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Veröffentlicht am 01.03.2023

Ein berührender und fesselnder Roman

Als Großmutter im Regen tanzte
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Die Norwegerin Juni ist Mitte 30, als sie nach dem Tod ihrer Mutter Lilla ins Haus ihrer verstorbenen Großeltern Tekla und Konrad auf einer kleinen norwegischen Insel zurückkehrt, um es auszuräumen. Die ...

Die Norwegerin Juni ist Mitte 30, als sie nach dem Tod ihrer Mutter Lilla ins Haus ihrer verstorbenen Großeltern Tekla und Konrad auf einer kleinen norwegischen Insel zurückkehrt, um es auszuräumen. Die Beziehung zu ihrer Mutter war schwierig, und auch das Verhältnis zwischen Lilla und Tekla war belastet von Schatten aus der Vergangenheit, über die zeitlebens geschwiegen wurde. In den Habseligkeiten ihrer Mutter und Großeltern entdeckt Juni Fotos und Briefe, die sie dem Geheimnis ihrer Familie auf die Spur bringen, und sie beginnt, weiter nachzuforschen. Und je tiefer sie in Teklas Leben eintaucht, desto mehr lernt sie auch über sich selbst.

"Als Großmutter im Regen tanzte" wird parallel in zwei zeitlich versetzten Handlungssträngen erzählt: Der erste spielt in der Gegenwart und beschreibt mit Juni als Ich-Erzählerin ihr Leben und ihre Spurensuche in der Vergangenheit. Der zweite beginnt gegen Ende des 2. Weltkrieges in Norwegen und erzählt die Geschichte der junge Tekla.

Der Roman ist berührend und fesselnd geschrieben und zog mich ab der ersten Seite so sehr in seinen Bann, dass ich ihn nicht mehr aus der Hand legen konnte und ihn innerhalb eines Tages gelesen habe. Insbesondere der Handlungsstrang um Tekla hat mich richtig gepackt, der zweite um Juni ist etwas blasser und ein bisschen zu glatt. Die Geschichte hat mich insgesamt sehr nachdenklich gestimmt, zeigt sie doch, wie sich Traumata über Generationen fortsetzen können, und wie sehr unsere Identität auch vom Leben unserer Vorfahren geprägt ist, auch wenn wir uns dessen oft nicht bewusst sind.

Ich habe durch diesen Roman erstmals von den entsetzlichen Geschehnissen 1945 im ostdeutschen Demmin erfahren, und ich bin fassungslos, dass ich zuvor noch nie davon gehört hatte. Ferner thematisiert das Buch die teils lebenslange Ächtung norwegischer Frauen, die sich im zweiten Weltkrieg in deutsche Soldaten verliebten. Trude Teige greift damit zwei wichtige, aber bisher wenig beachtete Themen auf und bewahrt sie vor dem Vergessen. Sehr interessant ist in diesem Zusammenhang auch ihr Nachwort am Ende des Romans.

Der Autorin gelingt es, historische Details und Zusammenhänge geschickt in den Roman einzubinden und die Schmerzen, Verluste und Wunden der Norweger, Deutschen und Russen gleichermaßen begreiflich zu machen. Viele Stellen des Romans sind schmerzhaft zu lesen, und das sinnlose Leid, das Kriege zu allen Zeiten über die Beteiligten auf allen Seiten bringen, wird schonungslos offenbar.

Auch wenn der Roman stellenweise tieftraurig ist, bewahrt er sich Hoffnung und Trost durch den  Glauben an die inneren Stärke, die Freundschaft und Liebe.

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Veröffentlicht am 27.02.2023

Bitterböse Satire auf die Politikelite der DDR

Herr Aurich
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Die Erzählung "Herr Aurich" von Monika Maron entstand bereits 1982 in der DDR und wurde nun von Hoffmann & Campe neu herausgegeben.

Herr Aurich ist Parteifunktionär eines ungenannten Staates, bei dem ...

Die Erzählung "Herr Aurich" von Monika Maron entstand bereits 1982 in der DDR und wurde nun von Hoffmann & Campe neu herausgegeben.

Herr Aurich ist Parteifunktionär eines ungenannten Staates, bei dem es sich unverkennbar um die DDR handelt. Infolge eines Herzinfarktes wird Herr Aurich in ein Krankenhaus für verdiente Personen gebracht, und er deutet jede Geste als ein Vorzeichen darauf, dass er zu Höherem berufen ist. Er ist weniger um seinen Gesundheitszustand besorgt als um seine Stellung im System, denn "Oben war da, wo Aurich war." Je tiefer er in der Bedeutungslosigkeit, der namenlosen Masse, versinkt, desto mehr Genugtuung verschafft es ihm, gegen die zu treten, die noch schwächer sind, und desto stärker spürt er die Verantwortung des gesamten Staates auf seinen Schultern lasten...

Die Erzählung umfasst nur 65 Seiten, Monika Maron verdichtet jedoch sprachlich so pointiert, dass sie darin die Verlogenheit, die Ängste und den Opportunismus des politischen Apparates der DDR in ihrem Kern erfasst. Die feinen Klassenunterschiede werden zum identitätsstiftenden Merkmal in der Elite der klassenlosen Gesellschaft. Das Buch ist eine herrlich bitterböse, scharfzüngige Satire, und
allein die Beschreibung Herrn Aurichs beim Anziehen seiner Hose charakterisiert ihn in einem einzigen Satz so messerscharf, dass es ein reines Vergnügen ist, dies zu lesen.

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Veröffentlicht am 27.02.2023

Spannend und toll geschrieben

Schattenbruch
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"Schattenbruch" ist der 6. und finale Band der Münsterlandkrimis um die beiden Kommissare Maik Bertram und Heinrich Tenbrink. Tenbrink ist inzwischen pensioniert und Bertram wurde zum Hauptkommissar befördert. ...

"Schattenbruch" ist der 6. und finale Band der Münsterlandkrimis um die beiden Kommissare Maik Bertram und Heinrich Tenbrink. Tenbrink ist inzwischen pensioniert und Bertram wurde zum Hauptkommissar befördert. Bertram, der als Untermieter im Haus von Tenbrink wohnt, wacht eines Morgens benommen auf. Neben seinem Bett findet er den leblosen Körper seiner Geliebten, mit Würgemalen am Hals. Bertram gerät unter dringendem Tatverdacht und setzt zusammen mit Tenbrink alles daran, um seine Unschuld zu beweisen und den wahren Mörder zu finden.

Da der Fall in sich abgeschlossen ist, ist er auch problemlos lesbar, ohne die Vorgängerbände zu kennen, allerdings enthält er immer wieder Anspielungen auf frühere Fälle, die für Fans der Reihe eine besondere Freude sind und das Ende der Reihe sehr schön abrunden.

Besonders gut gefiel mir, dass die Charaktere glaubhaft handeln und die gesamte Handlung unaufgeregt, aber abwechslungsreich und fesselnd ist. Sehr erfrischend fand ich die Mutter von Hauptkommissarin Isa, die für einige unterhaltsame Szenen sorgt und mich öfters zum Schmunzeln brachte. Da ich bisher zum Münsterland keinen Bezug hatte, freute ich mich über immer wieder eingestreute Worte im münsterländischen Platt und die Beschreibung regionaltypischer Eigenheiten.

Ich hatte viel Freude an diesem spannenden Fall und kann das Buch in jedem Fall weiterempfehlen!

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Veröffentlicht am 26.02.2023

Eine echte Entdeckung

Kollektorgang
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Kollektorgang von Daniel Blum ist ein bemerkenswertes Buch für Jugendliche und Erwachsene. Der bereits verstorbene 13jährige Protagonist Mario erzählt darin vom Friedhof aus als Ich-Erzähler seine Geschichte, ...

Kollektorgang von Daniel Blum ist ein bemerkenswertes Buch für Jugendliche und Erwachsene. Der bereits verstorbene 13jährige Protagonist Mario erzählt darin vom Friedhof aus als Ich-Erzähler seine Geschichte, die in der düsteren Welt alter Plattenbausiedlungen aus DDR-Zeiten spielt. Hierauf verweisen bereits der Titel und das in dynamischer Fluchtpunktperspektive gezeichnete Cover, da es sich bei Kollektorgängen um unterirdische Versorgungsgänge handelt, die mehrere Plattenbauten miteinander verbinden und der Energieversorgung dienen.
Erzählperspektive und Setting erinnern unwillkürlich an Edgar Wibeau aus Ulrich Plenzdorfs "Die neuen Leiden des jungen W.", und ich war sehr gespannt auf die Geschichte.

Der Schreibstil ist schnörkellos, aber sehr eindringlich, manchmal lakonisch, und fesselte mich ab der ersten Seite. Die Geschichte beginnt quasi "von hinten", und nach und nach fügen sich die einzelnen Puzzleteile ineinander. Das Buch zeichnet ein düsteres, eindringliches und nachdenkliches Bild, über Augenblicke, die über Leben und Sterben entscheiden, über Rassismus, soziale Ungleichheit und über sinnlose Gewalt, die aus Orientierungs- und Perspektivlosigkeit erwächst.

"Kollektorgang" ist hervorragend geschrieben und für mich eine echte Entdeckung. Ich kann dieses Buch nur weiterempfehlen, und könnte es mir ab der 10. Klasse auch sehr gut als Klassenlektüre vorstellen.

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Veröffentlicht am 23.02.2023

Packender historischer Thriller

Fünf Winter
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Joe McGrady, ein ehemaliger Armysoldat und Detective beim Police Departement auf Hawaii, wird 1941 zum Ort eines grausamen Verbrechens an einem jungen Mann gerufen. Die jahrelange unerbittliche Jagd nach ...

Joe McGrady, ein ehemaliger Armysoldat und Detective beim Police Departement auf Hawaii, wird 1941 zum Ort eines grausamen Verbrechens an einem jungen Mann gerufen. Die jahrelange unerbittliche Jagd nach dem Mörder bringt McGrady selbst in Lebensgefahr und führt ihn mitten in den Wirren des 2. Weltkrieges von Hawaii nach Hongkong und Japan.

Der Schreibstil ist fesselnd und packend von der ersten bis zu letzten Zeile, und ich konnte mir die Handlung, Schauplätze und Charaktere lebhaft vorstellen. Joe McGrady ist ein integrer und sympathischer Charakter, mit dem ich richtig mitfiebern konnte, und auch die weiteren Figuren sind eindrücklich und glaubhaft gezeichnet.

Während des Lesens wurde mir bewusst, wie wenig ich über den zweiten Weltkrieg im asiatisch-pazifischen Raum wusste, und ich habe mehrfach kurz unterbrochen und einige historische Zusammenhänge nachgelesen, um die Handlung in allen Details zu verstehen. Da ein großer Teil des Romans in Japan spielt, lernt man ganz nebenbei auch einiges über die japanische Kultur. Dieser ungewöhnliche geschichtliche und kulturelle Hintergrund verleiht diesem Thriller einen ganz besonderen Charakter und macht ihn für mich zu einem absoluten Highlight.

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