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Veröffentlicht am 04.03.2023

Für mich eines der besten Werke Yoko Ogawas!

Hotel Iris
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Die jugendliche Mari arbeitet im Hotel ihrer Mutter am Meer. Eines Abends macht eine Prostituierte einen großen Aufstand und schreit vulgär durch die Gänge. Aus dem Zimmer, aus dem die Prostituierte geflohen ...

Die jugendliche Mari arbeitet im Hotel ihrer Mutter am Meer. Eines Abends macht eine Prostituierte einen großen Aufstand und schreit vulgär durch die Gänge. Aus dem Zimmer, aus dem die Prostituierte geflohen ist, ertönt die durchdringende Stimme eines Mannes mit den Worten:“Schweig, Hure!“
Mit diesen Worten beginnt die Faszination Maris für den deutlich älteren Mann. Als sie ihn in der Stadt zufällig wiedersieht, entschließt sie sich ihm heimlich zu folgen, was ihm aber nicht verborgen bleibt. Er spricht sie an, und aus Interesse aneinander verbringen sie Zeit zusammen. Sie verabreden sich an einem folgenden Tag. Mari erfährt, dass der alte Mann Übersetzer ist und Texte aus dem Russischen ins Japanische übersetzt. Maris Faszination für den Mann lässt sie ihn auf die kleine Insel folgen, auf der er wohnt.
Sonst ein sehr zugewandter, behutsamer, höflicher und freundlicher Mann ist das Haus auf der Insel sein Reich, in dem Mari sich ihm komplett unterordnet und beherrschen lässt. Anders als bei ihrer Mutter, deren Herumkommandieren sie als notwendiges Übel erträgt, empfindet sie in den Befehlen des Übersetzers eine sexuelle Lust. Was die beiden abgeschieden im Haus auf der Insel ausleben, könnte auch die Seiten einer BDSM-Novelle füllen. Das Besondere an Yoko Ogawas „Hotel Iris“ empfinde ich in der Vereinigung ihrer sonst üblichen unscheinbaren und bisweilen stillen Beschreibungen der Dinge in einem harten Kontrast mit dem intensiven vulgären Szenario dieser Geschichte.

Der ältere Mann, der Übersetzer, wird nie mit Namen erwähnt; er bleibt ein namenloser Herr. Der Gescichte ist dies sehr zuträglich, verstärkt es doch die ungleiche Rollenverteilung zwischen ihm und dem jungen Mädchen, das unvergleichliche Lust dabei empfindet sexuell von dem Mann erniedrigt und benutzt zu werden. Mit einigen Werken Ogawas bin ich bereits vertraut, es war jedoch äußerst erfrischend ihre eleganten, wohl platzierten Worte in dieser anrüchigen Konstellation eines dominant-devoten-Verhältnisses zu erleben. Dabei sind die Attribute auf ihre Weise bunt gemischt: Unschuld sowie Lust, davon haben beide ein wenig; Mari ist unerfahren und unschuldig in allen sexuellen Belangen, während der ältere Mann sich unerfahren und unbeholfen in der Welt bewegt.
Für mich neben „Der Herr der kleinen Vögel“ bisher eines der besten Werke Yoko Ogawas!

Veröffentlicht am 04.03.2023

Süße erste Liebe

Zuckerkringel-Ferien mit Marie
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Max fährt mit seiner Familie nach Frankreich in den Urlaub ans Meer. Auf dem Schoß hat er sein geliebtes Segelboot, das er selbst gebaut hat und schon darauf brennt, es im Meer zu Wasser zu lassen. Sein ...

Max fährt mit seiner Familie nach Frankreich in den Urlaub ans Meer. Auf dem Schoß hat er sein geliebtes Segelboot, das er selbst gebaut hat und schon darauf brennt, es im Meer zu Wasser zu lassen. Sein Bruder Ben hingegen hat nur Fußball im Kopf und möchte am liebsten sofort auf den Bolzplatz.
Endlich am Meer angekommen, stellt Max fest, dass der Wellengang für sein Boot zu hoch ist. Ihm fällt am Strand aber ein Mädchen auf, das Gebäck verkauft. Er erfährt, dass sie Marie heißt und jeden Tag Chichis verkauft, weil sie dringend Geld benötigt. Max entwickelt ein besonderes Interesse für das Mädchen. Marie spricht auch ganz viele Sprachen. Daher kennt sie auch ganz viele Leute, so wie Luuk, ein Junge aus den Niederlanden, auf den Max ganz schön eifersüchtig wird.
Max und Marie werden unzertrennlich, sie zeigt ihm die besten Plätze im Urlaubsort und erzählt, wofür sie so dringend viel Geld verdienen muss. Max ist daraufhin wild entschlossen ihr zu helfen. Er erfährt von einem Talentwettbewerb, bei dem es als Preisgeld 100€ zu gewinnen gibt. Marie hat aber kein wirkliches Talent, und auch Max fällt nichts ein. Doch Luuk hat ein ganz spezielles Talent und will für Marie antreten. Doch Max Bruder Ben will antreten.

Eine ganz niedliche Urlaubsgeschichte, in der sich eine erste Liebe entwickelt. Das Buch hat mein Augenmerk auf sich gezogen, weil Illustrationen von Joelle Tourlonias diese Wirkung auf mich haben. Sie hat nicht nur das Cover gestaltet, sondern auch innerhalb des Buches illustriert. Die Bilder von ihr begleiten die Story sehr harmonisch. Besonders gut an dem Buch hat mir gefallen, dass es so international gehalten ist. Man kommt mit französischen, englischen und niederländischen Wörtern in Kontakt, genau wie an einem richtigen Urlaubsstrand.
Eine tolle Urlaubsgeschichte, finde ich!

Veröffentlicht am 04.03.2023

Selbstzweck Lüge

So schöne Lügen
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Louises Leben kommt ihr allzu häufig zu langweilig vor. Ihre Ambitionen bleiben immer hinter ihren leeren Versprechungen sich selbst gegenüber zurück, dabei ist sie beinahe 30 und hat noch immer keine ...

Louises Leben kommt ihr allzu häufig zu langweilig vor. Ihre Ambitionen bleiben immer hinter ihren leeren Versprechungen sich selbst gegenüber zurück, dabei ist sie beinahe 30 und hat noch immer keine nennenswerte Karriere, dafür aber drei Jobs und dennoch eine ständig knappe Kasse. Ursprünglich wollte sie mal Schriftstellerin werden, aber zum Schreiben kommt sie nie, denn Entschuldigungen vor sich selbst sind der einfachere Weg als sich die Mühe zu machen. Selten gönnt sie sich das Vergnügen des teuersten Cocktails in einer Bar, bei dessen Genuss sie sich wünscht ein so bedeutsames Leben wie die Menschen um sie herum zu führen, die sich diesen Genuss so oft sie wollen leisten können.
Ihre Geldsorgen rücken vorübergehend in den Hintergrund, als sie auf eine Jobanzeige reagiert, die ihr 150 $ pro Stunde – für sie ein kleines Vermögen - bringen könnte. Sie lernt Lavinia kennen, die für ihre jüngere Schwester eine Tutorin für jenen Abend sucht, während sie auf eine Party irgendwo in New York geht. Als Lavinia am nächsten Morgen zurückkommt, freunden sie und Louise sich an und sind bald darauf unzertrennbar. Louise ist fasziniert von Lavinia, die sich offenbar um nichts Gedanken machen muss außer um ihren nächsten Beitrag auf Facebook. In Gesellschaft von Lavinia entflieht Louise der Unzulänglichkeit ihres eigenen Lebens auf angesagten New Yorker Parties, auf denen sie die verschiedensten Menschen kennenlernt, deren Oberflächlichkeit und Bedeutungslosigkeit ihr erst lange, nachdem sie diesen Menschen gefallen und ihnen nah sein möchte, klar wird. Aber alle lieben Lavinia, alle liken sie, und Louise sieht in ihr das, was sie selbst gerne hätte.
Kluge Menschen sind in diesem Roman rar. Ihr Potential erkennt Louise erst dann, als sie von einem bitteren Ereignis dazu gedrängt wird es zu entfalten oder in eine noch größere Bedeutungslosigkeit zu fallen als vor dem Kennenlernen von Lavinia.

Die Geschichte Louises dreht sich tatsächlich um Lügen; kleine Lügen, Notlügen, so schöne Lügen, große Lügen, ganze Lügengebilde. Jeder mit jedem, jeder gegen jeden, bloß gut dastehen wollen alle vor allen anderen. Louise ist fähig ihre Lage zu erkennen, nur entkommen kann sie ihr nicht, bis der Zufall ihr weitere Entscheidungen abnimmt.

Ich bin nur so durch diesen Roman geflogen, der Schreibstil hat mir sehr zugesagt, und ich wollte zu jeder Zeit wissen wie es weitergeht. Interessant stellt die Autorin dar, wie sich Beziehungen zu Menschen verändern mit den Ansichten, die man über sie hat und die Wahrheiten, die man von ihnen kennt. Man wird mit den dunklen Seiten underschiedlicher Charaktere konfrontiert und beobachtet sich als Leser dabei, wie auch man selbst seine Ansicht zu den Figuren verändert. Die Autorin hat da auf interessante Weise fast ein Psychogramm erstellt und in eine spannende Geschichte verpackt.

Veröffentlicht am 04.03.2023

Magisch und höchst witzig!

Die letzte Drachentöterin
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Jennifer Strange, ihres Zeichens Findelkind im vierten Jahr ihrer Kontaktarbeit, die jeder Findling abzuleisten hat, leitet die heruntergekommene Zaubereiagentur Kazam. Magier, ehemals mächtige Menschen, ...

Jennifer Strange, ihres Zeichens Findelkind im vierten Jahr ihrer Kontaktarbeit, die jeder Findling abzuleisten hat, leitet die heruntergekommene Zaubereiagentur Kazam. Magier, ehemals mächtige Menschen, sind nur noch ein Abbild ihres früheren Glanzes, sie werden nur noch für niedere Aufgaben wie die Kanalreinigung, Pizza-Auslieferungen auf fliegenden Teppichen oder die Neuverkabelung alter Wohnhäuser angestellt und sind dabei derselben Feilscherei ihrer Kunden ausgesetzt wie viele gemeine Handwerker.

Die Welt ist eine Mischung aus Moderne und Mystik; Drachen existieren neben Autos, Magie ist ebenso Teil von Jennifers Alltag wie unbelehrbare Monarchen. Nur eins ist gleich: Die Habgier der Menschen. Diese versammeln sich vor dem Drachenland, das an das Königreich grenzt, das Jennifer ihr Zuhause nennt. Der Vorhersehung nach soll das Drachenland nach dem Tod des letzten Drachen frei zur Besetzung sein für jeden, der sich ein Grundstück absteckt, und so campiert sämtliches Pack an der Grenze zum Drachenland in Vorfreude auf den baldigen Tod des Drachen.

Eines Tages hat nicht nur ein Zauberer eine mächtige Vision, sondern die meisten Zauberer im ganzen Land; der Drache (letzter seiner Art) Maltcassion soll von der Hand der letzten Drachentöterin niedergestreckt werden. Und Protagonistin Jennifer Strange hat auch einen Part zu spielen.

Jasper Fforde kann auch in diesem Roman wieder absolut überzeugen. An diesem Autor schätze ich besonders den kreativen, intelligenten und quatschvollen Humor, der mich stark an Walter Moers erinnert. Jasper Forde zeichnet in den Büchern, die ich von ihm bisher gelesen habe, die Kreation alternativer Welt aus, die sich von unserer zwar unterscheidet, aber insgesamt sehr ähnlich ist und von Verrücktheiten wie dem gesellschaftlichen Problem der Marzipansucht erfüllt ist. Den Folgeband "Das Lied des Quarktiers" werde ich mir umgehend mit Wonne zulegen.
So großartig ich seine Bücher finde, so bedauerlich ist es, dass sie in Deutschland nicht bekannter sind. Ich kann nur jedem raten, der Moers Sprachwitz liebt, sich auch mal an Fforde zu wagen!

Veröffentlicht am 04.03.2023

"I am woman, hear me roar"

Ihr mich auch
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Meine Rezension läute ich ein mit der ersten Zeile aus Helen Reddys Song „I Am Woman“ ein, weil es mir für diese Story sehr passend erscheint!

„Ihr mich auch“, das geht Lu – eigentlich Luisa - sehr häufig ...

Meine Rezension läute ich ein mit der ersten Zeile aus Helen Reddys Song „I Am Woman“ ein, weil es mir für diese Story sehr passend erscheint!

„Ihr mich auch“, das geht Lu – eigentlich Luisa - sehr häufig durch den Kopf. Andere Jugendliche finden sie seltsam, und deshalb wird sie hier und da auch verspottet. Lu ist nicht in eine Schublade einzuordnen; Freche Schnute, pinke Haare, Jungsklamotten, Boxtraining. Lu ist meistens alleine, dabei wünscht sie sich schon Freunde. Aus diesem Grund wird sie seit ihrer Kindheit, die sie ohne Vater erleben musste, weil der schon früh abgehauen ist, von einem imaginären Freund begleitet. Rhys, den außer ihr niemand sehen oder hören kann, vertraut sie ihre Geheimnisse an.
Nicht nur die Schule nervt Lu, auch ihre Mutter geht ihr oft gehörig auf den Keks. Lu und ihre ewige Studentenmutter haben das Geld nicht so locker sitzen, weshalb Lu die getragenen Klamotten ihres Cousins trägt. Als ihre Mutter einen Job findet, dessen Aufgabe darin bestehen soll, die verzogene Tochter eines wohlhabenden Schnösels zu babysitten, kann Lu nur mit den Augen rollen. Viola, die seit einem Unfall für ihr Leben gezeichnet ist, kennt keinen Respekt. Lu ist es ein Gräuel, dass ihre Mutter für diese tyrannische kleine Prinzessin arbeiten soll. Als Viola bei der ersten Begegnung Lu ins Gesicht spuckt, lässt sie sich das nicht gefallen und knallt Viola eine, bevor Lu das Weite sucht. Ihre Mutter, von der sie eigentlich eine Strafpredigt erwartet, erzählt beeindruckt und überrascht Lu, dass Viola darauf besteht, Lu bei einem gemeinsamen Mallorca-Urlaub dabei zu haben. Was als Grauen für Lu beginnt, mündet in eine Freundschaft wie Lu sie noch nie erlebt und sich immer gewünscht hat.

Vom Cover leuchtet den Betrachter der rosafarbene Schopf von Lu entgegen. Das Buch wirkt visuell sehr mädchenhaft, aber was man beim Lesen präsentiert bekommt, ist gelinde gesagt richtige Power. Lu ist ein wirklich cooler Charakter, allein dass sie zum Boxen geht, um ihre Wut und überschüssige Energie loszuwerden, hat mir sehr imponiert. Lus Einsamkeit mag sich in der Erfindung eines unsichtbaren Freundes manifestieren, es ist aber auch ihre Ressource einen Weg zu finden mit Rhys nicht einsam sein zu müssen. Die Geschichte ist für mich pure jugendliche, weibliche Stärke und ich kann das Buch wirklich jedem nahelegen, der starke weibliche Charaktere mag!