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Veröffentlicht am 29.06.2023

"die Vergangenheit zerfällt in Stücke / die Ereignisse verschwimmen" Mina Loy

Ein Geist in der Kehle
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Als kinderlose Mittdreißigerin hätte ich mir das Buch aufgrund des Klappentextes wohl nicht ausgesucht. Ich mag jedoch literarische Abwechslung und lasse mich gern überraschen. Als Rezensionsexemplar erhalten, ...

Als kinderlose Mittdreißigerin hätte ich mir das Buch aufgrund des Klappentextes wohl nicht ausgesucht. Ich mag jedoch literarische Abwechslung und lasse mich gern überraschen. Als Rezensionsexemplar erhalten, war ich sowohl gegenüber der Handlung als auch der mir unbekannten Autorin unvoreingenommen. 

Das Caoineadh: die Autorin definiert das Gedicht als "Trauergesang und Klagelied, Hymne, Choral und Totenklage". Wer sich selbst ein Bild machen will, findet es im irischen Original sowie der englischen Übersetzung von Doireann Ní Ghríofa am Ende des Buches. Die deutsche Version ist natürlich ebenfalls beigefügt. Im Nachhinein betrachtet, hätte ich das Gedicht besser im Vorfeld gelesen, um die Referenzen besser einordnen zu können. In Teilen erinnert das Buch an Gedichtinterpretationen der Oberstufe.

Es ist auf jeden Fall ein interessanter Ansatz anhand des Gedichtes Parallelen zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu ziehen. Faszinierend ist die detailgetreue Recherche in der heutigen Zeit über Eibhlín Dubh Ní Chonaill, welche immerhin Mitte des 18. Jahrhunderts geboren wurde! Äußerst gelungen finde ich auch die biografischen Einblicke in den Alltag der Mütter.

Den Schreibstil der Autorin kann man tatsächlich als poetisch, aber auch fesselnd bezeichnen - in jedem Fall liest sich das Buch flüssig. Schwierigkeiten bereitete mir teilweise der Inhalt. Die Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit waren nachvollziehbar, kompliziert wurde es jedoch, wenn Nebenschauplätze ins Spiel kamen. Für einen ersten Eindruck empfehle ich Klappentext, Leseprobe und den treffend formulierten Auszug der Einleitung eines Gesprächs von Rhian Sasseen (THE PARIS REVIEW) mit der Autorin: "Im Werk der irischen Schriftstellerin Doireann Ní Ghríofa begegnet man Geschichte als etwas Amorphem, etwas Lebendigem, das immer wieder ins Leben von Menschen in der Gegenwart dringt oder darin für Brüche sorgt. Meine Einführung in Ní Ghríofas Werk geschah durch "Ein Geist in der Kehle", und seitdem habe ich[...]über die Fragen nachgedacht, die es thematisiert: Geschichte, Mutterschaft, Obsession und die Durchlässigkeit von Zeit, Ort und Identität."

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Veröffentlicht am 22.05.2023

Kamigawa Shokudo

Das Restaurant der verlorenen Rezepte (Die Food Detectives von Kyoto 1)
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In einer Kyotoer Gasse, zwischen alten Tempeln und kleinen Läden, liegt das Restaurant Kamogawa. Ein einladender Ort, an dem ein Vater und seine Tochter mit einzigartigen, perfekt zubereiteten Rezepten ...

In einer Kyotoer Gasse, zwischen alten Tempeln und kleinen Läden, liegt das Restaurant Kamogawa. Ein einladender Ort, an dem ein Vater und seine Tochter mit einzigartigen, perfekt zubereiteten Rezepten den Kunden helfen, die wichtigsten Momente ihres Lebens noch einmal zu erleben...

Welch schöne Idee samt passendem Cover und landestypischer Umsetzung! Ich war sofort mitten in der Geschichte. Was für mich häufig ein Problem in Bezug auf japanische Literatur darstellte - dass ich wiederholt die Protagonisten als distanziert empfand - war bei diesem Buch nicht der Fall

Den wenigen zwei-geteilten Kapiteln dient jeweils ein Rezept als Überschrift. Mit einem empathischen Sprecher kann ich mir die Geschichte gut als Hörbuch vorstellen.

Einzelne Kapitel in Episodenform sorgen für Kurzweil, lassen aber aufgrund der wenigen Seiten an Tiefgang mangeln und wirken auf Dauer eindimensional bzw. gegen Ende langsam eintönig. Man erhascht lediglich kurze Momentaufnahmen. Bei dem ein oder anderen Gast hätte ich mir etwas mehr Einblick in die Lebensumstände gewünscht - gleiches gilt für die Hauptcharaktere Koishi und Nagare. Die Beweggründe für ihr Restaurant und die speziellen Gerichte bleiben leider im Dunkeln. (Welche Rolle spielt beispielsweise Nagare's Vergangenheit in Bezug auf die Ermittlungen der Detektei?) Die sparsamen Informationen lassen andererseits Raum für eigene Interpretation und Gedanken...

Das Buch ist eine tolle kulinarische Einstimmung auf bevorstehende Japan-Reisen. Der Aspekt des Essens hat mir persönlich sehr gut gefallen und ich kann es kaum erwarten mich durch das breite Angebot zu probieren.

Für die vielen japanischen Begriffe wäre ein Glossar wünschenswert. Auch werden wohl nicht alle Lesenden die bis ins kleinste Detail ausgeführten Beschreibungen der Gerichte mögen. Bei Interesse würde ich vorab einen Blick in die Leseprobe empfehlen.

"Das Restaurant der verlorenen Rezepte" war in Japan so erfolgreich, dass eine mehrteilige Reihe folgte, welche als Vorlage für einen Fernsehserie dient.

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Veröffentlicht am 05.04.2023

...vom Verlassen-Werden und Verlassen-Sein

Das Glück hat acht Arme
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Normalerweise mache ich mir beim Lesen Notizen für meine Rezension, bei diesem Buch war dem nicht so - es ist ungewöhnlich, besonders...

Vor einem Jahr habe ich eine Oktopus-Farm (Forschungszentrum) besucht, ...

Normalerweise mache ich mir beim Lesen Notizen für meine Rezension, bei diesem Buch war dem nicht so - es ist ungewöhnlich, besonders...

Vor einem Jahr habe ich eine Oktopus-Farm (Forschungszentrum) besucht, was mein Interesse an den Tieren geweckt hat. Marcellus wurde für meine Begriffe sehr gut getroffen - wenn man das so sagen kann - und ist nur eine der "bemerkenswert hellen Kreaturen" (um Bezug auf den Titel der englischen Original-Ausgabe zu nehmen).

Die Informationen des Klappentextes verraten nicht zu viel von der Handlung, wecken aber eventuell falsche Erwartungen. Ich war recht unvoreingenommen und wurde positiv überrascht. Die überschaubare Anzahl an liebenswerten Protagonisten in Kombination mit durchaus ernsten Themen und einer Prise Spannung sorgen für abwechslungsreiche Unterhaltung. Stellenweise gab es kleinere Längen, daher vergebe ich sehr gute vier Sterne und werde gern nach weiteren Veröffentlichungen der Autorin Ausschau halten.

PS Noch ein Tipp: Sehenswert ist die Dokumentation "Mein Lehrer, der Krake"

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Veröffentlicht am 03.04.2023

Trügerische Idylle

Das Schweigen der Klippen
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Wie schön, dass die Reihe fortgeführt wird. Ich habe den Vorgänger "Kalt lächelt die See" letzten Sommer vor meiner Reise auf die Kanalinseln gelesen und freue mich gedanklich auf die Insel Guernsey zurückzukehren... ...

Wie schön, dass die Reihe fortgeführt wird. Ich habe den Vorgänger "Kalt lächelt die See" letzten Sommer vor meiner Reise auf die Kanalinseln gelesen und freue mich gedanklich auf die Insel Guernsey zurückzukehren... Das Cover weckt schöne Erinnerungen, verweist aber in Form des Bunkers gleichzeitig auf die deutsche Besatzungszeit.

Hier setzt der Prolog an: Was geschah im Jahr 1944 mit William und Odile? Welche Rolle spielt seine blutige Uhr?

In der Gegenwart läuft fieberhaft die Suche nach einer alleinstehenden, mittellosen Dame: Odile Davies. "Wer sollte eine demente alte Frau ermorden wollen? War die alte Frau womöglich absichtlich [in den Tod] gesprungen?" Nur zwei von vielen Fragen die sich Detektive Kate Langlois und ihre Kollegen vom Criminal Investigation Department stellen müssen. Scheinbar hatte die Tote weder Familie noch Freunde und die Heimleitung mauert...

Die Autorin schlägt einen durchweg freundlichen, zu keinem Zeitpunkt abwertenden Ton an. Dadurch liest sich das Buch flüssig und man befindet sich direkt im Geschehen. Ellis Corbet ist außerdem Meisterin im Streuen wohldosierter Informationen. Trotz der Andeutungen des Prologs nehmen die in Rückblenden erzählten Ereignisse aus der Vergangenheit wenig Raum ein. Für den Spannungsaufbau auf den ersten ca. 150 Seiten würde ich 5 Sterne vergeben. Die zweite Hälfte war für mich stellenweise zu viel des Guten: zu gefällig und konstruiert wirkt der Ablauf der Auflösung. Viele Details kamen zufällig ans Licht. Auch Nicholas' Beteiligung ist für meinen Geschmack zu plaktiv. Das hätte man geschickter lösen können. Die Aufklärung erfolgt erfreulicherweise erst auf den letzten Seiten - jedoch sehr abrupt...

Vorkenntnisse aus dem ersten Teil der Reihe sind nicht erforderlich, da die Ermittlungen jeweils in sich abgeschlossen sind. Der Rahmenhandlung kann man ebenfalls leicht folgen. Die sich entwickelnde Beziehung zwischen Kate und Nicholas bleibt dezent im Hintergrund, ist jedoch nicht unkompliziert.

Fazit: Kurzweilige Unterhaltung mit viel Lokalkolorit

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Veröffentlicht am 13.03.2023

Von Büchern und Menschen

Ein Buchladen zum Verlieben
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"Sara hatte in ihrem ganzen Leben noch nichts unternommen, was auch nur im Geringsten abenteuerlich gewesen wäre."

"Wie konnte man tausende von Meilen reisen und doch derselbe Mensch sein, wenn man ankam? ...

"Sara hatte in ihrem ganzen Leben noch nichts unternommen, was auch nur im Geringsten abenteuerlich gewesen wäre."

"Wie konnte man tausende von Meilen reisen und doch derselbe Mensch sein, wenn man ankam? Das begriff Sara nicht."

Diese Zitate beschreiben die 28-jährige Hauptprotagonistin zu Beginn des Buches als sie im ländlichen Iowa ankommt. Die junge schwedische Buchhändlerin wirkt ein wenig weltfremd und naiv, lässt sie sich doch mehrfach von Fremden im Auto auf dem Weg in die Kleinstadt Broken Wheel mitnehmen.

"Wenn ihr Leben ein Buch gewesen wäre, hätte sie darin nicht einmal eine Nebenrolle gespielt. Und eine Nebenrolle war eigentlich alles, was sie wollte. Hauptperson, das wäre zu viel verlangt."

Ich konnte mich mit Sara leicht identifizieren, da ich nur wenig älter und ebenfalls ein Bücherwurm bin. In Schweden wartet außer ihrer dominanten Mutter nicht viel auf sie und es war schön ihre Entwicklung in Iowa zu verfolgen - inkl. jeder Menge Lesetipps & Inspiration!

"Aber wie wurde man eigentlich zu einem Menschen, der Träume und ein Ziel im Leben hatte? Sara musste sich eingestehen, dass sie auf irgendeine Weise den Zeitpunkt verpasst hatte, an dem das Leben hätte anfangen müssen."

Die Geschichte hebt sich von der Masse ab, wenn man sich auf das Leben in dem 637-Seelen-Ort einlässt. Nach einem Dutzend Besuche in den USA fand ich die Beschreibungen von Landschaft und Figuren äußerst gelungen - obwohl Iowa noch auf meiner Liste steht. Zwei Monate lang kreuzen sich die Lebenswege einer handvoll unterschiedlichster Bewohnerinnen in Broken Wheel. Die Charaktere erinnern mich an eine Zugfahrt auf einer meinen ersten Reisen. Noch auf der Suche nach einem Sitzplatz wurde ich angesprochen und in eine Unterhaltung verwickelt, in die schnell alle umliegenden Sitznachbarn involviert waren. Ich wurde freundlich darauf hingewiesen, dass Kommunikation in öffentlichen Verkehrsmitteln essentiell sei 😅 Ähnlich ergeht es Sara - als "Touristin" wird sie ungefragt Teil der Gemeinschaft.

"Es gibt immer einen Menschen für jedes Buch. Und ein Buch für jeden Menschen."

Anfangs fehlte mir ein wenig die Leichtigkeit von Filmen wie Tatsächlich Liebe oder Valentinstag: mit der Zeit wirkt die Geschichte unbeschwerter, hoffnungsvoller. Durch die fast märchenhafte Erzählweise in der 3. Person sowie den ruhigen Stil fühlt man sich als Beobachter
in. Der Klappentext gibt einen guten Überblick der folgenden 446 Seiten. Aber das Buch ist noch so viel mehr. Themen wie Einsamkeit, Zukunftsangst und Gemeinschaftssinn kommen nicht zu kurz und ermöglichen einen glaubwürdigen Einblick in den American way of life... Warum ich nur 4 Sterne vergeben habe? Ich hätte mir hier und da noch ein wenig mehr Hintergrund/Aufklärung und dafür etwas weniger Buch-Referenzen gewünscht (welche ich des Öfteren nicht einordnen konnte). Es bleibt ein schönes Wohlfühlbuch... Vielleicht werde ich mir bei Gelegenheit noch andere Bücher von Katarina Bivald anschauen.

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