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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.02.2023

Großartig

Die leise Last der Dinge
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Im ersten Moment eine interessante, lustige Vorstellung, bei genauerer Betrachtung ein furchtbarer Gedanke: Benny Oh hört Stimmen. Es sind aber keine Stimmen von sprechenden Menschen, sie stammen von den ...

Im ersten Moment eine interessante, lustige Vorstellung, bei genauerer Betrachtung ein furchtbarer Gedanke: Benny Oh hört Stimmen. Es sind aber keine Stimmen von sprechenden Menschen, sie stammen von den Dingen, die um ihn sind. Benny ist aber keineswegs verrückt. Seit sein Vater bei einem tragischen Unfall ums Leben kam, sprechen immer wieder Gegenstände zu ihm.

Auch auf seine Mutter Annabelle hat der plötzliche Tod ihres Mannes starke Auswirkungen. Sie hortet Dinge – manchmal auch völlig unbeabsichtigt. So findet ein Aufräumratgeber ohne ihr Zutun seinen Weg zu ihr und wird zum Buch im Buch.

In „Die leise Last der Dinge“ gibt Ruth Ozeki einem von Bennys sprechenden Gegenständen eine Stimme, „das Buch“. Es ist sein Buch und erzählt seine Geschichte. Dabei entspinnt sich ein Dialog zwischen dem Buch und Benny, der die Erzählung kommentiert.

Anfangs schwankte ich zwischen Neugier und Verwunderung. Letztere schlug aber schnell in Begeisterung um, als ich tief in die Geschichte eingetaucht war, die mich ein Potpourri an Gefühlen erleben ließ, von Freude bis Betroffenheit und Traurigkeit und vielem dazwischen.

„Die leise Last der Dinge“ ist ein kurioser Roman, philosophisch und vielschichtig. Die Sprache ist poetisch und bildhaft. Die Charaktere sind tiefgründig und detailreich ausgearbeitet. Es ist ein Buch, das nachdenklich macht und noch lange nachhallt. Großartig!

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Veröffentlicht am 23.02.2023

Erfrischend anders

Drei Tage im August
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Elfie ist fast 40 Jahre alt, ledig und Prokuristin einer Chocolaterie. Sie ist ständig darauf bedacht, die Kunden zufriedenzustellen - so auch Madame Conte, die regelmäßig Pralinen bestellt. Eines Tages ...

Elfie ist fast 40 Jahre alt, ledig und Prokuristin einer Chocolaterie. Sie ist ständig darauf bedacht, die Kunden zufriedenzustellen - so auch Madame Conte, die regelmäßig Pralinen bestellt. Eines Tages im August 1936 - die Olympiade ist in vollem Gange - wird sie in ihre Wohnung gebeten, als sie die Bestellung liefert und lernt die alte Dame persönlich kennen. Von da an besucht sie sie regelmäßig, im Gegenzug erzählt Madame Conte ihre Geschichte. Da sind aber auch der jüdische Buchhändler Marcus und der ägyptische Nachtclub-Besitzer El Hamady und weitere Kollegen aus der Chocolaterie, die sich und Elfie immer wieder begegnen, Verbindungen knüpfen und so diese schwierige Zeit gemeinsam erleben, sich helfen und unterstützen.

Anne Stern zeichnet Elfie, Madame Conte und alle weiteren Protagonisten liebevoll und detailreich. Sie thematisiert die Naziherrschaft und die daraus resultierenden Repressalien für Juden und schafft es auf angenehme Weise, dies nicht übermächtig werden zu lassen und trotzdem nichts zu verharmlosen. Das alles macht "Drei Tage im August" zu einer wunderschönen, erfrischend anderen Geschichte, die es zu lesen lohnt!

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Veröffentlicht am 23.02.2023

Nicht nur ein Krimi

Hamdraht
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Martina Parker gelingt es in ihrem Gartenkrimi "Hamdraht" das Lebensgefühl und die Eigenheiten der Burgenländer auf wunderbare Art einzufangen. Beim Lesen hört man förmlich den Dialekt, obwohl nur einzelne ...

Martina Parker gelingt es in ihrem Gartenkrimi "Hamdraht" das Lebensgefühl und die Eigenheiten der Burgenländer auf wunderbare Art einzufangen. Beim Lesen hört man förmlich den Dialekt, obwohl nur einzelne Sätze oder Wörter in diesem geschrieben sind. In einem ganz eigenen Schreibstil schafft sie eine Atmosphäre, die die Leser im Südburgenland mitten unter den Einheimischen und Zuagroasten wähnen lässt.

Hamdraht ist ein Krimi mit Verbrechen, Kriminalpolizei, Verdächtigen und Zeugen. Hamdraht ist aber noch viel mehr, eine Studie unterschiedlicher Charaktere und gibt Einblicke in Abgründe, die sich bei näherem Hinsehen auftun - heute, in Zeiten von Social Media und Internet, aber auch vor 30 Jahren, als junge, erfolgreiche Männer auf ihre Art zu leben wussten.

Hamdraht vereint Leichtigkeit mit Tiefgründigkeit. Ein Krimi, der nur am Rande auch ein Krimi ist. Diese Zutaten machen den Roman zu einem richtige Pageturner, ein Lesevergnügen nicht nur für Krimifans.

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Veröffentlicht am 23.02.2023

Grandios

In den Wäldern der Biber
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In "In den Wäldern der Biber" entführt Franziska Fischer die Leser in ein kleines brandenburgisches Dorf, wo Alinas Großvater lebt, den sie 18 Jahre nicht mehr gesehen hat und der ihr spontan einfällt ...

In "In den Wäldern der Biber" entführt Franziska Fischer die Leser in ein kleines brandenburgisches Dorf, wo Alinas Großvater lebt, den sie 18 Jahre nicht mehr gesehen hat und der ihr spontan einfällt als sie auf der Suche nach einem Zufluchtsort ist. Dort trifft sie auf Elias und Isabel, mit denen sie schon als Kind gespielt hat. Aber auch die Vergangenheit wirft ihre Schatten. Die idyllische Landschaft und die Ruhe, die sie umgibt, hilft ihr dabei, sich von diesen zu befreien und sich schließlich zu verlieben.
Die Autorin schafft mit einer wunderbar poetischen Sprache eine magische Atmosphäre. "Wir sitzen nur nebeneinander, wir küssen uns nicht, wir bewegen uns langsam aufeinander zu, mit Pausen dazwischen, in denen sich die Gefühle ausdehnen können."
Für mich ein grandioses Buch und ein richtiges Highlight. Eine traumhafte Landschaftsbeschreibung, die nie langweilig ist. Ein Liebesroman, aber kein bisschen kitschig oder trivial.

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Veröffentlicht am 10.02.2023

Beeindruckend

Über die Berechnung des Rauminhalts I
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Tara Selter ist auf Geschäftsreise und findet sich plötzlich immer wieder im selben Tag, dem 18. November, gefangen. Alle anderen Menschen, auch ihr Mann Thomas, erleben den Tag zum ersten Mal. Zunächst ...

Tara Selter ist auf Geschäftsreise und findet sich plötzlich immer wieder im selben Tag, dem 18. November, gefangen. Alle anderen Menschen, auch ihr Mann Thomas, erleben den Tag zum ersten Mal. Zunächst kann Tara dieser Situation durchaus etwas abgewinnen, aber umso häufiger sich ihr 18. November wiederholt, umso größer wird ihre Sehnsucht zurück in ihr altes Leben.

Solvej Balle ist mit "Über die Berechnung des Rauminhalts I" ein großer Wurf gelungen. Der Plot ist phantastisch, im doppelten Sinne, die Umsetzung großartig. Sie stellt die Entwicklung und Veränderung Taras, die sich mit der Häufigkeit der Wiederholung ihres 18. Novembers mit ihr vollzieht, sehr realistisch dar: ihre anfängliche Neugier, wie es weitergeht, die dann langsam in Schicksalsergebenheit übergeht und sie schließlich dazu bringt, einen Ausweg zu suchen. Die Autorin lässt die Protagonistin als Ich-Erzählerin zu Wort kommen und schafft es so gekonnt, ihre Leser mitzureißen und macht es ihnen leicht, sich in Tara hineinzuversetzen.

Mich hat Solvej Balle mit ihrer Geschichte sehr beeindruckt. Meine Gedanken haben sich von Seite zu Seite verändert. Anfangs dachte ich einfach nur, wie toll ich die Idee finde und war amüsiert von der Absurdität mancher Situation. Aber umso mehr ich gelesen hatte, umso mehr spielte ich die Geschichte in Gedanken für mein Leben durch und fand mich in einem Albtraum wieder. Irgendwann wollte ich nur noch, dass Tara endlich ihre Zeitschleife durchbricht und in den 19. November gelangt.

Das Buch ist wahnsinnig spannend und fesselnd geschrieben. An manchen Stellen finden sich kleine Logikbrüche, die aber dem wunderbaren Lesevergnügen keinen Abbruch tun. Wie schön, dass es sich um ein groß angelegtes Romanprojekt handelt und ich mich auf eine Fortsetzung freuen darf.

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