Cover-Bild Siegfried
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24,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Claassen
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 256
  • Ersterscheinung: 23.02.2023
  • ISBN: 9783546100274
Antonia Baum

Siegfried

Roman | Eine der stärksten Stimmen der deutschen Gegenwartsliteratur

Eine Frau zwischen alten Rollenverhältnissen und neuen Rollenansprüchen

Eine Frau – Mutter, Partnerin, Versorgerin – fährt eines Morgens nicht zur Arbeit, sondern in die Psychiatrie. Am Abend hat sie sich mit ihrem Partner gestritten, vielleicht ist etwas zerbrochen, jetzt muss sie den Tag beginnen, sie muss die Tochter anziehen, an alles denken, in der Wohnung und ihrem Leben aufräumen. Doch sie hat Angst: das Geld, die Deadline, die Beziehung, nichts ist unter Kontrolle, und vor allem ist da die Angst um ihren Stiefvater, der früher die Welt für sie geordnet und ihr einen Platz darin zugewiesen hat. In der Psychiatrie, denkt sie, wird jemand sein, der ihr sagt, wie ihr Problem heißt. Dort darf sie sich ausruhen.

Siegfried ist ein Roman über alte Ordnungen und neue Ansprüche, über Gewalt und das Schweigen darüber, über eine Generation, deren Eltern nach dem Krieg geboren wurden und deshalb glaubten, er sei vorbei.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.02.2023

Antonia Baum - Siegfried

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Der Erzählerin wird einfach alles zu viel. Sie zieht die Reißleine und begibt sich in die Psychiatrie. Dort muss sie warten und so beginnen die Gedanken zu rotieren. Sie erinnert sich an ihre Kindheit ...

Der Erzählerin wird einfach alles zu viel. Sie zieht die Reißleine und begibt sich in die Psychiatrie. Dort muss sie warten und so beginnen die Gedanken zu rotieren. Sie erinnert sich an ihre Kindheit mit Siegfried, dem Mann ihrer Mutter, und dessen strenge Mutter Hilde, bei der sie immer dann bleiben musste, wenn ihre Eltern auf Geschäftsreise waren. Und sie hält ihr jetziges Leben mit Alex und der gemeinsamen Tochter dagegen. Alex ist nicht wie Siegfried, er kann ihr auch nicht das Leben bieten, das Siegfried ihrer Mutter bot. Je länger der Tag und das Warten dauern, desto negativer wird ihr Bild von ihrem Leben und vor allem ihrem Partner.

Antonia Baums Roman „Siegfried“ spiegelt zwei Männer verschiedener Generationen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Es könnte egal sein, wenn nicht die Erzählerin den Vergleich anstellen würde und unausgesprochene Erwartungen ihr Leben ins Wanken bringen würden. Es ist eine Geschichte von Schieflagen, zwischen den Geschlechtern, den Generationen, auch zwischen Ost und West und je tiefer man eintaucht, desto dominanter wird die kindliche Prägung, die stärker ist, als den Figuren bewusst ist.

Der Titel des Buchs überrascht, ist Siegfried doch eigentlich nicht die zentrale Figur. Erst im Lauf der Handlung wird jedoch deutlich, wie bestimmend der Mann für die Ideale und Erwartungen der Erzählerin ist. Er hat ein Modell vorgelebt, nach dem sie sich mit zunehmendem Alter immer mehr sehnt. Die Strenge seiner Mutter hat ihn erfolgreich werden lassen, auch wenn dies ein unterkühltes Verhältnis zur Folge hatte. Jedoch ermöglicht sein Erfolg einen Lebensstandard, der vor allem mit Sicherheit verbunden ist.

Mit Alex genoss die Erzählerin zunächst die Sorglosigkeit und ein Leben nach eignen Maßstäben. Doch schleichend offenbart sich, dass er ein Kind seiner ostdeutschen Erziehung ist und sie in verschiedenen Welten leben. Unweigerlich treffen zwei sehr verschiedene Sichtweisen aufeinander, die nicht vereinbar sind. Je prekärer die finanzielle Lage des Paares, desto kritischer beäugt die Erzählerin die Leistung ihres Partners und vor allem sein Unvermögen, ihr das zu bieten, was Siegfried ihr bieten konnte.

Die Erzählerin ist eine erfolgreiche und intelligente Frau und dennoch scheitert sie am Alltag und daran, die richtigen Schlüsse aus dem zu ziehen, was sie beobachtet und weiß. Es fehlt ihr der richtige Weg zu kommunizieren, klar zu machen, was sie braucht, stattdessen läuft sie in Eskalation, deren erstes Opfer sie selbst ist.

Auch mich würde Alex wahnsinnig machen, doch er kann nicht aus seiner Haut und kann auch nicht verstehen, was er falsch macht. Die Erzählerin ist jedoch keineswegs in einem Leben mit ihm gefangen. Sie könnte ausbrechen, wie einst ihre Mutter, sie kennt allerdings auch den Preis.

Ein intensiver Roman, der ohne dies groß zu umschreiben eine genaue Analyse vieler westdeutschen Nachkriegsfamilien liefert und Lebensmodelle kontrastiert, die weiter nicht voneinander entfernt sein könnte. Im selben Land zur selben Zeit aufzuwachsen und zu leben, genügt nicht, um auch erfolgreich gemeinsam leben zu können.

Veröffentlicht am 09.03.2023

unverarbeitete Lasten

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Die Ich-Erzählerin beschreibt zu Beginn des Buches „Siegfried“ von Antonia Baum ihren Weg in die Psychiatrie, die sie zur Einweisung nach einem Streit mit ihrem Partner aufsucht. Während ihres Aufenthaltes ...

Die Ich-Erzählerin beschreibt zu Beginn des Buches „Siegfried“ von Antonia Baum ihren Weg in die Psychiatrie, die sie zur Einweisung nach einem Streit mit ihrem Partner aufsucht. Während ihres Aufenthaltes im Warteraum gibt sie den Leser*innen einen Einblick in ihre Kindheit und den Einfluss von unterschiedlichen Familienmitgliedern. Hierbei schildert sie auch die fehlende Bindung zur Mutter sowie ihre Beziehung zu ihrem Mann. Die Szenen wechseln zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Die Erlebnisse der Kindheit in prekären Verhältnissen zwischen Gewalt und Vernachlässigung sind nicht angenehm zu lesen und schonungslos dargestellt. Beim Lesen kommt eine beklemmende und bedrückende Stimmung auf, da sich das Bild einer unsicheren Person abbildet, die versucht ihren Weg zu gehen und sich immer wieder mit den Schatten der Vergangenheit auseinandersetzen muss.

Der Roman ist tiefgründig und berührend, da es das Leiden von Kindern in schwierigen Lebenssituationen sehr eindrücklich darstellt.

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Veröffentlicht am 29.03.2023

Wendepunkt im Leben

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Der Roman ist aus der Ich-Perspektive einer Ehefrau, Mutter, Schriftstellerin, Tochter geschrieben, die sich von einem Moment auf den anderen an einem Wendepunkt in ihrem Leben befindet. Lang angestaute ...

Der Roman ist aus der Ich-Perspektive einer Ehefrau, Mutter, Schriftstellerin, Tochter geschrieben, die sich von einem Moment auf den anderen an einem Wendepunkt in ihrem Leben befindet. Lang angestaute Gefühle, Ängste, Sorgen, Unzufriedenheit – all dies kommt plötzlich zum Vorschein und bringt das Leben durcheinander. Die Ich-Erzählerin ist komplett mit der Situation überfordert, weiß auch nicht, an wen sie sich wenden könnte, da ihr Stiefvater, Siegfried, der ansonsten alles für sie geregelt hat, nicht mehr zur Verfügung steht. Aus einem Impuls heraus begibt sie sich in die Ambulanz einer Psychiatrie und macht sich ihre Gedanken im Warteraum und die Wartezeit ist sehr, sehr lange, sodass sie einen Rückblick bis in ihre Kindheit schafft. Der Roman beschreibt einerseits sachlich, erzählend, lässt aber für die Leser*innen genug Spielraum für eigene Interpretationen und Gedanken. Interessant finde ich auch, dass die Ich-Erzählerin wichtige Figuren in ihrem Lebenslauf herausnimmt und beleuchtet, welchen Einfluss sie auf ihr Leben hatten und teilweise auch bis heute noch haben. Auch das Leben ihrer Mutter sieht sie im Nachhinein und mit ihrer heutigen Erfahrung aus einem anderen Blickwinkel.
Wohin ihr eigenes Leben sie führen wird, weiß sie noch nicht so genau, aber sie wird etwas an ihrer Situation verändern, nur was genau, ist noch nicht so klar. Sie ist an ihrem persönlichen Wendepunkt im Leben angelangt.
Der Schluss ist offen und lässt Raum für eigene Gedankengänge, sodass man sich auch im Nachhinein noch mit dem Gelesenen auseinandersetzen muss und das Buch nicht einfach so beiseitelegen kann.

Veröffentlicht am 14.03.2023

Wirkt nach

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Zum Inhalt:
Statt wie immer morgens zur Arbeit zu fahren, fährt eine Frau in die Psychiatrie.
Am Vorabend hat sie sich mit ihrem Partner gestritten, aber führt das zu so einer Handlung? Eigentlich müsste ...

Zum Inhalt:
Statt wie immer morgens zur Arbeit zu fahren, fährt eine Frau in die Psychiatrie.
Am Vorabend hat sie sich mit ihrem Partner gestritten, aber führt das zu so einer Handlung? Eigentlich müsste sie sich um die Tochter kümmern, die Wohnung, alles - Doch plötzlich hat sie nur noch Angst und glaubt nichts mehr unter Kontrolle zu haben. Doch was ist eigentlich ihr Problem?
Meine Meinung:
Wer jemals mit einer Überforderung zu tun hatte, wird vermutlich an der ein oder anderen Stelle denke, das kenne ich auch. Wer das nicht kennt, wird dennoch verstehen, was da passiert. Die Autorin setzt gezielt den Finger in Wunden und kann dieses ausgesprochen deutlich beschreiben. Ein Portrait einer Frau, die durch die Vergangenheit, speziell ihrem Stiefvater geformt wurde und irgendwann mit dem alles unter den Teppich kehren nicht mehr klar kommt. Ein Buch, dass nachwirkt und mir gut gefallen hat.
Fazit:
Wirkt nach

Veröffentlicht am 06.03.2023

Analysierendes und unterhaltsames Psychogramm

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🔸Antonia Baum begleitet mich schon länger durch mein Leseleben, und zwar mit ihren Kolumnen und Artikel in der ZEIT.

Auf ihren Roman „𝐒𝐈𝐄𝐆𝐅𝐑𝐈𝐄𝐃“ habe ich mich deshalb sehr gefreut. Schon die Leseprobe ...

🔸Antonia Baum begleitet mich schon länger durch mein Leseleben, und zwar mit ihren Kolumnen und Artikel in der ZEIT.

Auf ihren Roman „𝐒𝐈𝐄𝐆𝐅𝐑𝐈𝐄𝐃“ habe ich mich deshalb sehr gefreut. Schon die Leseprobe war vielversprechend, der Roman selbst gute, subtil gesellschaftskritische Unterhaltung.

🔸Wer ist Siegfried? Baum schreibt den Roman aus Blickwinkel einer Ich-Erzählerin, deren Mutter einen Ehemann hat, der Siegfried heißt, der aber nicht der Vater der Ich-Erzählerin ist.
Um diesen Siegfried kreisen drei Generationen von Frauen: seine Mutter Hilde, die ihn vergöttert, seine Ehefrau, die er betrügt und kleinmacht, und seine Tochter, die Erzählerin, deren Selbstbild er bis weit in ihr Erwachsenenalter prägen wird.
Die Figur Siegfried steht für mich sinnbildlich für unsere immer noch stark patriarchal geprägte Gesellschaft, die Generationen von Frauen unterschiedlich beeinflusst.

🔸Baum beginnt ihren Roman damit, dass die Ich-Erzählerin beschließt in die Notfallambulanz der Psychiatrie zu fahren. Die Frau hat eindeutig Issues. Welche genau das sind, wird im weiteren Verlauf in Rückblenden auf ihre Kindheit, ihre konfliktbeladene Ehe und ihre schwierige Beziehung zu Männer deutlich.
Es wird deutlich wie sehr das Nachkriegstrauma, das Hildes Generation erlebt hat, bis heute in Form von Härte und Selbstdisziplin gegen sich selbst, weitergegeben wird.

„𝘈𝘣𝘦𝘳 𝘸𝘪𝘦 𝘪𝘮𝘮𝘦𝘳, 𝘸𝘦𝘯𝘯 𝘦𝘴 𝘮𝘪𝘳 𝘴𝘤𝘩𝘭𝘦𝘤𝘩𝘵 𝘨𝘪𝘯𝘨, 𝘸𝘢𝘳 𝘷𝘰𝘯 𝘢𝘶ß𝘦𝘯 𝘯𝘪𝘤𝘩𝘵𝘴 𝘻𝘶 𝘴𝘦𝘩𝘦𝘯, 𝘥𝘪𝘦 𝘖𝘣𝘦𝘳𝘧𝘭ä𝘤𝘩𝘦 𝘸𝘢𝘳 𝘪𝘯𝘵𝘢𝘬𝘵.“

Auch Siegfried hat dieses Erbe verinnerlicht und paart diese innerliche und äußerliche emotionale Distanz mit kapitalistischem Leistungsstreben. Alles Weibliche und Liebevolle, das er mit Schwäche assoziiert, verachtet er und prägt damit das Selbstverständnis seiner Ziehtochter als Frau.

𝘔𝘦𝘪𝘯 Ä𝘶ß𝘦𝘳𝘦𝘴 𝘸𝘢𝘳 𝘴𝘦𝘩𝘳 𝘨𝘦𝘱𝘧𝘭𝘦𝘨𝘵, 𝘥𝘪𝘦 𝘔ä𝘯𝘯𝘦𝘳 𝘶𝘯𝘥 𝘪𝘤𝘩 𝘩𝘢𝘵𝘵𝘦𝘯 𝘚𝘦𝘹, 𝘶𝘯𝘥 𝘥𝘢𝘣𝘦𝘪 𝘸𝘢𝘳 𝘮𝘪𝘳 𝘦𝘪𝘯𝘦 𝘚𝘢𝘤𝘩𝘦 𝘣𝘦𝘴𝘰𝘯𝘥𝘦𝘳𝘴 𝘸𝘪𝘤𝘩𝘵𝘪𝘨: 𝘥𝘪𝘦 𝘉𝘦𝘩𝘢𝘶𝘱𝘵𝘶𝘯𝘨 (𝘪𝘩𝘯𝘦𝘯 𝘶𝘯𝘥 𝘮𝘪𝘳 𝘴𝘦𝘭𝘣𝘴𝘵 𝘨𝘦𝘨𝘦𝘯ü𝘣𝘦𝘳), 𝘪𝘤𝘩 𝘸ü𝘳𝘥𝘦 𝘥𝘪𝘦𝘴𝘦𝘯 𝘚𝘦𝘹 𝘸𝘰𝘭𝘭𝘦𝘯, 𝘪𝘤𝘩 𝘸ü𝘳𝘥𝘦 𝘪𝘩𝘯 𝘮ö𝘨𝘦𝘯, 𝘸𝘦𝘪𝘭 𝘪𝘤𝘩 𝘮𝘰𝘤𝘩𝘵𝘦 𝘸𝘢𝘴 𝘔ä𝘯𝘯𝘦𝘳 𝘮𝘰𝘤𝘩𝘵𝘦𝘯, 𝘸𝘦𝘪𝘭 𝘪𝘤𝘩 𝘸𝘢𝘳 𝘸𝘪𝘦 𝘴𝘪𝘦.“

„𝘞𝘪𝘦 𝘴𝘦𝘩𝘳 𝘪𝘤𝘩 𝘥𝘪𝘦 𝘋𝘪𝘯𝘨𝘦 𝘥𝘶𝘳𝘤𝘩 𝘴𝘦𝘪𝘯𝘦 𝘈𝘶𝘨𝘦𝘯 𝘴𝘢𝘩, 𝘸𝘪𝘦 𝘴𝘦𝘩𝘳 𝘪𝘤𝘩 𝘥𝘶𝘳𝘤𝘩 𝘪𝘩𝘯 𝘩𝘪𝘯𝘥𝘶𝘳𝘤𝘩 𝘥𝘢𝘤𝘩𝘵𝘦.“

🔸Viele wichtige Themen klingen in diesem komplexen Roman von Baum durch, wobei es der/dem Leser:in überlassen bleibt, in eine tiefere Deutungsebene abzutauchen oder bei der individuellen Geschichte der Erzählerin zu bleiben. Baums Schreibstil ist wunderbar leicht und unterhaltsam und gehaltvoll zugleich.

Für mich ein schönes und wertvolles Leseerlebnis, das mit emotional beschäftigt hat.

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