Trotz kleinerer Kritikpunkter wahnsinnig unterhaltsam!
Vergissmeinnicht - Was man bei Licht nicht sehen kannDa im Juni ja schon der zweite Teil von "Vergissmeinnicht" herauskommt, haben Sofia (ihr wisst schon, von @SofiasworldofBooks😊) und ich beschlossen, endlich mal den ersten Teil als Buddyread zu lesen. ...
Da im Juni ja schon der zweite Teil von "Vergissmeinnicht" herauskommt, haben Sofia (ihr wisst schon, von @SofiasworldofBooks😊) und ich beschlossen, endlich mal den ersten Teil als Buddyread zu lesen. Und das war eine super Idee. Denn "Vergissmeinnicht - Was man bei Licht nicht sehen kann" ist ein abwechslungsreicher, humorvoller YA-Roman, mit dem ich trotz kleiner Kritikpunkte wahnsinnig viel Spaß hatte!
Schon die Gestaltung des Buches ist wahnsinnig toll. Das bunte, verspielte Cover mit den vielen kleinen Details vor einem schwarzen Sternenhimmel gefällt mir schon sehr gut. Wirklich toll ist, dass das Buch auch unter dem Schutzumschlag ausgestaltet ist und selbst die Buchinnenseiten mit bunten Mustern und Sprüchen bedruckt sind. Hübsch gestaltete Kapitelanfänge, ein lustiges Nachwort, ein hilfreiches Glossar am Ende und eine recht große Schrift runden den Gesamteindruck ab. Nur den Titel finde ich ein wenig irreführend. Klar, Vergissmeinnichts kommen kurz im Buch vor, sind aber weder Hauptmotiv noch besonders wichtig für die Geschichte. Auch die Bedeutung des Untertitels erschließt sich mir nicht wirklich. Aber man muss ja nicht alles verstehen... Irgendwas wird sich der Fischer Verlag schon dabei gedacht haben...
Erster Satz: "Einen Gin Tonic - nein, zwei, bitte!"
Wir steigen mit einer Party in die Geschichte ein, die das Leben unserer Hauptprotagonisten für immer verändern wird. Nach einer Verfolgungsjagd und einem Zusammenstoß mit einem Auto liegt Quinn im Koma und muss sich seinen Weg zurück ins Leben kämpfen, während er seltsame Dinge sieht, über die er nicht sprechen kann, weil man ihn sonst für verrückt halten würde. Als er sich durch Zufall seiner Nachbarin Matilda anvertraut, geraten die beiden in ein Abenteuer, mit dem sie nicht gerechnet hätten...
Kerstin Gier erzählt abwechselnd aus der Sicht der beiden Hauptfiguren Quinn und Mathilda, wie sie sich ihrem alltäglichen Wahnsinn, aber auch den neuen Kontakten aus einer bisher unbekannten Fantasy-Welt stellen und sich dabei näherkommen. Ähnlich wie in ihren anderen Reihen offenbart sich den Figuren mitten in ihrem bekannten Alltag eine magische Welt, mit der sie stärker verbunden sind als gedacht. Realität und Fantasy halten sich hier also etwa die Waage und es geht genauso viel um Reha, Kirchenbesuche, nervige Verwandtschaft und erste Liebe wie um magische Portale, Prophezeiungen und phantastische Kreaturen. Das Konzept des "Saums", der als Geisteswelt jenseits der greifbaren, körperlichen Realität existiert und Heimat von Saumwesen, Geistern und Arkadiern ist, erschien mir dabei sehr gut durchdacht und vereint ein bisschen von allem, was das Fantasy Genre so zu bieten hat. Feen, Drachen, Kobolde, Werwölfe, Geister, Wasserspeier - you name it und es lebt bestimmt irgendwo im Saum. Wie universal das Worldbuilding wirklich ist, kann man auch an den vielen kleinen Crossovers und Anspielungen auf bestimmt 20 andere Buchreihen und Fantasywelten - darunter auch Silber und die Edelsteintrilogie - erkennen. Besonders gefreut habe ich mich über das Auftauchen eines gewissen kleinen Wasserspeiers...
Was die Saumwesen genau von Quinn wollen, was es mit einer rätselhaften Prophezeiung wirklich auf sich hat, ob Matilda wirklich nur durch Zufall eingeweiht wurde und wem die beiden vertrauen können, erfahren wir hier allerdings noch nicht. Für meinen Geschmack hätte die Autorin hier gerne schon mehr Fragen beantworten können, denn eigentlich sind wir am Ende der 480 Seiten fast genauso schlau wie zu Beginn. Nicht nur daran merkt man der Geschichte stark an, dass es sich um einen Auftaktband handelt. Gerade zu Beginn braucht die Geschichte ein wenig, um in Gang zu kommen und wirklich tief in das Abenteuer tauchen wir hier ebenfalls noch nicht ein. Erzähltempo und Handlungsdichte sind also nicht wahnsinnig hoch - aber wir haben es hier ja auch mit YA-Romantasy zu tun und keinem Actionabenteuer und der Spanungsbogen wird dennoch von Anfang bis Ende aufrechterhalten.
Einer der Hauptgründe, weshalb nichts, was die Autorin jemals schreiben könnte, langweilig sein könnte, ist ihr Schreibstil. Kerstin Gier schreibt einfach unverwechselbar lockerleicht, jugendlich und humorvoll, dass man auf jeder Seite großen Spaß hat. Egal ob kreative Wortneuschöpfungen, kuriose Begegnungen mit Leopold und Luise, Probleme mit der Autokorrektur oder haarsträubende Spitznamen - ich habe beim Lesen durchgängig vor mich hin geschmunzelt und teilweise schallend gelacht. Klar, ihre Witze sind manchmal ein wenig auf die Spitze getrieben und es werden auch viele Klischees verarbeitet, die nicht wirklich entkräftet werden (ich kann mir beispielsweise vorstellen, dass streng katholische Psychotherapeutinnen sich vielleicht ein wenig beleidigt von dem Buch fühlen könnten😂😂 - Ich hoffe mal sehr, dass das Bild der Autorin von Psychotherapie einem anderen entspricht und sie sich nur für das Buch die künstlerische Freiheit genommen hat, die Therapeutin von Quinn wie eine fiese Furie darzustellen.). Unterm Strich bleibt jedoch ein sehr positiver Eindruck von ihrem Schreibstil zurück.
Ein zweiter Grund sind die Figuren, die mal wieder total sympathisch, total greifbar und lebendig sind. Die Nebenfiguren wirken dabei zwar manchmal etwas klischeehaft - besonders die strengkatholischen Martins, die alle gleich aussehen, sind wie lebendige Memes - die meisten muss man aber einfach gernhaben. Besonders unsere beiden Hauptfiguren haben mir sehr gut gefallen. Während Matilda mit ihrer neugierigen, aufgeklärten Art das schwarze Schaf in ihrer bibeltreuen, engstirnigen Familie ist, war Quinn bis zu dem Unfall wohl behütet und allseits beliebt. Sie arbeitet ehrenamtlich in der Gemeinde, er machte in seiner Freizeit gerne Parcours. Sie leidet darunter, ständig mit ihren nervigen Cousinen verwechselt zu werden, er unter den Gerüchten und den mitleidigen Blicken seiner ehemaligen Freunde. Auf den ersten Blick scheinen die beiden nicht besonders gut zusammen zu passen, entwickeln im Laufe der Geschichte aufgrund der sich gegenseitig verhassten Familien (die "Teufelsbraten" gegen die "biblischen Plagen") aber eine unterhaltsame Romeo-und-Julia-Dynamik. Die Romanze bleibt hier noch in ihren Anfängen und ist sehr jugendlich geschrieben. Das passt gut zu den Figuren, die zwar knapp 18 Jahre alt sind, auf mich aber deutlich jünger wirkten, und lässt genügend Raum für weitere Entwicklungen in Band 2.
Auf eben diesen zweiten Band müssen wir nun zum Glück nicht mehr allzu lange warten. Denn nach dem spannenden, wenn auch etwas konstruierten Showdown bin ich nun sehr gespannt, wie es mit Quinn und Matilda weitergeht!
Fazit:
"Vergissmeinnicht - Was man bei Licht nicht sehen kann" überzeugt neben der tollen äußeren Gestaltung auch mit einem gut durchdachten Worldbuilding, Eastereggs, einem humorvollen Schreibstil und lebendigen Figuren! Trotz leichter Schwächen wie offene Fragen und klischeebehaftete Nebenfiguren hatte ich großen Spaß mit der Geschichte und bin sehr gespannt auf Band 2!