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Veröffentlicht am 22.10.2023

Zeitartefakte

Adam und die Jagd nach der zerbrochenen Zeit
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Adam ist zwölf, klein für sein Alter und sehr introvertiert. Früh hat er seine Eltern verloren und lebt bei seinem netten Onkel Henry, der eine eigene Bäckerei betreibt und dem er dort aushilft. Eines ...

Adam ist zwölf, klein für sein Alter und sehr introvertiert. Früh hat er seine Eltern verloren und lebt bei seinem netten Onkel Henry, der eine eigene Bäckerei betreibt und dem er dort aushilft. Eines Abends kommt ein seltsamer Mann in die Bäckerei und macht Adam auf etwas aufmerksam, das sich unter den Sachen seiner Eltern befindet. Als Adam den Dachboden durchsucht, findet er eine Schneekugel - und als er sie schüttelt, versetzt es ihn nicht nur an einen anderen Ort, sondern auch in eine andere Zeit. Mit einem Mal erlebt er Zeitreisen, lernt Menschen, Orte und Geschichten kennen und er muss sich entscheiden, was er mit besonderen Zeitartefakten anstellt - wobei er immer von jemandem verfolgt wird, der alles für die Artefakte tun würde ...

Nun, die Zeit ist nicht zerbrochen, denn wie es nicht nur Viktor in dieser Geschichte ausdrückt: Was einmal geschehen ist, ist geschehen. Aber könnte man mit einer Zeitmaschine geschehene Dinge wieder ungeschehen machen? Das versucht Adam herauszufinden und das wird durch die Autorin wirklich spannend umgesetzt. Seine Zeitreisen verlaufen nicht linear und es kommt dabei sogar zum Bootstrap-Paradoxon (wer sich in der Hinsicht mal das Gehirn verknoten lassen möchte, dem empfehle ich die Netflix-Serie "Dark"). Die Entwicklung, die Adam dabei durchmacht, ist absolut glaubwürdig, auch die Reaktionen der Erwachsenen. Der Sprecher macht dabei einen hervorragenden Job. Das Einzige, was für mich nicht so richtig gepasst hat, war die Auflösung von J. C. Walsh, mit dem alles begann und endete, aber möglicherweise ist das auch der Tatsache geschuldet, dass ich irgendwas beim Hören verpasst habe. Die Geschichte hat mehrere furchtbar traurige Momente, aber auch Geschehnisse voller Hoffnung. Für mein Vorlesekind (knapp 8) war es manchmal zu viel. Eventuell sollten Eltern oder VorleserInnen erstmal selbst reinlesen/-hören, um zu entscheiden, ob es das Richtige ist. 4.5/5 Punkten.

Veröffentlicht am 02.07.2023

Midsummer is murder

Refugium
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Midsummer in den Schären von Schweden. Der bekannte Unternehmer Helander und vier seiner Gäste werden während eines Dinners überfallen und erschossen. Nur die 14jährige Tochter Astrid überlebt. Ausgerechnet ...

Midsummer in den Schären von Schweden. Der bekannte Unternehmer Helander und vier seiner Gäste werden während eines Dinners überfallen und erschossen. Nur die 14jährige Tochter Astrid überlebt. Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt treffen sich auch die Krimiautorin Julia Malmros und ihr zeitweiliger Bettgenosse und Hacker Kim Ribbing in ihrem Haus unweit des Massakers. Sie bekommen mit, dass etwas Furchtbares passiert ist und fahren rüber. Auf diese Weise werden Julia und Kim in eine Ermittlung gezogen, die Kim unter anderem nach Shanghai und Kuba führen wird und die beide das Leben kosten kann ...

Ich kannte den Autor bisher nicht, gebe aber zu, dass mich sein Schreibstil, seine Ideen und sein unterschwellig aufblitzender Humor sofort in die Geschichte ziehen konnten. Sie ist stark angelehnt an die Milleniumsreihe - wer mehr darüber erfahren will, dem empfehle ich das YT-Video des Autors. Wir haben hier ein sehr cooles Personal: Kim Ribbing hat eine schreckliche Kindheit hinter sich und ist noch nicht mal 30, während Julia bereits Anfang 50 ist, eine Karriere als Kriminalkommissarin beendet hat, um Bücher zu schreiben. Trotz ihrer Unterschiede, nicht nur was das Alter betrifft, sind sie (nicht nur im Bett) ein gutes Team. Auch die Nebencharaktere gefallen mir sehr gut, ganz egal, ob auf der "guten" oder "bösen" Seite. Natürlich gibt es ein paar Handlungen, die man mehr mit Mission Impossible in Verbindung bringt und ein paar nette Zufälle, aber die coole Schreibweise, die rasante Handlung und die Charaktere konnten das Buch sehr gut tragen und ich freue mich auf die Fortsetzungen. 4.5/5 Punkten.

Veröffentlicht am 14.03.2023

Gegen den Rest der Welt

Deadwater High – Den Tod im Team
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Die Steckler-Schwestern - die siebzehnjährige Stella und die anderthalb Jahre jüngere Schwester Ellie - sind beides Ausnahmetalente im Crosslauf. An ihrer High School gehören sie zum Auswahlteam und sie ...

Die Steckler-Schwestern - die siebzehnjährige Stella und die anderthalb Jahre jüngere Schwester Ellie - sind beides Ausnahmetalente im Crosslauf. An ihrer High School gehören sie zum Auswahlteam und sie sind gegenseitig ihre größten Konkurrentinnen. Beide möchten sich für ein Stipendium qualifizieren, um rauszukommen aus Edgewater, diesem kleinen Nest, in dem Mädchen und Frauen sonst kaum Chancen bekommen. Als dann eines Tages Mila neu in die Stadt und ins Team kommt, wird es kompliziert. Mit Mila können sowohl Stella als auch Ellie reden und es kommen Dinge zur Sprache, die besser verborgen geblieben werden. Und dann verschwindet Mila - so wie zehn Jahre zuvor schon einmal drei Crossläuferinnen, die dann ermordet aufgefunden wurden. Haben Stella und Ellie etwas damit zu tun?

Das ist mal wieder ein richtig guter Jugendthriller. Hier werden nicht nur die Beziehungen von Schwestern unter die Lupe genommen, die einen Teil ihrer Kindheit unter schwierigen Bedingungen erlebt haben, sondern auch noch ihre härtesten Konkurrenten im Leistungssport sind. Allein, wie der Druck und der ewige Kampf, aber auch die Liebe zum Laufen, zum Leistung bringen und zum Gewinnen rübergebracht wurden, war faszinierend. Und das Personal des Buches wurde sehr gut skizziert. Keine Pappschablonen, sondern Menschen aus Fleisch und Blut, die Fehler machen, hart arbeiten oder manchmal - siehe den Polizisten Parker - einfach unfähige A...löcher sind. Es gibt eine Sache, die mir bis zum Schluss nicht ganz klar wurde, aber ansonsten kann ich das Buch einfach nur empfehlen. 4,5/5 Punkten.

Veröffentlicht am 25.02.2023

Monster und Mütter

Die marmornen Träume
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Sommer 1939. Der Psychoanalytiker Simon Kraus hat ein schönes Leben. Er hat einen leichten Job, in dem er die Frauen von Nazigrößen betreut, gelegentlich mit ihnen schläft und sie dann mit dem Wissen um ...

Sommer 1939. Der Psychoanalytiker Simon Kraus hat ein schönes Leben. Er hat einen leichten Job, in dem er die Frauen von Nazigrößen betreut, gelegentlich mit ihnen schläft und sie dann mit dem Wissen um ihren Fehltritt erpresst. Als plötzlich genau diese Frauen ermordet werden, gerät er in das Visier der Gestapo, genauer des Obersturmführers Franz Beween. Dieser hat den Befehl, die Morde aufzuklären. Da im Tausendjährigen Reich jedoch keine Serientäter existieren dürfen, schon gar nicht welche, die Nazis oder deren Verwandten angreifen, hängt Beween meistens in der Luft, weil er entweder keine Informationen erhält oder niemanden befragen darf. Schnell wird ihm klar, dass er nur mit Hilfe von Kraus und dessen Kollegin den Fall lösen kann - auch wenn er weiß, dass sein Leben auf dem Spiel steht, egal, ob er den Fall löst oder nicht.

Es kommt nicht oft vor, dass mich ein so dickes Buch von der ersten bis zur letzten Seite fesseln kann: Hier ist das geschehen. Dabei gibt es eigentlich keine einzige sympathische Hauptperson. Beween ist ein Bauernsohn, der als Schläger und Mörder Karriere bei der SS und SA gemacht hat und davon träumt, in den Krieg ziehen zu können. Kraus ist ein kleiner, opportunistischer Mistkerl, bei dem gelegentlich Anflüge von dummem Mut durchblitzt und seine Kollegin, die Adlige Minna, ist nur klar, wenn sie völlig betrunken ist. Diese drei wirklich unsympathischen Protagonisten lavieren sich durch eine völlig verrückt gewordene Welt, in der Leben einerseits nichts mehr zählt, andererseits alles bedeutet. Die Naziherrschaft wird in ihrer Grausamkeit, ihrem Schrecken, ihrer Menschenverachtung sehr gut portraitiert und wenn man liest, wie sich ein französischer Autor durch deutsche Geschichte schlägt und dabei alle bluten lässt, wie er die Banalität des Bösen aufzeigt, die fanatischen Ansichten skizziert, kann man nur noch Respekt haben. Da verzeiht man auch den eine oder andere Episode, die nicht ganz so logisch ist, denn man wird hier vor allem eins: erschütternd gut unterhalten. 4,5/5 Punkten.

Veröffentlicht am 05.02.2023

Too hot, too greedy

Sturmhöhe
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Gerade einmal etwa sechs Jahre alt ist der kleine, schmutzige Straßenjunge, den der Landadlige Earnshaw aus London mitbringt. Heathcliff nennen sie das verwilderte Kind und es wächst im selben Haushalt ...

Gerade einmal etwa sechs Jahre alt ist der kleine, schmutzige Straßenjunge, den der Landadlige Earnshaw aus London mitbringt. Heathcliff nennen sie das verwilderte Kind und es wächst im selben Haushalt auf wie die etwa gleichaltrige Cathrine und ihr älterer Bruder Hindley, dort draußen im windigen, wilden Moor, in dem Anwesen Wuthering Heights. Die Jahre vergehen und Catherine und Heathcliff sind so eng wie Geschwister. Doch dann stirbt der alte Earnshaw und Hindley übernimmt den Haushalt. Er hat Heathcliff immer gehasst und jetzt behandelt er ihn schlimmer als ein Tier, verbietet ihm den Umgang mit Catherine. Heathcliffs Hass auf ihn und alle, die Catherine näherkommen, wächst im gleichen Maße wie seine Liebe für das Mädchen. Doch sie heiratet einen anderen, er geht fort und als er wiederkommt, stürzt er alle ins Verderben.

Diese Geschichte wird dem neuen Pächter Lockwood im Jahre 1801 erzählt, von Ellen Dean, genannt Nelly, einer ehemaligen Hausangestellten von Wuthering Heights, die das ganze Drama über die Jahrzehnte hautnah erlebte. Bronte entspinnt hier vor unseren ungläubigen Augen eine Geschichte aus krankhafter Liebe und alles verzehrender Leidenschaft, aus Hass, Gewalt, Brutalität und Rohheit, doch das in einem so fesselnden Maße, dass man einfach nicht aufhören kann zu lesen. Obwohl der Schreibstil altmodisch anmutet, ist es die Geschichte trotz allem nicht. Die menschlichen Eigenschaften sind noch immer dieselben, und hier wird zerstörerische Liebe, Wut, Hass auf eine Höhe getrieben, die schwer zu ertragen, aber noch schwerer zu vergessen ist. Im Gegenteil, immer und immer wieder kehren meine Gedanken zu dem Buch zurück, zu dem, was aus Menschen wird, die nie Liebe erfahren haben, nie Wärme, nie Menschlichkeit. Wenn ich etwas zu bemängeln habe, dann dieser relative Bruch am Ende - wer das Buch kennt, wird wissen, was ich meine, für die Restlichen werde ich einfach nicht spoilern. Dennoch, dieses Buch ist einer der Klassiker, die es wert sind zu lesen und bei denen ich froh bin, es nicht in der Schule gehabt und zu Tode analysiert haben zu müssen. Kraftvoll, mitreißend, fesselnd, zu Tränen rührend, schockierend sind nur einige der Merkmale, die Wuthering Heights kennzeichnen und einzigartig machen.

Allerdings sollte man keine locker-lustige Liebesgeschichte ähnlich Stolz und Vorurteil von Jane Austen erwarten, dann kann man nur enttäuscht werden. Es ist eher eine erschreckende Analyse der (Un)Menschlichkeit, ein tragisches zeitgenössisches Sittenbild.