Anders
BluetsIn "Bluets" verbindet Maggie Nelson ihre Liebe zur Farbe Blau mit dem Ende einer Beziehung. In zweihundertvierzig kurzen Abschnitten, die teils nur aus Sätzen, Zitaten oder Gedankensplittern bestehen, ...
In "Bluets" verbindet Maggie Nelson ihre Liebe zur Farbe Blau mit dem Ende einer Beziehung. In zweihundertvierzig kurzen Abschnitten, die teils nur aus Sätzen, Zitaten oder Gedankensplittern bestehen, benutzt sie die Farbe als einen Ausgangspunkt für Überlegungen zu Trennung, Verlust, Schmerz, Sex und das Leben. Was dabei entsteht ist ein Kaleidoskop an Eindrücken, ein blau gefärbtes Gedankenkonstrukt, das sich durch einen abstrakten und fragmentarischen Charakter auszeichnet.
Nur schwer lässt sich "Bluets" einordnen und definieren. Am ehesten kann das Buch wohl als ein experimenteller, lyrischer und autofiktionaler Essay beschrieben werden, der besonders durch seine Form besticht. Er denkt über das Schreiben selbst als einen Prozess der Verarbeitung und Bewältigung von Schmerz, Schicksalsschlägen und Depressionen nach. Der Bezug zur Farbe Blau, der das Einzelne zusammenhält und einen Rahmen bietet, kann dabei als eine Art Heilungsprozess verstanden werden. Er bindet die Autorin an die Welt, an das Leben. Nelson führt ein Zitat von Thoreau als Selbstcharaktierisierung des eigenen Werkes an: “Wenn unser Gefährte uns enttäuscht, übertragen wir unsere Liebe unmittelbar auf ein würdiges Objekt”.
Nelson fragt nach dem Wesen der Farbe und versucht die Farbwahrnehmung und das Bewusstsein für Farben jedes Einzelnen nachzuvollziehen. Sie betrachtet Farben als situationsbedingt, als individuelle Phänomene, als etwas nicht völlig Greifbares, denn: “Die Verwirrung darüber, was Farbe ist, wo sie ist oder ob sie ist, besteht trotz tausender Jahre des Anstoßes fort.”
Gleichzeitig verwebt "Bluets" Gedanken aus Kunst, Literatur, Philosophie, Religion und Kulturgeschichte. Dabei wird von Goethe bis Thoreau, von Leonard Cohen bis Yves Klein zahlreichen Denkern, Dichtern und Künstlern Raum gewährt. Auch die unterschiedlichen Wahrnehmungen von Einzelsprachen der Farbe Blau bleiben nicht unerwähnt. Während das Englische Blau mit Depressionen verbindet (“I’m feeling blue”), ist es auf Deutsch Synonym für Rausch und Betrunkenheit (“blau sein”).
Schließlich betrachtet Nelson auch die Beziehung der Natur zur Farbe Blau. Einerseits oft als Gift auftretend (Beeren, Schimmel), bedeutet die Farbe an anderen Stellen Verführung, zum Beispiel bei den Seidenlaubenvögeln, deren Männchen das Nest mit blauen Gegenständen schmücken, um Weibchen anzulocken.
"Bluets" ist ein Erlebnis. Es ist träumerisch und hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Trotz der Tatsache, dass das Buch zuweilen sehr persönlich ist und die Gefühle der Autorin manchmal nur schwer zu (be-)greifen sind, da sie düster und dunkel wirken und nie weit entfernt von einer Depression scheinen, liest man die einzelnen Abschnitte voller Aufmerksamkeit. Ein Buch also, dass sich durch sein Anderssein hervorhebt und alleine deshalb eine Empfehlung verdient.