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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.02.2024

Messerscharf

Yellowface
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Mit Yellowface hat R.F. Kuang eine messerscharfe Satire über das Verlagswesen geschaffen, die finde ich teilweise auch Thriller- und Horrorelemente hat, die ich sehr spannend finde.

Sie behandelt Themen ...

Mit Yellowface hat R.F. Kuang eine messerscharfe Satire über das Verlagswesen geschaffen, die finde ich teilweise auch Thriller- und Horrorelemente hat, die ich sehr spannend finde.

Sie behandelt Themen wie Urheber:innenschaft, kulturelle Aneignung, Privilegien und Cancel Culture mit überspitztem Stil und schlägt dabei fest zu. Es wirft Fragen auf, die sich ganz klar an die Lesenden richtigen und dazu anregen sollen, sich selbst zu reflektieren. Ein Beispiel: Wie werden Texte im Kontext ihrer Autor:innen interpretiert und wie spielen bewusste oder unbewusste Vorurteile dabei eine Rolle? Sie liefert dabei nie Antworten, sondern überlässt es den Leser:innen selbst, kritisch zu denken. Sie bietet dabei einen selbstironischen Einblick in die Literaturszene, den viele so nicht erwartet haben denke ich.

Dabei ist das Buch bzw. der Erzählstil von Anfang bis Ende überzogen und wahnhaft, was an der Erzählerinnenstimme der Protagonistin June liegt. Sie (und ehrlich gesagt alle anderen Charaktere in diesem Buch) ist unfassbar unlikable und gibt auch eine sehr unzuverlässige Erzählerin ab. In ihrem Kopf zu leben ist nicht schön, hält aber der ganzen Branche und auch uns als Lesenden den Spiegel vor - vor allem weil man nicht richtig zu ihr durchdringen kann und bis zum Schluss nicht weiß wer sie wirklich ist. Es ist super spannend zu sehen, wie June sich in ihrem eigenen Kopf verstrickt und sich rechtfertigt. Der Schreibstil ist dabei ironisch, teilweise fast schon komisch weil es so überzogen ist und vor allem sehr schnell zu lesen, man fliegt gerade so durch die Seiten. In der Mitte hatte es kurz ein paar Längen, weil vieles sich wiederholt, das passt aber zur Protagonistin und hat auf jeden Fall seine Daseinsberechtigung in dieser Länge

An sich ein Buch, an das ich bestimmt bei der Lektüre anderer Bücher noch oft denken werde und das mir einen Anstoß gab, mich mit diesen Themen weiter auseinander zu setzen. Das Buch ist unfassbar klug, wie es sich im echten Leben in die Thematik des Buches einreiht und somit fast die vierte Wand durchbricht. Ich empfehle das Buch allen, die nichts dagegen haben alle Charaktere in einem Buch zu hassen und die selbst nachdenken wollen. Den Hype ist dieses Buch wert!

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Veröffentlicht am 24.01.2024

Eindrücklich und brandaktuell

Nachbarn
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Wir können von Glück reden, dass Diane Olivers Talent gefunden und so lange nach ihrem frühen Tod noch veröffentlicht wurde. Man kann nur spekulieren, was sie noch geschaffen hätte, wenn sie länger gelebt ...

Wir können von Glück reden, dass Diane Olivers Talent gefunden und so lange nach ihrem frühen Tod noch veröffentlicht wurde. Man kann nur spekulieren, was sie noch geschaffen hätte, wenn sie länger gelebt hätte aber schon der Vorgeschmack in ihren Kurzgeschichten hat mir unglaublich gut gefallen.

Oliver hat die Geschichten bereits in den 60ern geschrieben und trotzdem fühlen sie sich unfassbar aktuell an. Sie tauchen subtil in die Systeme ein, die für Seperation sorgen und welche Faktoren (z.B. Bildung) eine bestimmende Rolle spielen. Ihr Geschichten erzählen dabei noch eine Geschichte in der Geschichte, sind miteinander verwoben und ergeben ein unfassbar schönes Gesamtbild, wenn man mit dem Buch fertig ist.

Eindrücklich verleiht sie jungen Frauen eine Stimme, sie werden vor unseren Augen plastisch und man kann sich total gut einfühlen, auch wenn man selbst nie solche Erfahrungen machen musste. Dabei schafft sie es mit ihrem Schreibstil trotz der Nüchternheit und Ruhe, die die Geschichten ausstrahlen eine solche Wucht in ihre Geschichten zu packen, dass diese bestimmt noch ganz lange in mir nachhallen werden.

Normalerweise mag ich keine Kurzgeschichten, ich komme entweder nicht rein oder fühle mich unbefriedigt, wenn ich die Welt wieder verlassen muss. Das ist hier gar nicht der Fall, man ist vollauf zufrieden, wenn man eine Familie wieder verlassen muss und denkt trotzdem noch über sie nach. Der Großteil der Geschichten hat mir unglaublich gut gefallen. 2 - 3 waren nicht mein Fall, das ist aber bei einem Buch dieser Länge eine gute Quote finde ich.

Ein Buch für alle, die ohne Radikalisierung in die Welt anderer eintauchen wollen und die sich im tollen Schreibstil einer jungen Frau verlieren wollen, die ihrer Zeit wahrlich voraus war.

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Veröffentlicht am 29.03.2023

Mischung aus 1984 und Handmaids Tale

Institut für gute Mütter
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"Das Institut für gute Mütter" hat mich nachhaltig fasziniert. Wir begleiten Frida, eine Mutter, die nach einem Fehler von dem "Jugendamt" zu einem Jahr "Mutter sein lernen" in einem Institut verdonnert ...

"Das Institut für gute Mütter" hat mich nachhaltig fasziniert. Wir begleiten Frida, eine Mutter, die nach einem Fehler von dem "Jugendamt" zu einem Jahr "Mutter sein lernen" in einem Institut verdonnert wird. Sie darf nicht über das Programm sprechen und das hat auch seinen Grund.

Das Buch hat mich total gefesselt. Das liegt nicht nur inhaltlich an den Methoden des Instituts und den Gepflogenheiten der Trainerinnen, sondern auch an den Fragen, die das Buch insgesamt aufwirft. Natürlich geht es um die Frage, was eine gute Mutter ausmacht und das hat mich selbst beschäftigt, obwohl ich keine Mutter bin. Das Buch ist meiner Meinung nach langsam erzählt, was hier aber wunderbar passt, weil es super das Konzept von Zeit einfängt, das die Frauen im Institut haben müssen. Man kann sie genau beobachte, sieht wie sie sich mit der Situation arrangieren und wie sie sich verändern. Es ist eine besonders interessante Betrachtung von Charakter und Umständen. Für mich hat es sich angefühlt wie eine Mischung aus 1984 und Report der Magd.

Ich denke das könnte in Zeiten von Übermüttern und kontroversen Erziehungsmethoden ein moderner Klassiker werden. Es zwingt die Lesenden wirklich, sich mit ihrer eigenen Meinung, ihrer eigenen Erziehung auseinanderzusetzen und zeichnet eine Dystopie, die ich mir leider tatsächlich so vorstellen kann.

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Veröffentlicht am 03.03.2023

Ein ganzes Leben lang

Morgen, morgen und wieder morgen
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"Morgen, morgen und wieder morgen" von Gabrielle Zevin hat mich so sehr fasziniert. Wir begleiten Freunde, die ihr Leben dem gemeinsamen Entwicklen von Videospielen verschrieben haben. Und das macht es ...

"Morgen, morgen und wieder morgen" von Gabrielle Zevin hat mich so sehr fasziniert. Wir begleiten Freunde, die ihr Leben dem gemeinsamen Entwicklen von Videospielen verschrieben haben. Und das macht es so spannend: Wir begleiten sie ca. 40 Jahre lang, erleben ihre Freundschaft und vor allem ihren kreativen Prozess mit, der so faszinierend zu lesen ist. Obwohl ich selbst keine Gamerin bin, fand ich das Buch, die Beschreibung der Spiele und der Prozesse so interessant, das ich fast selbst mitspielen wollte.

Der Schreibstil von Zevin ist faszinierend. Auf der einen Seite ist er in der Prosa sehr sachlich, in den Dialogen aber so realistisch und schön geschrieben. Bei manchen Dialogen fühlt man sich, als sitze man mit am Tisch. Der Schreibstil verändert sich auch im Laufe des Buchs, er passt sich dem Wissensstand des Lesenden an und ist anfangs sehr allwissend und beobachtend und gibt im Verlauf den Charakteren immer mehr Raum, ihre Geschichte selbst zu erzählen. Teilweise hat es mich auch wegen des Stils etwas an "Die geheime Geschichte" von Donna Tartt erinnert: Man weiß von Anfang an in etwa was passiert und begleitet die drei über ihr ganzes Leben.

Das Besondere an dem Buch war für mich, dass es insgesamt sehr natürlich und aus dem Leben gegriffen wirkte. Natürlich ist nicht jede:r von uns Spieleentwickler aber es werden gesellschaftliche Themen in dem Kontext ihrer Zeit angesprochen, später reflektiert und dabei bedient sich die Autorin keiner Klischees. Die Dinge und die Charaktere sind nicht schwarz-weiß sondern haben Facetten, sind komplex und menschlich und nicht immer likable. (Außer Marx, der ist ein Traum von einem Menschen) Dabei trifft die Autorin genau den richtigen Ton. Immer wenn man denkt, jetzt habe ein Charakter es übertrieben, gibt sie einem Einblicke in deren Leben, man versteht sie und sie menscheln extrem. Zevin versteht es außerdem, die Dinge im Buch so schön miteinander zu verbinden, Details aufzugreifen und wieder einzubringen, dadurch ist man wirklich tief im Leben drin. Gerade das Ende wird sehr schön abgeschlossen.

Ein Zitat aus dem Buch ist mir sehr hängengeblieben und gilt für mich für das ganze Erlebnis des Buchs: "Das ist die Wahrheit eines Spiels - es existiert nur in dem Moment in dem es gespielt wird". Und die Zeit des Spielens war voller Höhen und Tiefen und schlussendlich sehr schön.

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Veröffentlicht am 16.01.2023

Bissle anders als erwartet

Bissle Spätzle, Habibi?
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Von 'Bissle Spätzle, Habibi' hatte ich bissle was anderes erwartet. Das bunte Cover, die Illustration und das mit Liebe gestaltete Buch (z.B. ist im hinteren Umschlag eine kleine Biografie jedes Hauptcharakters) ...

Von 'Bissle Spätzle, Habibi' hatte ich bissle was anderes erwartet. Das bunte Cover, die Illustration und das mit Liebe gestaltete Buch (z.B. ist im hinteren Umschlag eine kleine Biografie jedes Hauptcharakters) versprechen lustiges. Erwartet habe ich eine lustig-leichte interkulturelle Lovestory. Bekommen habe ich wesentlich mehr Tiefe, Herz und Denkanstöße.

Abla Alaoui lässt die Leser:innen Fliege an der Wand spielen und wirft einen durch ihren Schreibstil mitten in die Gefühlswelt ihrer Protagonistin Amaya. Was es persönlich in der Familie und mit Außenstehenden heißt, in Deutschland einen Migrationshintergrund zu haben, schält sie wie eine Zwiebel immer weiter auf. Die Rückblenden in Amayas Vergangenheit machen deutlich, warum sie handelt wie sie es tut und tragen somit die Handlung, die eigentlich vorhersehbar ist. Aber dadurch stört das gar nicht, man entwickelt tiefe Gefühle für die Charaktere. Wie hier über Kultur gesprochen wird ist tief berührend und kann viele Vorurteile brechen denke ich. In ihre Geschichte hat Abla sehr viele Beschreibungen von Hamburg eingefügt, die sehr genau sind. Ich habe selbst in HH gewohnt und kenne deshalb alle angesprochen Orte und kann mir so das Setting besser vorstellen. Wenn man sich in Hamburg allerdings nicht auskennt, Stelle ich mir das etwas anstrengend vor.

Zu den Charakteren: So viele likable Charaktere hatte ich lange nicht mehr in einem Buch. Amaya ist von tollen Menschen umgeben, die genauso plastisch gezeichnet wurden wie sie selbst. Man wünscht sich fast schon, sie im eigenen Leben zu kennen. Vor allem Clara als beste Freundin hat es mir da angetan. Sie unterstützt nicht nur Amaya, sondern hat auch eine respektvolle Beziehung zu deren Eltern, die sehr realistisch scheint. Auch die Beziehung zwischen ihr und Daniel fühlt sich für einen Liebesroman sehr echt und realistisch an. Erst ab der Mitte habe ich mich kurz gefragt, ob sie Autorin nicht ein bisschen zu sehr auf Amayas Zerrissenheit herumreitet, das hat sich aber auch schnell wieder gelegt.

Ein Buch was mir sehr gut gefallen hat und das ich allen empfehle, die interkulturelle Beziehungen in ihrem Leben kennen oder einfach Mal in eine andere Gedankenwelt abtauchen wollen.

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