Platzhalter für Profilbild

FranziskaBo96

Lesejury Profi
offline

FranziskaBo96 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit FranziskaBo96 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.04.2023

Spannender Familienepos

Saubere Zeiten
0

Journalist Jakob Auber kehrt in seine Heimat Trier zurück, als er erfährt, dass sein Vater im Sterben liegt. Im Elternhaus angekommen entdeckt er mehrere Tonbänder, die sein Vater besprochen hat, sowie ...

Journalist Jakob Auber kehrt in seine Heimat Trier zurück, als er erfährt, dass sein Vater im Sterben liegt. Im Elternhaus angekommen entdeckt er mehrere Tonbänder, die sein Vater besprochen hat, sowie die Tagebücher seines Großvaters und viele Fotos. Nun gehen wir gemeinsam mit Jakob auf eine Entdeckungsreise in seine Familiengeschichte, die vor allem von seinem Großvater Theodor Auber geprägt ist, der in den 50ern mit einem Waschmittel reich wurde, aber schnell das Geld wieder verlor. Dabei kommt Jakob aber auch dem ein oder anderen Geheimnis auf die Spur.

Was soll ich sagen? Man muss mir einfach eine gut geschriebene Familiengeschichte geben und schon bin ich begeistert. Der Autor verarbeitet teilweise autobiografische Elemente zu einem Werk, das vor allem die Nachkriegszeit und deren Folge auf folgende Generationen aufgreift. Dabei wirft er unheimlich viele interessante Fragen zu Männlichkeit, Schuld und Vergangenheitsbewältigung auf, die mich sicher noch länger beschäftigen werden.

Besonders herauszuheben ist der tolle Schreibstil, bei dem Humor an passenden Stellen auch nicht zu knapp kommt und der außerdem unheimlich spannend ist. Gerade auf den letzten 100 Seiten hatte ich wirklich Schwierigkeiten, das Buch aus der Hand zu legen, weil der Autor viele clevere Cliffhanger an Kapitelenden einbaut.

Wer Familiengeschichten mag, wird "Saubere Zeiten" lieben!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.04.2023

Was ist eine gute Mutter?

Institut für gute Mütter
0

Frida hat einen richtig schlechten Tag - auf den ungeahnte Konsequenzen folgen. Die völlig überforderte alleinlebende Mutter lässt ihre einjährige Tochter für zwei Stunden allein zu Hause. Nachbarn alarmieren ...

Frida hat einen richtig schlechten Tag - auf den ungeahnte Konsequenzen folgen. Die völlig überforderte alleinlebende Mutter lässt ihre einjährige Tochter für zwei Stunden allein zu Hause. Nachbarn alarmieren die Polizei und Frida wird das Sorgerecht vorerst entzogen. Was nun folgt ist eine vollkommen entmenschlichende Überwachung, frustrierender Kontakt mit den Behörden und ein interessantes Angebot des Gerichts: Frida soll ein Jahr auf eine Schule, wo sie lernen soll, wie sie eine gute Mutter wird, bei erfolgreichem Abschluss hat sie bessere Chancen, das Sorgerecht für ihre Tochter zurückzubekommen. Frida nimmt das Angebot an, doch sie ahnt nicht, welche Methoden sie an dieser Schule erwarten.

Zum Inhalt des Buches finde ich es noch erwähnenswert, dass die Handlung ein paar dystopische und Sci-Fi-Elemente enthält, vor allem was Überwachung und künstliche Intelligenz angeht. Diese Aspekte sind nur sehr gering in der Anzahl, aber durchaus wichtig für die Handlung, ich könnte mir vorstellen, dass sehr große Sci-Fi-Muffel hier vielleicht die Lust verlieren könnten. Wie genau diese Elemente aussehen, möchte ich nicht weiter spoilern, sie werden aber an anderer Stelle (z.B. den Klappentext des Buches) erwähnt.

Selten hat mich ein Buch so wütend gemacht - und das meine ich als Kompliment. Die Handlung wirft die große Frage auf, was eine gute Mutter ausmacht, wer die Antwort auf diese Frage festlegt und ob und wie Eltern es schaffen können, Fehler in ihrer Erziehung zu revidieren. Auch Aspekte der Kultur und des Geschlechts in diesem Zusammenhang fand ich unheimlich interessant. Der Inhalt dieses Buches wird mich sicher noch für lange Zeit beschäftigen - auch (oder vor allem?) ich als Person, die (noch) keine Kinder hat, hatte hier an echt viel zu knabbern.

Gleichzeitig muss ich aber auch zugeben, dass ich manches als echt harten Tobak empfand und ich das Buch manchmal einfach weglegen musste, weil mich manches so sehr aufgeregt hat - aber ich denke, genau das will das Buch erreichen. Trotzdem könnte ich mir vorstellen, dass sich manche Menschen durch gewisse Inhalte des Buches getriggert fühlen können, entsprechende Warnungen wären hier glaube ich ganz gut gewesen (v.a. schwierige Erfahrungen sowohl als Kind als auch als Elternteil, Probleme beim Co-Parenting).

Mich hat das Buch wirklich nachhaltig zum Nachdenken angeregt und ich denke, das schaffen so sicher nur wenige Romane. "Institut für gute Mütter" ist sicher kein einfaches Buch, aber wenn man im richtigen Headspace ist, kann man hier sicher einiges mitnehmen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.04.2023

Liebe, Verlust und Musik

Morgen und für immer
0

"Morgen und für immer" erzählt die Lebensgeschichte von Kajan, der in den 30ern in Albanien geboren wird. Während des zweiten Weltkrieges kämpfen seine Eltern als Partisanen gegen die Deutschen, weshalb ...

"Morgen und für immer" erzählt die Lebensgeschichte von Kajan, der in den 30ern in Albanien geboren wird. Während des zweiten Weltkrieges kämpfen seine Eltern als Partisanen gegen die Deutschen, weshalb er bei seinem Großvater unterkommt. Eines Tages verirrt sich der deutsche Deserteur Cornelius in den Garten des alten Mannes, der ihn daraufhin aufnimmt. Als Dank gibt Cornelius seinem Kajan Klavierstunden und weckt in ihm eine Leidenschaft, die ihn bis an sein Lebensende begleiten und an die verschiedensten Orte der Welt bringen wird.

Mann, was für ein Buch. Wenn man mir vor dem Lesen gesagt hätte, dass ich danach so begeistert wäre, hätte ich es bestimmt nicht geglaubt - jetzt bin ich mir ziemlich sicher, dass es sich um eines meiner Jahresfavoriten handelt. Die Geschichte ist unheimlich spannend erzählt. Es passiert so unheimlich viel - und ich denke, man könnte dem Autor vorwerfen, dass er es manchmal zu actionreich und vielleicht auch ein bisschen unrealistisch macht, aber mich hat das irgendwie überhaupt nicht gestört. Man fiebert einfach unheimlich mit Kajan, seiner Familie und den zahlreichen Nebencharakteren mit.

Tatsächlich habe ich mich immer mal an Amor Towles erinnert. Meta schafft es, die teilweise doch recht komplexe Geschichte sehr kohärent zu erzählen, ohne Fäden zu verlieren und bringt auf erstaunliche Weise immer wieder Elemente aus vorherigen Teilen der Story zurück. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal laut beim Lesen eines Buchs gejubelt habe, aber hier war es definitiv der Fall - das Wort "Epos" trifft den Inhalt einfach irgendwie am besten.

Meiner Meinung nach greift der Klappentext (und irgendwie viele Rezensionen, die ich gelesen habe) viel zu viel der Handlung voraus. Ich finde, je weniger man über die Geschichte weiß, desto mehr wird man von ihr und den oft überraschenden Wendungen und Kniffen begeistert sein.

Ihr seht, ich war von diesem Buch schwer begeistert. Wie schade, dass noch nicht so viel darüber gesprochen wird - das muss sich ändern!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.03.2023

Damit hätte ich nicht gerechnet

Immer am Meer entlang
0

Paul und Josi eint, dass sie beide in umgebauten Gefährten für ein Jahr die europäischen Küsten entdecken wollen - doch bis auf diesen Fakt könnten die beiden kaum unterschiedlicher sein. Während Josi ...

Paul und Josi eint, dass sie beide in umgebauten Gefährten für ein Jahr die europäischen Küsten entdecken wollen - doch bis auf diesen Fakt könnten die beiden kaum unterschiedlicher sein. Während Josi nämlich seit Jahren kontrolliert auf diesen Trip spart und alles genaustens geplant hat, ist für Paul diese Reise eine spontane Reaktion auf eine Quarter-Life-Crisis, die er mit seinem großzügigen Gehalt relativ spontan unternehmen konnte. Immer wieder treffen die beiden aufeinander und obwohl die gegensätzlichen Charaktere sich immer wieder aneinander reiben, sprühen irgendwann die Funken.

Ich bin ganz ehrlich: Als ich mit dieser Lektüre angefangen habe, hätte ich nicht gedacht, dass ich am Ende so davon begeistert sein würde. Ein Beweis mehr, dass man nicht immer alle Genrebücher über einen Kamm scheren kann und nicht alle Liebesromane nach dem gleichen Schema geschrieben sind.

Die große Stärke des Buches ist sicherlich der Roadtrip-Charakter. Man hat am Ende einfach total Lust, selbst mal wieder an die Küste zu fahren (und das sage ich als jemand, der sonst nicht so der Riesenfan vom Meer ist). Die Reiseziele werden einfach super ausdrücklich beschrieben, gleichzeitig werden aber auch die Nachteile des Vanlifes angebracht. Und während Selbstfindung sicherlich eines der zentralen Themen des Buches ist, hatte ich nie das Gefühl, dass es irgendwie in dieses typische Blabla abdriftet, das bei solchen Geschichten leider öfters auftaucht. Allgemein gefiel mir sehr gut, dass die Liebesbeziehung nicht das einzige war, was die Protagonisten umgetrieben hat und dass manchmal einfach nur die Reise weiterging, ohne zu viel über die Liebe zu schwafeln.

Auch sonst spricht die Autorin zwischenzeitlich ein paar spannende Themen, zum Beispiel die Sicherheit beim Alleinreisen von Frauen an. Interessant fand ich auch, dass die männlichen Figuren hier mal weichere Seiten zeigen durften, allen voran ein alleinerziehender Vater als Nebenfigur, der die Care-Arbeit auch mal wirklich nicht auf irgendwelche weiblichen Familienmitglieder abwälzt.

Natürlich könnte man dem Buch vorwerfen, dass es gerade gegen Ende etwas kitschig wird und dass es auch etwas vorhersehbar ist, aber ich denke, das wäre bei dem Genre irgendwie ungerecht. Von mir bekommt "Immer am Meer entlang" daher wohlverdiente 5 Sterne und eine dicke Empfehlung für die Urlaubslektüre!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.03.2023

So viel zu erzählen auf nur knapp 200 Seiten

Ruhm und Verbrechen des Hoodie Rosen
0

Hoodie hat in seinen fünfzehn Lebensjahren bisher kaum Erfahrungen außerhalb seiner jüdisch-orthodoxen Gemeinde gemacht - bis er auf Anne-Marie trifft. Sie entspricht so gar nicht den Vorstellungen seiner ...

Hoodie hat in seinen fünfzehn Lebensjahren bisher kaum Erfahrungen außerhalb seiner jüdisch-orthodoxen Gemeinde gemacht - bis er auf Anne-Marie trifft. Sie entspricht so gar nicht den Vorstellungen seiner Kultur und zu allem Übel ist sie die Tochter der Bürgermeisterin, die sich mit seiner Gemeinde einen harten Kampf um ein Wohnprojekt liefert. Trotzdem verliebt Hoodie sich in sie, was so einige Wellen in seiner Welt auslöst.

"Ruhm und Verbrechen des Hoodie Rosen" hat mich wirklich überrascht. Ich hatte mit einem netten Jugendroman gerechnet, der sich vor allem mit Antisemitismus befasst, aber es ist so viel mehr. Auch Generationenkonflikte, das Erwachsenwerden und Traumata werden hier angesprochen - eine Themendichte, die bei knapp 200 Seiten wirklich erstaunlich ist. Dabei bekommt man aber nie das Gefühl, dass die Geschichte überladen ist oder zu viel will.

Besonders gut gefiel mir, was für einen guten Einblick der Autor in die jüdisch-orthodoxe Kultur gibt. Wir lernen Hoodies doch sehr spezielle Welt, deren Bräuche und auch ein paar Vokabeln der jiddischen und hebräischen Sprachen kennen. Dabei merkt man, dass der Autor Respekt vor dieser Lebensweise hat, zeigt aber trotzdem problematische Aspekte in ihr auf - sicherlich ein Spagat, der gar nicht so einfach ist.

Ich denke, gerade die Kürze des Buches kann so manchen Lesemuffel vielleicht zum Griff zu dieser Lektüre überzeugen. Von mir bekommt Hoodie Rosen fünf wohlverdiente Sterne und eine dicke Empfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere