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Veröffentlicht am 26.06.2023

Entfaltet sein dystopisches Potenzial

QualityLand
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In diesen Zeiten, wo die Diskussion über die KI und ihre Möglichkeiten am Beginn ist, ist es sicher kein Fehler, wieder einmal auf Marc-Uwe Klings Buch "QualityLand" zu greifen. "QualityLand" zeigt, was ...

In diesen Zeiten, wo die Diskussion über die KI und ihre Möglichkeiten am Beginn ist, ist es sicher kein Fehler, wieder einmal auf Marc-Uwe Klings Buch "QualityLand" zu greifen. "QualityLand" zeigt, was passieren kann, wenn gesetzliche Regeln zur KI und zur Verwendung von Algorithmen ausbleiben. 

"QualityLand" ist ein Roman, der etwas langsam in Schwung kommt, dann aber sein dystopisches Potenzial voll entfaltet. Der Schrecken einer KI-gesteuerten Zukunft ist dabei so gut wie durchweg im Alltäglichen angesiedelt. Menschen, die in sich selbst gefangen sind, von der die KI alles weiß, sind die Protagonisten.

Nein zu sagen ist in dieser Welt nicht mehr vorgesehen - bei relevanten Entscheidungen drückt man einfach nur auf okay. Die KI weiß schließlich, was man will. Auch, was man wählen will - allerdings hat man da noch die Möglichkeit, sich die anderen Kandidaten, die einem nicht empfohlen werden, anzeigen zu lassen. 

Dass es eine Kampftruppe gegen eine robotergesteuerte Zukunft im Untergrund gibt, erfährt der Leser. Durchgespielt wird der Kampf aber nur im kleinen Rahmen. Peter Arbeitsloser ist der Protagonist, der erkennen muss, dass der Protest gegen das Geschäftsgebaren von TheShop zwecklos ist - der Algorithmus macht keine Fehler, genauer: er darf keine Fehler machen. Und doch will Peter Arbeitsloser etwas an TheShop zurückschicken - was nicht vorgesehen ist, da die Firma weiß, was sich ihre Kunden wünschen. 

Gerade weil es vor allem um den kleinen Mann geht, entfaltet der Roman sein dystopisches Potenzial. Nur am Rande geht es um die Frage, was es heißt, dass Menschen mit Punkten in Gruppen eingeteilt werden, es genügt die Darstellung wie TheShop arbeitet, um eine Zukunft zu projizieren, die alles andere als wünschenswert ist - auch wenn die TheShop den Menschen die Wünsche von ihren Profilen ablesen kann. 

Was Peter Arbeitsloser erlebt, ist deutlich eindrucksvoller als etwa die diskutierte Frage, ob ein KI-Roboter Präsident werden darf. "QualityLand" zeigt eindrücklich, wie die KI die Frage nach der Würde des Menschen und nach einem gelingenden Leben stellt. 

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Veröffentlicht am 01.05.2023

Sprachlich beeindruckend

Licht
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1978 erschienen, hat der Langenmüller-Verlag dieses Jahr Christoph Meckels Erzählung "Licht" neu veröffentlicht. Aus der Zeit gefallen wirkt diese Geschichte auch heute nicht. Im Gegenteil: Die Frage, ...

1978 erschienen, hat der Langenmüller-Verlag dieses Jahr Christoph Meckels Erzählung "Licht" neu veröffentlicht. Aus der Zeit gefallen wirkt diese Geschichte auch heute nicht. Im Gegenteil: Die Frage, wie man als Paar das Zusammenleben regelt, was es für eine Beziehung braucht, sie ist auch heute hochaktuell. 

Glück, das sagt Gil gleich am Anfang der Erzählung, Glück braucht es nicht in einer Beziehung. Glück sei eine Illusion. Es müsse einfach zwischen den beiden alles stimmen. 

Aber stimmt mit den beiden, mit Gil und Dole, alles? Eher nicht. Denn Gil findet einen Liebesbrief von Dole - der allerdings nicht an ihn gerichtet ist. Hat Dole also eine Affäre? Gil geht davon aus, auch wenn er hin und wieder Zweifel hat. Gegenüber Dole spricht er das Thema allerdings nicht an. Stattdessen beginnt er, sie zu beobachten. Dabei ist er völlig verunsichert, wie er mit seinem Fund umgehen soll - sein Versuch, mit Anspielungen Dole zum Reden zu bringen, misslingt. Also bleibt es unausgesprochen zwischen ihnen. 

Nach und nach verliert aber der gefundene Brief an Bedeutung. Stattdessen entwickelt sich Meckels "Licht" von einem spannenden zu einem sperrigeren Text. Rückblenden prägen nun Gils inneren Monolog. Ihr Kennenlernen, gemeinsame Urlaube. Ebenso die Erkenntnis, dass beide ihren Freiraum brauchen, Zeit für sich selbst. Telefongespräche, die sich verändern. Der Besuch an dem Ort, wo Dole aufgewachsen ist .Die Unsicherheit: was interessiert den anderen? Und: haben beide die gleichen Gefühle? Gil weiß, dass Dole 33 Jahre alt ist - Dole muss erst rechnen, wenn sie nach Gils Alter gefragt wird... 

Die Rückblenden sind zum Teil etwas schwer zu lesen, da sie unterschiedlich lang sind und man nicht immer weiß, wo man gerade zeitlich steht. Eine klare Entwicklung lässt sich so dem Text nicht entnehmen - das hat der Autor aber sicher auch nicht beabsichtigt. Vielmehr geht es darum, was eine Beziehung ausmacht - und was sie trägt. Die Chronologie wird dafür außer Acht gelassen. 

"Licht und Geheimnis" heißt es in dem unglückseligen Brief. Beides macht ihre Beziehung aus: Licht und Schatten, Licht und Verborgenes. Lange, bis kurz vorm überraschenden Schluss des Buches, bleibt beides in der Schwebe. 

Sprachlich ist "Licht" beeindruckend. Schon allein wegen Wortschöpfungen wie "Mitternachtsstädte" oder schöne, treffende Formulierungen wie diese: "Wir frühstückten spät und viel zu lang und ließen den Tag bis gegen Mittag warten."  

Auch deshalb hat mir "Licht" trotz der etwas ausufernden Rückblicke und der sprunghaften Erzählweise gut gefallen. 

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Veröffentlicht am 31.03.2023

Reihenauftakt

Die Geschichtenwandler − Magische Tinte
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Kristen Perrin hat in ihrem ersten Band der „Geschichtenwandler“, „Magische Tinte“, eine alte Geschichte aufgegriffen: Was wäre, wenn wir die Gegenwart verändern könnten? Das Mädchen Enna bekommt diese ...

Kristen Perrin hat in ihrem ersten Band der „Geschichtenwandler“, „Magische Tinte“, eine alte Geschichte aufgegriffen: Was wäre, wenn wir die Gegenwart verändern könnten? Das Mädchen Enna bekommt diese Gelegenheit. Ihre Mutter betreibt eine Buchhandlung, in der plötzlich merkwürdige Dinge geschehen. Denn sie erhält wie von Geisterhand eine Einladung für die Aufnahmeprüfung der "Emerald Ink“. Mit deren grüner Geheimtinte hat es eine besondere Bewandtnis. Die Bücher können umgeschrieben werden – allerdings mit sehr negativen Folgen für die Gegenwart. Die 12-jährige Enna muss also handeln… Unterstützt wird sie dabei auch von ihrer Großmutter, die sie „Grams“ nennt – mir hat sehr gefallen, wie die Beziehung zwischen Enkel und Großmutter beschrieben ist.

Was die „Emerald Ink“ genau ist, bleibt noch etwas offen – „Magische Tinte“ ist schließlich erst der Reihenauftakt. Sehr gefallen haben mir die vielen literarischen Zitate im Buch. Ein Buch über die Bedeutung von Büchern.

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Veröffentlicht am 31.03.2023

Gelungener Reihenauftakt

Magic Kingdom. Im Reich der Märchen, Band 1: Der Fluch der dreizehnten Fee (Abenteuerliche, humorvolle Märchen-Fantasy)
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Wenn das, was man in seinem Lieblingsbuch liest, plötzlich real wird, ist man ordentlich vor den Kopf gestoßen. So geht es auch der 12-jährigen Filomena Jefferson-Cho, als Mitten in Kalifornien ihr Figuren ...

Wenn das, was man in seinem Lieblingsbuch liest, plötzlich real wird, ist man ordentlich vor den Kopf gestoßen. So geht es auch der 12-jährigen Filomena Jefferson-Cho, als Mitten in Kalifornien ihr Figuren aus ihrem Lieblingsbuch „Magic Kingdom“ begegnen. Und das, wo ganz unerwartet ein Fortsetzungsband der Reihe nicht erscheint.

Und es hat einen Grund, dass Figuren der Märchenwelt plötzlich ganz diesseitig auf den Straßen von North Pasadena zu finden sind. Einen alles anderen als guten. Und aus Filomenas Leben wird ratzfatz ein Abenteuer, in dem einige Aufgaben zu bewältigen sind. Wie gut, dass sie Mitstreiter hat.

An manchen Stellen hätte ich mir weniger Abenteuer, die zu bestehen sind, gewünscht und mehr reflexierende Momente. Gelungen und witzig fand ich die Bezüge auf andere literarische Werke, allen voran natürlich Märchen.

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Veröffentlicht am 11.03.2023

Vielschichtiger Familienroman

Flugschnee
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Simon ist weg. Verschwunden. Seit mehreren Jahren schon. Grund genug, nicht nur seine Geschichte zu erzählen, sondern auch die seiner Schwester, seiner Eltern und auch Großeltern.

„Flugschnee“ ist der ...

Simon ist weg. Verschwunden. Seit mehreren Jahren schon. Grund genug, nicht nur seine Geschichte zu erzählen, sondern auch die seiner Schwester, seiner Eltern und auch Großeltern.

„Flugschnee“ ist der Titel dieses Familienromans von Birgit Müller-Wieland, einer österreichischen Schriftstellerin, die mittlerweile in München lebt. Symbolisch steht der Flugschnee für den Zustand der Familie: die Gefährdung des „Familienhauses“ wie auch die Kälte und Nässe, die sich in der Familie einnistete – durch Ungesagtes, Verschwiegenes und Verleugnetes.

In der Rahmenhandlung, die in der Gegenwart spielt, ist es Simons Schwester Lucy, die sich auf die Suche nach ihrem Bruder macht – herausfinden will, was mit ihm passiert ist, wer er überhaupt war und wer er ist. Lucy begibt sich auf eine Reise in die Vergangenheit, ihre früheste Kindheit. Bald schon landet sie bei einem Weihnachtsfest, an das sie sich kaum noch erinnern kann. Was ist damals passiert im Haus ihrer Großeltern in Hamburg?

„Flugschnee“ erzählt vielschichtig. Auf unterschiedlichen Zeitebenen und aus unterschiedlichen Perspektiven. Und ja: das Verschwinden Simons gerät mehr und mehr in den Hintergrund. Bruchstückhaft wird erzählt, was in der Zeit des Dritten Reichs geschah, was vor 20 Jahren. Die Geschichte der Großeltern und Eltern wird aus der Versenkung geholt. Stück für Stück. Einfach ist das nicht, denn Lucys Großmutter leidet an Demenz und es fällt ihr merklich schwer, aufkommende Erinnerungsbilder zu verstehen.

Beim Versuch, alles zu verstehen, schreitet Lucy nur langsam voran. Hinzu kommt, dass die Mutter-Tochter-Beziehung nicht ohne Konflikte ist. „Flugschnee“ greift ein breites Spektrum an Themen auf – ein weit ausholender Familienroman, der auch vor Themen wie Demenz, Abtreibung und Traumata nicht halt macht. Auch sprachlich erweist sich Birgit Müller-Wielands „Flugschnee“ als hohe Literatur.

„Flugschnee“ ist ein Buch, das man ein zweites Mal lesen muss, um all die verworrenen und doch miteinander verknüpften Fäden zu erkennen.

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