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Veröffentlicht am 01.08.2017

Die Könige von Loosewood Island

Die Hummerkönige
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„Was ich ihn hätte fragen sollen, war dieses: Wenn er das Rad zurückdrehen und einen Handel mit dem Ozean machen könnte, würde er dann mein Leben gegen das seines Sohnes eintauschen?“

Inhalt

Cordelia ...

„Was ich ihn hätte fragen sollen, war dieses: Wenn er das Rad zurückdrehen und einen Handel mit dem Ozean machen könnte, würde er dann mein Leben gegen das seines Sohnes eintauschen?“

Inhalt

Cordelia Kings lebt seit ihrer Geburt auf der malerischen, wenn auch rauen Insel Loosewood Insland zwischen Neuschottland und Maine und erlebt als Tochter eines alteingesessenen Hummerfischers tagtäglich die Anforderungen, die das Meer an sie stellt. Angefangen bei einer jahrhundertealten Familientradition, die sich auf die Mythologie der Meereswesen stützt bis hin zu den körperlichen Anstrengungen, die sie im Erwachsenenalter als Fischerin und Kapitän eines eigenen Bootes aufbringen muss. Sie hat in der eingeschworenen Gemeinschaft und der Einsamkeit des Meeres ihre Passion gefunden und blickt voller Stolz auf die Geschichte und Vergangenheit ihrer Vorfahren zurück. Gemeinsam mit ihrem Vater hält sie die Tradition aufrecht und kümmert sich ambitioniert um das Fortbestehen der Hummerfischerei in ihrer Heimat. Doch nicht nur eine dunkle Prophezeiung aus grauer Vorzeit trübt ihr persönliches Glück, sondern auch die kriminellen Machenschaften der Konkurrenz, die weder vor Plünderei noch Mord zurückschrecken. Cordelia muss beweisen, dass sie tatsächlich zur Königsfamilie auf Loosewood Island gehört …

Meinung

Der kanadische Autor Alexi Zentner, der bereits für seinen Debütroman „Das Flüstern des Schnees“ für renommierte Literaturpreise nominiert wurde, erzählt in dieser dichten, abwechslungsreichen Geschichte von der Schönheit und Veränderlichkeit des Meeres ebenso wie vom Freud und Leid einer ortsansässigen Familie, die für ihr Auskommen einen profitablen Fischereibetrieb aufrechterhalten muss. Besonders intensiv und anschaulich gestaltet der Autor die Atmosphäre auf den Booten, die Schönheit aber auch Unberechenbarkeit der Natur, die Verlässlichkeit der Menschen aufeinander in ihrem Schaffensprozess und darüber hinaus die Vielfalt menschlicher Beziehungen innerhalb eines Familienverbandes. Gerade dieser Schwerpunkt bringt wundervolle Gedankengänge und echte Emotionen rüber, die von einer intensiven Vater-Tochterbeziehung getragen werden. Aber auch die Liebe der Hauptprotagonistin zu ihrem verheirateten Steuermann, die Zuneigung aber auch Rivalität zu ihren Geschwistern und der Schatten eines tödlichen Dramas aus Kindertagen bereichern den Text und differenzieren die Ursachen für ein Leben in der Gegenwart.

Lediglich die eingeflochtene Erzählung über die bösartige Konkurrenz, die dem Hummerfang eigentlich längst abgeschworen hat und stattdessen nun den Drogenhandel favorisiert, erscheint mir etwas unpassend und bringt zwar einige zusätzliche Spannungsmomente in das Geschehen ein, wirkt auf mich aber aufgesetzt und sehr erzwungen. So wandelt sich eine ansonsten sehr verlässliche, besonnene Cordelia in Anbetracht der Umstände zur Brandstifterin, die ihre Rivalen förmlich ausräuchert. Auch die Grenze zwischen Gewaltbereitschaft und Rechtssprechung der Massen missfällt mir in diesem Zusammenhang sehr und lässt mich hier einige Minuspunkte verteilen. Der Roman wäre auch ohne diese Zwischenpunkte hervorragend ausgekommen und hätte schon allein auf Grund der Naturgewalten eine ganz spezifische Anziehungskraft.

Fazit

Ich vergebe 3,5 Lesesterne (aufgerundet 4) für diesen naturverbundenen Familienroman, der mich durch seine differenzierte Betrachtung menschlicher Verhaltensweisen innerhalb eines kleinen Familienkreises einnehmen konnte. Erzählt wird eine Geschichte mit viel Liebe zu den Menschen, mit einer ausgeprägt innigen Vater-Tochter-Beziehung und der Möglichkeit, andere in die Mitte einer Gruppe mit aufzunehmen. Dieser Gedanke konnte mich sehr erwärmen und absolut überzeugen, nur die Umsetzung der tatsächlichen Geschehnisse, der Einsatz der Waffen und die dadurch erzwungene Dramatik geben den Ausschlag für meine Bewertung.

Veröffentlicht am 26.06.2017

Die unerzählbare Geschichte

Hier sind Drachen
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„Der Zufall ist trivial, nicht wahr? Man bringt die Ereignisse des Lebens lieber miteinander in Verbindung, weil sie dann einen Sinn ergeben könnten. Also kleben die Menschen alles, was ihnen geschieht, ...

„Der Zufall ist trivial, nicht wahr? Man bringt die Ereignisse des Lebens lieber miteinander in Verbindung, weil sie dann einen Sinn ergeben könnten. Also kleben die Menschen alles, was ihnen geschieht, zu einer Narration zusammen, zu ihrem Lebenslauf, zu ihrer Identität.“

Inhalt

Caren, eine junge Journalistin, die für das Magazin Independent schreibt, hatte schon mehrfach in ihrem Leben unwahrscheinliches Glück. Immer auf der Suche nach brandaktuellen Storys reist sie rund um den Erdball und befasst sich in ihren Artikeln in erster Linie mit diversen Terroranschlägen, Attentaten und ihren Verursachern oder anderen vernichtenden Ereignissen, die viele Unschuldige erbarmungslos mit in den Tod reißen. Doch wie durch ein Wunder, war sie zwar immer hautnah am Geschehen, doch passiert ist ihr nichts. So erschüttert es sie auch nicht an diesem Tag, als sie auf dem Flughafen in Heathrow festsitzt, weil es anscheinend einen anonymen Anrufer gab, der eine Bombendrohung ausgesprochen hat. In der erzwungenen Wartezeit unterhält sie sich mit einem Mann, den sie Wittgenstein nennt, weil er just in diesem Moment die Schriften des gleichnahmigen Philosophen studiert und wie sich wenig später herausstellt, Zufallsforschung betreibt. Doch noch während die beiden in eine Unterhaltung über den Sinn des Lebens, das Schicksal ganz allgemein und bloße Zufälle an sich vertieft sind, erfüllt sie die schlechteste aller Möglichkeiten, denn das angedrohte Attentat nimmt seinen Lauf … und nichts wird mehr sein, wie es war…

Meinung

Ein ungewöhnlicher Buchtitel und eine spannende Ausgangssituation haben mich dazu animiert, mich mit der Lektüre des neuen Romans der deutschen Autorin Husch Josten, die ich bisher nicht kannte, zu befassen und in dieses kurze Kammerspiel über Schicksalhaftigkeit und Willkür einzutauchen. Der Inhalt selbst bleibt bis zum Ende etwas rätselhaft und undurchsichtig, gleichwohl die aktuelle Thematik von Terrorismus und Fanatismus immer wieder gestreift wird, handelt es sich dennoch um einen sehr persönlichen Text, der sich mit den Lebensumständen und Beziehungen der Hauptprotagonistin beschäftigt. Caren ist der Inbegriff einer Frau, die einerseits genauso lebt, wie sie es möchte, nämlich frei, engagiert, sattelfest im Job und emanzipiert und die dennoch nicht das gefunden hat, was sie sich wünscht, nicht in dem Maße, wie sie es selbst erhofft. Wittgenstein, der charismatische Fremde, der vom Sicherheitspersonal als potentieller Täter verdächtigt wird, weckt in ihr Gedankengänge, die sie sich bisher verboten hat, sät Zweifel und schürt Hoffnungen bezüglich ihrer direkten Zukunft. Und dann gibt es da noch Ben, Carens sporadischen Lebensgefährten, den sie nie so lieben kann, wie sie es sich vorstellt und dennoch nicht ohne weiteres gehen lassen kann …

Denkansätze, philosophische Betrachtungen und alternative Lebensmodelle streift das Buch sehr oft und setzt sie wie kleine Stücke aneinander, so dass der Leser nach und nach ein Gesamtbild konstruieren kann, welches mit der schicksalhaften Verkettung aller Umstände ein jähes Ende findet. Und genau diese leicht diffuse Erzählung, gespickt mit fundamentalen Wahrheiten und weitreichenden Entscheidungen konnte mich leider nicht so ganz fesseln. Zu schwammig war mir die Intention der Autorin, zu wenig greifbar die Kernaussage des Buches, zu zerstreut und unentschlossen die Protagonistin.

Während des Lesens entfalten sich zwei Welten, zum einen die persönliche Hintergrundgeschichte von Caren und zum anderen das Geschehen auf dem Flughafen – beide Erzählstränge wechseln nahtlos, manchmal auch spontan aber immer sehr gut nachvollziehbar. Auch die Sprache der Autorin lebt von bedeutungsschweren Sätzen und schönen Formulierungen, die den Leser gefangen nehmen und ihn trotz der Kürze des Textes einen gewissen Mehrwert erschließen lassen. Distanziert aber nicht unpersönlich, aussagekräftig aber nicht aufdringlich – so führt Husch Josten den Leser durch die Stationen des Buches und weckt immer wieder neues Interesse.

Fazit

Ich vergebe 3,5 Lesesterne (aufgerundet 4) für ein nicht alltägliches, alternatives Buch, welches die großen Fragen unserer Zeit mit den noch größeren Fragen eines erfüllten Lebens kombiniert. Die Lektüre selbst spricht für sich und zielt sehr genau auf die Objektivität und Beobachtungsgabe des Lesers. Tatsächlich fordert der Roman ein „um die Ecke“ denken, ein Abweichen von vorgegebenen Mustern und hinterfragt diverse Handlungsweisen. Dieses gedankliche Konstrukt, wirkt neuartig und gut, hat aber zur Folge, dass sich jeder Leser genau die Dinge entnehmen kann, die ihm wichtig sind und diese verlieren sich leider über die Zeit, so dass mir am Ende des Buches schlicht und einfach eine konkrete Aussage fehlte. Empfehlenswert ist der Roman auf jeden Fall, denn so ungewöhnlich wie sein Titel ist auch die verborgene Geschichte – jeder wird sie wohl anders empfinden.



Veröffentlicht am 01.05.2022

Wie lebt man mit der Lüge

Das Leben eines Anderen
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„Wenn du die Vergangenheit nicht ausradieren kannst, musst du sie so lange überschreiben, bis sie nicht mehr zu entziffern ist.“

Inhalt

Akira Kido ist fasziniert von der Geschichte, die ihm seine Klientin ...

„Wenn du die Vergangenheit nicht ausradieren kannst, musst du sie so lange überschreiben, bis sie nicht mehr zu entziffern ist.“

Inhalt

Akira Kido ist fasziniert von der Geschichte, die ihm seine Klientin Rie zuträgt. Ihr Mann ist auf tragische Weise verunglückt, doch während ihres Trauerprozesses entdeckt die Frau, dass es Unstimmigkeiten gibt, denn der Verstorbene kann nicht der sein, für den er sich ausgab und nun stellt sich ihr die elementare Frage, mit wem sie hier eigentlich verheiratet war? Kido verspricht, sich der Sache anzunehmen und legt Stück für Stück die wahren Hintergründe frei. Immer tiefer taucht er in das Lügengebäude des Taniguchi Daisuke ein und entdeckt neben all den moralischen Verfehlungen plötzlich auch die wahre Motivation des Betrügers. Schon bald kann er sich der Faszination eines Identitätentauschs kaum noch entziehen und stellt sich die philosophische Frage, wie man mit so einer Lüge leben kann?

Meinung

Es ist ein hochinteressantes Konstrukt, welches der japanische Autor Keiichiro Hirano hier entwirft: ein Mann legt sich eine neue Identität zu, lässt sein komplettes bisheriges Leben hinter sich und verleibt sich die Stationspunkte eines anderen ein. Nicht nur auf den Dokumenten ist er nun ein anderer, nein auch seine Vergangenheit und Vorgeschichte sind eine komplett unterschiedliche. Plötzlich bietet sich in der Mitte des Lebens die Möglichkeit einen kompletten Neuanfang zu starten, die Fesseln abzustreifen und noch einmal von vorn anzufangen. Das einzig moralisch bedenkliche dabei, ist der Betrug, den man damit an seinen Mitmenschen verübt und das Dilemma derer, wenn sie die Farce aufdecken.

Die Leseprobe des Buches hat mich sehr angesprochen, der distanziert, kühle Ton, wie so oft in japanischen Büchern aber auch die fatale Situation der Protagonisten haben mich zu diesem Roman greifen lassen. Gerade die psychologische, mentale Komposition der Ausgangssituation hat mich fasziniert. Leider entwickelt das Buch aber nicht den gewünschten Lesesog. Stellenweise habe ich mich eher gelangweilt und es geht ständig auf und ab mit der Begeisterung. In weiten Teilen des Textes handelt es sich um die Spurensuche des Anwalts, nach der wahren Identität des Gesuchten. Damit verbunden sind zahlreiche Umwege und Stolperfallen. Es kommt zu verschiedenen Begegnungen mit Menschen, die den Betrüger oder auch dessen Leben kannten und sozusagen aus dem Nähkästchen plaudern, nur leider gerät in diesen Passagen die eigentliche Aussage des Ganzen immer weiter in den Hintergrund.

Mein Hauptkritikpunkt an diesem zeitgenössischen Roman mit interessanter Story, ist die Tatsache, dass er sich verzettelt, immer wieder abschweift und damit nur schwache Spuren hinterlässt. Eine klare Fokussierung und weniger Randthemen hätten diesem Text wesentlich mehr Tiefe verleihen können. Vielleicht ist der suchende Anwalt auch die falsche Person, die hier zu Wort kommt. Oft habe ich gedacht, es wäre besser gewesen, der Betrüger selbst hätte seine Gedanken offenbart, dann wäre man als Leser auch schneller involviert gewesen.

Fazit

Ich vergebe mittelmäßige 3 Lesesterne für diese Geschichte, die ich mir in ihrem Verlauf doch ganz anders vorgestellt hatte. Auf mich wirkte das Ganze, wie ein gebrochenes Spiegelglas, bei dem der Betrachter langsam zuschauen kann, wie die Risse immer tiefer werden und die Glasscherben schließlich bröckelnd zu Boden fallen. Übrig bleibt zwar ein Eindruck, wie es einmal gewesen sein könnte, aber dadurch, dass man den Spiegel nicht in seiner ursprünglichen Form kannte, bleiben einfach zu viele Lücken, um die Schönheit insgesamt zu erfassen oder sich ihrer zu erinnern.

Dieses Buch kann man besser lesen, wenn man sich auf mäandernde Storys einlassen kann und nicht so großen Wert auf Emotionalität und Identifikationspotential legt. Der Roman zählt definitiv nicht zu denjenigen, die besonderen Anklang bei mir finden, schon allein wegen seiner fehlenden Aussagekraft.

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Veröffentlicht am 20.04.2022

An den Schalthebeln der Macht

Der dreizehnte Mann
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„Mein Lieber, mir scheint beinahe, Sie haben es in ihrer Welt mit eindeutigeren Sachverhalten zu tun. Der Fall zeigt, dass es im Leben da draußen einfach ambivalenter zugeht.“

Inhalt

Für Rocco Eberhardt, ...

„Mein Lieber, mir scheint beinahe, Sie haben es in ihrer Welt mit eindeutigeren Sachverhalten zu tun. Der Fall zeigt, dass es im Leben da draußen einfach ambivalenter zugeht.“

Inhalt

Für Rocco Eberhardt, der normalerweise auf Seiten der Verdächtigen steht und vor Gericht deren Strafverteidigung führt, handelt es sich bei dem Ansinnen seines neuen Mandanten Timo Krampe um einen ungewöhnlichen Fall. Krampes bester Freund und Leidensgefährte Jörg Grünwald, ist spurlos verschwunden und das, kurz bevor sich die beiden offiziell zu den staatlich gelenkten Straftaten äußern wollten, die ihnen selbst widerfahren sind. Als wenig später die Leiche von Grünwald aufgefunden wird und es sich nach dem Obduktionsbericht um ein Gewaltverbrechen handelt, beginnt Rocco Eberhardt tiefer zu graben. Bald muss er feststellen, dass seine Gegner weit oben an den Schalthebeln der Macht sitzen und trotz der Verjährung ihrer Verbrechen, alles dafür tun, um ihr Wirken zu verschleiern …

Meinung

Dies ist der zweite Band aus der Justiz-Krimi-Reihe des Autorenduos Florian Schwiecker und Michael Tsokos. Darin ermitteln der Strafverteidiger Eberhardt und der Rechtsmediziner Jarmer gemeinsam an Mordfällen in der deutschen Hauptstadt Berlin. Nachdem mich Band 1 „Die siebente Frau“ gut unterhalten konnte, wollte ich schauen, ob sich die Fortsetzung dieser Reihe lohnt. Aber so ganz konnte der Funke diesmal nicht überspringen. Prinzipiell sind die auf Tatsachen beruhenden Hintergründe zu diesem Fall sehr interessant, denn das Verbrechen, welches hier zur Verhandlung gebracht wird, gab es in einer ähnlichen Form tatsächlich. Die Umsetzung jedoch wirkte ausgesprochen zäh und recht mühsam, da es wirklich nur in ganz kleinen Schritten und sehr detailverliebt vorwärts geht.

Der Text formiert immer neue Tage, mit nur wenig fallrelevanten Ereignissen. Jeder Akteur geht seiner Arbeit nach, es ergeben sich dabei mehr zufällig als zielgerichtet Neuigkeiten und die Inhalte schwenken oftmals ab. Mag sein, dass die Realität genau so aussieht, doch für einen spannenden Kriminalroman müsste es gebündelt und anders aufbereitet werden. Die vielen Gespräche, Treffen und Absprachen vor der eigentlichen Verhandlung bleiben deshalb so blass, weil sie akribisch und in wörtlicher Rede zu Papier gebracht wurden. Der Blick auf das große Ganze kommt dadurch abhanden und die Spannungskurve verläuft flach.

Fazit

Ich tendiere zu eher mittelmäßigen 3 Lesesternen – die Justiz und die Funktionsweise des Systems werden ausgesprochen anschaulich und wahrheitsgemäß wiedergegeben, die Identifikation und das generelle Interesse dafür schwinden aber zusehends. Auch die kleinen Abstecher ins Privatleben von Rocco Eberhardt, der hier mit seiner vergangenen Liebespartnerin zusammenarbeitet und gerne wieder an alte Zeiten anknüpfen würde, haben mich nur mäßig angesprochen. Auf dem Sektor eines anspruchsvollen Justizfalles mit mörderischer Energie und persönlicher Erfahrung (die merkt man den Handlungen nämlich tatsächlich an), hätte ich insgesamt mehr erwartet. Ob ich dieser Reihe nun weiterhin folgen werde, ist ungewiss, vielleicht kommt mit dem nächsten Band wieder Fahrt auf, ich warte erstmal ab.

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Veröffentlicht am 30.03.2022

Mein unveräußerlicher Schatz

Vom Aufstehen
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„Denn ich habe mir in meinem langen Leben alles einverleibt, was ich wollte an Liebe, Wärme, Bildern, Erinnerungen, Fantasien, Sonaten. Es ist alles in diesem Moment in mir. Und wenn ich ganz alt bin, ...

„Denn ich habe mir in meinem langen Leben alles einverleibt, was ich wollte an Liebe, Wärme, Bildern, Erinnerungen, Fantasien, Sonaten. Es ist alles in diesem Moment in mir. Und wenn ich ganz alt bin, vielleicht gelähmt und vielleicht blind, und vielleicht sehr hilfsbedürftig, dann wird das alles auch noch immer in mir sein. Das ist nämlich mein Schatz.

Inhalt

Helga Schubert resümiert in dieser Kurzgeschichtensammlung, die 29 verschieden Texte umfasst über ihr langes Leben. In beinahe willkürlicher Reihenfolge nimmt sie ihre Leser mit hinein in ihre Gedankenwelt, hinein in familiäre Ausflüge, in politische Gedankengänge, in gesellschaftliche Zwänge aber auch in das Hier und Jetzt, wie es sich anfühlt immer älter zu werden und welche Herausforderungen das Leben bereithält.

Meinung

Normalerweise liebe ich solche Texte, insbesondere, wenn sie in einer ansprechenden Struktur verfasst wurden und greifbar wirken. Die Rahmenbedingungen für dieses Buch könnten also nicht besser sein und dennoch bin ich vorwiegend enttäuscht von der Lektüre, gerade weil ich so eine hohe Erwartungshaltung hatte und die zahlreichen Lobesstimmen aus der geneigten Leserschaft mich dazu veranlasst haben, dieses Buch unbedingt zu konsumieren.

Im Wesentlichen sind es zwei Dinge, die mich nachhaltig gestört haben: Zum einen ist es die distanzierte Sicht auf die Menschen und Berührungspunkte in Helgas Leben, abschließend wirkt es so, als hätte sie viele Personen gekannt, die sie eigentlich nicht mochte und stattdessen ignorierte oder kritisierte. Andererseits wirkt sie nicht so, als wäre ihr das Alleinsein die liebste Lebensform gewesen.

Zum anderen sind es die vielen politischen Betrachtungen, die mich tatsächlich nur geringfügig interessiert haben, vielleicht auch deswegen, weil ich zu jung bin, für die entsprechenden gesellschaftlichen Hintergründe.

Fazit

Hier kann ich leider nur 3 mittelmäßige Lesesterne vergeben. Sprachlich ist das Buch ein Genuss und auch die Idee dahinter, die mich an ein buntes Kaleidoskop eines langen Lebens erinnert, finde ich sehr gut, doch gerade die emotionale Ebene kommt mir hier viel zu kurz, dass tatsächlich Private, die Schlussfolgerungen, die gezogen werden.

Eigentlich kann ich diesem Buch nur sehr wenig entnehmen, es besitzt längst nicht die Aussagekraft, die ich ihm gewünscht hätte und es wäre mir deutlich lieber gewesen, einen Roman in seiner Gesamtheit vorzufinden, als nun diese Kurzgeschichtensammlung. Die einzelnen Storys hätten auch von 29 verschiedenen Personen stammen können statt von einer Einzigen und das verbindende Element bleibt mir zu weit im Hintergrund.

Ich glaube, dass Buch findet seine Leser, es kann sehr einprägsam wirken, wenn man etwas entdeckt, dass einem selbst wichtig ist und es entfremdet eher, wenn man keine Berührungspunkte (privat, politisch, familiär, gedanklich) ausmachen kann. Leider zähle ich mich zur zweiten Gruppe und die Fremdheit überwiegt.

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