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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.03.2023

subtile Spannung

The Shards
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Bret Easton Ellis neuer Roman ist ein Spiel mit Fiktion und autobiografischen Elementen. Etwas, was der Autor wirklich gut beherrscht. Strassen und Orte werden genannt, auch viele Filme und Musik der Jahre ...

Bret Easton Ellis neuer Roman ist ein Spiel mit Fiktion und autobiografischen Elementen. Etwas, was der Autor wirklich gut beherrscht. Strassen und Orte werden genannt, auch viele Filme und Musik der Jahre 1980/1981. Ein wahres Namedropping, aber Bret Easton Ellis weiß dass geschickt einzusetzen. Außerdem entwickelt der Text ein große Dynamik, obwohl eigentlich nicht viel passiert.
Der 17jährige Protagonist, der Bret Ellis heißt und davon träumt, Schriftsteller zu werden erlebt die Jahre zusammen mit seinen Freunden auch als Suche nach sexueller Orientierung.
Ein verschärfendes Element der Handlung ist, dass ein Serienmörder sein Unwesen treibt.
Gleichzeitig ist Bret von einem neuen Schüler fasziniert, wie er ihn auch fürchtet.
Aus dieser Konstellation ergibt sich eine subtile Spannung.
Ein Buch voller dichter, düsterer Atmosphäre.

Veröffentlicht am 18.03.2023

Juliette und David

Es war einmal in Brooklyn
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Syd Atlas erweckt in ihrem Roman „Es war einmal in Brooklyn“ die späten siebziger Jahre zum Leben. Ich bin alt genug, dass ich mich an die Stimmung der Zeit erinnere, aber Syd Atlas Buch ist natürlich ...

Syd Atlas erweckt in ihrem Roman „Es war einmal in Brooklyn“ die späten siebziger Jahre zum Leben. Ich bin alt genug, dass ich mich an die Stimmung der Zeit erinnere, aber Syd Atlas Buch ist natürlich sehr amerikanisch.
Es ist auch die Zeit der Bedrohung durch Serienmörder. 1977 begeht der Son of Sam seine Morde.
Das Buch ist aber kein Thriller sondern ein realistisches Gesellschafts- und Zeitporträt.
Es geht um zwei Jugendliche, die befreundet sind. Juliette Darling und David kennen sich schon seit ihren frühen Kindheit. Sie verbindet viel.
Dann erkrankt David schwer an Leukämie. Juliette hingegen verliebt sich in einen anderen Jungen, Rico. Auch Ricos Perspektive wird einbezogen, wie auch die von anderen Figuren. Das macht die Autorin geschickt. Überhaupt hat sie einen guten, detaillierten Stil.

Als Leser ist man dicht an den Figuren dran. Manche Passagen wirken wie ein Jugendbuch, es gibt aber auch das Gefühl des Familienromans.

Veröffentlicht am 24.02.2023

Zustandsbeschreibung

Siegfried
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Antonia Baum vermochte schon durch ihre Bücher Stillleben und Eminem zu beeindrucken, vor allen durch Präzession, Genauigkeit und der Fähigkeit Innenleben und Gemütszustände ihrer Protagonistinnen zu zeigen.
Das ...

Antonia Baum vermochte schon durch ihre Bücher Stillleben und Eminem zu beeindrucken, vor allen durch Präzession, Genauigkeit und der Fähigkeit Innenleben und Gemütszustände ihrer Protagonistinnen zu zeigen.
Das alles trifft auch auf ihren Roman Siegfried zu, der auch eine Art Familienroman ist. Jedoch ist es eine problematische Familiensituation.

Die Erzählerin ist Schriftstellerin, junge Mutter und schon lange mit Alex zusammen. Jetzt haben sie aber eine Beziehungskrise.
Siegfried war ihr Stiefvater, dem sie sich immer sehr nahe fühlte. Intensiv und ausführlich wird aber auch ihre schwierige Beziehung zu Hilde, Siegfried Mutter, gezeigt. Hilde war ziemlich exzentrisch.

Der Weg führte die Erzählerin in die Psychiatrie, denn sie fühlt sich überlastet, wobei auch das Vorgefallene in ihrer Kindheit eine große Rolle spielt. Der psychologische Unterbau der Handlung ist zwingend.

Antonia Baum hat ihren Roman geschickt gestaltet. Nicht alles ist auf den ersten Blick gleich verständlich, aber als Leser fühlt man mit. Durchaus eine große Qualität von Literatur!

Veröffentlicht am 19.02.2023

Hans, der Starke

Der Inselmann
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Der Inselmann von Dirk Gieselmann ist ein Leseerlebnis.

Ein Mann und eine Frau sowie ihr 10jähriger Sohn Hans ziehen auf eine abgelegen Insel.
Dieses Buch ist sprachlich stark und ausdrucksvoll. Für mich ...

Der Inselmann von Dirk Gieselmann ist ein Leseerlebnis.

Ein Mann und eine Frau sowie ihr 10jähriger Sohn Hans ziehen auf eine abgelegen Insel.
Dieses Buch ist sprachlich stark und ausdrucksvoll. Für mich ist es eine Überraschung, dass jemand heute noch über so eine Sprache verfügt, die wie eine imposante, kraftvolle Mischung aus Siegfried Lenz und Christoph Ransmayr wirkt.

Beispiel: Die Insel ist der Gipfel eines Bergs, der aus dem Wasser ragt, geformt von einem Gletscher im Winter der Welt.

Mich hatte der Autor schon dadurch, dass er seinem Roman ein Zitat von Tomas Tranströmer voranstellte.
Dirk Gieselmann verzichtet auf einen journalistischen Stil und setzt dafür auf Naturbeschreibungen. Die Umgebung und die Kälte sind übermächtig.
Getragen wird der Roman durch die Eindrücke, die auf den Jungen einwirken. Er ist von der Insel fasziniert. Der Blick eines 10jährigen wird hier glaubhaft wie selten gezeigt.
Doch dann wird er für Jahre von der Insel in ein Internat verfrachtet.

Ort und Zeit werden nicht direkt benannt, aber vermutlich sind es die sechziger Jahre. Das kann man aus Sprache und dem Verhalten der Figuren schließen.

Mit 176 Seiten ist der Roman nicht umfangreich, aber er ist doch prall gefüllt mit sinnlichen, eindrucksvollen Beschreibungen.
Ich denke, dass Buch ist nicht für jeden das Richtige, aber es gibt eine relevante Leserschaft, die ausgehungert nach so einer wuchtigen, melancholischen Sprache ist.

Veröffentlicht am 03.10.2022

ein reichhaltiger, epischer Roman

Lektionen
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Der neue Roman des Superstars der britischen Literatur ist umfangreich und zeichnet das Leben eines Engländers nach, der 1948 geboren wurde, in Libyen aufwuchs, dann in ein englisches Internat kommt. Dort ...

Der neue Roman des Superstars der britischen Literatur ist umfangreich und zeichnet das Leben eines Engländers nach, der 1948 geboren wurde, in Libyen aufwuchs, dann in ein englisches Internat kommt. Dort hat er als 13jähriger eine unerlaubte, verstörende Beziehung zu seiner Klavierlehrerin und später, 1987, wird er alleinerziehender Vater, nachdem seine Frau ihn verlassen hat.
Die einzelnen Lebensepisoden von Roland Baines sind so geschildert, dass man als alles nachvollziehen kann. Es bleibt aber überwiegend undramatisch.
Zweifellos hat dieses geschilderte Leben auch viel mit dem Autor selbst zu tun, denn einige Eckdaten decken sich. Dadurch wird es natürlich nicht autobiographisch, denn Roland wird kein erfolgreicher Schriftsteller. Seine Ex-Frau Alissa hingegen schon.

Immer wieder werden bestimmte Aspekte der Zeitgeschichte ins Spiel gebracht: Kubakrise, die weiße Rose, Tschernobyl etc.
So wird es auch ein Buch über die letzten Hundert Jahre Europas.

Da das Buch lang ist, nimmt sich Ian McEwan die Zeit manche Nebengeschichten ausführlich zu erzählen. Zum Beispiel die über seine deutsche Schwiegermutter oder manchmal auch nur Rolands Lektüre des Buches Jugend von Joseph Conrad, dessen Plot man dadurch komplett erfährt.
Manche dieser Abschnitte konnten mich sehr interessieren, andere aber auch nicht. Ein Stück weit ist der Roman verplaudert, aber dieses Lesegefühl gibt sich mit der Zeit und man bleibt doch durch all die Jahre gespannt an der Seite von Roland.