Originelle Idee mit Potential, aber mangelnder Plausibilität
Stranded - Die Insel„Die Insel“ beginnt denkbar vielversprechend damit, daß die Ich-Erzählerin Maddy Teilnehmerin einer Fernsehshow ist, für welche acht Leute ein Jahr allein auf sich gestellt auf einer Insel zurechtkommen ...
„Die Insel“ beginnt denkbar vielversprechend damit, daß die Ich-Erzählerin Maddy Teilnehmerin einer Fernsehshow ist, für welche acht Leute ein Jahr allein auf sich gestellt auf einer Insel zurechtkommen müssen. Ich habe vor Jahren einen Krimi mit ähnlicher Prämisse gelesen und war dort von der tollen psychologischen Zeichnung der Teilnehmer begeistert. Ähnliche Erwartungen hatte ich an dieses Buch. Diese wurden aber leider nicht erfüllt. Die Charaktere bleiben farblos, zwei von ihnen konnte ich bis zum Ende nicht auseinanderhalten. Hier wird kaum psychologisch gezeichnet und das ist besonders deshalb bedauerlich, weil die Entwicklung der Geschichte auf einer Gruppendynamik beruht, die angesichts der blassen Charaktere kaum nachzuvollziehen ist und somit die Geschichte nicht glaubhaft tragen kann. Die Grundidee, die an „Herr der Fliegen“ erinnert, ist vielversprechend, die Umsetzung dagegen schwach.
Eine Ich-Erzählerin zu nehmen, ist ein guter Schachzug, denn wir sehen alles durch Maddys Augen, wissen dadurch vieles anfänglich nicht, außerdem macht Maddy genügend Andeutungen, die auf ihre Prägung durch einen schwierigen Hintergrund verweisen. Zunehmend stellt sich die Frage, wie verlässlich Maddys Sicht ist. Das liegt hauptsächlich daran, daß das Geschehen schnell extrem und unglaubwürdig wird. Beim Lesen gesellt sich eine Frage zur anderen, ein „Das kann ja eigentlich nicht sein“ zu einem „Auf die Erklärung dafür bin ich mal gespannt.“ Das ging mir nicht allein so; da ich dieses Buch in einer Leserunde las, weiß ich, daß viele Mitleser sich über Dinge wunderten, die keinen Sinn ergaben. Manches davon wird – oft unzureichend oder nicht nachvollziehbar – erklärt, anderes bleibt offen und so mußte ich feststellen, daß die Autorin ihre Geschichte oft unter Missachtung der Plausibilität entwickelt hat. Wenn man die unlogischen Punkte auflisten würde, käme eine ziemliche Liste zusammen. Das war für mich eine große Enttäuschung und beim Ende fühlte ich mich als Leser nicht ernst genommen. Die Auflösung vieler Fragen geschah am Ende zudem hastig und lieblos, außerdem übertrieben.
Positiv zu vermerken ist, daß es im Buch viele überraschende Wendungen und originelle Ideen gibt und es sich leicht und größtenteils ohne Längen liest. Die vorhandenen Längen entstehen hauptsächlich durch detaillierte Beschreibungen von Tagesabläufen und Überlebensmaßnahmen. Dies ist natürlich für die Geschichte wichtig, allerdings nicht in solcher (sich zudem wiederholender) Detailfreude. Teilweise hatte ich das Gefühl, ein Survival-Handbuch zu lesen. Wäre diese Akribie in die Charakterzeichnung gesteckt worden, hätte die Geschichte sicher sehr gewonnen. Der Schreibstil ist einfach, für meinen Geschmack etwas zu schlicht, auch die zahlreichen Wiederholungen waren manchmal ärgerlich (Beispiel: S. 260: „… außerdem konnte ich jedes Mal nur wenig Gepäck mitnehmen.“ / S. 261: „Da ich mich leise fortbewegen musste, konnte ich nicht allzu viel Gepäck mitnehmen“). Für einen Thriller zwischendurch ist der Schreibstil aber ausreichend.
Wer sich an zahlreichen Logiklöchern nicht stört, kann mit dem Buch unterhaltsame Lesestunden verbringen. Mir haben die o.g. Punkte das Lesevergnügen allerdings doch ziemlich beeinträchtigt.