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Veröffentlicht am 02.03.2023

Babysprache und Rotlichtmilieu

Poussi
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Vater Zuhälter, Mutter Prostituierte - da ist es vielleicht nicht erstaunlich, dass auch Ibli, eine der Protagonistinnen in Cecilia Joyce Röskis Debütroman "Poussi" ebenfalls im Gewerbe landete und in ...

Vater Zuhälter, Mutter Prostituierte - da ist es vielleicht nicht erstaunlich, dass auch Ibli, eine der Protagonistinnen in Cecilia Joyce Röskis Debütroman "Poussi" ebenfalls im Gewerbe landete und in dem Laufhaus "Palast" arbeitet, in dem bereits ihre Mutter anschaffte, ja, in dem Ibli in einem Zimmer aufwuchs. Als Ich-Erzählerin zeigt Ibli den Leser*innen durch ihre Perspektive den Blick auf Kolleginnen und Freier, die "Pois", ein Leben zwischen Langeweile, Routine und tröstungsbedeürftigen Männern (aber das kostet extra)

Im Wechsel mit den Schilderungen von Ibli verfolgt die Autorin das Leben von "Lackschuh", Iblis Vater, in einer Zeit, als sie etwa 13 Jahre alt war. Da hat der spielsüchtige Mann den Zenit seines Erfolgs schon längst überschritten, ist zunehmend vereinsamt, verschuldet und im Dauerkrisenmodus, längst vieler sozialen Bindungen verlustig gegangen.

Sex Talk findet trotz des Rotlichtmilieus kaum statt, im Gegenteil: Für Ibli hat sich Röski eine infantil anmutende Kunstsprache ausgedacht, Da ist von "bumseln" die Rede, von "Fon", "Bebi" oder eben den "Pois". Das wirkt mitunter überzuckert, mitunter unpassend naiv, nicht nur wegen der Härten und Herausforderungen von Sexarbeit, sondern auch, weil die als Kind geschilderte Ibli eine eifrige und engagierte Schülerin war, die im Hinterzimmer einer Bar fleißig Hausaufgaben machte, während die Mama im "Palast" arbeitete.

Da passt es irgendwie, dass die pastellig-süßlichen Farben weiß und pink den Palast prägen, die Auseinandersetzung mit der Betreiberin in einer Wahtsapp-Gruppe geführt wird und die Beziehnungen Ilis zu ihren Kolleginnen eine Mischung aus Zickenkrieg und kuscheliger Frauensolidarität ist. Als ein Stammfreier sie für einen Monat für zu Hause mietet, ist das Iblis erste richtige Konfrontation mit der bürgerlichen Welt, doch ist es auch ein Versuch, sich aus dem Milieu zu befreien? In der Regel wirkt Ibli eher passiv, nimmt die Dinge, wie sie eben so kommen, und taumelt dennoch auf eine Abwärtsspirale zu.

So könnte dies ein Roman voller Härten werden, doch der Blick ins Milieu bleibt merkwürdig verschwommen. Dazu trägt auch die Kunstsprache bei, die irgendwie alles verniedlicht. Leider bleibt auch Ibli schwammig und gewinnt im Laufe des Buches wenig an Kontur. Und auch Lackschuh, der Zuhälter von der traurigen Gestalt, ist letztlich nur noch der abgehalfterte Schatten einer Rotlichtgröße. Das Milieu erschien mir beim Lesen mehr als Staffage denn als Thema und Ibli als eine theoretisch ersonnene Kunstfigur ohne vorangegangene Recherche und Gespräche mit Frauen in der Prostitution. Sicherlich mal ein anderer Blick, aber persönlch hätte ich ich mir eine Ibli mit mehr Ecken und Kanten gewünscht.

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Veröffentlicht am 30.01.2023

Pharaonen, Tod und Eifersucht

Fräulein vom Amt – Der Tote im Kurhaus
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m Hauptpostamt steckt Alma Verbindungen zusammen, in ihrer Freizeit betätigt sie sich als Hobbydetektivin: Das "Fräulein vom Amt"ermittelt in Charlotte Blums gleichnamigem Roman in der Kurstadt Baden-Baden. ...

m Hauptpostamt steckt Alma Verbindungen zusammen, in ihrer Freizeit betätigt sie sich als Hobbydetektivin: Das "Fräulein vom Amt"ermittelt in Charlotte Blums gleichnamigem Roman in der Kurstadt Baden-Baden. Mit ihrem Sinn für Unabhängigkeit und ihrer Neugier ist sie eine geistige Verwandte der Berliner Hebamme Hulda Gold, der Protagonistin einer anderen historischen Krimiserie. Auch das Fräulein vom Amt lebt in den vielleicht nicht gar so goldenen 20-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und ist für damalige Verhältnisse recht emanzipiert.

Alma liebr ihre berufliche Unabhängigkeit - und das bringt sie ganz schön in Bedrängnis. Denn obwohl sie dem gutaussehenden Kommissar Ludwig Schiller, mit dem sie schon in der Vergangenheit zusammengearbeitet hat, ausgesprochen zugetan ist, hat sie mit ihm Schluss gemacht. Denn als verheiratete Frau müsste sie ihren Beruf aufgeben - und das will sie auf gar keinen Fall. Auf die Liebe zu verzichten, ist aber auch nicht so leicht, vor allem, da ihre Freundin und Mitbewohnerin Emmi einen ziemlichen Männerverschleiß hat und selbstbewusst ihre Amouren pflegt. Wenn Alma es sich doch auch so leicht machen könnte!

Vorerst aber frönen die beiden jungen Frauen wie die meisten anderen Menschen im Baden Baden des Jahres 2024 dem Pharaonenrausch, der sich mit der Entdeckung des Grabs des Tutenchamun auch in den Südwesten der Republik ausgebreitet hat. Als kurz nach einer Aida-Aufführung im Kurhaus der Ramses-Darsteller mit eingeschlagenem Schädel gefunden wird, fängt Alma an zu ermitteln. Denn tatverdächtig ist ein mit Emmi befreundeter Filmvorführer, der eifersüchtig auf deren Flirt mit dem Tenor reagiert hat. Doch ist er auch ein Mörder? Welche Geheimnisse hat die schöne Aida-Darstellerin, und wieso hatte der Tenor so ein Interesse an den altägyptischen Replikas, die während des Themen-Balls im Kurhaus ausgestellt waren?

Für eine heitere Note sorgen unter anderem Almas Großmutter, die geistig noch fest in der Kaiserzeit und ihren Regeln verwurzelt ist, während Theaterintrigen und das exaltierte Verhalten des künstlerischen Direktors Anlass zu allerlei Tratsch in Baden Baden geben.

Als Krimi hat mich das "Fräulein vom Amt" weniger überzeugt, mir war schon früh klar, in welche Richtung sich der Plot entwickeln würde. Liebhaberinnen historischer Frauenromane, die auch ein bißchen Spannng mögen, werden das Buch aber sicherlich genießen. Das Zeitkolorit ist gelungen eingefangen, konzentriert sich aber ganz überwiegend auf das gehobene Bürgertum. So hat Almas Mutter eine Waschmaschine - das spricht zwar für ihre Aufgeschlossenheit gegenüber der technischen Moderne, war in den 20-er Jahren aber sicher noch alles andere als selbstverständlich. Am Rande zeichnen sich auch im beschaulichen Baden-Baden die anbrechenden politischen Konflikte und das Emporkommen der Nationalsozialisten ab.

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Veröffentlicht am 29.01.2023

Tod eines It-Girls

Das College
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Die Buchhaändlerin Hannah aus Edinburgh könnte sich eigentlich auf ihr erstes Kind freuen, doch eine Nachricht ruft die verdrängte Vergangenheit zurück: Der Mann, der als Mörder ihrer Zimmernachbarin im ...

Die Buchhaändlerin Hannah aus Edinburgh könnte sich eigentlich auf ihr erstes Kind freuen, doch eine Nachricht ruft die verdrängte Vergangenheit zurück: Der Mann, der als Mörder ihrer Zimmernachbarin im College zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, ist im Gefängnis gestorben. Er hatte stets seine Unschuld betont und es war Hannahs Aussage gewesen, die in dem Indizienprozess entscheidend zu seiner Verurteilung beigetragen hatte. Ein Journalist, der es schafft, zu Hannah vorzudringen bringt ihre Sicherheit, dass der Pförtner der Mörder des schönen, reichen und launischen It-Girl April war, ins Wanken. Was, wenn sie einen Unschuldigen hinter Gitter gebracht hat? Und wenn es so war - war der Mörder oder die Mörderin einer der damals besten Freunde ihrer College Clique?

Ruth Wares Psychothriller "Das College" verläuft auf den Erzählperspektiven "davor" und "danach"- mit dem Mord an April als Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Ruth Ware ist mir als Autorin von allmählich aufgebauter psychologischer Spannung vertraut und auch hier plätshert die Handlung in Gegenwart und Vergangenheit vor sich hin, bis der Spannungsbogen gegen Ende deutlich ansteigt. Dass April eines gewaltsamen Todes sterben wird, ist ja bereits auf den ersten Seiten bekannt.

In der Hörbuchfassung ist Julia Nachtmann mit ihrer warmen, angenehmen Stimme eine Sprecherin, der ich gerne zugehört habe. Sie klingt nicht zu emotional oder übertrieben, auch das Sprechtempo trägt dazu bei, dass sich das Kopfkino langsam aufbauen kann und die Szenen wirken. An ihr liegt es also wirklich nicht, dass ich mit dem Buch oder vielmehr mit Wares Figuren nicht wirklich warm wurde.

Denn zum einen ist Mordopfer April wirklich kein angenehmer Mensch - ein verwöhntes Gör, an Geld und Prvilegien gewohnt und daran, dass sie alles kriegt, was sie will. Ihr Hang vor grausamen Streichen macht auch vor Freunden nicht halt und warum Hannah überhaupt ihre Freundin wird - einzig aufgrund der Tatsache, dass sie sich ein Apartment in einem von Oxfords tradtionsreichen Colleges teilen - bleibt mir durchgehend unverständlich.

Aber auch Hannah nervt mich mit ihrer Weinerlichkeit, ihrem Zaudern, ihrer Bdürftigkeit nach einer starken Schulter oder jemandem, der Probleme an ihrer Stelle zur Sprache bricht. So jedenfalls, als der später als Mörder verurteilte Pförtner sich vor allem ihr gegenüber merkwürdig bis übergriffig verhält.

Gut ist, wie der Verdacht gegen so ziemlich jedes Mitglied der alten Freundesclique wächst. denn ein Motiv, April zu hassen, haben alle. Auch eine Gelegenheit und Möglichkeit? Hier entwickelt sich "das College" zu einem whodunnit britischer Krimitradition, bis hin zu einer buchstäblichen Cliffhanger-Situation kurz vor dem Ende.

Ich habe schon bessere Bücher von Ruth Ware gelesen, aber alles in allem ist "Das College" solide Krimi-Kost, mit dessen Protagonisten ich mich aber so gar nicht anfreunden konnte.


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Veröffentlicht am 26.11.2022

Allein unter Almans

Ein Alman feiert selten allein
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Man kann Aylin Atmaca zugute halten: Mit ihrem Debütroman "Ein Alman feiert selten allein" hat sie migrantische Erfahrungen ohne Larmoyanz und erbitterte Ergüsse über die böse, böse Mehrheitsgesellschaft ...

Man kann Aylin Atmaca zugute halten: Mit ihrem Debütroman "Ein Alman feiert selten allein" hat sie migrantische Erfahrungen ohne Larmoyanz und erbitterte Ergüsse über die böse, böse Mehrheitsgesellschaft geschrieben, selbst die Kartoffel-Verunglimpfung hat sie unterlassen. Kritisch lässt sich anfügen, es gibt reichlich Klischees.Vor allem aber nimmt ihr humoristisch geprägtes Buch deutsch-türkische Culture clashs auf die Schippe.

Für Protagonistin und Ich-Erzählerin Elif ist es Stress Pur: Sie wird das erste Weihnachtsfest mit der Familie ihres Freundes Jonas verbringen. Das heißt: Die Beziehung ist ernst! Weihnachten in Familie, das ist ja gewissermaßen das Vorspiel zu einer Verlobung, ja, kommt doch eher nach einem solchen Schritt. Es heißt aber auch: Alman-Alarm!

Denn nicht nur Jonas´ Kernfamilie, sondern der gesamte Familienclan kommt unter dem Weihnachtsbaum zusammen. Und zwar so richtig deutsch-organisiert, mit WhatsApp-Gruppe und solchen Marotten wie dem Bügeln des Geschenkpapiert zur künftigen Wiederverwendung! (Merke: Die Autorin ist in Heidelberg aufgewachsen. Schwäbische Sitten...)

Das Buch lebt von der Unwissenheit Elifs, die gewissermaßen ihren Initiationsritus in deutsches Brauchtum und das Fest der Feste erlebt. Wobei das irgendwie unglaubwürdig erscheint, denn auch wenn Elifs muslimische Familie kein Weihnachten gefeiert hat, ist es ja nicht so, als sei sie gerade erst aus der Türkei angekommen. Wer als türkeistämmiges Kind in Deutschland Kindergarten und Schule durchlaufen hat, Werbung und Fernsehprogramm kennt, für den oder die ist Weihnachten und deutsches Brauchtum denn nicht so wirklich ein böhmisches Dorf. Schließlich gibt es zahlreiche türkische Familien, die gerne auf den Weihnachtsmarkt gehen und sich auch ohne religiösen Bezug gerne einen Baum aufstellen, weil es so schön ist.

Sei´s drum - Ein Alman kommt selten allein wirbt für Verständnis und Dialog, selbst der zu rassistischen Sprüchen neigende Onkel lernt irgendwann das Prinzip Toleranz und das Fest der Liebe funktioniert auch ohne zu nachhaltien Zerwürfnissen zu führen. Für Elif gibt es neue Einblicke in Jonas und seine Familie. Mal sehen, wie der sich auf dem nächsten Zuckerfest schlägt. Vielleicht gibt es ja noch einen Folgeband: Allein unter Almansis.

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Veröffentlicht am 28.10.2022

Geplatzte Hochzeit mit Knalleffekt

Todesfalle Hochzeit in St. Peter-Ording
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Schon der Titel "Todesfalle Hochzeit in St. Peter-Ording" suggeriert: Der Start ins Eheglück steht in Stefanie Schreibers Buch um die Kommissarin Charlotte Wiesinger und den Hausmeister und "Hilfssheriff" ...

Schon der Titel "Todesfalle Hochzeit in St. Peter-Ording" suggeriert: Der Start ins Eheglück steht in Stefanie Schreibers Buch um die Kommissarin Charlotte Wiesinger und den Hausmeister und "Hilfssheriff" Torge Trulsen unter keinem guten Stern. Alle Festgäste samt Familie sind für die Hochzeit von Hotelerbin Constanze von Haferkamp erschienen, nur der Bräutigam fehlt. Er hat es sich nicht etwa in letzter Minute anders überlegt, sondern wird tot im Strandkorb gefunden, ausgerechnet von der Schwester der Braut, mit der er früher einmal liiert war.

Hat die Sitzengelassene ein Motiv? Oder der Ex-Freund der Braut, der verdächtig schnell zum Trösten und in der Hoffnung auf eine zweite Chance an ihre Seite eilt? Warum hatte das Brautpaar kurz vor der Hochzeit so erbittert um den Ehevertrag gestritten?

Torgen Trulsen jedenfalls jubiliert - er ist den professionellen Ermittlern in diesem Cozy-Krimi zunächst einen Schritt voraus, schließlich ist er als erster auf den Vermisstenfall gestoßen, weil seine Ehefrau Braut gucken wollte. Da ist es für ihn Ehrensache, weiter zu ermitteln - und praktischerweise wohnen die Hochzeitsgäste und naheliegenden Verdächtigen alle auf der Hotelanlage, die er als Hausmeister bestens kennt.

Die von Haferkamps, das stellt sich schnell heraus, sind nicht gerade eine große glückliche Familie, sondern untereinander ziemlich zerstritten. Doch auch der tote Bräutigam hat ein paar pikante Geheimnisse, die die geplante Ehe in ein ganz neues Licht rücken.

Wie in so manchem Cozy geht es hier eher um die Atmosphäre und die schöne Nordseelandschaft als um einen ausgeklügelten plot und charakterliche Tiefen. Die Schrulligkeit des blondgelockten Hausmeisters, der sich gerne durch polizeiliche Heldentaten hervortun will, wird zur Genüge ausgereizt. Wäre ich hier die ermittelnde Kommissarin, würde mich die Einmischung des Amateurs gewaltig nerven, aber die Autorin ist offenbar "Team Torge" und lässt ihm vieles durchgehen, was im wirklichen Leben no go wäre. Ich vermute aber, dass es den Fans der Serie ohnehin nicht um realistische Ermittlungsabläufe geht. Der Roman kommt eher langsam auf Touren, aber für Freunde des Nordens gibt es genügend Lokalkolorit, um das zu verzeihen.

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