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Veröffentlicht am 21.02.2023

Deutschenmädchen

Als Großmutter im Regen tanzte
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Als Juni vor ihrem gewalttätigen Ehemann in das Haus ihrer verstorbenen Großeltern auf eine kleine norwegische Insel flüchtet, will sie eigentlich nur zur Ruhe kommen, ihre Gedanken ordnen und entscheiden, ...

Als Juni vor ihrem gewalttätigen Ehemann in das Haus ihrer verstorbenen Großeltern auf eine kleine norwegische Insel flüchtet, will sie eigentlich nur zur Ruhe kommen, ihre Gedanken ordnen und entscheiden, ob sie das Kind, dass in ihr wächst behalten möchte. Sie hat das Haus geerbt, da auch ihre Mutter nicht mehr lebt. Beim Aufräumen entdeckt sie alte Fotos, die ihre Großmutter mit einem anderen Mann als ihrem Großvater zeigen.
Juni ist geschockt und irritiert und beginnt zu recherchieren, was wohl die Beweggründe ihrer Großmutter für ihr lebenslanges Schweigen waren.

Ein zweiter Erzählstrang führt direkt in die Vergangenheit. Juni‘s Großmutter Tekla ist noch eine junge Frau 1945. Sie verliebt sich in den deutschen Soldaten Otto und folgt ihm gegen den Willen ihrer Eltern in seine Heimat nach Deutschland. Von ihren Landsleuten als Deutschenmädchen verachtet, wird ihr bei der Ausreise sogar ihr norwegischer Pass eingezogen, was ihre Entscheidung unwiderruflich macht. Sie erlebt unvorstellbares Grauen in Demmin, dem Heimatort von Otto aber auch Menschen, die ihr in größter Not helfen.

In der 2. und selbst der 3. Nachkriegsgeneration haben die Kriegserlebnisse noch nachhaltige Auswirkungen auf die Familie, das zeigt dieser Roman und das Beispiel von Großmutter Tekla sehr eindrücklich. Das Schweigen und Verdrängen der Kriegsgeneration führte auch in ihrer Familie zu Missverständnissen und großen Problemen.

Mich hat der Roman sehr beeindruckt. Die Tragödie von Demmin , von der ich zum ersten Mal gelesen habe, hat mich geschockt und berührt.
Die Autorin hat sehr gut recherchiert und mir neue Einblicke in die Zeit des 2 Weltkrieges verschafft. Der historische Teil, der das Erlebte der Großmutter erzählt hat mir allerdings besser gefallen als die Gegenwart. Leider blieb Juni als Protagonistin ein bisschen blass.
Trotzdem empfehle ich den Roman sehr.

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Veröffentlicht am 19.02.2023

Krisen stärken die Feinde der Demokratie

Unsre verschwundenen Herzen
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Der Roman „ Unsere verschwundenen Herzen“ von Celeste Ng führt uns in eine nähere Zukunft in den USA. Aus Sicht des zwölfjährigen Bird erfahren wir, das er alleine mit seinem Vater in Harvard lebt. Das ...

Der Roman „ Unsere verschwundenen Herzen“ von Celeste Ng führt uns in eine nähere Zukunft in den USA. Aus Sicht des zwölfjährigen Bird erfahren wir, das er alleine mit seinem Vater in Harvard lebt. Das ist nicht immer so gewesen. Vor der großen Krise, hat die Familie gemeinsam mit der Mutter zusammengelebt. Doch diese hat seinen Vater und ihn vor mehreren Jahren verlassen.

Der Grund ist ihm als Kind nicht wirklich klar, doch mit der Wirtschaftskrise hat es große politische Veränderungen gegeben. Man hat der Öffentlichkeit suggeriert, dass China verantwortlich sei für die katastrophale wirtschaftliche Situation des Landes und ein neues Gesetz beschlossen, dass Amerika zu neuer Stärke verhelfen solle.



Das neue Gesetz PACT - Preserving American Culture and Traditions

verspricht alle antiamerikanischen Elemente aufzuspüren, um eine Zersetzung der Nation zu verhindern.



Natürlich denkt man sofort an Trumps Wahlspruch: Make America great again.

Doch das Gesetz geht noch weiter und enthält einen Passus, der es den Behörden erlaubt, verfassungsfeindlich gesinnten Bürgern die Kinder zu entziehen und diese zur Adoption freizugeben. Schließlich sollen die Kleinen von ihren Eltern nicht antiamerikanisch erzogen werden.

Chinesischstämmige Bürger aber auch Einwohner mit asiatischen Wurzeln, die seit mehreren Generationen in den USA leben, haben es seitdem schwer und werden offen diskriminiert und diffamiert. Man erfährt, dass auch Margaret, Bird‘s Mutter chinesische Wurzeln hat. Sie ist Künstlerin und ihr Gedicht „Unsere verschwundenen Herzen“ ist zur Parole des Widerstands geworden, denn immer mehr Kinder verschwinden aus ihren Herkunftsfamilien.

Als Bird einen Brief seiner Mutter findet, macht er sich auf Spurensuche. Er möchte unbedingt für sich herausfinden, warum seine Mutter ihn verlassen hat. Seinen Vater kann er nicht fragen, da dieser schweigt und mit seiner Mutter nichts mehr zu tun haben möchte.

Nachdem wir im 1. Teil des Buches, der mir sehr gut gefallen hat, Bird folgen und so langsam in dieses zukünftige Amerika eintauchen, begleiten wir im 2 Teil Margaret, erfahren von ihrem Privatleben und wie sie zum Widerstand gekommen ist. Mit Margaret bin ich nicht wirklich warmgeworden. Sie wirkte auf mich doch recht kühl und distanziert. Der Gedanke, dass durch Kunst und Literatur eine wirksame Widerstandsbewegung aufgebaut werden kann, ist zwar reizvoll aber vielleicht auch ein bisschen naiv. Schade fand ich, dass das titelgebende Gedicht im ganzen Roman nicht als Ganzes abgedruckt wurde. Das Ende war passend aber nicht ganz so meins.



Sehr lesenswert fand ich das Nachwort der Autorin. Ihr ist mit Beginn der Pandemie 2020 ein deutlicher Anstieg der antiasiatischen Diskriminierung aufgefallen. Wie reagiert man am besten darauf? Wegducken, weil man zunächst einmal nicht betroffen ist oder aktiv dagegen angehen, auch wenn man Repressalien zu befürchten hat? Eine funktionierende Demokratie braucht Zivilcourage, denn nicht selten wird die Meinungsfreiheit unter dem Deckmantel von Sicherheitsgedanken einfach eingeschränkt, wie im Buch beschrieben. Auch das Verfahren Kinder als Druckmittel aus ihren Familien zu reißen, ist keine Erfindung der Autorin, sondern leider an die Realität angelehnt, wie sie im Nachwort belegt.

Ich fand das Buch auf jeden Fall ausdrucksstark und lesenswert, auch wenn es aufgrund oben genannter Kritikpunkte kein Highlight für mich war.

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Veröffentlicht am 27.01.2023

Rückblick auf ein bewegtes Leben in Lateinamerika

Violeta
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Violeta, geboren 1920 in Chile, blickt auf ein bewegtes Leben zurück. Jetzt , ein ganzes Jahrhundert später, reflektiert sie kurz vor ihrem Tod das Erlebte, indem sie ihrem Enkel in Briefen ihre Memoiren ...

Violeta, geboren 1920 in Chile, blickt auf ein bewegtes Leben zurück. Jetzt , ein ganzes Jahrhundert später, reflektiert sie kurz vor ihrem Tod das Erlebte, indem sie ihrem Enkel in Briefen ihre Memoiren schreibt.

Es war ein Leben zwischen 2 Pandemien. Zu Beginn ihres Lebens hat die spanische Grippe gewütet. 2020 bekommt sie vor ihrem Tod noch die Corona-Pandemie mit. Als Kind muß Violeta erleben, wie die gerade noch wohlhabende Familie in der Weltwirtschaftskrise alles verliert und mit nur wenigen Habseligkeiten in die Verbannung aufs Land ziehen muss., ein Ort, den sie später als Zuflucht bezeichnen wird.

Als junge Frau heiratet sie einen Mann, den sie nicht wirklich liebt, der ihr aber Sicherheit bietet. Als der zwielichtige Juliàn Bravo in ihr Leben tritt, verliebt sie sich leidenschaftlich und verlässt ihren Mann schließlich, um einen neuen Lebensabschnitt mit ihrem Liebhaber zu beginnen.

Violeta war eine sehr temperamentvolle und eigensinnige Protagonistin, die einige gute Eigenschaften hatte, mit deren Handeln ich mich aber oft auch gar nicht identifizieren konnte. Doch gerade ihre Charakterschwächen liessen die Figur auch authentischer wirken.Sie war eine kluge Geschäftsfrau, die es mit der Zeit gelernt hat ihre Eigenständigkeit zu verteidigen und sich noch im fortgeschrittenen Alter für Frauenrechte einsetzte..

Ich mochte den mitreißenden Sprachstil der Autorin, die es immer auch verstand, die politischen Strukturen im Land mit zu erzählen. So erlebt man z.B. mit Violeta den Sturz der Demokratie, Jahre der Militärdiktatur, die Entstehung einer paramilitärischen Kolonie namens Colonia Esperanza ( ganz offensichtlich die Colonia Dignidad) und vieles mehr.

Es hat mir großen Spaß gemacht, diese fiktive Lebensgeschichte einer spannenden Frau zu lesen. Allerdings hätte ich mir an manchen Stellen etwas mehr Tiefe gewünscht.

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Veröffentlicht am 21.01.2023

Politthriller mit Insiderwissen

State of Terror (ungekürzt)
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Wenn eine bekannte kanadische Krimiautorin sich mit einer ehemaligen First Lady der USA zusammentut, um einen politischen Thriller zu schreiben, sind die Erwartungen natürlich hoch.

Ich habe es dann auch ...

Wenn eine bekannte kanadische Krimiautorin sich mit einer ehemaligen First Lady der USA zusammentut, um einen politischen Thriller zu schreiben, sind die Erwartungen natürlich hoch.

Ich habe es dann auch nicht bereut zu diesem Buch gegriffen zu haben, soviel sei vorneweg schon mal gesagt.

Mehrere Bombenattentate werden in europäischen Städten verübt und erschüttern die Welt. Doch dann stellt sich heraus, dass diese Anschläge von dem eigentlichen Ziel, den Vereinigten Staaten von Amerika ablenken sollten, wo vermutlich an mehreren Standorten nukleare Bomben versteckt wurden.

Nach den Attentaten in Europa gibt es keine Bekennerschreiben und so tappen der amerikanische Präsident Williams, seine Außenministerin Ellen Adams und der Sicherheitsstab zunächst einmal völlig im Dunkeln.

Doch schon bald führen Spuren zu einem international operierenden Waffenhändler, der sich in Pakistan unter Hausarrest befinden sollte, hätte sich die amerikanische Vorgängerregierung nicht für seine Freilassung stark gemacht.

Der Thriller bietet so einiges, was mir richtig gut gefällt. Er ist spannend und unterhaltsam. Die Geschichte profitiert mit Sicherheit auch von dem Hintergrundwissen des Politikbetriebs im Weißen Haus, zu dem Frau Rodham Clinton beigesteuert hat. Außerdem ist die Geschichte erschreckend aktuell. Mit der beschriebenen Vorgängerregierung, wird ganz unverhohlen die Trump Präsidentschaft beschrieben und scharf kritisiert. Der Thriller wurde vor dem Sturm des Capitols veröffentlich und hat die Stimmung im Land im Vorfeld aber ziemlich genau eingefangen. Im Gegensatz zu anderen Büchern dieses Genres spielen hier nicht die Männer die Helden, sondern es gibt starke Frauen, die im Fokus der Geschichte stehen.

Erwartungsgemäß ist die Geschichte allerdings sehr patriotisch und sehr amerikanisch. Die Außenministerin agiert ein bisschen wie Superwoman.

Obwohl die ersten Anschläge in London, Paris und Frankfurt stattfinden, übernehmen die Amerikaner automatisch das Kommando.Die Europäer selbst kommen kaum zu Wort.

Mich hat das Buch aber durchaus gut unterhalten. Es war wirklich spannend bis zum Schluss. Mit großem Unbehagen lässt man nochmal die Ära Trump Revue passieren.

Ich hatte diesen Thriller als Hörbuch vorliegen. Charlotte Puder, die das Buch eingelesen hat, hatte für die weiblichen Personen eine sehr angenehme Stimme. Für die Männer war ihre Stimmlage für mein Empfinden aber zu hoch. Da hätte mir ein weiterer Sprecher besser gefunden.

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Veröffentlicht am 18.12.2022

Düster und mitreißend

Die geheime Geschichte
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Richard Papen , ein junger Mann aus einfachen Verhältnissen, kann dank eines Stipendiums seinem lieblosen Elternhaus in Kalifornien entfliehen, und ein Studium im College von Hampden in Vermont beginnen. ...

Richard Papen , ein junger Mann aus einfachen Verhältnissen, kann dank eines Stipendiums seinem lieblosen Elternhaus in Kalifornien entfliehen, und ein Studium im College von Hampden in Vermont beginnen. Den Empfehlungen seines Studienberaters zum Trotz möchte er unbedingt in die Altgriechischklasse aufgenommen werden, ein ganz besonderer Kurs mit nur einer Handvoll Studenten, die sich zusammen mit ihrem Professor Julian Morrow vom restlichen Campusleben abschirmen und einen elitären Kreis bilden,in den eigentlich keine neuen Studenten aufgenommen werden. Richard gelingt die Aufnahme aber tatsächlich und er ist stolz nun zu dem illustren Kreis dazuzugehören. Seine Mitstudenten sind Söhne reicher Eltern, wie Henry, der in gewisser Weise Kopf der Studentengruppe ist und Francis, der geerbt hat und sich ebenfalls keine Geldsorgen zu machen braucht. Das Zwillingspaar Camilla und Charles wird nach dem Tod der Eltern finanziell von der wohlhabenden Großmutter unterstützt. Nur Bunny, dessen Eltern nicht so freigiebig sind, spielt eher den reichen Lebemann und schnorrt sich aber bei seinen Freunden durch, was aber schulterzuckend akzeptiert wird.

Schon im Prolog wird Bunny ermordet. So wie es aussieht sind die Täter seine Freunde. Der Roman befasst sich also nicht mit der Tätersuche, sondern erzählt aus Richard‘s Sicht, wie und warum es zu diesem Verbrechen kam und was sich daraus für Folgen ergeben.

Die Charaktere sind sehr detailreich, ja fast ausschweifend beschrieben. Auch um die äußerst düstere Atmosphäre aufzubauen spart die Autorin nicht an Details.

So führen die Ausschmückungen natürlich oft auch die Handlung nicht voran, und ich habe das Buch dann als langatmig empfunden.

Richard, der von außen in diese Gruppe stößt, ist da selbst ins Geschehen involviert, nicht immer der zuverlässigste Erzähler. Trotzdem fand ich diesen Schachzug der Autorin aus Richard’s Perspektive zu erzählen sehr geschickt, denn man lernt als Leser die Gruppe mit dem gleichen Wissenstand wie er kennen. Der ist Anfangs fasziniert , fast schon besessen von ihnen. Er teilt die leidenschaftliche Begeisterung mit der sie sich dem Griechischen hingeben und diese Werte auch zu leben versuchen. Der Mord verändert natürlich alles. Innere Konflikte, Fragen von Moral und Schuld werden thematisiert. Der schon zu Beginn bedenkliche Konsum von Alkohol, Zigaretten und Drogen wird noch ausufernder. Die Beschreibung der Gruppendynamik fand ich total interessant und das Buch entwickelte für mich zunehmend einen starken Sog.

Sehr gefallen hat mir auch das Ende der Geschichte und dass von jeder in der Geschichte relevanten Person erzählt wird, was aus ihr geworden ist.


Ich kann den Roman, der oft als das Vorbild für Romane des Sub-Genre Dark Academia genannt wird auf jeden Fall empfehlen, auch wenn ich mich an manchen Stellen ein bisschen durchkämpfen musste.

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