Profilbild von Girdin

Girdin

Lesejury Star
offline

Girdin ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Girdin über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.04.2023

Emotional mitreißende Geschichte über eine Spirale der Angst durch Mobbing

Unsichtbar
0

Lange hat der junge Protagonist des Romans „Unsichtbar“ von Eloy Moreno geglaubt, dass er eine Superkraft entwickelt hat, dank der er vor allen Augen verschwinden kann. Aber leider funktioniert seine Fähigkeit ...

Lange hat der junge Protagonist des Romans „Unsichtbar“ von Eloy Moreno geglaubt, dass er eine Superkraft entwickelt hat, dank der er vor allen Augen verschwinden kann. Aber leider funktioniert seine Fähigkeit nicht immer zur rechten Zeit. Was sich wie eine Fantasy anhört, ist eine Geschichte, wie sie täglich passieren kann und unter die Haut geht. Die Vorstellung des Jungen, sich unsichtbar machen zu können, entspringt seinem Wunsch, es seinen Comic-Helden gleichzutun. Die Gegenwart ist für ihn mit derartigen Ängsten vor weiterem Mobbing verbunden, dass er Zuflucht in einer Illusion sucht.

Am Beginn des Buchs lernte ich in einem kurzen Kapitel eine Frau kennen, die sich ein großes Kunstwerk auf ihren Rücken tätowieren lässt. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich nicht ahnen, dass es sie erinnert, ihr gleichzeitig aber die Kraft verleiht, Beobachtungen zu hinterfragen und unbequeme Schritte zu gehen. Sie kommt für den Protagonisten fast zu spät. Das nächste Kapitel wird von dem Jungen selbst erzählt. Er liegt im Krankenhaus und versucht einen Panikanfall zu überwinden. Er hatte einen Unfall und kann sich nicht daran erinnern, was danach geschah.

Die Erzählperspektive wechselt immer wieder zu einem auktorialen Erzähler, der dem Lesenden Informationen über Freunde, Bekannte, Familienmitglieder und Lehrende gibt, indem er gegenwärtige Szenen schildert. Später schaut er auf Ereignisse, die vor dem Unfall liegen und führt aus, wie es dazu kam. Der Schreibstil des Autors ist kreativ. Die kurzen Kapitel sind prägnant und ermöglichen einen schnellen Lesefluss.

Nachdem der im Krankenhaus liegende Junge über mehrere Tage hinweg den Mut gefasst hat, sich einer Person anzuvertrauen, die bisher nicht zu seinem Umfeld gehörte, beginnt er zu erzählen, wie er gemobbt wurde. Bewusst gibt Eloy Moreno dem Jungen keinen Namen, denn das, was ihm geschieht, könnte jedem passieren. Er ist vor kurzem auf eine weiterführende Schule gewechselt, lebt in einer intakten Familie, hat Freunde und erhält gute Noten, sehr gute sogar. Er ist nicht besonders auffallend, weder im Äußeren noch durch Äußerungen. Was ihm widerfährt ist berührend und verstörend. Es entwickelt sich eine Spirale der Angst.

Der Autor nimmt nicht nur das Opfer in den Fokus, sondern beschäftigt sich auch mit dem oder den Tätern, dessen oder deren Handlung dadurch bestätigt wird, wenn sie ohne Konsequenzen bleibt. Er blickt ebenfalls auf diejenigen, die wegschauen, weil sie meinen, dafür einen Grund zu haben, sei es aufgrund ihrer Unbeholfenheit oder ihrer eigenen Unfreiheit. „Alle können zwischen Gut und Böse, Spaß und Demütigung, Spiel und Mobbing unterscheiden. Aber keiner weiß, wie man […] stoppen soll, ohne sich selbst zu schaden.“ (S. 188) Dennoch schenkte der Autor mir als Leserin im zunehmenden Gefühlsaufruhr einen Funken Hoffnung.

Eloy Morenos Roman „Unsichtbar“ ist eine emotional mitreißende Geschichte über einen gemobbten Jungen, der sich lieber für sein Umfeld unsichtbar machen möchte als weiterhin seinen Ängsten ausgesetzt zu sein. Es ist ein wichtiges Buch, das zur Pflichtlektüre in Schulen werden sollte. Der Protagonist ist Schüler, aber ähnliche Situationen sind auch für Erwachsene denkbar zum Beispiel im beruflichen Umfeld. Daher empfehle ich den Roman nicht nur an jugendliche Lesende ab 14 Jahren, sondern auch an Ältere. Ich schätze es, dass im Anhang einige wichtige Aspekte zum Mobbing erklärt werden.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.04.2023

Innere Zerrissenheit der Mutter zwischen Pflicht und der Suche nach Identität

Maman
0

Sylvie Schenk hat in ihrem Buch „Maman“ eine Romanform entwickelt, mit der sie versucht, sich der Persönlichkeit ihrer längst verstorbenen Mutter Renée zu nähern. Deren Herkunft blieb der Tochter zeitlebens ...

Sylvie Schenk hat in ihrem Buch „Maman“ eine Romanform entwickelt, mit der sie versucht, sich der Persönlichkeit ihrer längst verstorbenen Mutter Renée zu nähern. Deren Herkunft blieb der Tochter zeitlebens ein Rätsel.
Erst durch die Recherche ihrer Schwester erfuhren sie den Namen ihrer Großmutter Cécile, einer Arbeiterin in einer der Fabriken zur Seidenherstellung in Lyon, die unter der Geburt im Jahr 1916 verstarb. Sie wurde nur 45 Jahre alt. Der Vater von Renée ist unbekannt. Einige Jahre lang wuchs die Mutter der Autorin mit wenig Liebe auf dem Land auf, bevor sie von einem gut betuchten Ehepaar in Pflege genommen wurde. Dennoch hat sie aufgrund ihrer unklaren Abstammung nie die gewünschte Anerkennung in ihrer Schwiegerfamilie gefunden.
In ihrer Fantasie blickt die Autorin ihren Vorfahren über die Schulter. Auf diese Weise malt sie sich Situationen aus, die ihre Großmutter Cécile und ihre Mutter erlebt haben und lässt sie für den Lesenden lebendig werden. Sie stellt sich das Sterben ihrer Großmutter vor und ergründet in diesem Zusammenhang das Umfeld, in dem Cécile gelebt hat.
Sylvie Schenk versetzt sich in die Gefühlswelt ihrer Mutter, erkundet ihr Schweigen, ihre Ansprüche bis hin zur Vorstellung ihres Liebeslebens. Die ersten Jahre bleiben im Dunkeln, weil Renée verdrängt, was ihr widerfahren ist. Aber dennoch bleibt das Erlebte tief in ihr, denn es lässt sich nicht ungeschehen machen. Für ihre neue Pflegemutter ist es schwierig, ihr Sicherheit zu vermitteln und ihr Vertrauen zu gewinnen. Die seelischen Wunden heilen langsam.
Untrennbar ist das Leben von Renée mit dem ihrer Kinder verbunden, die sich von ihr wenig geliebt fühlten. Sie hat durch Erfahrung oder Beobachtung gelernt, wie man sich wann verhält, aber nicht, wie man Freude vermittelt. Wenn sie eine Meinung kundtat, auch gegenüber dem Dienstmädchen und dem Vater, empfanden die Geschwister sie oft als ungerecht.
Es gelingt der Autorin nicht, alle Schleier über dem Leben der Mutter zu lüften wie beispielsweise Teile eines von der Familie als Fauxpas bezeichneten Ereignisses. Dabei verbleibt ein Spielraum für eine weitere Facette, die jedes der Kinder nach eigener Vorstellung füllt. Die innere Zerrissenheit der Mutter zwischen Pflicht und der Suche nach Identität begleitet sie ein Leben lang.
In ihrem Roman „Maman“ nähert sich Sylvie Schenk anhand ihrer eigenen und der Erinnerungen ihrer Verwandtschaft einem Bild ihrer Mutter an, das sie mit ihrer Fantasie ausgemalt, aber dennoch nicht vollständig sein kann. Eine Recherche führt sie über einhundert Jahre in der Zeit zurück und verbindet sich mit der Familiengeschichte über Jahrzehnte hinweg. Es war ein aufwühlendes und bewegendes Lesen für mich, während ich mehr über die Autorin und ihrer Angehörigen erfahren durfte. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.03.2023

Vier unterhaltsame Kurzgeschichten für eine Auszeit vom Alltag

Zwischen den Wellen glitzert das Glück
0

Das Buch „Zwischen den Wellen glitzert das Glück“ von Gabriella Engelmann beinhaltet vier Kurzgeschichten, die Urlaubsflair verbreiten. Bereits das Cover und der Titel wirken einladend dazu. Der Verlag ...

Das Buch „Zwischen den Wellen glitzert das Glück“ von Gabriella Engelmann beinhaltet vier Kurzgeschichten, die Urlaubsflair verbreiten. Bereits das Cover und der Titel wirken einladend dazu. Der Verlag weist darauf hin, dass jede der Erzählungen als ebook erschienen ist sowie einige in einer Anthologie. Ich kannte keine von ihnen und habe mich gerne an der Seite der Protagonistinnen ans Meer mitnehmen lassen.
Die Protagonistinnen der Erzählungen sind unterschiedlich, aber sie vereint der Wunsch auf eine Veränderung in ihrem Leben. Caro ist Bestsellerautorin, gerade wieder Single, aber ohne Ideen für ihren neuen Roman. Im Süden Frankreichs will sie sich den Kopf frei pusten lassen und begegnet dort unerwartet einem hilfsbereiten Mann. Die Redakteurin Olivia benötigt professionelle Hilfe, um eine Lebenskrise zu überwinden. Sie findet bei einem Lebenscoach mehr als nur einen Zuhörer. Die Programmleiterin Lina hilft dem Liebesglück ihrer Freundin Anna ein wenig nach. In der letzten Erzählung des Buchs steht sie selbst im Mittelpunkt, als sie sich während einer spontanen Auszeit auf einer Nordseeinsel verliebt.
Gabriella Engelmann versteht es auch in kurzer Form eine erholsame Atmosphäre zu schaffen, egal ob am Meer oder in der Stadt. Nicht nur als Leserin war das wohltuend, sondern auch den Hauptfiguren gibt die Autorin einen entspannenden Raum, um zu sich selbst zu finden, ihre Gedanken zu ordnen, neue Ideen zu entwickeln und gelassener in die Zukunft zu schauen. Ganz nebenbei ließ sie mich durch die gewählten Berufe ihrer Protagonistinnen Einblicke nehmen in die Verlagsbranche. Bestimmt sind dabei eigene Erfahrungen aus dem Metier eingeflossen.
Die Hauptfiguren sind trotz Ecken und Kanten sympathisch gestaltet. Gabriella Engelmann beschreibt einfühlsam deren Gedanken und Gefühle. Als Lesende hofft man, dass sie Lösungen für die Sorgen in ihrem Leben finden und die Herausforderungen meistern. Die Lektüre ist passend für den Urlaub am Strand, bringt aber auch Behaglichkeit an trüben Tagen.
Mit dem Buch „Zwischen den Wellen glitzert das Glück“ verschaffte Gabriella Engelmann mir eine kleine Auszeit vom Alltag. An der Seite ihrer Protagonistinnen der vier enthaltenen Kurzgeschichten durfte ich träumen, verreisen und auf ein Happy End hoffen. Die Erzählungen sind leichte Unterhaltung, ohne kitschig zu sein. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.03.2023

Schreiben zwischen Erfindung und Tatsache

Wir hätten uns alles gesagt
0

Das Buch „Wir hätten uns alles gesagt“ von Judith Hermann gibt die Vorlesungen wieder, die die Autorin im Rahmen einer Poetik-Vorlesungsreihe an der Goethe-Universität in Frankfurt an drei Abenden gehalten ...

Das Buch „Wir hätten uns alles gesagt“ von Judith Hermann gibt die Vorlesungen wieder, die die Autorin im Rahmen einer Poetik-Vorlesungsreihe an der Goethe-Universität in Frankfurt an drei Abenden gehalten hat. Jedes Semester wird ein Autor oder eine Autorin zur Dozentur über Fragen zur poetischen Produktion und ihren Bedingungen ausgesucht. In diesem Rahmen kann er oder sie das Thema frei wählen. Dem vorgenannten Titel des Buchs wurde erläuternd ein „Vom Schweigen und Verschweigen im Schreiben“ angehängt. Hierin deutet sich an, dass Judith Hermann den Versuch wagt, den zuhörenden StudentInnen beziehungsweise den Lesenden ihres Buchs ihren Schreibkosmos zu erläutern.

Im Buch erklärt sie in einem kurzen Prolog wie der Text der Vorlesungen beziehungsweise des Buchs entstanden ist, in den sich persönlich Erlebtes eingemischt hat. Bewusst bringt sie sich dabei nicht selbst ins Spiel, sondern aus einer überlegenden späteren Draufsicht, ohne dafür die Gründe zu benennen, aber passend zum anschließenden Mysterium, wieviel Wahrheit in den autobiografisch angelehnten, erzählten Begebenheiten liegt.

Ausgangspunkt für die Geschichte ist Judith Hermanns Begegnung mit ihrem früheren Psychoanalytiker. Allerdings warfen ihre Aussagen über das, was und wie sie Selbsterlebtes beim Schreiben festhält, die gewollten Zweifel bei mir auf, ob das Erzählte der Realität entspricht. Denn die Autorin wendet das Geschehene wieder und wieder und reduziert dabei auf das, was ihr bemerkenswert erscheint. Ihr ist bewusst, dass dabei Vieles verlorengeht, aber rund um das Zurückbleibende baut sie ihre Geschichten auf und füllt sie mit Fantasie. Ich empfinde das als eine besondere Kunstform.

Bisher war die Autorin zurückhaltend damit, Informationen über sich selbst an die, Öffentlichkeit zu geben. Im vorliegenden Buch „Wir hätten uns alles gesagt“ erzählt Judith Hermann beispielhaft von Geschehnissen, in die ihre Eltern, Verwandte, Freunde und Bekannte eingebunden sind, die sie seit ihrer Kindheit durchs Leben begleitet haben. Dennoch erhält sie sich aufgrund ihres individuellen Schreibstils das Rätsel um den Wahrheitsgehalt des Erzählten. Ein Buch, wie kein anderes, das ich daher gerne empfehle.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.03.2023

Schmackhafte Rezepte in attraktiver Aufmachung des Buchs

Fatmanurs fabelhafte Backwelt
0

Fatmanur Kilic bietet in ihrem Buch „Fatmanurs fabelhafte Backwelt“ etwa 60 Rezepte an. Sie ist gelernte Konditorin, Mitte 20 und in den Sozialen Medien unter dem Namen „Kilic-Story“ zu finden. Bei ihren ...

Fatmanur Kilic bietet in ihrem Buch „Fatmanurs fabelhafte Backwelt“ etwa 60 Rezepte an. Sie ist gelernte Konditorin, Mitte 20 und in den Sozialen Medien unter dem Namen „Kilic-Story“ zu finden. Bei ihren Rezepten achtet sie darauf, dass sie einfach zu backen oder zu erstellen sind, lecker schmecken und appetitlich anzusehen sind.

Nach einem Vorwort, einer Kurzvorstellung der Bäckerin und einem Interview mit ihr, beginnt der Rezeptteil. Das Buch ist untergliedert in die Kategorien Basics & Grundrezepte, Klassiker à la Fatmanur, Easy peasy & megalecker, Schönes für besondere Anlässe, Kleine Köstlichkeiten & Dessert sowie Brot, Brötchen & Herzhaftes. Im ersten Kapitel zeigt Fatmanur Kilic auf jeweils einer Doppelseite welche Backzutaten in ihrer Küche nie fehlen und welche Utensilien sie immer zur Hand hat. Dann folgen die Rezepte für vier Grundteige und vier Cremes zum Füllen oder Verzieren des Gebäcks, die begleitet werden mit anregenden Fotos, meist vom Resultat.

Die Rezepte werden ansprechend in Szene gesetzt mit ganzseitigen Fotos von Julia Hoersch und gestylt von Anne Haupt, wobei sich Meike Graf um die Requisite gekümmert hat. Fatnamur Kilic gibt zu manchen Zubereitungen gute Tipps. Zu einigen Rezeptangeboten findet sich auf der Foto- oder Anleitungsseite ein Barcode zum Scannen, mit dem man eine Video-Anleitung aufrufen kann. Mehrfach finden sich im Buch doppelseitige Lifehacks zum Dekorieren des Backwerks, die zum Auffinden leider nicht einzeln gelistet sind. Ein alphabetisches Register am Ende des Buchs hilft dabei, Rezepte zu finden. Hier kann man auch nachschlagen, wenn man eine bestimmte Hauptzutat wie beispielsweise eine Obstsorte vorrätig und damit etwas backen möchte, denn bestimmte Backzutaten oder -arten sind hervorgehoben.

Inzwischen habe ich sowohl die fluffigen Amerikaner wie auch die Dinkel-Quark-Brötchen mit Schokodrops nachgebacken. Die Zubereitung war einfach erklärt und ausführlich. Die Backzeit und -temperatur war passend, so dass das Ergebnis köstlich war. Es fehlte die Angabe, dass mit Ober- und Unterhitze gebacken wird und eine alternative Einstellung für den Heißluftherd.

Das Buch „Fatmanurs fabelhafte Backwelt“ bietet neben schmackhaften Rezepten eine attraktive Aufmachung, die zum Backen anregen. Meine Familie wird sicherlich noch mit mancher Leckerei daraus verwöhnt werden. Daher empfehle ich das Buch gerne weiter.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere