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Veröffentlicht am 07.05.2023

Eine unterhaltsame Fortsetzung mit einigen Schwächen...

War and Queens – Liebe kennt keine Grenzen
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Nachdem mich die mitreißende, epische, sexy und humorvolle Saga um Poppy und Casteel in "Blood and Ash", "Flesh and Fire" und "Crown and Bones" sehr gut unterhalten hat, war ich natürlich sehr gespannt, ...

Nachdem mich die mitreißende, epische, sexy und humorvolle Saga um Poppy und Casteel in "Blood and Ash", "Flesh and Fire" und "Crown and Bones" sehr gut unterhalten hat, war ich natürlich sehr gespannt, wie es in Band 4 weitergehen wird und habe neugierig auf den Erscheinungstermin gewartet. Leider zeigt diese Fortsetzung verstärkt ähnliche Schwächen, die ich schon in den Vorgängerbänden beobachtet hatte und hat mich in meiner Meinung bestärkt, dass die Reihe zwar unterhaltsam und lesenswert ist, aber unterm Strich auf deutlich zu vielen Seiten erzählt wird.

Die Gestaltung verspricht erneut ein dynamisches und atmosphärisches High-Fantasy-Abenteuer. Zusehen ist dieses Mal das Zeichen der Draken in Gold vor einem dunklen Hintergrund eines dichten Wurzelwerks mit roten und schwarzen Blättern. Damit ändert sich das Hauptmotiv, die Machart und Ausstrahlung des Covers passt aber sehr gut zu den vorherigen Bänden. Verworren, magisch und sexy - das sind Assoziationen, die mir beim Betrachten des Covers einfallen und diese passen auch ganz wunderbar zur Geschichte. Ich liebe es also, dass der Verlag den Titel und die Covergestaltung der Originalausgabe beibehalten hat. Aber was bitte soll dieser nichtssagende schwülstige Untertitel? Schon bei "Wicked" habe ich über den deutschen Untertitel "Eine Liebe zwischen Licht und Dunkelheit" nur schmunzeln können. Und jetzt "Liebe kennt keine Grenzen" - Mal im Ernst, Heyne Verlag, welches Genie denkt sich bei Euch die Untertitel aus? Sehr gut gefallen hat mir, aber dass in dieser Fortsetzung eine Karte beigefügt ist, die die beiden Königreich Solis und Atlantia abbildet. Da die Protagonisten in diesem Band viel unterwegs sind, hilft es sehr, sich die Lage der unterschiedlichen Schauplätze auch graphisch vor Augen führen zu können.

Erster Satz: "Das schleifende Kratzen der Klauen kam näher, und die schwache Flamme der Kerze flackerte und erlosch."

"War and Queens" beginnt wenige Wochen nach Band 3, nachdem Casteel während einer Konfrontation mit der Blutkönigin in Gefangenschaft geraten ist und Poppy der Blutkrone von Solis daraufhin den Krieg erklärt hat. Zwar erleichtert die Autorin uns durch kurze Rückblicke und Wiederholungen den Wiedereinstieg in die Geschichte, bis ich alle Geschehnisse der vorherigen Teile, aber auch vor allem alle Namen, Orte und Zusammenhänge gedanklich sortiert hatte, gingen aber dennoch einige Seiten ins Land. Demnach konnte mich die Geschichte erst nach ca. 300 Seiten so wirklich packen. Auch der Mittelteil zog sich auf Grund einiger Wiederholungen und Füllerszenen für mich leider ein wenig, obwohl hier anders als im dritten Teil konstant etwas passierte. Etwas enttäuscht hat mich, dass wir hier noch nicht in ein typisches Kriegsszenario einsteigen, bei dem sich die beiden Königinnen mit zwei Armeen gegenüberstehen. Stattdessen bleiben wir auf einer Vorstufe, in der viel geplant, viel verhandelt und auch vor allem wieder viel diskutiert wird. Demnach würde ich auch "War and Queens" einen deutlichen Überschuss an Dialogen und Monologen vorwerfen, der mich schon in den Vorgängerbänden etwas gestört hat.

Am meisten gestört hat mich aber, dass die Autorin auch in diesem vierten Teil immer noch nicht Ruhe gibt und das Worldbuilding nutzt, um eine Geschichte zu erzählen. Stattdessen werden auch hier die Geschichte des Landes und die Beziehungen zwischen den Figuren immer wieder umgeworfen, sodass wir abermals umdenken müssen, was Atlantias Vergangenheit, die Entstehung von Solis, den Krieg der zwei Königreiche, die Götter, Primaren, Poppys Herkunft und die magischen Regeln der Welt anbelangt. Versteht mich nicht falsch, ich mag komplexe Handlungen und Worldbuildings sehr, aber hier hatte ich das Gefühl, dass die Autorin sich die Hintergründe so zurechtbiegt, wie es ihr aktuell in den Kram passt und konnte keinen wirklichen Plan hinter den aktuellen Entwicklungen feststellen, außer nochmal einen drauf zu setzen und mit vermeintlich überraschenden Wendungen zu schocken. Ich empfand es einfach nicht als notwendig, die Handlung so kompliziert zu gestalten und war es irgendwann müde, alles zu hinterfragen. Da die Autorin zudem Verbindungen zum Prequel "Shadow and Ember" zieht, in dem die Primare, die Draken und andere Akteure hier in Fleisch und Blut auftreten, würde ich außerdem empfehlen, die Spin-Off Reihe parallel ebenfalls zu lesen. Ohne die dort vermittelten Informationen und Namen würde "War and Queens" noch komplizierter und verwirrender zum Lesen sein.

Poppy: "Ich hätte alles für ihn getan. Weil ich ihn liebte. Weil er mein war und ich sein. Meine zweite Hälfte. Er war ein Teil von mir, obwohl ich seinen Namen seit vielen Wochen nicht mehr in den Mund genommen hatte. Ich hatte es mir nicht erlaubt, weil es so schrecklich wehtat. Aber sein Namen war Liebe. Sein Name war Macht und Stärke. Sein Name würde mich niemals brechen. Casteel."

Mit dem etwas verworrenen Worldbuilding geht hier leider auch Poppys Weg zur overpowerten Supermacht weiter. Ich finde es sehr lobenswert, dass die Autorin mit Poppy eine sehr starke weibliche Hauptfigur geschaffen hat, die weder vom Mann an ihrer Seite abhängig noch irgendjemandem Rechenschaft schuldig ist. Ihre Persönlichkeitsentwicklung bei diesem rasanten Aufstieg von der Jungfräulichen zur Halbatlantianerin, zur Empathin, zur Sterblichen mit göttlichem Blut, zur Gottheit, zur Göttin und einem Schritt zu noch mehr Macht, finde ich aber eher mäßig überzeugend. In jedem Buch zu ändern, was sie ist, verlor für mich schnell seinen Reiz. Auch wenn die Autorin sich in einem Kapitel Zeit nimmt, auf die Gefühle ihrer Figur genauer einzugehen und sie mit ihrer Verunsicherung umgehen lässt, die aufgrund dieses ständigen Identitätswechsels unvermeidbar ist, kommt die emotionale Komponente dieses Machtgewinns für mich leider zu kurz und gerade während des epischen Showdowns habe ich das Gefühl für Poppy als Figur fast vollständig verloren und konnte sie nur noch schlecht greifen

Casteel: "Sie stand vor mir. Eine leuchtende Flamme, die den roten Nebel des Hungers vertrieben hatte. Sie war hier. Wirklich hier. Meine Königin. Meine Seele. Meine Retterin. Poppy."

Auch Casteel leidet unter Poppys starkem Machtzugewinn sehr und steht ihr aber nur noch als besserer Sidekick bei. Während sich Poppy weiterentwickelt, in dem sie mit ihrer neuen Macht kämpft, verlieren wir Casteel etwas aus den Augen, da er zunächst große Zeit abwesend ist und die Autorin dann die verlorene Zeit wieder mit enorm vielen und zeitlich unlogische Sexszenen aufholen zu versucht. Ich hatte in meiner Rezension zum letzten Band vorgeschlagen, dass die Autorin ja auch mal ihn erzählen lassen könnte, um genau diesem Problem entgegenzuwirken. Das hat sie in diesem Band auch tatsächlich umgesetzt. Leider konnte aber auch seine neue Erzählperspektive nicht verhindern, dass er als Figur etwas in den Hintergrund tritt. Sehr interessant fand ich allerdings, dass die Autorin sich dazu entschieden hat, die zuvor angedeutete Dreiecksbeziehung zwischen Kieran, Poppy und Casteel weiterzuentwickeln. Von der neuen Dynamik, die in der "Zusammenfügung" gipfelt, kann man halten was man möchte, fest steht, dass Kieran der ansonsten mittlerweile etwas langweiligen und repetitiven Romanze zwischen Poppy und Casteel neuen Schwung verleiht.

Poppy: "Wie soll ich dich ab jetzt nennen? Königin? Hoheit? Das scheint alles nicht passend."
"Poppy", hauchte ich. "Nenn mich Poppy."
Er senkte den Kopf, und seine Lippen berührten meine Nase udn schließlich mein Ohr, als er mir zuflüsterte: "Ich nenne dich so, wie du es dir wünschst, solange du mich den Deinen nennst." Ich lachte auf und spürte sein Grinsen an meiner Wange.
Reaver würgte. "Hat er das jetzt echt gesagt?"
"Ja leider", murmelte Kieran."


Die Nebenfiguren haben mir in diesem Band hingegen deutlich besser gefallen als noch im Vorgänger. Vor allem Reaver ist neben Deleano mein neuer Lieblingsnebencharakter. Auch über das Wiedersehen mit Tawny habe ich mich sehr gefreut. Am besten hat mir allerdings die Blutkönigin Isbeth gefallen, die hier eine vielschichtige Antiheldin abgibt. Dadurch, dass sie Poppys Mutter ist, gestaltet sich der Kampf gegen sie ambivalenter als gedacht und es gibt einige Stellen, an denen man sich fragen muss, was sie antreibt und ob ihre Absichten wirklich so böse sind... Zusätzlich zu Isbeths Rolle sorgt auch die rätselhafte Prophezeiung rund um die Schicksalsbotin für viel Spannung, die schlussendlich in einem epischen, aber leider auch etwas unübersichtlichen Showdown gipfelt, in dem die Autorin mal wieder zeigt, welches Potenzial in der Erzählung steckt.

Poppy: "Aus Blut und Asche...sind wir auferstanden"

Diese Kritikpunkte erklären zwar, weshalb ich mir ein wenig mehr erhofft hatte, schmälern jedoch nicht die Tatsache, dass ich mit "War and Queens" wieder unheimlich viel Spaß hatte und am liebsten den ganzen Tag nichts anderes gemacht als gelesen hätte. Auch hier kann man wieder in jeder Zeile die typische JLA-Handschrift erkennen: "War and Queens" bringt mit humorvollen Anspielungen zum Lachen, mit prickelnder Liebe zum Schmachten, mit epischen Kämpfen zum Mitfiebern und mit schockierenden Wendungen und Cliffhangern zum Fluchen. Auch der schlimmste Mord und Totschlag hält Jennifer L. Armentrout nicht davon ab, uns mit einem humorvollen Unterton ab und zu zum Lachen zu bringen. Zwischen all den romantischen, actionreichen und erschreckenden Szenen nimmt sie mit ihrem treffenden Humor vielen Problemen die Spitze und macht die Geschichte trotz des eher handlungsarmen Beginns unglaublich unterhaltsam. Casteels Zweideutigkeiten, Poppys Sarkasmus, die vielen Insiderwitzen (Stichwort: Miss Willas Tagebuch) und vor allem die unglaublich lustigen und auch oft peinlichen Konversationen zwischen der erfahrungshungrigen Poppy und dem selbstsicheren Casteel haben mir zusätzlich praktisch ein Dauergrinsen ins Gesicht tapeziert. Wortgewandt, witzig, dabei voller Andeutungen, Metaphern und mit grandiosen Beschreibungen von Gegebenheiten, Ereignissen, Emotionen und magischen Elementen führt sie uns durch die Geschichte, sodass die knapp 900 Seiten wie im Flug vergehen.

Poppy: "Es wird dich vielleicht beunruhigen, aber nicht wirklich überraschen", meinte Casteel, und ein rauchiger, würziger Geschmack verdrängte den des Todes in meinem Mund. "Aber ich finde das extrem heiß."
"Irgendwas stimmt mit diesem Kerl nicht", murmelte Reaver hinter uns. "Oder nicht?"
Ja, auf alle Fälle, aber ich liebte ihn dafür."


Insgesamt ist "War and Queens" also durchaus wieder mitreißend und unterhaltsam gewesen, für mich aber definitiv nicht der beste Teil der Reihe. Da die Handlung mit einigen Füllszenen, Wiederholungen und vielen Dialogen und Monologen aufgebauscht wurde, hätte man meiner Meinung nach Band 3 und 4 locker gebündelt in einem Teil erzählen können. Generell fühlt es sich für mich zunehmend an, als wäre die Reihe mit 7 Bände eindeutig zu umfangreich geplant worden. Für meinen Geschmack hätte man die Geschichte mit nur wenigen Änderungen in der Handlung in genau diesem Teil abschließen können, ohne viele offene Fragen zu hinterlassen. Auch wenn ich gespannt auf den fünften Teil bin, der vermutlich wieder nächstes Jahr im Frühling erscheinen wird, bin ich mir nicht ganz sicher, worüber die Autorin nochmals 800 Seiten, geschweige denn zwei weitere Bände schreiben möchte. Als nächstes freue ich mich deshalb erstmal auf Seras und Nyktos Geschichte in "Light and Flame", welches im Oktober diesen Jahres erscheinen wird.


Fazit:

Zuvor aufgetretene Schwächen wie Poppys übertriebener Machtzuwachs, Wiederholungen in der Handlung oder ein Übermaß an Dialogen werden in diesem vierten Band deutlicher und zeigen an, wo noch Verbesserungspotential besteht. Dennoch ist "War and Queens" eine epische, unterhaltsame und hochspannende Fortsetzung, mit der ich sehr viel Spaß hatte!

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Veröffentlicht am 15.04.2023

Leider deutlich handlungsschwächer als Band 1!

Der Dornenthron
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Mit "Der Dornenthron" erschien vor zwei Wochen der zweite Teil der "Gargoyle Queen"-Reihe, welche in direkter Verbindung mit Jennifer Esteps "Splitterkrone"-Reihe rund um "Kill the Queen", "Protect the ...

Mit "Der Dornenthron" erschien vor zwei Wochen der zweite Teil der "Gargoyle Queen"-Reihe, welche in direkter Verbindung mit Jennifer Esteps "Splitterkrone"-Reihe rund um "Kill the Queen", "Protect the Prince" und "Crush the King" steht. Nach "Die Saphirkrone" wird nun die Geschichte von Andvaris Kronprinzessin Gemma und deren mortanischem Erzfeind Leonidas weitererzählt. Die beiden Reihen können zwar theoretisch unabhängig voneinander gelesen werden, ich kann potenziellen LeserInnen aber definitiv ans Herz legen, die Hauptreihe zuerst zu lesen. Erstens weil sie an sich sehr lesenswert ist, zweitens weil man mehr Spaß hat, wenn man alle Anspielungen und Eastereggs versteht. Da wir die anderen Bücher der Autorin ebenfalls zusammen gelesen haben, habe ich auch "Die Dornenthron" wieder als Buddyread mit Sofia von "Sofias kleine Bücherwelt" (wie immer an dieser Stelle ein kurzes Shoutout!!) gelesen. Leider leidet "Der Dornenthron" ein wenig unter den Schwächen eines Trilogiemittelteils und bleibt für mich hinter Band 1 und der Hauptreihe zurück. Dennoch ist dieses politische, abenteuerliche High Fantasy-Highlight voller Intrigen, Spionage, Verrat und ein bisschen Romantik wieder absolut lesenswert!

Das Cover und der Titel der deutschen Ausgabe erinnern anders als die Originaledition nur wenig an die Gestaltung der Hauptreihe. Während sich im Englischen der Titel "Tear Down the Throne" perfekt in die Reihe der Titel von Band eins bis drei einreiht, stechen der deutsche Titel und das Cover etwas heraus. Zu sehen ist der Titel in weißen geschwungenen Großbuchstaben vor einem dunkelblauen Hintergrund, der von blauen und violetten Lichtpunkten durchzogen ist und im unteren Teil des Bildes einen violetten Kranz aus Dornen zeigt. Die Gestaltung des Covers ist unterm Strich also stimmig und hübsch anzusehen, dabei aber leider recht nichtssagend und für meinen Geschmack zu weit von der Gestaltung der anderen Bände entfernt. Ebenfalls schade fand ich, dass wir hier anders als in der Hauptreihe keine beigefügte Karte von Jennifer Esteps Fantasy-Welt erhalten. Gerade da wir mit unseren Figuren abermals verreisen und viele Vertreter der anderen Königreiche kennenlernen, wäre eine Karte hier sehr hilfreich gewesen!

Erster Satz: "Manchmal hasse ich mein Leben als Prinzessin".

Wir steigen nur wenige Zeit nach Gemmas Spionage-Mission im feindlichen Morta, welche sie nur knapp überlebt hat, in die Geschichte ein. Mit neuen Narben auf ihren Händen, einem schmerzhaften Verrat im Herzen und neuen Informationen über die gefährlichen Machenschaften von Milo Morricone begibt sie sich abermals Richtung der mortanischen Grenze, um herauszufinden, was Milo mit dem andvarischen Zährenstein vorhat. Antworten verspricht jedoch erst der Gipfel, auf dem sich alle Herrscher des Kontinents treffen, um neue Abkommen zu schließen. Doch kann Gemma umgeben von Feinden sich, ihr Königreich und ihr Herz beschützen...?

"Manchmal sind Feinde die interessantesten Verehrer - und vor allem die besten Liebhaber."


Nach einem flotten Einstieg inklusive Beinahetod, Kampfszenen und Lebensgefahr nimmt sich "Der Dornenthron" recht viel Zeit, die politischen Beziehungen auf dem Gipfeltreffen auszuloten und Gemmas Beziehung zu Leo zu vertiefen. Das ist auch keineswegs ein Problem, an manchen Stellen reichen gezielte Intrigen zwischen Kaffeekränzchen und ein Kampf hier und dort jedoch einfach nicht aus, um darüber hinwegzutäuschen, dass Jennifer Estep von Zeit zu Zeit etwas zu sehr ins Schwafeln gerät. In der Splitterkrone-Reihe waren Informationen über Setting und Figuren eher beiläufig platziert und ließen mehr Raum für die aufs Ganze gehende Handlung. Hier werden Kleidung, Zimmer, Magie und Gärten manchmal seitenlang beschrieben. Die ausführlichen, teilweise abschweifenden Beschreibungen regen zwar die Fantasie stark an und kreieren eine düstere Ästhetik, bremsen die Handlung jedoch ein wenig aus und lassen den Eindruck entstehen, dass die Geschichte im Verhältnis zur Handlung etwas zu viele Seiten hat. Zwar erhalten wir neben der Haupthandlung ab und an spannende Rückblicke in die Kindheit der Protagonistin, die auch ihre erste Begegnung mit Leonidas beschreiben und uns Hintergründe der Handlung besser verstehen lassen, hier wäre zur weiteren Auffrischung aber eventuell ein paralleler Handlungsstrang oder eine weitere Erzählperspektive hilfreich gewesen...

Neben den vielen Wiederholungen und ausufernden Beschreibungen, gibt es leider auch recht viele Überschneidungen zur Hauptreihe (ein Gipfel, ein Turnier mit Gladiatorenkämpfen, Attentate und eine gewisse Szene in einem Pavillon...), sodass man hat bei vielen Aspekten der recht dürftigen Handlung das Gefühl hat, es schonmal gelesen zu haben. Auch wenn ich die Geschichte wieder sehr gerne verfolgt habe und mir die Figuren mittlerweile sehr ans Herz gewachsen sind, wurde für mich also schon bald deutlich, dass diese Fortsetzung handlungstechnisch deutlich schwächer ist als Band 1.

"Vertrauen. Respekt. Dass einem die Gefühle des anderen so wichtig sind, dass man sie vor die eigenen stellt, egal, was auf dem Spiel steht, oder wie übel das für einen ausgehen mag. Das ist wahre Liebe, Gemma, und sie ist viel kostbarer als alles Gold und alle Juwelen in Glitnir."


Denn auch die zwei großen Hauptkonflikte der Handlung sind meiner Meinung nach nicht besonders gut aufgezogen und reichen nicht aus, um die 480 Seiten vollständig zu tragen. Das wäre zum einen die Bedrohung durch Milo und die restliche Morricone Familie aus Morta. Über 470 Seiten kommen wir der Frage, was er eigentlich plant und wofür er die rätselhaften Pfeile aus Zährenstein braucht, kein Schritt näher und werden mit einem gesichtslosen Attentäter nach dem anderen hingehalten. Schon in Band 1 konnte ich ihn als Bösewicht nicht ganz ernst nehmen und finde ihn auch hier deutlich zu stark aufgeblasen. Der zweite Hauptkonflikt ist die sich anbahnende Liebesgeschichte zwischen Leonidas und Gemma, welche Gemma versucht zu verdrängen und auszubremsen, da die beiden ja aus verfeindeten Familien kommen. Auch dieser Konflikte hätte schon in den ersten Kapiteln dieses Buchs aufgelöst werden können und wurde für meinen Geschmack viel zu lange in die Länge gezogen, sodass ich im letzten Drittel über Gemma nur noch genervt die Augen verdrehen konnte.

"Leonidas´ Blick huschte über mein Gesicht, als versuchte er, sich meine Züge genau einzuprägen - den Winkel meiner Nase, die Wölbung meiner Wangen, selbst die Form meines Kinns. Ich tat dasselbe, um seine klassische Nase, die hohen Wangenknochen und das kantige Kinn in meinem Gedächtnis abzuspeichern. Ich wusste nicht, wie lange wir dort standen und uns festhielten. Wir waren beiden so unbeweglich wie Tänzer, deren Musik verklungen war. Doch ich wollte nicht, dass dieser Moment ein Ende fand. Nicht jetzt. Niemals."


Wenn man von Gemmas nervtötender Blindheit im Umgang mit Leonidas absieht, ist sie auch in dieser Fortsetzung eine sympathische Hauptfigur, die sich stimmig weiterentwickelt und neue Stärke in sich entdeckt. Da sie sehr mutig, loyal ihrem Land gegenüber, dabei aber auch voll Mitgefühl, Wärme und dem genau richtigen Maß an zerbrechlichem Selbstbewusstsein ist, habe ich sie aber sehr schnell ins Herz geschlossen und für ihre Stärke bewundert. Genau wie in der Hauptreihe blieb sie nicht die einzige starke Frau, die sich nichts sagen lässt und die wir hier bewundern dürfen. Neben Gemma, der geheimnisvollen Spionin Reiko und der Prinzessin Delmira ist vor allem die Antagonistin, die skrupellose mortanische Königin Maeven, eine vielschichtige ambivalente Figur, die mich sehr fasziniert hat. Ich bin ein großer Fan von feministischer Fantasy, in der es Königinnen und Kämpferinnen gibt, die sich nicht von irgendwelchen Rittern retten lassen oder von gutaussehenden Prinzen abgelenkt werden, sondern selbst das Heft in die Hand nehmen, wodurch Jennifer Estep noch weitere Pluspunkte sammeln konnte.

Mit dem Mentalmagier und Gemmas Nemesis aus Kindertagen Leonidas haben wir einen nach Geißblatt-duftenden, Bibliothek-besitzenden, gutaussehenden und beschützerischen Love Interest, der mir in Band 1 schon sehr schnell ans Herz gewachsen ist. Auch wenn er als mortanischer Prinz alles verkörpert, was Gemma hasst und die beiden eine komplizierte, belastete Vergangenheit verbindet, sehen wir sofort, dass er anders ist als seine Familie und es trotz einiger bedauernswerter Ausrutscher tief im Herzen gut meint. Ich hatte sehr gehofft, dass die beiden, die in Band eins eine sehr interessante Dynamik und eine überraschende Chemie entwickelt haben, sich hier näherkommen würden und dabei auch Leonidas Charakter noch mehr Tiefe erhalten würde. Leider ist das durch Gemmas Sturheit nicht wirklich passiert und wir sehen Leo die meiste Zeit im vollen Schmachtmodus, wie er von ihr Abfuhren kassiert. Schon zuvor habe ich ja angemerkt, dass die Erzählung von einem Perspektivwechsel hin zu Leo sehr hätte profitieren können. Das zeigte sich hier also abermals.

"Das ist Wahnsinn", erklärte ich erneut, auch wenn ich nicht besonders überzeugend klang. "Dann sei mit mir zusammen wahnsinnig", gab Leonidas zurück."


Ebenfalls ein wenig mehr erhofft hatte ich mir bezüglich der Nebenfiguren. Diese blieben bis auf Reiko, Maeven und Gemmas Gargoyle Grimley erstaunlich blass und hätten noch deutlich mehr Potenzial gehabt. Außerdem warte ich immer noch auf eine Begegnung mit Lucas Sullivan und Everleigh Blair aus der Hauptreihe. Ich kann verstehen, weshalb die Autorin es hier größtenteils bei kurzen Nennungen von Evie, Lucas, Alvis, Xenia und Co gelassen hat, da es sich um eine unabhängige Reihe handelt. Wenn die Autorin die Spin-Off-Reihe verstreichen lässt, ohne ein einziges Wiedersehen oder ein Easter Egg für ihre Fans, bin ich sehr enttäuscht!!!

Trotz dass ich mir bezüglich der Handlung und der Figuren also etwas mehr erhofft hatte, wird es trotzdem nie langweilig. Dafür sorgen zum einen der für High Fantasy recht temporeiche und dynamische Erzählstil, der die Handlung zu jeder Zeit vorwärts treibt und immer wieder eine gute Portion Humor einsetzt (unbezahlbar ist beispielsweise eine gewisse Szene mit dem grummeligen Grimley und einem Babystrix...). Mit spannenden Kämpfen, Intrigen, Geheimnissen, Reisen durch mehrere Königreiche, der Vorstellung von Fabelwesen wie Gargoyles oder Strixen und dem Kennenlernen von verschiedenen Arten von Magiern - Murkse, die eine verbesserte Körpereigenschaft besitzen, Morphe, die sich in Monstergestalten verwandeln, Magier, die Elemente kontrollieren und Meister, die aus Materialien die beeindruckendsten Dinge herstellen können - bekommen wir zu zum anderen genügend Spannendes präsentiert, dass man darüber wegsehen kann, dass auch hier einige Fantasy-Klischees verbaut wurden und die Handlung nicht immer unvorhersehbar und zweifelsfrei logisch ist.

"Mein Vater sagt immer, Macht ohne Mitgefühl wäre einfach nur Grausamkeit. Und damit hat er recht."


Das Ende hat mich (wenn auch nicht groß überrascht) dann doch nochmal überzeugt. Nach einem spannenden Showdown lösen sich viele der Probleme und Konflikte auf und es werden genügend offene Fragen beantwortet, um die Wartezeit auf den nächsten Band nicht allzu schlimm werden zu lassen. Mit "Conquer the Kingdom" ist in Originalsprache schon das Finale der Gargoyle-Queen-Reihe erschienen. Wann es auf Deutsch weitergehen wird, ist allerdings noch unklar.


Fazit:

"Der Dornenthron" ist abermals ein politisches, abenteuerliches High Fantasy-Highlight voller Intrigen, Spionage, Verrat und einem Schuss Romantik. Leider ist diese Fortsetzung deutlich handlungsschwächer als Band 1 und auch bezüglich der Figuren hätte ich mir ein wenig mehr erhofft.

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Veröffentlicht am 13.03.2023

Ein starker Roman, der für mich aber nur schwer zugänglich war...

How do I tell them I love them?
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Handlung: Genau wie "Felix Ever After", welches ich bereits vor zwei Jahren von der nicht-binären AutorIn gelesen habe, ist auch Kacen Callenders neuer Roman stark von eigenen persönlichen Erfahrungen ...

Handlung: Genau wie "Felix Ever After", welches ich bereits vor zwei Jahren von der nicht-binären AutorIn gelesen habe, ist auch Kacen Callenders neuer Roman stark von eigenen persönlichen Erfahrungen geprägt. Egal ob es um die Ablehnung als AutorIn geht, polyamouröse Beziehungen, die nicht-binäre Identität oder Hass auf Twitter, man merkt jeder einzelnen Zeile die Own-Voice-Elemente an. Kacen Callender erzählt sehr authentisch von ganz durchschnittlichen Krisen der Teenager-Jahre, macht nebenbei aber auch auf wichtige Belange der LGBTQIA+- und Black-Community aufmerksam.
Neben allgemeinen Themen wie Liebe, Freundschaft, Familie, Identität, Fehler, Vergebung, Träume und Zukunftspläne werden wir hier auch mit Rassismus, Sexismus, Transfeindlichkeit, Homophobie, Hass, Mobbing und Diskriminierung konfrontiert, welche leider auch in der vermeintlich offenen LGBT-Community weit verbreitet sind. Wichtige gesellschaftlich-diskutierte Sichtweisen werden dabei genauso miteingeflochten wie grundlegende Informationen über die einzelnen Sexualitäten und Geschlechteridentitäten. Damit hilft die Geschichte auch Nicht-Mitgliedern der Community dabei, sich mehr Wissen anzueignen und einen neuen Blickwinkel auf unterschiedliche Themen einzunehmen. Ich halte mich grundsätzlich für eine tolerante und weltoffene Person. Beim Lesen dieses Romans sind mir jedoch viele Versäumnisse und große Wissenslücken meinerseits bewusst geworden, auf die ich in Zukunft besser achten will. Es kamen zwar auch einige Gedanken zu Traumata, Toxizität und Mental Health vor, die ich so nicht wirklich unterschreiben würde, insgesamt vermittelt "How do I tell them I love them?" aber eine tolle Botschaft, die es verdient, gehört zu werden.
Die eigentliche Handlung dieses Coming-of-Age-Roman bleibt hinter den wichtigen Themen allerdings sehr blass. Bis auf Besuche der Sommerschule, Interaktionen auf Twitter und ein paar Treffen und Gespräche mit FreundInnen passiert auf den 368 Seiten auf der reinen Handlungsebene eigentlich nichts. Die Konflikte und Entwicklungen laufen alle auf einer zwischenmenschlichen Ebene und innerhalb der Figuren ab.

Figuren
: Das Problem mit diesem Fokus auf die Figuren ist, dass ich nicht zu der Zielgruppe des Romans gehöre, welcher vor allem nicht-binäre, queere POC-Teenager ansprechen möchte. Zwar konnte auch ich als Außenstehende einiges mitnehmen und fand es sehr spannend, mich mit dieser Erzählperspektive und der dargestellten Lebensrealität zu beschäftigen, so richtig in die Figuren und deren Lebenswelt hineinversetzen konnte ich mich allerdings nicht. Besonders Ich-ErzählerIn Lark ist zunächst sehr schwer als Figur zu greifen, was womöglich daran liegt, dass dey selbst noch vieles über sich herausfinden muss und viel vor demm selbst verbirgt. Auch im späteren Verlauf der Handlung arbeitet Kacen Callender in Larks´ Charakterisierung mit vielen Wiedersprüchen, was es schwer macht, demm wirklich zu verstehen und ein Gespür für diese komplexe Figur zu bekommen. Deren Entwicklung hin zu mehr Ehrlichkeit und Selbstliebe habe ich aber trotzdem mit ganz viel Liebe im Herzen verfolgt. Ein wichtiges Mittel in deren Entwicklungsprozess hin zur Selbstfindung und auch Selbstermächtigung sind der Wunsch, SchriftstellerIn zu werden und die damit verbundenen Diskussionen im Sommerkurs. Im Laufe dieses Kurses lernen wir auch verschiedene andere queere Nebenfiguren kennen, mit denen ich aber auch zum Teil meine Probleme hatte, da sie zum Teil stark radikalisiert sind. Dennoch hat mir sehr gut gefallen, dass Kacen Callender hier so vielen marginalisierten Gruppen eine Stimme gibt, die in den Medien immer noch stark unterrepräsentiert ist.

Schreibstil:
Ein weiterer Punkt, der mir trotz des berührenden Umgangs mit wichtigen Themen und einer tollen Charakterentwicklung den Zugang zu der Geschichte stark erschwert hat, ist der Schreibstil. Jener hat mich zu Beginn leider gar nicht überzeugen können, da er mir sehr flapsig, sprunghaft und ohne große emotionale Tiefe erschien. Die verwirrenden Themenwechsel, Gedankensprünge und vor allem der sehr großzügige Umgang der Hauptfigur mit Liebe, haben mich ein wenig aus dem Konzept gebracht, spiegeln allerdings die Denkweise einer neurodivergenten Person gut wider. Auffällig ist auch die sehr sensible deutsche Übersetzung, die auch in den Feinheiten der Sprache die Botschaft von Vielfalt und Toleranz des Buches umsetzt. "How do I tell them I love them" ist einer der wenigen Romane, in dem konsequent gegendert und die richtigen Pronomen auch im Deutschen verwendet wurden. Die Auswahl der Pronomen "dey/demm" als Übersetzung des englischen "they/them" aus den möglichen weiteren Optionen wie "sier/sies" oder "xier/xies" oder "hen/hens" wird in einem kurzen Vorwort des Verlags begründet. Auch wenn Formulierungen mit den deutschen Neopronomen "dey/dem" und "SchülerInnen" zunächst ungewohnt klangen, ist es mir nach wenigen Seiten gar nicht mehr aufgefallen, was beweist, dass es auch möglich ist, in Romanen auf geschlechtersensible Sprache zu achten, ohne den Lesefluss zu stören. Gelungen finde ich auch den Einbezug von Tweets und Twitter-Threads und Kacens Leitfaden mit Tipps zum Schreiben eines Romans am Ende dieses Buchs.


Die Zitate:


"Seit ich ein Kind bin, frage ich mich das - warum wir Menschen immer auf andere zeigen und behaupten, das wären die Bösen, während diese auf uns zeigen und uns böse nennen. Vielleicht ist niemand gut oder böse, vielleicht vereinen wir alle eine Mischung aus beidem in uns. Vielleicht trifft das auch auf mich und Kasim zu. "Solange wir nur lernen und wachsen", sagt er."

"Die Stille zieht sich, und diese Stille... ich meine, kommt schon. Mit Stille und Schweigen kennen wir uns aus. Wir haben die angespannte, wütende Stille ausgehalten. Wir haben dieses traurige Schweigen ertragen, in dem es so viel zu sagen gegeben hätte, wir aber nicht wussten, wie wir einander vertrauen konnten, um offen und ehrlich miteinander zu reden. Und jetzt also diese Stille. Mit ihm habe ich sie noch nicht erlebt. Aber sie explodiert. Sie besteht aus Möglichkeiten und Kreuzungen. Aus niemals zuvor betretenen Pfaden im Wald und schnellem, spitzzahnigem Lächeln, daraus, mit Locs rumzuspielen und aus dem Duft von Gewitterstürmen. Aus Wundern. Aus Hoffnung. Wie können zehn Sekunden Stille so viel bedeuten?"

"Dieser Kuss? Er fühlt sich an, als hätten wir alle Zeit der Welt. Nicht nur in diesem Leben, sondern in den tausend, Millionen, Milliarden, unendlich vielen Leben, die nach diesem einen kommen werden. Zwei Wesen, die einander immer wieder suchen werden."



Das Urteil:


Kacen Callender hat mit "How do I tell them I love them?" eine authentische Geschichte über Liebe, Freundschaft, Familie, Identität, Sexualität und Erwachsenwerden geschrieben und darin unterrepräsentierten Gruppen eine Stimme verliehen. Da ich nicht direkt zur Zielgruppe des Romans gehöre, hatte ich allerdings Probleme, einen direkten Zugang zu der Lebenswelt der nicht-binären Hauptfigur zu finden.

  • Einzelne Kategorien
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  • Erzählstil
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  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.03.2023

Ein starker Roman, der für mich aber nur schwer zugänglich war...

How do I tell them I love them?
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Handlung: Genau wie "Felix Ever After", welches ich bereits vor zwei Jahren von der nicht-binären AutorIn gelesen habe, ist auch Kacen Callenders neuer Roman stark von eigenen persönlichen Erfahrungen ...

Handlung: Genau wie "Felix Ever After", welches ich bereits vor zwei Jahren von der nicht-binären AutorIn gelesen habe, ist auch Kacen Callenders neuer Roman stark von eigenen persönlichen Erfahrungen geprägt. Egal ob es um die Ablehnung als AutorIn geht, polyamouröse Beziehungen, die nicht-binäre Identität oder Hass auf Twitter, man merkt jeder einzelnen Zeile die Own-Voice-Elemente an. Kacen Callender erzählt sehr authentisch von ganz durchschnittlichen Krisen der Teenager-Jahre, macht nebenbei aber auch auf wichtige Belange der LGBTQIA+- und Black-Community aufmerksam.
Neben allgemeinen Themen wie Liebe, Freundschaft, Familie, Identität, Fehler, Vergebung, Träume und Zukunftspläne werden wir hier auch mit Rassismus, Sexismus, Transfeindlichkeit, Homophobie, Hass, Mobbing und Diskriminierung konfrontiert, welche leider auch in der vermeintlich offenen LGBT-Community weit verbreitet sind. Wichtige gesellschaftlich-diskutierte Sichtweisen werden dabei genauso miteingeflochten wie grundlegende Informationen über die einzelnen Sexualitäten und Geschlechteridentitäten. Damit hilft die Geschichte auch Nicht-Mitgliedern der Community dabei, sich mehr Wissen anzueignen und einen neuen Blickwinkel auf unterschiedliche Themen einzunehmen. Ich halte mich grundsätzlich für eine tolerante und weltoffene Person. Beim Lesen dieses Romans sind mir jedoch viele Versäumnisse und große Wissenslücken meinerseits bewusst geworden, auf die ich in Zukunft besser achten will. Es kamen zwar auch einige Gedanken zu Traumata, Toxizität und Mental Health vor, die ich so nicht wirklich unterschreiben würde, insgesamt vermittelt "How do I tell them I love them?" aber eine tolle Botschaft, die es verdient, gehört zu werden.
Die eigentliche Handlung dieses Coming-of-Age-Roman bleibt hinter den wichtigen Themen allerdings sehr blass. Bis auf Besuche der Sommerschule, Interaktionen auf Twitter und ein paar Treffen und Gespräche mit FreundInnen passiert auf den 368 Seiten auf der reinen Handlungsebene eigentlich nichts. Die Konflikte und Entwicklungen laufen alle auf einer zwischenmenschlichen Ebene und innerhalb der Figuren ab.

Figuren
: Das Problem mit diesem Fokus auf die Figuren ist, dass ich nicht zu der Zielgruppe des Romans gehöre, welcher vor allem nicht-binäre, queere POC-Teenager ansprechen möchte. Zwar konnte auch ich als Außenstehende einiges mitnehmen und fand es sehr spannend, mich mit dieser Erzählperspektive und der dargestellten Lebensrealität zu beschäftigen, so richtig in die Figuren und deren Lebenswelt hineinversetzen konnte ich mich allerdings nicht. Besonders Ich-ErzählerIn Lark ist zunächst sehr schwer als Figur zu greifen, was womöglich daran liegt, dass dey selbst noch vieles über sich herausfinden muss und viel vor demm selbst verbirgt. Auch im späteren Verlauf der Handlung arbeitet Kacen Callender in Larks´ Charakterisierung mit vielen Wiedersprüchen, was es schwer macht, demm wirklich zu verstehen und ein Gespür für diese komplexe Figur zu bekommen. Deren Entwicklung hin zu mehr Ehrlichkeit und Selbstliebe habe ich aber trotzdem mit ganz viel Liebe im Herzen verfolgt. Ein wichtiges Mittel in deren Entwicklungsprozess hin zur Selbstfindung und auch Selbstermächtigung sind der Wunsch, SchriftstellerIn zu werden und die damit verbundenen Diskussionen im Sommerkurs. Im Laufe dieses Kurses lernen wir auch verschiedene andere queere Nebenfiguren kennen, mit denen ich aber auch zum Teil meine Probleme hatte, da sie zum Teil stark radikalisiert sind. Dennoch hat mir sehr gut gefallen, dass Kacen Callender hier so vielen marginalisierten Gruppen eine Stimme gibt, die in den Medien immer noch stark unterrepräsentiert ist.

Schreibstil:
Ein weiterer Punkt, der mir trotz des berührenden Umgangs mit wichtigen Themen und einer tollen Charakterentwicklung den Zugang zu der Geschichte stark erschwert hat, ist der Schreibstil. Jener hat mich zu Beginn leider gar nicht überzeugen können, da er mir sehr flapsig, sprunghaft und ohne große emotionale Tiefe erschien. Die verwirrenden Themenwechsel, Gedankensprünge und vor allem der sehr großzügige Umgang der Hauptfigur mit Liebe, haben mich ein wenig aus dem Konzept gebracht, spiegeln allerdings die Denkweise einer neurodivergenten Person gut wider. Auffällig ist auch die sehr sensible deutsche Übersetzung, die auch in den Feinheiten der Sprache die Botschaft von Vielfalt und Toleranz des Buches umsetzt. "How do I tell them I love them" ist einer der wenigen Romane, in dem konsequent gegendert und die richtigen Pronomen auch im Deutschen verwendet wurden. Die Auswahl der Pronomen "dey/demm" als Übersetzung des englischen "they/them" aus den möglichen weiteren Optionen wie "sier/sies" oder "xier/xies" oder "hen/hens" wird in einem kurzen Vorwort des Verlags begründet. Auch wenn Formulierungen mit den deutschen Neopronomen "dey/dem" und "SchülerInnen" zunächst ungewohnt klangen, ist es mir nach wenigen Seiten gar nicht mehr aufgefallen, was beweist, dass es auch möglich ist, in Romanen auf geschlechtersensible Sprache zu achten, ohne den Lesefluss zu stören. Gelungen finde ich auch den Einbezug von Tweets und Twitter-Threads und Kacens Leitfaden mit Tipps zum Schreiben eines Romans am Ende dieses Buchs.


Die Zitate:


"Seit ich ein Kind bin, frage ich mich das - warum wir Menschen immer auf andere zeigen und behaupten, das wären die Bösen, während diese auf uns zeigen und uns böse nennen. Vielleicht ist niemand gut oder böse, vielleicht vereinen wir alle eine Mischung aus beidem in uns. Vielleicht trifft das auch auf mich und Kasim zu. "Solange wir nur lernen und wachsen", sagt er."

"Die Stille zieht sich, und diese Stille... ich meine, kommt schon. Mit Stille und Schweigen kennen wir uns aus. Wir haben die angespannte, wütende Stille ausgehalten. Wir haben dieses traurige Schweigen ertragen, in dem es so viel zu sagen gegeben hätte, wir aber nicht wussten, wie wir einander vertrauen konnten, um offen und ehrlich miteinander zu reden. Und jetzt also diese Stille. Mit ihm habe ich sie noch nicht erlebt. Aber sie explodiert. Sie besteht aus Möglichkeiten und Kreuzungen. Aus niemals zuvor betretenen Pfaden im Wald und schnellem, spitzzahnigem Lächeln, daraus, mit Locs rumzuspielen und aus dem Duft von Gewitterstürmen. Aus Wundern. Aus Hoffnung. Wie können zehn Sekunden Stille so viel bedeuten?"

"Dieser Kuss? Er fühlt sich an, als hätten wir alle Zeit der Welt. Nicht nur in diesem Leben, sondern in den tausend, Millionen, Milliarden, unendlich vielen Leben, die nach diesem einen kommen werden. Zwei Wesen, die einander immer wieder suchen werden."



Das Urteil:


Kacen Callender hat mit "How do I tell them I love them?" eine authentische Geschichte über Liebe, Freundschaft, Familie, Identität, Sexualität und Erwachsenwerden geschrieben und darin unterrepräsentierten Gruppen eine Stimme verliehen. Da ich nicht direkt zur Zielgruppe des Romans gehöre, hatte ich allerdings Probleme, einen direkten Zugang zu der Lebenswelt der nicht-binären Hauptfigur zu finden.

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Veröffentlicht am 13.03.2023

Ein starker Roman, der für mich aber nur schwer zugänglich war...

How do I tell them I love them?
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Handlung: Genau wie "Felix Ever After", welches ich bereits vor zwei Jahren von der nicht-binären AutorIn gelesen habe, ist auch Kacen Callenders neuer Roman stark von eigenen persönlichen Erfahrungen ...

Handlung: Genau wie "Felix Ever After", welches ich bereits vor zwei Jahren von der nicht-binären AutorIn gelesen habe, ist auch Kacen Callenders neuer Roman stark von eigenen persönlichen Erfahrungen geprägt. Egal ob es um die Ablehnung als AutorIn geht, polyamouröse Beziehungen, die nicht-binäre Identität oder Hass auf Twitter, man merkt jeder einzelnen Zeile die Own-Voice-Elemente an. Kacen Callender erzählt sehr authentisch von ganz durchschnittlichen Krisen der Teenager-Jahre, macht nebenbei aber auch auf wichtige Belange der LGBTQIA+- und Black-Community aufmerksam.
Neben allgemeinen Themen wie Liebe, Freundschaft, Familie, Identität, Fehler, Vergebung, Träume und Zukunftspläne werden wir hier auch mit Rassismus, Sexismus, Transfeindlichkeit, Homophobie, Hass, Mobbing und Diskriminierung konfrontiert, welche leider auch in der vermeintlich offenen LGBT-Community weit verbreitet sind. Wichtige gesellschaftlich-diskutierte Sichtweisen werden dabei genauso miteingeflochten wie grundlegende Informationen über die einzelnen Sexualitäten und Geschlechteridentitäten. Damit hilft die Geschichte auch Nicht-Mitgliedern der Community dabei, sich mehr Wissen anzueignen und einen neuen Blickwinkel auf unterschiedliche Themen einzunehmen. Ich halte mich grundsätzlich für eine tolerante und weltoffene Person. Beim Lesen dieses Romans sind mir jedoch viele Versäumnisse und große Wissenslücken meinerseits bewusst geworden, auf die ich in Zukunft besser achten will. Es kamen zwar auch einige Gedanken zu Traumata, Toxizität und Mental Health vor, die ich so nicht wirklich unterschreiben würde, insgesamt vermittelt "How do I tell them I love them?" aber eine tolle Botschaft, die es verdient, gehört zu werden.
Die eigentliche Handlung dieses Coming-of-Age-Roman bleibt hinter den wichtigen Themen allerdings sehr blass. Bis auf Besuche der Sommerschule, Interaktionen auf Twitter und ein paar Treffen und Gespräche mit FreundInnen passiert auf den 368 Seiten auf der reinen Handlungsebene eigentlich nichts. Die Konflikte und Entwicklungen laufen alle auf einer zwischenmenschlichen Ebene und innerhalb der Figuren ab.

Figuren
: Das Problem mit diesem Fokus auf die Figuren ist, dass ich nicht zu der Zielgruppe des Romans gehöre, welcher vor allem nicht-binäre, queere POC-Teenager ansprechen möchte. Zwar konnte auch ich als Außenstehende einiges mitnehmen und fand es sehr spannend, mich mit dieser Erzählperspektive und der dargestellten Lebensrealität zu beschäftigen, so richtig in die Figuren und deren Lebenswelt hineinversetzen konnte ich mich allerdings nicht. Besonders Ich-ErzählerIn Lark ist zunächst sehr schwer als Figur zu greifen, was womöglich daran liegt, dass dey selbst noch vieles über sich herausfinden muss und viel vor demm selbst verbirgt. Auch im späteren Verlauf der Handlung arbeitet Kacen Callender in Larks´ Charakterisierung mit vielen Wiedersprüchen, was es schwer macht, demm wirklich zu verstehen und ein Gespür für diese komplexe Figur zu bekommen. Deren Entwicklung hin zu mehr Ehrlichkeit und Selbstliebe habe ich aber trotzdem mit ganz viel Liebe im Herzen verfolgt. Ein wichtiges Mittel in deren Entwicklungsprozess hin zur Selbstfindung und auch Selbstermächtigung sind der Wunsch, SchriftstellerIn zu werden und die damit verbundenen Diskussionen im Sommerkurs. Im Laufe dieses Kurses lernen wir auch verschiedene andere queere Nebenfiguren kennen, mit denen ich aber auch zum Teil meine Probleme hatte, da sie zum Teil stark radikalisiert sind. Dennoch hat mir sehr gut gefallen, dass Kacen Callender hier so vielen marginalisierten Gruppen eine Stimme gibt, die in den Medien immer noch stark unterrepräsentiert ist.

Schreibstil:
Ein weiterer Punkt, der mir trotz des berührenden Umgangs mit wichtigen Themen und einer tollen Charakterentwicklung den Zugang zu der Geschichte stark erschwert hat, ist der Schreibstil. Jener hat mich zu Beginn leider gar nicht überzeugen können, da er mir sehr flapsig, sprunghaft und ohne große emotionale Tiefe erschien. Die verwirrenden Themenwechsel, Gedankensprünge und vor allem der sehr großzügige Umgang der Hauptfigur mit Liebe, haben mich ein wenig aus dem Konzept gebracht, spiegeln allerdings die Denkweise einer neurodivergenten Person gut wider. Auffällig ist auch die sehr sensible deutsche Übersetzung, die auch in den Feinheiten der Sprache die Botschaft von Vielfalt und Toleranz des Buches umsetzt. "How do I tell them I love them" ist einer der wenigen Romane, in dem konsequent gegendert und die richtigen Pronomen auch im Deutschen verwendet wurden. Die Auswahl der Pronomen "dey/demm" als Übersetzung des englischen "they/them" aus den möglichen weiteren Optionen wie "sier/sies" oder "xier/xies" oder "hen/hens" wird in einem kurzen Vorwort des Verlags begründet. Auch wenn Formulierungen mit den deutschen Neopronomen "dey/dem" und "SchülerInnen" zunächst ungewohnt klangen, ist es mir nach wenigen Seiten gar nicht mehr aufgefallen, was beweist, dass es auch möglich ist, in Romanen auf geschlechtersensible Sprache zu achten, ohne den Lesefluss zu stören. Gelungen finde ich auch den Einbezug von Tweets und Twitter-Threads und Kacens Leitfaden mit Tipps zum Schreiben eines Romans am Ende dieses Buchs.


Die Zitate:


"Seit ich ein Kind bin, frage ich mich das - warum wir Menschen immer auf andere zeigen und behaupten, das wären die Bösen, während diese auf uns zeigen und uns böse nennen. Vielleicht ist niemand gut oder böse, vielleicht vereinen wir alle eine Mischung aus beidem in uns. Vielleicht trifft das auch auf mich und Kasim zu. "Solange wir nur lernen und wachsen", sagt er."

"Die Stille zieht sich, und diese Stille... ich meine, kommt schon. Mit Stille und Schweigen kennen wir uns aus. Wir haben die angespannte, wütende Stille ausgehalten. Wir haben dieses traurige Schweigen ertragen, in dem es so viel zu sagen gegeben hätte, wir aber nicht wussten, wie wir einander vertrauen konnten, um offen und ehrlich miteinander zu reden. Und jetzt also diese Stille. Mit ihm habe ich sie noch nicht erlebt. Aber sie explodiert. Sie besteht aus Möglichkeiten und Kreuzungen. Aus niemals zuvor betretenen Pfaden im Wald und schnellem, spitzzahnigem Lächeln, daraus, mit Locs rumzuspielen und aus dem Duft von Gewitterstürmen. Aus Wundern. Aus Hoffnung. Wie können zehn Sekunden Stille so viel bedeuten?"

"Dieser Kuss? Er fühlt sich an, als hätten wir alle Zeit der Welt. Nicht nur in diesem Leben, sondern in den tausend, Millionen, Milliarden, unendlich vielen Leben, die nach diesem einen kommen werden. Zwei Wesen, die einander immer wieder suchen werden."



Das Urteil:


Kacen Callender hat mit "How do I tell them I love them?" eine authentische Geschichte über Liebe, Freundschaft, Familie, Identität, Sexualität und Erwachsenwerden geschrieben und darin unterrepräsentierten Gruppen eine Stimme verliehen. Da ich nicht direkt zur Zielgruppe des Romans gehöre, hatte ich allerdings Probleme, einen direkten Zugang zu der Lebenswelt der nicht-binären Hauptfigur zu finden.

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  • Handlung
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