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Veröffentlicht am 17.03.2023

Nervenkitzel unter Hypnose

Haus der Stimmen
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Wetten, dass du sich am Ende des Buchs nicht traust, von zehn an rückwärts zu zählen?

Ein Thriller ohne Ermittler und Leiche, funktioniert das? Oh scusi, Psychothriller sollte es heißen.

»Für ein Kind ...

Wetten, dass du sich am Ende des Buchs nicht traust, von zehn an rückwärts zu zählen?

Ein Thriller ohne Ermittler und Leiche, funktioniert das? Oh scusi, Psychothriller sollte es heißen.

»Für ein Kind ist die Familie der sicherste Ort auf der Welt. Oder der gefährlichste.« S.27

Pietro Gerber ist in Florenz ein angesehener Kinderpsychologe, der sich, wie sein Vater Herr B. vor ihm, auf Hypnose spezialisiert hat. Seine professionelle Meinung ist vor allem vor Gericht gefragt, denn unter Hypnose kann er bei ihnen verschüttete Erinnerung aufdecken.
Als eine australische Kollegin ihn bittet, sich ihrer Patientin Hanna Hall anzunehmen, will er zunächst ablehnen, da sie erwachsen ist. Doch das eigentliche Ereignis liegt in Hannas Kindheit. Sie glaubt, ihren kleinen Bruder Ado getötet zu haben. Schon in der ersten Sitzung offenbart sich ihre ungewöhnliche Kindheit. Die Familie blieb nie lange an einem Ort und stellt strikte Regeln auf. Regel Nummer 3: Sag niemals einem Fremden deinen Namen, Regel Nummer 2: Fremde bedeuten Gefahr. Und doch ist Hanna ein glückliches Kind, sie liebt ihre Eltern und wird geliebt. Aber weshalb ist sie mit 11 zu einer Pflegefamilie nach Australien gezogen?
Hanna übt eine sonderbare Anziehungskraft auf Gerber aus, so dass er bald die notwendige Grenze zwischen Therapeut und Patientin überschreitet. Es gibt kein Zurück, denn Hanna weiß Dinge aus seiner Vergangenheit, die er nicht mal seiner Frau erzählt hat. In nur wenigen Tagen wird sein Leben und das seiner Liebsten auf den Kopf gestellt. Weshalb nennt Gerber seinen Vater Herr B und kann nicht über ihn sprechen?
Häppchenweise füttert uns Carrisi mit Details, die so gar nicht zusammenpassen wollen. Scheint eine Frage beantwortet, taucht bereits die nächste auf – das perfekte Katz und Maus Spiel.

Etwas ist Carrisi exzellent gelungen – er spielt ab Seite 1 mit der Angst seiner Leser:innen. Der Nervenkitzel zieht sich durch die undurchsichtige Geschichte, vielleicht weil vielen von uns Hypnose immer noch suspekt erscheint. Um all das glaubwürdig und fühlbar zu machen, hat sich Carrisi selbst hypnotisieren lassen. Und jeder, der einmal eine Therapie gemacht hat, wird feststellen, dass er gründlich recherchiert hat, was einem schon manchmal Angst machen kann. Ohne übermäßige Schockmomente gelingt es ihm, die Spannung durchweg auf einem hohen Level zu halten, dass man das Buch kaum aus der Hand legen mag. Er hat bewiesen, dass für einen fesselnden Psychothriller auf Schema F verzichtet werden kann, dass es nicht unbedingt Leichen und Ermittler braucht, dafür aber ein ausgeklügelten Plot und undurchsichtige Figuren, die allesamt Leichen im Keller haben.
Vielleicht lässt er am Ende einiges im Unklaren. Für mich war das aber stimmig, denn man nimmt das Mysteriöse und Dunkle noch für eine Weile mit.
Das zentrale Thema aber ist die Frage nach dem Kindeswohl, nicht alles, was richtig scheint, ist auch für die Kinder gut.

»Wenn du Kinder hast, kannst du dir jede Art von Egoismus erlauben, du musst es nur Liebe nennen.« S.182

Fazit: Ein empfehlenswerter Thriller, der einmal mehr das Potenzial zum Blockbuster hat.

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Veröffentlicht am 14.03.2023

Was wird alles an die Oberfläche kommen?

Fische, die in Sonnensprenkeln schwimmen
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Sonnensprenkel, ein Wort, das im Deutschen unbekannt ist, aber es ist die wohl einfachste Übersetzung des japanischen Worts Komorebi – es beschreibt Sonnenlicht, das durchs Blätterwerk der Bäume fällt.

»Immer ...

Sonnensprenkel, ein Wort, das im Deutschen unbekannt ist, aber es ist die wohl einfachste Übersetzung des japanischen Worts Komorebi – es beschreibt Sonnenlicht, das durchs Blätterwerk der Bäume fällt.

»Immer wenn sich seine Augen so weit entfernen, sehe ich das Sonnenlicht durch die Bäume flimmern. Fragmente der unterdrückten Emotionen und Sehnsüchte, die wir nicht in Worte fassen können, kreuzen einander für einen Augenblick im flackernden Licht, wie Schatten.« S. 86

Eine Geschichte jeglicher Kulisse beraubt, die sowohl den Leser aus auch die Protagonisten vom Eigentlichen ablenken würde. Eine Frau, ein Mann, eine leere Wohnung, das Ende einer Beziehung, von der nichts übrigblieb. Wirklich nichts?
Hiro und Aki haben sich aneinander aufgerieben, jetzt bezichtigen sie sich sogar gegenseitig, für den Tod ihres Bergführers vor einem Jahr verantwortlich zu sein. Jeder für sich glaubt, die Nacht nicht zu überleben.
Die beklemmende Atmosphäre, ausgelöst durch das gegenseitige Belauern, wird durch die Erzählstruktur immer mehr verdichtet. Onda hat sich für die Ich-Perspektive der beiden entschieden, die sich Kapitel für Kapitel abwechselt. Als Leser möchte man nicht verpassen, die richtigen Gedanken zu erfahren, um den Mörder zu entlarven. Man ist hin und her gerissen, deckt schon bald die eine oder andere Lüge auf, Widersprüche werden sichtbar. Jeder scheint sich seine Worte genaustens zu überlegen. Das Geheimnis aber ist die Beziehung der beiden, darin liegt auch die Auflösung des Buchs. Schon früh im Buch beschert uns Onda eine entscheidende Wendung, kurz darauf eine neue Entdeckung, die vieles in ein anderes Licht rückt. Hier entwickelt sich ein sogartiger Thrill.

Eine Charakterisierung der Figuren erfolgt ausschließlich über die Gedanken der beiden, die zum Teil widersprüchlich sind, manchmal voller Zuneigung, dann wieder von Eifersucht und Misstrauen geprägt. Die nicht ausgesprochenen Sehnsüchte und Einsichten wandeln sich je nach »Lichteinfall der diffusen Sonnenstrahlen«. Zufällige Gesten oder Geräusche lösen verdrängte Erinnerungen an das Ereignis vor einem Jahr aus, die sich wie ein Puzzle nach und nach zu einem Gesamtbild zusammensetzen. Am Ende hat man ein Gefühl dafür, warum diese Beziehung gescheitert ist. Der innere Kampf, loszulassen, sich etwas Neuem zuzuwenden – oder vielleicht doch nicht? Das Wissen um den schmerzhaften Verlust, den Mut, eine unbewältigte Vergangenheit aufzuarbeiten, die für alle Beteiligten Überraschungen bereithält. Kann es die eine Wahrheit geben, wo doch die Wahrnehmungen unterschiedlich und individuell sind?
Nicht für alles wird uns Onda einen Beweis erbringen, einiges bleibt an Vermutungen zurück, die sich jeder selbst durchdenken kann.
Ich mochte Ondas Schreibstil, der ruhig und entschleunigend war. Ebenso die Gedankenspiele von Hiro und Aki, die reduzierte Kulisse, im Gegensatz zu den Rückblicken vor einem Jahr, die detailliert und bildhaft geschrieben waren.
Eine Empfehlung für alle, denen lose Enden liegen und die gern in fremden und eigenen Gedankenwelten versinken.

»Drei Menschen blicken vom Grund des Wassers hinauf zum Licht der Oberfläche. Ihre Augen sind von unschuldiger Sehnsucht erfüllt. Sie blicken schweigend auf die ferne Wasseroberfläche, die sie nie berühren, und auf das Licht, das sie nie erreichen können. Ihre Zukunft, die nie eintreffen wird.« S.231

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Veröffentlicht am 12.03.2023

Nesbo in Höchstform

Blutmond (Ein Harry-Hole-Krimi 13)
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Während Harry in LA sein Leben mit Whiskey runterspült, werden in Oslo die Leichen zweier Frauen gefunden. Die Polizei hat keinerlei Spuren und Katrine Bratt weiß, dass nur Harry Hole den Fall lösen kann. ...

Während Harry in LA sein Leben mit Whiskey runterspült, werden in Oslo die Leichen zweier Frauen gefunden. Die Polizei hat keinerlei Spuren und Katrine Bratt weiß, dass nur Harry Hole den Fall lösen kann. Doch ihre Vorgesetzten wollen davon nichts wissen. Schließlich ist er wegen einiger Verfehlungen aus dem Polizeidienst ausgeschieden, worüber die meisten froh sind.
Der Immobilienmakler Røed, der die jungen Frauen kannte, steht unter dringendem Tatverdacht. Die Gerüchteküche brodelt, Deals platzen aus Angst, er könne etwas mit dem Tod der Frauen zu tun haben. Was er jetzt braucht, ist ein genialer Privatermittler, der seine Weste wieder weiß wäscht. Er heuert Hole für ein Vermögen an, der das Geld gut brauchen kann. Schließlich muss er einer Freundin helfen und seinen eigenen Kopf aus der Schlinge ziehen. Dafür hat er aber nur wenige Tage Zeit – bis der Blutmond über Oslo aufzieht.

Als ich vor vielen Jahren den ersten Harry-Hole-Band gelesen habe, dachte ich, was für ein abgewrackter Ermittler – unkonventionell, stachlig, ein Außenseiter mit brillanten Verstand. Doch er ist mir schnell ans Herz gewachsen. Inzwischen ist es, als würde ich einen alten Freund wiedertreffen, einer, bei dem man nie weiß, wann er wieder abstürzt und welches grausame Schicksal ihn diesmal ereilt. Nesbø versteht es, seine Figuren so tief und authentisch zu zeichnen, wie kein zweiter. Die gute Nachricht für alle, die die Reihe noch nicht kennen, man kann Blutmond auch ohne Vorkenntnisse lesen, da Nesbø es geschickt versteht, Vergangenes in die aktuelle Handlung einzuflechten. Um aber die ganze Tiefe der Entwicklung Holes zu verstehen, kann ich nur jedem empfehlen, die Reihe von Beginn an zu lesen. Nur so kann man die Sympathie zu dem genialsten Säufer und Ermittler Norwegens aufbauen.

Mein letztes Rendezvous mit Harry ist 3 Jahre her und ich war gespannt, wie er mit dem letzten Schicksalsschlag fertig wurde, denn seitdem führt er ein Leben am Abgrund. Wir begegnen auch hier wieder vielen alten Weggefährten und Widersachern Holes. Die ihn lieben, wissen, dass seine Nähe nicht guttut. Die anderen fürchte ihn. Ich möchte hier gar nicht viel sagen, denn die Gefahr besteht, dass ich spoilern könnte.
Für mich war es ein Nesbø in Höchstform. 540 Seiten, auf denen es mir nicht ein Mal langweilig wurde. Typisch für die Reihe – wir erfahren sehr früh, wer der Täter ist, ohne dessen Identität zu kennen. Die Spannung verdichtet sich zunehmend, weil man wissen will, wie und wann Hole hinter das kommt, was wir Leser schon wissen – und diesmal hat es Nesbø uns echt nicht leicht gemacht. Eine derart komplexe Story, die, ohne zu verwirren, bis kurz vor Ende undurchsichtig bleibt. Keine Chance, auch nur ansatzweise hinter die Lösung zu kommen. Außerdem haben wir es hier mit einer Mordmethode zu tun, die ich grandios finde und so noch nie gelesen habe. Und alles, was es dazu als Hintergrundinformationen braucht, wird hier fast spielerisch in die Geschichte eingebunden. Etwas, das ich schon oft an anderen Autoren kritisiert habe. Chapeau Herr Nesbø. Reden wir gar nicht über die geschickt platzierten 180-Grad-Wendungen, die mich alle hinters Licht geführt haben. Und wenn man am Ende endlich aufatmen will, haut er uns noch einen Cliffhanger vor die Füße, der sich gewaschen hat.
Wer eine Reihe mit Tiefgang sucht, ist hier absolut richtig. Nesbø nicht zu kennen, ist fast schon eine Bildungslücke für Thrillerleser. Und mit Blutmond habe ich mein Jahreshighlight definitiv gefunden.

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Veröffentlicht am 12.03.2023

Ein traugig schönes Debüt

Der Inselmann
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»Es ist so kalt, dass selbst der Wind fror.« S. 7

Ich mag es, wenn erste Sätze ein Versprechen abgeben, das sie bis zur letzten Seite einhalten, sich übertreffen, sich hinterfragen, mich einhüllen, mich ...

»Es ist so kalt, dass selbst der Wind fror.« S. 7

Ich mag es, wenn erste Sätze ein Versprechen abgeben, das sie bis zur letzten Seite einhalten, sich übertreffen, sich hinterfragen, mich einhüllen, mich leiten, mich entschleunigen und berühren.

Hans ist ein stiller Junge, frierend und geduldig harrt er am Ufer aus, wartet mit seinen Eltern auf den Kahn, der sie auf eine einsame Insel bringen soll. Mit ihren wenigen Habseligkeiten wollen sie weg aus der Stadt. Eine Art Flucht vor dem Leben, den Menschen und der Wirklichkeit, eine Flucht nach innen. Und Hans weiß, dass nun alles besser wird. Das neue Leben ist hart und entbehrungsreich, doch Hans ist glücklich. Er fühlt sich als König der Insel, über die er oft stundenlang streift. Zapfen, Scherben und Blätter sind seine Schätze. Hier kann er sein, der er ist.
Doch das unbekümmerte Leben endet, als die Schulbehörde ihn von der Insel holen lässt. Kurz darauf landet er auf der »Burg«, einem Heim für schwererziehbare Kinder.

Von seinem Direktor heißt es:
»Er sprach mit hoher, rauer Stimme, es klang wie ein Draht, der gegen einen Balken schnarrt. Seine Augen waren ausgeschnitten aus einer Zeitung voller schlechter Nachrichten.« S. 111

Was ihn durchhalten lässt, ist sein Wunsch, auf seine Insel zurückkehren zu können. Doch seine Odyssee hat gerade erst begonnen.

Was für ein Buch!
Reduziert auf das Wesentliche und doch emotional so tiefgehend und aufwühlend. Hans’ Geschichte ist von Beginn an drückend, sagt er doch, dass er seine Eltern mehr liebe als sie ihn. Als Leser möchte man ihn in den Arm nehmen, wenn seine Mitschüler ihn mobben, seine Eltern in Sprachlosigkeit versinken.

Hans zeigt immer wieder Stärke, Empathie und trotzt schon fast dem Leben, das es nicht immer gut mit ihm meint. Aber nicht nur Hans’ Schicksal hat mich berührt, sondern auch Gieselmanns Worte – poetisch, bildhaft, leise, zärtlich und voller Melancholie, bisweilen philosophisch. Immer wieder habe ich Pausen eingelegt, um einen Satz oder einen Abschnitt ein zweites Mal zu lesen, oder ein drittes, ein viertes Mal. Auf der letzten Seite hatte ich das Bedürfnis, das Buch nochmals von vorn zu beginnen.

»Auch diese Geschichte breitet sich aus in konzentrischen Kreisen, im Verschwinden begriffen, in ihrer Mitte ein versunkener Stein. Ist sie traurig? Ist sie schön? Ist sie beides?« S. 23

Zeitlich wird das Buch Ende der 60er Jahre zugeordnet, örtlich aber nur »in einem entlegenen Ort Deutschlands«. Darüber lässt sich insofern spekulieren, dass das Individuum und die Freiheit des Einzelnen sich einer Gesellschaftskonformität unterzuordnen haben. Auf jeden Fall schafft die intensive Atmosphäre viel Raum für eigene Gedanken. Mit seinem Debüt hat Gieselmann einen literarischen Fußabdruck hinterlassen.

Am Ende blieb ein Moment der Stille, der Nachdenklichkeit. Haben wir nicht alle manchmal den Wunsch nach Einsamkeit, nach einer Flucht aus der Realität?

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Veröffentlicht am 12.03.2023

Thriller -Kriegepos - Liebesgeschichte

Fünf Winter
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Wäre Joe McGrady an dem Tag Ende November 1941 nicht ans Telefon gegangen, wäre sicher alles ganz anders gekommen. Diese Überlegung wird McGrady noch viele Jahre durch den Kopf gehen.
Als Detectiv beim ...

Wäre Joe McGrady an dem Tag Ende November 1941 nicht ans Telefon gegangen, wäre sicher alles ganz anders gekommen. Diese Überlegung wird McGrady noch viele Jahre durch den Kopf gehen.
Als Detectiv beim Honolulu PD muss bei seinem ersten Mordfall den Tod zweier junger Menschen aufklären. McGrady ist ein Militärveteran, kein Einheimischer und somit der Außenseiter im Department und muss sich seine Anerkennung erst verdienen. Doch der Fall wird zum Politikum, da es sich bei dem Toten um den Neffen des Oberbefehlshabers der Pazifikflotte Kimmel handelt. Wer jedoch die tote Japanerin ist, die ebenfalls schwer misshandelt wurde, weiß niemand.
Schnell ist man einem gewissen John Smith auf der Spur, der auf seiner Flucht nach Hongkong weiter Leichen zurücklässt. Der Fall soll eingestellt werden, doch Kimmel macht Druck, sodass McGrady Smith nach reist. McGrady hofft, bis Weihnachten wieder bei seiner Freundin Molly zu sein, die er aufrichtig liebt. Doch der Eingriff Japans in den 2. Weltkrieg mit dem Angriff auf Pearl Harbor macht seine Pläne zunichte. In Hongkong wird er zunächst wegen einer angeblichen Vergewaltigung verhaftet. Während er in seiner Zelle schmort, übernehmen die Japaner Hongkong. Als angeblicher Spion wird er nach Japan gebracht. Takahashi Kansei, ein Diplomat, der gegen die Kriegspolitik Japans arbeitet, verhilft ihm zur Flucht. Ihm und seiner Tochter Suchi hat er es zu verdanken, dass er überlebt und nach Honolulu zurückkehren kann. Allerdings muss er dort die Suche nach dem Mörder als Privatdetektiv fortsetzen.

Fünf Winter ist ein klassischer Roman noir mit einem prototypischen hartgesottenen Helden. McGrady ist zynisch, aber prinzipientreu und ehrgeizig genug, um einen Fall fünf Jahre lang zu verfolgen. Es ist schwer, Joe McGrady nicht zu mögen.

MacGradys Suche nach dem Mörder wird sich, wie der Titel schon sagt, über den gesamten Verlauf des Krieges hinziehen. Der Krimis entwickelt sich somit zu einem Kriegsepos.
Trotz vieler detaillierter Beschreibungen langweilt Kestrel uns nicht mit historischen Fakten, sondern stellt die einzelnen Figuren, deren Motivation zum Handeln und Schicksale in den Vordergrund verbunden mit der traumatischen Auswirkungen des Krieges. Er zeichnet kein Schwarz-Weiß-Bild, sondern zeigt, dass alle Seiten schwere Schicksalsschläge hinnehmen müssen. Auch seine Charaktere sind tiefgezeichnet und sorgen für einige Überraschungen.

Etwas skeptisch war ich, dass sich hier verschiedene Genre verbinden sollten – ein Thriller, Kriegsporträt und Liebesgeschichte. Im Nachhinein muss ich sagen, dass ihm das meisterlich gelungen ist, ein komplexes, niveauvolles Hard-boiled-Epos zu kreieren, dem selbst Stephen King und Dennis Lehan Respekt zollen.
Die eingewobene melancholische, bittersüße Lovestory, die wir bis zum Ende verfolgen, gleitet nie ins Kitschige ab.

Es ist eine Geschichte von Mut und Einsamkeit, von Liebe und den dramatischen Auswirkungen eines Krieges. »Five Decembers« wurde 2022 mit dem Edgar Award für den besten Krimi des Jahres ausgezeichnet.

Einen kleinen Kritikpunkt habe ich allerdings. Die Übersetzung hält sich in manchen Teilen sehr an den englischen Satzaufbau, was das Leseerlebnis etwas störte. Das ist aber sicher mein persönliches Empfinden.

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