir andererseits gefallen, dass es viele bodenständige Figuren gab und das Drama sehr trocken abgehandelt wurde. Auf jeden Fall ein Lesevergnügen, das Mut macht trotz teilweise traurigem Thema.

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