Konnte nicht ganz an den ersten Band anknüpfen
Chosen 2: Das ErwachenNachdem der erste Band der Dilogie "Die Bestimmte" bei mir eingeschlagen hatte wie eine Bombe, war ich so neugierig auf den zweiten Teil "Das Erwachen", der sich Gott sei Dank beim Erscheinungstermin nicht ...
Nachdem der erste Band der Dilogie "Die Bestimmte" bei mir eingeschlagen hatte wie eine Bombe, war ich so neugierig auf den zweiten Teil "Das Erwachen", der sich Gott sei Dank beim Erscheinungstermin nicht allzu viel Zeit gelassen hat. Am Ende des Auftaktbuches wurden zweifelsohne einige Fragen aufgeworfen, von denen ich gehofft hatte, dass sie nun beantwortet werden. Leider hat Rena Fischer mich diesmal nicht so abholen können, wie ich gehofft hatte.
Der Anfang des Buches knüpft mehr oder weniger nahtlos an das Ende des ersten Teils an, was ich super fand. Ich bin kein Fan von großen Zeitsprüngen oder langen Einführungsphasen. Was mich allerdings ein bisschen traurig gestimmt hat, waren die verschiedenen Perspektivenwechsel zwischen Aidan, Emma und Jacob. Zum einen spoilert die Auflistung von "Jacob"-Kapiteln im Inhaltsverzeichnis enorm, zum anderen habe ich dadurch ein bisschen die Verbindung zu Emma verloren. Der Plot im zweiten Band lässt diesen Wechsel definitiv zu, schließlich hat es die drei Protagonistin im Laufe der Handlung verstreut, aber ich fand die alleinige Erzählweise aus Emmas Perspektive um einiges besser. Denn was mich dann am Ende dann ganz verwirrt hat, war die Erzählform. Emmas Kapitel werden nämlich weiterhin aus Ich-Perspektive erzählt und Jacobs und Aidans Kapitel aus Sicht eines allgemeinen Erzählers. Gut gelöst fand ich das leider nicht besonders.
Allgemein gesehen hat mir die Plotidee genauso gut gefallen wie im ersten Band. Da hier nahtlos an die Geschichte angeknüpft wird, gibt es keine Lücken und die Erzählung erscheint wie eine umfassende Geschichte. Trotzdem fand ich die Umsetzung dieses Mal um einiges schwächer. Es gibt so viele langatmige Stellen, bei denen ich das Gefühl hatte, dieses Buch würde niemals enden. Natürlich merkt man auch, dass im ersten Band die Spannung, die Atmosphäre und dynamische Erzählung mehr gewichtet wurde. Im zweiten Band liegt der Fokus eher auf Emmas Gefühlen, auf ihren verschütteten Erinnerungen und ihrem inneren Zwiespalt. Die Geschichte ist schlichtweg nun mal ruhiger und gemächlicher – mir war sie aber ZU ruhig und ZU gemächlich. So wirkliche Spannungsmomente blieben bei mir aus oder haben mich nur ansatzweise gepackt. Allgemein hatte ich das Gefühl, dass der Tenor des Buches nicht mehr richtig getroffen wurde, dass es nur noch darum ging, Emma, Aidan und Jacob wieder zu vereinen und den Schulleiter zu stürzen. Die Gaben traten für mich immer mehr und mehr in den Hintergrund, stattdessen gab es nur Kampf, Lügen und Gewalt.
Wie eben schon erwähnt habe ich den Zugang zu Emma ein bisschen verloren. Sie ist auch in diesem Buch mein Favorit gewesen und sie ist auch weiterhin eine starke Hauptprotagonistin. Aber das kam durch die verschiedenen Perspektivenwechsel einfach viel zu kurz. Im ersten Band war sie die wichtige Figur mit der besonderen Gabe, die Heldin und Rebellin. Im zweiten Band kämpft jeder mit seinen eigenen Problemen, stellt sich seinen eigenen Feinden und wird dadurch zu seinem ganz eigenen, persönlichen Helden. Diese Verschiebung der Charaktergewichtung fand ich persönlich leider nicht ganz so glücklich. Da hätte ich mir schlichtweg einfach ein bisschen mehr Emma gewünscht.
Und auch Aidan verliert meiner Meinung nach in diesem Buch einiges an Strahlkraft, die ich im ersten Band so bewundert habe. Durch die Handlungsentwicklung kämpft er mit seinem Handicap und ist irgendwie doch nicht mehr ganz derselbe. Er ist natürlich immer noch loyal und hilfsbereit, er hat tiefe Gefühle für Emma und unterstützt sie in all seinen Möglichkeiten, aber ganz so einnehmend, wie ich ihn aus Band eins in Erinnerung hatte, war er für mich leider nicht mehr.
Beim Durchlesen der bisher oben aufgeführten Kritikpunkte habe ich gemerkt, dass sich das alles so negativ liest. Ich habe einiges an diesem Buch auszusetzen – daran sind wohl meine hohen Erwartungen Schuld. Doch trotzdem fand ich "Das Erwachen" recht gut. Schließlich habe ich das Buch an einem Tag komplett durchgelesen. Positiv bleibt für mich auf jeden Fall die steigende Entwicklung von Jacob in Erinnerung, der mir immer mehr und mehr ans Herz gewachsen ist, ebenso der tolle Schreibstil und das atemberaubende Setting. Auch der Umgang zwischen all den Protagonisten, die zwei Clans, die Raben und Falken und die Kreativität, die die Autorin in ihre Reihe gesteckt hat, weiß ich definitiv zu würdigen, auch wenn ich nicht ganz den Abschlussband bekommen habe, den ich mir gewünscht hätte.
Fazit
Auch wenn "Das Erwachen" letztlich schwächer war, als erwartet, und nicht ganz an die Qualität des ersten Bandes herankommt, habe ich sehr schöne Lesestunden mit Emma, Aidan und Jacob verbracht. Die Geschichte ist trotz ihrer Langatmigkeit ein solides Finale, das mit dem tollen Schreibstil, einem abwechslungsreichen und vielschichtigem Plot und einem überzeugenden Setting glänzt. Auf jeden Fall eine tolle Dilogie, die eine Kauf- und Leseempfehlung meinerseits verdient.