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Veröffentlicht am 28.03.2023

Unterhaltsamer Krimiauftakt mit viel Lokalkolorit

Tod in Siebenbürgen
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MEINE MEINUNG

Mit ihrem unterhaltsamen Krimi-Auftakt „Tod in Siebenbürgen“ hat die deutsche Autorin Lioba Werrelmann einen interessanten ersten Band zu ihrer neuen Krimi-Reihe vorgelegt, die im faszinierenden, ...

MEINE MEINUNG

Mit ihrem unterhaltsamen Krimi-Auftakt „Tod in Siebenbürgen“ hat die deutsche Autorin Lioba Werrelmann einen interessanten ersten Band zu ihrer neuen Krimi-Reihe vorgelegt, die im faszinierenden, sagenumwobenen Siebenbürgen in Rumänien angesiedelt ist.

Im Mittelpunkt steht der erfolgreiche deutsche Investigativjournalist Paul Schwartzmüller, der aufgrund der Erbschaft seiner kürzlich verstorbenen Tante in sein Heimatdorf in Siebenbürgen zurückkehrt, von wo er mit seinem Vater vor 35 Jahren geflohen war. Kaum dort angekommen, überschlagen sich die Ereignisse als sich ein mysteriöser Mordfall in der Folterkammer auf dem berühmt-berüchtigten Dracula-Schloss Bran ereignet. Nach der Verhaftung seines ehemals besten Freunds Sorin und nun vermeintlich Tatverdächtigen beschließt Paul auf eigene Faust Ermittlungen auf zunehmen. Auf viel Unterstützung durch die örtliche Polizei kann er nicht setzen und zudem muss er erkennen, dass hinter der Fassade des harmonischen dörflichen Zusammenlebens etliche sorgsam verborgene Geheimnisse und Abgründe lauern. Doch statt sich voller Elan den Nachforschungen zu widmen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen und seinen Freund zu entlasten, wird er von seinen Kindheitserinnerungen und den Schatten seiner längst verdrängten Familiengeschichte eingeholt. Von seinem nächtlichen Schlafwandeln und übermäßigem Alkoholkonsum erschöpft erleben wir Paul bei seinen Nachforschungen eher kraft- und planlos und von seiner untrüglichen Spürnase und journalistischer Finesse ist erstaunlich wenig übriggeblieben.
Gekonnt werden wir in das faszinierende Siebenbürgen entführt, das neben einer wechselvollen Geschichte auch spannende Traditionen sowie eine interessante regionale Küche mit vielen kulinarischen Köstlichkeiten zu bieten hat. Die tollen Landschaftsbeschreibungen, Schilderungen des beschaulichen, bisweilen skurrilen Dorflebens, in dem auch der Aberglauben noch fest verankert ist, und eingestreuten Hintergrundinformationen zu Land und Leuten sorgen für ein tolles Lokalkolorit. Geschickt lässt die Autorin in ihre Handlung auch aufschlussreiche Einblicke in das Treiben der unrühmlichen Ceaucescu-Diktatur einfließen. Man merkt deutlich, dass die Autorin sorgsam recherchiert hat und die Gegend und lokale Mentalität der Siebenbürger Sachsen hervorragend kennt.
Mit ihrem lebendigen, anschaulichen Schreibstil versteht es Werrelmann, die Handlung abwechslungsreich und unterhaltsam zu gestalten. Hervorragend hat mir insbesondere das sehr mystische Flair und die unheimliche Atmosphäre gefallen, die die Autorin bisweilen heraufbeschwört. Wobei mir einige sich stets wiederholende Passagen aber dann doch etwas zuviel des Guten waren.
Die zahlreichen Figuren, darunter auch der etwas verpeilte, sympathische Protagonist Paul sind entsprechend ihrer Rolle facettenreich und lebendig ausgearbeitet. Die ausgiebigen Einblicke in ihr Privatleben, ihre Vergangenheit und persönlichen Probleme sorgen dafür, dass wir die verschiedenen Charaktere gut kennenlernen. Gerne würde ich vor allem mehr über die mysteriöse Maia mit ihren Heilkräuterkenntnissen und die clevere Tzigane Pasomori erfahren, die für mich ein Highlight der Geschichte waren. Durch den Fokus auf die Figuren gerät der eigentliche, zum Miträseln bestens geeignete Kriminalfall allerdings etwas ins Hintertreffen.
Auch wenn die Geschichte zum Ende hin immer mehr an Fahrt aufnimmt, hätte ich mir insgesamt etwas mehr Spannungsmomente gewünscht. Nach einigen unerwarteten Wendungen zieht der Spannungsbogen schließlich deutlich an und gipfelt in einem sehr packenden Showdown. Die für mich überraschende Auflösung des Mordfalls ist in sich schlüssig und nachvollziehbar.
Ich bin auf die Fortsetzung der Reihe gespannt und hoffe allerdings nur, dass Paul etwas mehr bei der Sache ist, nachdem er sich nun seiner Vergangenheit gestellt hat.

FAZIT
Ein unterhaltsamer Krimi-Auftakt im pittoresken Siebenbürgen - mit einem stimmungsvollen Setting, viel Lokalkolorit und mystischem Flair sowie sehr interessanten Charakteren.
Ein unterhaltsamer Regionalkrimi, der uns in ein faszinierendes, noch wenig bekanntes Urlaubsland entführt!

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  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Spannung
Veröffentlicht am 03.03.2023

Interessanter Kunstkrimi

Banksy und der blinde Fleck
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MEINE MEINUNG
Der spannende Krimi "Banksy und der blinde Fleck" des deutschen Autors Bernhard Jaumann ist der dritte Band der interessanten Kunst-Krimi-Reihe, in deren Mittelpunkt die Münchner Kunstdetektei ...

MEINE MEINUNG
Der spannende Krimi "Banksy und der blinde Fleck" des deutschen Autors Bernhard Jaumann ist der dritte Band der interessanten Kunst-Krimi-Reihe, in deren Mittelpunkt die Münchner Kunstdetektei von Schleewitz steht.
Dieser Band lässt sich auch ohne Vorkenntnisse aus den vorangegangenen zwei Bänden problemlos lesen.
Jaumanns vielschichtig angelegter Krimi dreht sich um den weltberühmten britischen Streetart-Künstler Banksy, der mit seinen Werken gesellschaftliche Missstände anprangert. Da er als eine Art Phantom nie persönlich in Erscheinung tritt, ist seine Identität trotz vieler Spekulationen um seine Person bis heute ein Geheimnis.
Der Autor hat sich eine vielversprechende Ausgangsidee für seinen interessanten Kunstkrimi ersonnen. In seine Handlung lässt er eine Menge wissenswerter Hintergrundinformationen über den inzwischen weltweit anerkannten Künstler Banksy, seine bekannten Werke sowie seinen Protest gegen die Kommerzialisierung der Kunst und zudem das stimmig eingefangene Münchner Lokalkolorit einfließen.
Bei ihrem neuen Fall wird die Kunstdetektei von Schleewitz beauftragt, herauszufinden, was es mit den an verschiedenen sozialen Brennpunkten in München auftauchenden Ratten-Graffitis auf sich hat, die laut einiger Kunstkenner und Berichten der Medien zweifelsfrei Banksy zugeschrieben werden könnten. Da mit echten Banksy Stencils im internationalen Kunsthandel horrende Erlöse zu erzielen sind, wäre die Verifizierung der mysteriösen Graffitis eine große Sensation und für viele ein Bombengeschäft. Gebannt folgt man den Nachforschungen der drei Kunstexperten der Detektei, die herausfinden sollen, ob der Graffitiaktivist tatsächlich in München unterwegs ist oder die Pieces von Nachahmern stammen. Doch die Suche nach der Wahrheit gestaltet sich äußerst schwierig.
Schon bald beginnt man aufgrund eines fehlenden Bekennervideos und bei der Vielzahl der weiter auftauchender Graffiti zu erahnen, dass Trittbrettfahrer vom Banksy-Hype profitieren und sich mit den Fake-Kunstwerken eine goldene Nase verdienen wollen.
Während der Autor sich zunächst Zeit nimmt, die Story aufzubauen, zieht die Spannung mit immer neuen Details und zutage tretenden Puzzleteilchen schließlich an. Zudem streut Jaumann geschickt Textpassagen mit Berichten über tragische Unglücksfälle in seine Handlung ein, die bewegende Einzelschicksale aus der Vergangenheit schildern. Auch wenn man diese zunächst nicht richtig zuordnen kann, ist klar, dass sie offenbar einen Bezug zu den Orten haben, an denen die „Banksys“ gesprayt wurden.
Im Mittelteil geraten die Ermittlungen leider etwas ins Stocken, so dass sich diese etwas in die Länge ziehen. Es entspinnt sich schließlich aber eine wendungsreiche Handlung mit vielen Nebenakteuren und einer Vielzahl an rätselhaften Erkenntnissen, die für gute Unterhaltung und jede Menge Stoff zum Mitraten sorgt. Zum Ende hin nimmt die Handlung zunehmend an Tempo auf und die Jagd des Ermittlungsteams nach dem Münchner Banksy wird enorm fesselnd. Die überraschende Auflösung des Falls ist sehr überzeugend und hat mich sehr nachdenklich zurückgelassen.
Seine Protagonisten Rupert, Max oder Klara hat der Autor zwar mit einigen Ecken und Kanten angelegt, doch wirkten sie auf mich nicht sehr lebendig und blieben bis zum Ende seltsam blass, so dass ich mit den drei grundverschiedenen Charakteren der Kunstdetektei von Schleewitz nicht sehr warm geworden bin und auch ihre Handlungen nicht immer nachvollziehen konnte.
Hervorragend ist es Jaumann gelungen, uns in die faszinierende Welt der Kunst zu entführen. So lässt er uns sehr aufschlussreiche Blicke hinter die Kulissen der geldgierigen Kunstszene und skrupellosen Kunstvermarktung werfen.

FAZIT
Ein unterhaltsamer Kunstkrimi rund um den berühmten Street-Art Künstler Banksy – mit einem verzwickten neuen Fall für die Kunstdetektei von Schleewitz, interessanten Einblicken in die Kunstszene und tollem Münchner Lokalkolorit!

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  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.02.2023

Kurzweilige Hommage an die Krähen

Krähengekrächz
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MEINE MEINUNG
In ihrer Erzählung „Krähengekrächz“ widmet sich die deutsche Schriftstellerin Monika Maron den Krähen – jenen faszinierenden Tieren, die die Menschheit von Beginn an begleiten und zum Gegenstand ...

MEINE MEINUNG
In ihrer Erzählung „Krähengekrächz“ widmet sich die deutsche Schriftstellerin Monika Maron den Krähen – jenen faszinierenden Tieren, die die Menschheit von Beginn an begleiten und zum Gegenstand vieler Mythen und Märchen wurden.
Dieser schmale Erzählband ist übrigens mit gleichem Titel bereits 2016 beim S. Fischer Verlag erschienen.

Durch ihre Intelligenz, Eleganz, Furchtlosigkeit und Unabhängigkeit ziehen diese Rabenvögel uns unweigerlich in den Bann. Auch die Autorin ist von diesen bemerkenswerten Vögeln angetan und von ihrer Selbstbestimmtheit sehr beeindruckt. Anlässlich einer Recherche zu einem neuen Roman beginnt Maron sich mit den Krähen eingehender zu beschäftigen. Äußerst unterhaltsam und kurzweilig schildert sie, wie sie beginnt die Vögel mit Futter zu ködern und sogar in die Wohnung zu locken. Auch auf ihren Spaziergängen sucht sie ihre Nähe, versucht sich mit ihnen anzufreunden und widmet sich voller Enthusiasmus ihren ausgiebigen Krähenbeobachtungen. Neben ihren aufschlussreichen Betrachtungen des Verhaltens geht sie auch der Frage nach dem Verhältnis zwischen Mensch und Tier nach und zieht Parallelen.
Darüber hinaus spürt sie den faszinierenden Vögeln schließlich auch in Kunst und Literatur nach. So präsentiert sie uns beispielsweise eindrucksvolle Rabenlyrik und erläutert uns die interessante Bedeutung der Raben in der Mythologie und verschiedenen Kulturen.
Ähnlich wie Monika Maron es ergangen ist, konnte ich mich beim Lesen der Faszination für Rabenvögel und der Ehrfurcht vor ihnen kaum entziehen und möchte mich gerne noch mehr mit ihnen beschäftigen.

FAZIT
Ein charmantes und zugleich interessantes Erzählbändchen über Krähen und was sie so besonders macht! Eine kurzweilige Lektüre, die zum Nachdenken anregt!

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Veröffentlicht am 24.02.2023

Faszinierende Familiengeschichte

Saubere Zeiten
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MEINE MEINUNG
In seinem tiefgründigen Roman „Saubere Zeiten“ erzählt der deutsche Journalist und Debüt-Autor Andreas Wunn eine sich über mehrere Generationen erstreckende Familiengeschichte. Es ist eine ...

MEINE MEINUNG
In seinem tiefgründigen Roman „Saubere Zeiten“ erzählt der deutsche Journalist und Debüt-Autor Andreas Wunn eine sich über mehrere Generationen erstreckende Familiengeschichte. Es ist eine bewegende Geschichte über Schuld und Verdrängung, fatale Missverständnisse, Familiengeheimnisse sowie die Schattenseiten von Erfolg.
Obwohl die Ausgangskonstellation des Romans von der eigenen Familiengeschichte inspiriert ist und einige Elemente auf wahren Begebenheiten beruhen, ist die Handlung hauptsächlich fiktiv.
Der Roman wird abwechselnd auf verschiedenen Zeitebenen erzählt. Zum einen verfolgen wir in einem Handlungsstrang die in der Gegenwart spielenden Ereignisse um die Hauptfigur Jakob, der sich mit der Vergangenheit seiner Familie zu beschäftigen beginnt, und erfahren zum anderen in Rückblicken mehr über lange zurückliegende, teilweise verhängnisvolle Geschehnisse. So tauchen wir ein in das Schicksal der Unternehmerfamilie Auber, erleben den Aufstieg zu großem Wohlstand zu Deutschlands Wirtschaftswunder-Zeit, als der Großvater Theodor ein legendäres Waschmittel erfand, und werden schließlich Zeugen des selbstverschuldeten, tragischen Absturzes in die Pleite Mitte der 1950ger Jahre. Nach und nach bringt Jakobs Spurensuche in den hinterlassenen Aufzeichnungen seines Vaters und Tagebucheinträgen seines Großvaters etliche dunkle Geheimnisse, traurige Gewissheiten und auch Überraschungen ans Licht. In Anspielung auf den vielsagenden Buchtitel deckt er bei seiner Aufarbeitung so einige unbekannte Kapitel in der Geschichte dieser Unternehmerfamilie auf, bei denen nicht alles so sauber war, wie viele annahmen.
Eingehend beleuchtet Wunn auch die schwierigen Vater-Sohn-Beziehungen der Familie. Sehr anschaulich zeigt er die Folgen von fehlender Zuneigung und Sprachlosigkeit zwischen den Generationen auf sowie die Notwendigkeit diese fatalen Verhaltensmuster zu erkennen und zu durchbrechen.
Je mehr sich der Protagonist Jakob im Laufe seiner Recherchen über Parallelen im Leben seines Großvaters, Vaters und ihm bewusst wird und die familiären Vergangenheit aufarbeitet, desto besser gelingt es ihm, sein Verhalten und seine eigenen Beziehungen zu überdenken, sich zu öffnen und zu sich selbst zu finden.

Wunn hat seine Charaktere vielschichtig und lebensnah ausgearbeitet. Leider ist es mir nicht gut gelungen, eine Nähe zu den Figuren aufzubauen und mich in sie hineinzuversetzen. Insbesondere bei Jakob als, der sein bisheriges Leben und seine Ehe sehr nüchtern und mit einer erschreckenden Distanziertheit hinterfragt, habe ich eine gewisse Emotionalität vermisst, die seine Wandlung widerspiegelt. Dies hätte der Geschichte insgesamt mehr Tiefgang verliehen, so dass diese mich hätte mehr berühren können.

FAZIT
Eine fesselnd erzählte Familiengeschichte und ein interessantes, facettenreiches Portrait einer Unternehmerfamilie, das nachdenklich stimmt und vielleicht auch dazu anregt, sich etwas näher mit der eigenen Familiengeschichte zu beschäftigen.

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Veröffentlicht am 10.01.2023

Außergewöhnliche Erzählung

Gespräche auf dem Meeresgrund
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MEINE MEINUNG
Mit ihrem neuen Buch „Gespräche auf dem Meeresgrund“ hat die deutsche Autorin Root Leeb eine eindringliche, tiefgründige Erzählung vorgelegt, die gekonnt ein Schlaglicht auf die heutige Zeit ...

MEINE MEINUNG
Mit ihrem neuen Buch „Gespräche auf dem Meeresgrund“ hat die deutsche Autorin Root Leeb eine eindringliche, tiefgründige Erzählung vorgelegt, die gekonnt ein Schlaglicht auf die heutige Zeit und die gesellschaftlichen Probleme wirft. Auf knapp 150 Seiten entspinnt sich eine höchst außergewöhnliche Geschichte über Leben und Tod, Freiheit und Immigration, über Privilegien und Macht, Menschlichkeit in Zeiten des Chaos, Diskriminierung sowie Suppression von Frauen und Armen.
Root Leeb hat ihre ungewöhnliche Erzählung als ein dialog-dominiertes Kammerspiel inszeniert, mit der faszinierenden Unterwasserwelt am Meeresgrund als minimalistisches, recht surreales Setting.
Wundervoll illustriert wird das ganze durch in den Text eingestreute, sehr stimmungsvolle Bilder, die alle wie ebenfalls das sehr ansprechende Cover von der Autorin stammen. Mit ihrem ruhigen, ausgefeilten Erzählstil hat die Autorin einen einzigartigen Klang in ihre eher stille Geschichte hineingezaubert. Ihre lakonisch wie poetische Sprache sowie ihre eindrücklichen, atmosphärisch dichten Beschreibungen haben mich rasch in den Bann gezogen und mein Kopfkino anspringen lassen. Root Leeb hat eine faszinierende Ausgangssituation für ihre Geschichte gewählt, die mich mit seinem unrealistischen, aber originellen und zugleich berührenden Gedankenexperiment sehr angesprochen hat.
So lässt sie drei zunächst namenlose Seelen im mythischen Element Wasser aufeinandertreffen - drei Menschen mit verschiedener Sozialisation und von unterschiedlicher Herkunft, die in dem unglücklichen Umstand, vom Meer verschluckt und nun an ihrer Grabstätte in einer Art Zwischenreich unter Wasser festgehalten zu sein, ein gemeinsames tragisches Schicksal teilen. In dieser besonderen Ausgangskonstellation, in der nichts voreinander verborgen werden kann, beginnen die drei Seelen sich miteinander auszutauschen, setzten sich zugleich auch mit ihrer bisherigen Lebensgeschichte und ihrem Schicksal auseinander und müssen sich zwangsläufig auch den Geistern ihrer Vergangenheit stellen.
Es ist faszinierend und bewegend, ihren Gesprächen über ihr früheres Leben und die Einschätzungen ihrer gegenwärtigen Lage zu folgen, ihren vorbeiziehenden Erinnerungsfetzen zu lauschen und an ihrem Gedankenstrom, ziellosem Philosophieren oder an sich bisweilen hochschaukelnden Emotionen teilzuhaben. Nach und nach erfahren wir mehr über einschneidende Geschehnisse in ihrem Leben und persönliche Schicksalsschläge, und die vergangene Lebenssituation dieser „armen Seelen“ mit ihren unterschiedlichen Hintergrundgeschichten kristallisiert sich immer deutlicher heraus.
Mit viel psychologischem Feingefühl ist es der Autorin in ihrem Kammerspiel gelungen, die Figuren mit ihrer unterschiedlichen Persönlichkeiten aber auch ihrer inneren Zerrissenheit, Ängsten, Trauer und Verbitterung glaubhaft einzufangen. Zugleich hat sie eindringlich-emotionale Momente oft nur kurz angeschnitten und überlässt es dem Leser, in diese Kulisse eigene Betrachtungen zu projizieren.
Die Intention der Autorin, den ertrunkenen Geflüchteten im Mittelmeer mit ihrem Roman ein Gesicht zu geben und uns ihre schicksalhafte Geschichte zu erzählen, finde ich sehr gelungen.

FAZIT
Eine tiefgründige, eindringlich-emotionale Erzählung, die zum Nachdenken über unser Leben und das Miteinander in unserer modernen Gesellschaft anregt.

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