Profilbild von TochterAlice

TochterAlice

Lesejury Star
offline

TochterAlice ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit TochterAlice über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.02.2023

DDR-Ferienlager

Schneckenmühle
0

Sommer 1989: Jens, ein Berliner Junge im Teenageralter aus dem Osten der Stadt fährt, wie auch in den Jahren davor, ins Jugendlager Schneckenmühle. Und zwar mit gemischten Gefühlen: einerseits freut er ...

Sommer 1989: Jens, ein Berliner Junge im Teenageralter aus dem Osten der Stadt fährt, wie auch in den Jahren davor, ins Jugendlager Schneckenmühle. Und zwar mit gemischten Gefühlen: einerseits freut er sich, viele Freunde wiederzutreffen, andererseits hadert er mit dem Ungewissen. Wie wird es dort dieses Jahr, das zudem sein Letztes ist? Außerdem ist er kein Durchschnittsbürger: er hat durch Verwandtschaft viel Westkontakt und ist zudem "kirchlich" - seine Eltern sind also Christen. Das unterscheidet ihn in einigem von anderen, verleiht ihm eine teilweise distanziertere, teilweise aber auch naivere Sichtweise.

Dieses Buch thematisiert den Aufbruch und zwar in unterschiedlicher Hinsicht: aus Jens' ganz eigener Perspektive den ins Erwachsenenleben, aus der Sicht seiner Familie den in ein neues, anderes Leben im Westen, aus politischer Sicht den Aufbruch in eine andere Zeit mit neuen Strukturen, neuen Grenzen. Das alles ist, da aus Jens' Sicht dargestellt, unglaublich subtil geschildert - auch wenn es der Blickwinkel eines ganz normalen, frechen Jugendlichen ist, wirkt es sehr zart, sehr empfindsam.

Ein Buch für Erwachsene? Schwer zu sagen. Ein Jugendbuch? Ganz bestimmt nicht! Was ist es denn und für wen ist es gedacht? Nun, in erster Linie ein toll geschriebener Roman, deutsche Gegenwartsliteratur zum Genießen. Aber auch eine Dokumentation einer ganz wichtigen, ja der wichtigsten Veränderung in Deutschland in den letzten 50 Jahren. Also etwas für jeden, der sich für das Thema "Wende" und "Wiedervereinigung" interessiert und nicht nur reine Fakten, sondern auch Stimmungen erfassen will. Das nämlich ist durch dieses Buch möglich: eine besondere Gabe des Autors und ein Geschenk für die Leser - jedenfalls für diejenigen, die einen Sinn für so etwas haben.

Veröffentlicht am 23.02.2023

Ein gezeichneter Mobbing-Western

Antoinette kehrt zurück
0

Antoinette führt ein Luxusleben in Hollywood - ein toller Beruf, ein gutaussehender, berühmter und allseits begehrter Mann, der seinerseits aber nur sie begehrt - alle beneiden sie! Aber tief in ihr drin ...

Antoinette führt ein Luxusleben in Hollywood - ein toller Beruf, ein gutaussehender, berühmter und allseits begehrter Mann, der seinerseits aber nur sie begehrt - alle beneiden sie! Aber tief in ihr drin steckt eine andere Wahrheit, eine Vergangenheit in einer deutschen Kleinstadt, eine Vergangenheit als Mobbing-Opfer.

Antoinette kehrt zurück zur Stätte ihrer Pein und der Leser dieser sehr detailliert und emotional gezeichneten Graphic Novel darf sie dabei begleiten. Und ich kann Ihnen versprechen - es tun sich Abgründe auf! Dieser gezeichnete Band ist nicht jugendfrei und das definitiv nicht in der herkömmlichen Art und Weise, denn Antoinette kommt nicht nur zurück, sie schlägt auch zurück.

Ein Buch für Leser, die gut reflektieren, die gut die Wirklichkeit von Fiktion trennen und so auch dieses Mobbing-Erlebnis ins Irreale verbannen können. Und es geht wirklich nahe - beginnt es noch sehr allgemein und ziemlich an der Oberfläche, geht die Zeichnerin und Texterin Olivia Viehweg in die Vollen. Und sie kann es ! Der aufmerksame Leser erfasst, dass sie ihren Dürrenmatt gelesen und reflektiert hat, es ist auch anzunehmen, dass sie sich mit der Western-Kultur auseinandergesetzt hat - eindeutige Parallalen zu Bildern und Schnitten des Filmes "Zwölf Uhr mittags" - oder ähnlichen Produktionen - sind, so finde ich, unübersehbar, wenn auch auf die ureigene Art und Weise der Autorin umgesetzt und die ist wirklich sehr emotional und heftig. Man muss sich dem Thema, der Problematik schon stellen wollen und in Kauf nehmen, dass Unerwartetes passiert.

Ein harter, trotzdem märchenhafter Mobbing-Western, der schockt und polarisiert, keineswegs jedoch kalt lässt. ich finde, hineinschauen bzw. -lesen lohnt sich, man sollte jedoch Antoinettes Praktiken im wahren Leben im Märchenland lassen und seine Rache - falls eine solche gewünscht wird - friedlich beim Rezipieren dieses treffend gezeichneten und gestalteten Bandes ausleben!

Veröffentlicht am 17.02.2023

Magische Eifersucht

Witches of Brooklyn - Eine Stadt voller Hexen
0

Effie hat sich bei ihren (für sie) steinalten, aber so gar nicht langweiligen Tanten bestens eingelebt und genießt ihr Dreierklübchen in der Schule mit ihren beiden Freunden - bisher eine verschworene ...

Effie hat sich bei ihren (für sie) steinalten, aber so gar nicht langweiligen Tanten bestens eingelebt und genießt ihr Dreierklübchen in der Schule mit ihren beiden Freunden - bisher eine verschworene Gemeinschaft. Aber jetzt gibt es eine neue Mitschülerin und auf die ist Berrit sowas von fixiert.

Gut, dass Selimene und Carlotta für alles ansprechbar sind, so auch für dieses Anliegen - aber so richtig verstehen tun sie es nicht, findet Effie. Sie meinen nämlich, sie sollte Geduld haben und Verständnis zeigen. Also echt jetzt - eine Woche hat sie es ausgehalten (naja, mehr oder weniger), aber damit stösst sie bei den Tanten auf wenig Gegenliebe.

Gut, dass es Ereignisse gibt, die davon ablenken, bspw. das halbjährige Hexentreffen im Hause, wo Effie ganz andere Typen von Hexen als die ihr bisher bekannten kennenlernt. Spannend, zumal ein interessant geformter Bonsai im Hause Einzug hält, von dem noch ganz schön was zu erwarten ist! Zudem lernt sie Sissi kennen, die ihre Tanten um Hilfe bei einem Problem bittet - diese beziehen Effie gleich ein in die Aktion.

Und dann passiert etwas mit Berrit, an dem ganz eindeutig Effie Schuld trägt. Oh Mann, so mies hat sie sich noch nie gefühlt!

Wie der erste Teil der Reihe ist auch dies ein wunderbar warmherziger Hexencomic, der einiges an Überraschungen birgt - nicht nur für Effie!


Veröffentlicht am 11.02.2023

Fantasy - eigentlich ziemlich normal

Witches of Brooklyn - Total verhexte Tanten
0

Effie ist eigentlich nur ein trauriges kleines Mädchen, als sie zu Selimene und Carlotte nach Brooklyn kommt - sie hat gerade ihre Mutter verloren und muss nun zu diesen steinalten, langweiligen ...

Effie ist eigentlich nur ein trauriges kleines Mädchen, als sie zu Selimene und Carlotte nach Brooklyn kommt - sie hat gerade ihre Mutter verloren und muss nun zu diesen steinalten, langweiligen Tanten.

Oh Mann, wie sie das wohl durchstehen wird? Sie soll sogar Kakao trinken, igitt! Und überhaupt, diese Selimene ist überhaupt gar nicht nett, aber Carlotta ist eigentlich gar nicht so übel und als sie zur Schule gebracht wird, lernt sie sofort zwei neue Freunde kennen. Ganz so übel ist das Leben also doch nicht, vor allem, als sie merkt, dass das Leben bei den Tanten magische Komponenten birgt. Auch für sie selbst.

Und außerdem trifft sie einen gaaaanz berühmten Popstar, der zwar nicht sie, aber doch ihre neue Freundin vollkommen zu begeistern mag. Und der - vielmehr die- denn es ist die unfassbare Tily Shoo, die auch ihre HIlfe braucht. Einfach unglaublich.

Aber für mich ist das Beste, dass sich hier Erwachsene bei Kindern entschuldigen und mit ihnen beraten. Ganz normal! So normal, dass es fast schon wieder magisch ist. Ein wirklich berührender Comic nicht nur für Kinder!

Veröffentlicht am 29.01.2023

Ich bin verliebt bis zum Gehtnichtmehr

Kummer aller Art
0



Und schwebe ähnlich abgehoben wie Frau Wiese durch die Weltgeschichte.

Frau Wiese ist zusammen mit Herrn Pohl die Nachbarin, mit der Mariana Leky (wahrscheinlich fiktiverweise) am meisten zu tun hat ...



Und schwebe ähnlich abgehoben wie Frau Wiese durch die Weltgeschichte.

Frau Wiese ist zusammen mit Herrn Pohl die Nachbarin, mit der Mariana Leky (wahrscheinlich fiktiverweise) am meisten zu tun hat und über die sie oft und gerne berichtet - warmherzig und mit einem Augenzwinkern, wie es halt ihre Art ist. Ebenso wie über ihre Eltern, Onkel Ulrich und diverse Patenkinder und -tanten, die mir sehr sympathisch sind, da ich auch in dieses System der Wahlverwandtschaft eingebunden bin.

Die kurzen Kolumnen der Autorin sind wie gemacht, um für gute Laune oder zumindest ein bisschen Zuversicht zu sorgen. Auch wenn hier durchaus schräge Typen vorkommen, es sind doch auch immer welche von den Erwähnten in der Nähe, um für positive Erlebnisse zu sorgen. Einmal gibt es sogar ein Wiedersehen mit Dieter, dem einzigen Patienten, den die Autorin je hatte - als Kind im Hause ihres Vaters, der diesen eigentlich zu betreuen hatten - der Gipfel an Warmherzigkeit und Originalität.

Desgleichen erfreuen mich immer wieder die Reminiszenzen ans Rheinland - Frau Leky ist ebenso wie ich in Kölle jeboren: mal hat einer einen Ratsch im Kappes, mal heißt jemand wie ein Kölner Stadtteil (nämlich Kriel - wie mein Veedel) - hier passt einfach alles. Und das, obwohl ich gar keine Kurzgeschichten mag. Also, normalerweise nicht. Aber diese hier schon. Es sind ja auch Kolumnen

Mehr noch: ich liebe sie. Heiß und innig. Und werde das Buch immer mal wieder in die Hand nehmen, um mich an meinen liebsten Sequenzen zu erfreuen. Zudem werde ich den Band jedem schenken, dem ich ein bisschen gute Laune ins Haus bringen will!