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Veröffentlicht am 27.02.2023

Eine höchst kafkaeske Kurzgeschichte

Bartleby, der Schreiber
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In „Bartleby der Schreiber“ geht es um einen höchst seltsamen Mann, dessen Gedanken dem Leser allerdings verborgen bleiben, weil nur aus anderer Sicht über ihn berichtet wird. Der Erzähler ist ein Rechtsanwalt, ...

In „Bartleby der Schreiber“ geht es um einen höchst seltsamen Mann, dessen Gedanken dem Leser allerdings verborgen bleiben, weil nur aus anderer Sicht über ihn berichtet wird. Der Erzähler ist ein Rechtsanwalt, der in seinen Büroräumen drei Kopisten beschäftigt, die alle höchst sonderbare, jedoch passende Spitznamen tragen und auch sonst ungewöhnliche Eigenschaften haben.
Eines Tages steht auf eine Stellengesuch des Anwalts hin Bartleby vor der Türe, den der Anwalt einstellt. Der neue Schreiber kopiert fleißig und in einem zügigen Tempo, jedoch völlig ohne jede Begeisterung. Die eigentümliche Art Bartlebys fällt dem Anwalt schnell auf, er denkt sich zunächst jedoch nichts weiter, bis der Schreiber Arbeitsanweisungen ablehnt. Stets dieselben Worte äußernd wie ein Mantra, „ich würde vorziehen es nicht zu tun“, wirkt die schlichte Äußerung Bartlebys nie wirklich offen unwillig, seine Gesprächspartner versuchen gedanklich sein Verhalten zu begründen (denn er selbst tut es nie) und verzagen an der kargen Kommunikation m it dem Schreiber.
Als Bartleby sich eines Tages dazu entschließt auch keine Kopierarbeiten mehr anzufertigen, will der Rechtsanwalt, obwohl immer gewillt zu helfen, die Bürde des Schreibers endlich loswerden. Nachdem aber Worte des Abschieds und der Entschiedenheit Bartleby nicht wieder in der Schreibstube sehen zu wollen, absolut nicht helfen, zieht der Anwalt mitsamt seinen Kopisten in andere Büroräume in eine andere Ecke der Stadt um. Sehr zum Verdruss des neuen Mieters, einem ihm unbekannten Anwaltskollegen, der die Räume bezieht, während Bartleby dort noch vor Ort ist (da er offensichtlich sein Lager dort bezogen hat). Schlussendlich wird Bartleby von der Polizei als Landstreicher mitgenommen und ins Gefängnis gebracht.

Veröffentlicht am 27.02.2023

Lesen, um dann vielleicht vor der eigenen Tür zu kehren

Das Verstummen der Natur
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Das Buch „Das Verstummen der Natur“ behandelt die Gefährdung und das Aussterben verschiedenster Tier- und Pflanzenarten.

Sein Inhalt beschreibt wie diesim Laufe der Landschafts- und Kulturgeschichte vor ...

Das Buch „Das Verstummen der Natur“ behandelt die Gefährdung und das Aussterben verschiedenster Tier- und Pflanzenarten.

Sein Inhalt beschreibt wie diesim Laufe der Landschafts- und Kulturgeschichte vor sich geht und erklärt, dass wir ein so schlimmes Artensterben wie seit 50.000 Jahren nicht verzeichnen; die Autoren erläutern, was dies für Auswirkungen auf Mensch, Tier und Natur hat und wie jeder einzelne Bürger daran beteiligt ist, dass die Diversität der Natur immer weiter abnimmt.
Die Problematik beginnt im großen bei der Landwirtschaft; intensivste Bewirtschaftung, Ackerbegradigung zur Vereinfachung von automatisierter GPS-gesteuerter Landwirtschaft, chemischer Schädlingsbekämpfung, Überdüngung und Monokulturen sorgen dafür, dass ackerbewohnende Flora und Fauna verdrängt werden bzw. aussterben. Es muss nicht nur ein grundlegendes Umdenken geschaffen werden weg von der industriellen Landwirtschaft, mit der wir die Natur, die uns noch umgibt, zerstören. Die Subventionen, die einen Großteil der Einnahmen in der Landwirtschaft ausmachen, dürfen nicht länger nach Größe der zu bewirtschaftenden Landfläche verteilt werden, sondern danach wer seine Flächen nachhaltiger behandelt.
Im kleinen jedoch trägt jeder einzelne von uns, so beschreiben es die Autoren (und es leuchtet auch ein), einen Anteil daran, dass immer mehr Pflanzen- und Tierarten verschwinden. Eingeschleppte, exotische Tierarten, die durch Unfälle oder Aussetzung ihren Weg in das heimische Ökosystem finden, sind nur eine Gefahr. Auch naturverbundene Freizeitgestaltung, die dem Menschen Ausgleich und Erholung verschaffen soll, gefährdet Tierarten, wenn Spaziergänger, Mountainbiker und Wanderer angelegte Wege verlassen, denn sie stellt einen erheblichen Faktor für Tierarten dar, die ruhebedürftig nur in Naturschutzgebieten existieren können und bei Störung durch den Menschen ihre Nester verlassen und abwandern, was zu einer Gefährdung der nächsten Generation der Population führt.
Neben vielen anderen Lebensräumen wie dem Meer oder der Arktis wird auch der Lebensraum Moor als gefährdet benannt, in dem sehr spezialisierte Fauna und Flora existiert, was zum Nachdenken anregt; Arten, die einem so speziellen Heimatraum beraubt werden, finden keinen Lebensraumersatz und verschwinden für immer.

Ein Kapitel lautet „Dummheit vernichtet Dasein“, Unwissenheit sorgt also dafür, dass wir unsere Naturräume dann nicht schützen können, wenn wir sie gar nicht kennen und beispielsweise einzelne Vogel-, Pilz- oder Pflanzenarten nicht auseinanderhalten können. Der Inhalt des Buches appelliert ganz stark daran uns selbst zu bilden, aber auch in Kindergärten und Schulen der nächsten Generation den Heimatraum wieder näher zu bringen. Vermittelt wird, dass es nicht nur an der Politik ist heimische Ökosysteme zu schützen, denn die Politik ist viel zu sehr auf das Wohlwollen der Industrie und Wirtschaft angewiesen, sondern jeder einzelne selbst auch eine Verantwortung dafür trägt, Naturgebiete beispielsweise zur Naherholung nicht ausschließlich zu genießen, sondern durch erworbenes Heimatwissen eben auch selbst zu schützen.

Jedes Kapitel endet mit einer Reihe von Tipps, die jeder Bürger, die Politik und die Wirtschaft tun können, um die jeweiligen Problematiken einzuschränken.
Bisweilen scheint der Inhalt dieses Sachbuchs zu fingerzeigend zu sein, aber je mehr man liest, desto mehr öffnet es einem auch die Augen, was wir mit unserem Konsum uns selbst eigentlich antun.
Zum Ende hin fand ich das Buch doch sehr langatmig. Ich hatte das Gefühl mit den Beschreibungen über die Lebensräume „gesättigt“ zu sein und konnte den vielen politischen und wirtschaftlichen Erläuterungen nur noch wenig abgewinnen, auch wenn sie dennoch wichtig sind. Es erhält von mir jedoch eine deutliche Leseempfehlung besonders im Bezug auf unser immer mehr schwindendes Wissen über die uns nächsten Naturräume.

Veröffentlicht am 27.02.2023

Was für ein schönes, kurzweiliges Buch!

Agathe
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Ein Psychiater, der seinen nahenden Ruhestand herbeisehnt, zählt abwärts die noch verbleibenden Sitzungen, die ihm bis zu diesem Ziel noch bevorstehen. Er ist die Leiden und das Lamentieren seiner Patienten ...

Ein Psychiater, der seinen nahenden Ruhestand herbeisehnt, zählt abwärts die noch verbleibenden Sitzungen, die ihm bis zu diesem Ziel noch bevorstehen. Er ist die Leiden und das Lamentieren seiner Patienten längst überdrüssig geworden.
Seine Vorfreude auf den immer näher kommenden Ruhestand wechselt jedoch zur Panik, als ihm klar wird, dass der Ruhestand zwar das Ziel ist, er aber nicht im mindesten eine Idee hat, womit er diesen füllen soll. Seit Jahrzehnten in Routinen agierend ist er zunehmend frustiert von der Arbeit mit seinen Patienten, mit denen er auch aufgrund seiner mangelnden Motivation nicht weiterkommt, die ihn aus irgendeinem Grund weiter aufsuchen. Erst als seine resolute Sekretärin – zunächst entgegen seinem Willen - auf die letzten Tage eine neue Patientin in seinen Terminkalender aufnimmt, entwickelt er nach und nach die Motivation ihr tatsächlich helfen zu wollen, wo er anderen Patienten mittlerweile nur noch widerwillig zuhört. An Agathe entwickelt er ein besonderes Interesse. Der Wunsch, Agathe das Leben mit Glück zu füllen, bringt ihn nicht nur dazu auch für seine anderen Patienten neue Wege zu finden, sondern auch sein eigenes Glück suchen zu wollen und eigene Wege zu gehen.

Es ist die Geschichte einer Selbstfindung, die man hier liest, wie es sie sicherlich viele gibt. Die Besonderheit dieser Geschichte liegt für mich darin begründet, dass man sich in einen Charakter hineinliest, der so ganz und gar nicht liebenswert, sondern festgefahren, eigenbrötlerisch und mürrisch ist, der aber ganz unerwartet zur Wandlung fähig ist, der nicht nur sich selbst, sondern auch den Leser überrascht und manchmal schmunzelnd auf den Seiten innehalten lässt.
Unterhaltsam und kurzweilig.

Veröffentlicht am 19.02.2023

Ein interessanter Einblick

Mein Huren-Manifest
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Immer mal wieder faszinieren mich Berichte und Biographien mit außergewöhnlichen Lebensentwürfen und Erfahrungen. Voller Neugierde stieß ich auf das Buch mit dem provokanten Titel von Undine de Riviere.

Vorweg ...

Immer mal wieder faszinieren mich Berichte und Biographien mit außergewöhnlichen Lebensentwürfen und Erfahrungen. Voller Neugierde stieß ich auf das Buch mit dem provokanten Titel von Undine de Riviere.

Vorweg muss man zu diesem Buch sagen, dass es sehr politisch ist. Wer pikante Einblicke in den Arbeitsalltag einer Prostituierten - oder im Falle von Undine de Riviere einer Domina – haben will, wird sich mit einem recht kurzen Abriss begnügen müssen.
Das Huren-Manifest von de Reviere beleuchtet die politischen und Arbeitsbedingungen und Stigmata, denen Prostituierte ausgesetzt sind. Dies gestaltet sie aber sehr einfühlsam, dass man als Leser in etwa die Gepflogenheiten und die Lage der in diesem Gewerbe arbeitenden Frauen nachvollziehen kann. Sie lässt in ihrem Buch zudem viele andere Menschen zu Wort kommen, Freier/-innen, andere Prostituierte, Politiker/-innen und Aktivisten/-innen. Es ist, wie gesagt, ein sehr politisches Buch, mit einer Analyse einer Bewegung und der Darstellung eines Berufs, der für Otto-Normal-Verbraucher verrucht und bisweilen exotisch vorkommt, und mit dem man normalerweise so gar keine Berührungspunkte hat.

Das Buch ist alles in allem jedenfalls ein schöner Einblick in eine ganz andere Welt.

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Veröffentlicht am 19.02.2023

Das Buch war gut, aber... zu kurz!

Opi Kas, die Zimtziegen und ich
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Twan und Linde werden von ihrer Mutter und ihrer Großmutter mit auf die Reise nach Island genommen. Die älteren Frauen wollen alles bereitmachen, um den mittlerweile 90-jährigen, altersschwachen (Ur-)Opi ...

Twan und Linde werden von ihrer Mutter und ihrer Großmutter mit auf die Reise nach Island genommen. Die älteren Frauen wollen alles bereitmachen, um den mittlerweile 90-jährigen, altersschwachen (Ur-)Opi Kas nach Hause in die Niederlande zu holen, wo er den Rest seiner Tage beaufsichtigt in einem Altersheim verbringen soll. Opi Kas ist für Twan, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird, und Linde ein Fremder, denn zuletzt sahen sie ihn, als sie etwa drei Jahre alt waren.
Zu allem Überfluss wird Twan auch noch mit dem fremden Opi Kas in ein Zimmer des sehr beengten Hauses verfrachtet, da Linde gerade ihre erste Periode bekommen hat und ausschließlich mit den Frauen in ein „Mädchenzimmer“ möchte, so dass Twans Mutter entscheidet, dass den männlichen Familienmitgliedern nur das „Jungszimmer“ bleibt.
Es ist gerade Winter im Dorf, und Wind sowie Schneestürme zwingen die Familie stunden- und tagelang innerhalb des Hauses aufeinanderzuhocken. Twan liest Opi Kas aus einem Survival-Buch vor, das er sich für die Reise mitgenommen hat. In der Zweisamkeit des engen Jungenzimmers lernen sich Opa und Enkel kennen, und Opi Kas offenbart, dass er genau weiß, was die Frauen vorhaben. Sein Leben lang ein Fischer gewesen und überall in der Welt zu Hause (nur nicht Zuhause), will er sich die Freiheit nicht nehmen lassen auf seine letzten Tage. Er offenbart Twan, dass er vorhat zu verschwinden, und er bittet Twan ihm zu helfen, da er einige wichtige Utensilien auf dem Dachboden hat, die er für seinen Abgang braucht, jedoch alleine nicht mehr dort oben hinkommt. Zögerlich stimmt Twan zu und weiht seine Schwester ein, und die Geschwister wägen ab, was sie tun sollen. Twan, der gerade erlebt wie es ist, wenn Entscheidungen über den eigenen Kopf hinweg entschieden werden, kann den Freiheitsdrang des Opas gut nachvollziehen. Die Geschwister finden es einerseits nicht richtig, dass die Frauen dem alten Mann vorschreiben wie er den Rest seines Lebens zu verbringen hat, andererseits haben sie Bedenken, den gebrechlichen Opi seinen Plan ausführen zu lassen und ihn ziehen zu lassen. Letztlich entscheiden sie nach ihrem Gewissen.

Ich hätte mir gewünscht, dass das Buch etwas länger gewesen wäre. Opi Kas schafft es zwar auf den ersten Seiten bereits sehr liebenswert zu erscheinen, ich wollte mich von den Jungs Twan und Opi Kas jedoch nicht so schnell wieder verabschieden.

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