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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.03.2023

Eine Hommage an eine starke Frau

Die rebellische Pianistin. Das Leben von Johanna Kinkel
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Johanna Kinkel zählt, wie so viele hochbegabte Künstlerinnen des 19. Jahrhunderts zu den fast Vergessenen. Die jungen, bürgerlichen Mädchen werden zwar gefördert, wenn es ums gefällige Musizieren und Malen ...

Johanna Kinkel zählt, wie so viele hochbegabte Künstlerinnen des 19. Jahrhunderts zu den fast Vergessenen. Die jungen, bürgerlichen Mädchen werden zwar gefördert, wenn es ums gefällige Musizieren und Malen von (Blumen)Bildern geht. Diese Begabungen dienen aber nur dazu, einen gut situierten Ehemann zu finden und ihn als „Zierde des Hausstandes“ zur Seite zu stehen.

Verena Maatman, deren Romanbiografie „Signorina Vivaldi“ ich schon mit Begeisterung gelesen habe, entreißt mit diesem Buch Johanna Kinkel dem Vergessen.

Wer ist sie nun, die Johanna?

Johanna Kinkel (1810-1858) wird als einziges Kind des Gymnasiallehrers Peter Mockel und seiner Frau Anna Maria in Bonn geboren. Die Begabung des Mädchens wird recht schnell sichtbar, die Sturheit auch: Johanna will Komponistin werden, ihr eigenes Geld verdienen und denkt gar nicht daran, zu heiraten.
Doch manchmal kommt es anders als man denkt und die fortschrittliche Frau heiratet Johann Paul Mathieux. Nach wenigen Monaten kehrt Johanna in ihr Elternhaus zurück und will die Scheidung von ihrem tyrannischen Mann. Die lässt natürlich auf sich warten und erst nach zähem Ringen ist sie ihn endlich los.

Mit ihrem zweiten Mann Gottfried Kinkel trifft sie es besser, hat vier Kinder mit ihm und muss ihn dann mit den revolutionären Gedanken, die 1848 zu seiner Verhaftung führen, teilen.

Meine Meinung:

Verena Maatman gelingt es vorzüglich, das Umfeld in dem Johanna aufwächst und später lebt, darzustellen. Es ist die Zeit nach den Napoleonischen Kriegen, die Zeit der Zensur, die Zeit in denen die Herrscher ihre Untertanen knechten, um ihre angekratzten Herrschaftsansprüche durchzusetzen - kurz, wir befinden und im Biedermeier und Vormärz. Die Menschen ziehen sich in ihre Wohnungen zurück und frönen der Musik und der Literatur. Aus so manchem literarischen Zirkel wird ein politischer.

Die Frauen haben nichts zu sagen, sind meistens hübscher Aufputz der Männer. Da fallen Frauen wie Bettina von Arnim, Rebecka Mendelsohn-Bartholdy, Fanny Hensel oder eben Johanna Kinkel auf. Johanna lernt diese Künstlerinnen in ihren Berliner Jahren kennen. Im Gegensatz von Fanny Hensel, deren Bruder Felix Mendelsohn-Bartholdy, ihre Werke nicht veröffentlicht sehen will, gelingt es Johanna, zahlreiche Musikstücke zu veröffentlichen. Einige davon werden später beinahe zu Revolutionsliedern.

Dass Frauen, die sich nicht der gängigen Lebensweise anpassen, ein schweres Leben haben, muss Johanna am eigenen Leib erfahren.

Autorin Verena Straatman zeichnet ein großartiges Bild dieser starken Frau, die sich aller Widerstände zum Trotz nicht unterkriegen lässt und Pläne schmiedet, ihren Mann Gottfried aus dem Gefängnis zu befreien.

Wenn ich den Diskussionen der Wiener Philharmoniker verfolge, die nach wie vor ein Dirigat einer Frau ablehnen, muss ich feststellen, dass sich im Musikbusiness seit 200 Jahren wenig verändert hat.

Fazit:

Dieser penibel recherchierten und grandios erzählten Romanbiografie muss ich 5 Sterne und eine unbedingte Leseempfehlung geben.

Veröffentlicht am 17.03.2023

Stellenweise kaum zu ertragen

Morgen und für immer
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Gleich vorweg: Diese Geschichte über Verrat, Familie und Flucht, die auf der Lebensgeschichte des Kajan Dervishi beruht, ist mein bisheriges Lesehighlight im Jahr 2023, auch wenn das Buch aufgrund der ...

Gleich vorweg: Diese Geschichte über Verrat, Familie und Flucht, die auf der Lebensgeschichte des Kajan Dervishi beruht, ist mein bisheriges Lesehighlight im Jahr 2023, auch wenn das Buch aufgrund der Grausamkeiten, die ein Staat seinen Bürgern aufbürdet, kaum zu ertragen ist.

Die Geschichte beginnt zur Zeit des Zweiten Weltkriegs in Albanien. Der Junge Kajan lebt mit seinem Großvater in einer bescheidenen Hütte, weil sich die Eltern dem Partisanenkampf gegen die Besatzer aus Nazi-Deutschland angeschlossen haben. Dort erscheint eines Tages Cornelius, ein desertierter Wehrmachtssoldat. Der Großvater versteckt ihn unter hohem Risiko. Kajan lernt von dem Deutschen das Klavierspielen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, die Eltern sind zurückgekehrt und haben aufgrund ihrer Verdienste zahlreiche Privilegien, wird Kajan zu einem gefeierten Pianisten. In Elizabeta findet er eine Seelenverwandte und seine große Liebe, die allerdings von seiner Mutter, einer 100% Anhängerin des Kommunismus, hintertrieben wird.

1962 reist er mit der Sondererlaubnis von Albaniens Diktator Enver Hoxha, nach Ostberlin. Von da an, gerät sein Leben völlig aus dem Ruder.

Meine Meinung:

Albanien ist den meisten von uns als Land der Bunker, der höchsten Anzahl von (gestohlenen) Mercedes-Limousinen pro Kopf, Mutter Teresa oder vielleicht noch durch die „Eingeschworenen Jungfrauen“ ein Begriff. Über die Geschichte des Landes wissen nur wenige Interessierte Bescheid. Mit diesem Buch, können einige Wissenslücken gefüllt werden. Besonders das Spitzelwesen, das der paranoide Diktator Enver Hoxha zur höchsten Perfektion gebracht und auch innerhalb der eigenen Familie gewütet hat, kommt hier deutlich zur Sprache.

Ermal Meta beschreibt in eindringlichen Worten, welchem Druck, welchem Horror die Menschen in Albanien ausgeliefert waren. Erst mit dem Ende des Kommunismus 1991 verschwindet die Geheimpolizei, die ähnlich wie Nicolae Ceaușescus „Securitate“ in Rumänien, die Menschen Albanien in Geiselhaft nimmt.

Der Schreibstil ist authentisch, beklemmend und manchmal ist es kaum zu ertragen, welchen Repressalien der erwachsene Kajan ausgesetzt worden ist. Vor allem, als der Leser letztlich erfährt, wer ihm das alles angetan hat.

Für Zartbesaitete ist das Buch wohl nichts, denn es zeigt, welche unfassbaren Gräuel ein Staat an seinen Bürgern verübt.

Fazit:

Diesem großartigen Roman, der unter die Haut geht, gebe ich 5 Sterne (mehr stehen ja leider nicht zur Verfügung) und eine absolute Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 13.03.2023

Fesselnd bis zur letzten Seite

Lemmings Blues
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Stefan Slupetzky ist für seine pointierten Geschichten bekannt. Mit diesem Krimi „Lemmings Blues“, dem 6. aus der Reihe rund um Leopold „Lemming“ Wallisch, spricht er zahlreichen Lesern aus der Seele. ...

Stefan Slupetzky ist für seine pointierten Geschichten bekannt. Mit diesem Krimi „Lemmings Blues“, dem 6. aus der Reihe rund um Leopold „Lemming“ Wallisch, spricht er zahlreichen Lesern aus der Seele. Denn wie vielen von uns, hängen auch ihm die Weltuntergangs- und Verschwörungstheorien längst zum Hals heraus.

Frau und Kind sind verreist, Polivka,sein Partner in der Detektei, auch und so sieht er sich alleine einem neuen Fall gegenüber: Herkules, genannt „Kuli“ ist sein neuester Klient. Das Ungewöhnliche daran ist, Kuli ist ein Mops, der seiner Überbringerin zufolge, in akuter Lebensgefahr schwebt und beschützt werden muss. Der Lemming staunt nicht schlecht, als der Mops mit ihm kommunizieren kann. Die Gefahr droht augenscheinlich von einem Motorrad fahrenden Hundefänger, der es auf den Mops abgesehen hat und auch vor Kollateralschäden nicht zurückschreckt.

Doch wer steckt dahinter? Und warum ist Wien plötzlich voller Menschen, die eine Schweißerbrille mit hellblauen Gläsern tragen? Sollte eine Schweißerbrille zum Schutz der Augen nicht ganz dunkle Scheiben haben?

Als der Lemming erfährt, warum die Schweißerbrillenträger (und Trägerinnen) hinter Herkules her sind, ist es beinahe zu spät. Jetzt kommt es auf jede Sekunde an und Lemming kann auf den unverhofft zurückgekehrten Polivka zählen.

Meine Meinung:

Die Corona-Pandemie hat uns allen einiges abverlangt. Nicht nur die Krankheit selbst, sondern die schier unüberschaubare Anzahl von Verschwörungstheorien. Ob Aluhut oder Schweißerbrille, da ist wenig Unterschied.

Warum sich so viele Menschen der Realität verweigern kann auch Slupetzky mit seinem Lemming nicht beantworten. Für den Lemming ist eine rote Ampel einfache ein Mittel, um Verkehrsströme, in geregelte Bahnen zu lenken und die Daten,die sich in den Mikrochips von Hund und Katz‘ stecken, dienen lediglich dazu, ein eventuell verloren gegangenes Haustier dem Besitzer zurückzubringen.

Slupetzky verpackt das ernste Thema, wie leicht die Menschen manipulierbar sind und abstrusen Verschwörungstheorien anheim fallen, in eine fesselnde Geschichte, in der psychedelische Trips infolge eines ungewöhnlichen Kautabaks für slapstickartige Szenen sorgen. Doch diese komischen Situationen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die im wahrsten Sinne des Wortes, Ge- bzw. Verblendeten vor Waffengewalt nicht zurückschrecken, um ihre Ziele zu erreichen.

Der Schreibstil ist wie immer grandios und die vielen Wortspielereien, die für Stefan Slupetzky üblich sind, lassen mich immer wieder schmunzeln. Ein Beispiel gefällig?

„Ob ein Buchhalter auf seinem Sofa Stornos buchte oder Pornos suchte, war für seinen Chef schwer festzustellen, wenn er sich nicht von kompetenten Schnüfflern dabei helfen ließ.“

Fazit:

Ein rasanter Wien-Krimi, der durch seine wohlgesetzten Worte besticht. Dafür erhält er 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 07.03.2023

Eine Hommage an eine starke Frau

Wie man ein Schmetterling wird
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Dieses Buch ist die Hommage an Reyhaneh Jabbari, die, als sie sich mit einem Messer gegen eine Vergewaltigung wehrt, und ihren Angreifer niedersticht, in ein Netz von Intrigen gerät, das sie mit ihrem ...

Dieses Buch ist die Hommage an Reyhaneh Jabbari, die, als sie sich mit einem Messer gegen eine Vergewaltigung wehrt, und ihren Angreifer niedersticht, in ein Netz von Intrigen gerät, das sie mit ihrem Leben bezahlt.

Sieben Jahre sitzt sie in verschiedenen Gefängnissen ein, kämpft für Frauenrechte und setzt sich im Gefängnis für ihre Leidensgenossinnen ein.

Die junge Frau hat von Beginn an keine Chance, denn im frauenverachtenden Regime des Irans sind IMMER die Frauen schuld.

»Was sollen die Frauen tun? Wenn sie sich vergewaltigen lassen, sind sie schuldig. Wenn sie sich wehren und selbst verteidigen, sind sie schuldig. Wenn sie dagegen demonstrieren, sind sie schuldig. Also sollten die Mädchen sterben? Solange ich am Leben bin, auch wenn mein Handeln so lächerlich aussehen mag wie ein Brunnen, der versucht, den Himmel zu erreichen, werde ich nicht aufhören, gegen diese Ungerechtigkeit zu kämpfen.« (Reyhaneh Jabbari)

Meine Meinung:

Der Fall der jungen Iranerin ging um die Welt. Reyhaneh Jabbaris Mutter Shle Pakravan ist Schauspielerin und kämpft mit allen Mitteln um das Leben ihrer Tochter - vergeblich, denn das (Un)Recht ist aufseiten der Männer und der »Familienehre« (des Vergewaltigers nämlich), die Reyhaneh eben da war und dem »armen Mann« nicht zu Willen war.

Das Buch ist die Vorlage zu dem Film »Sieben Winter in Teheran“, der 2023 mit dem Friedensfilmpreis ausgezeichnet worden ist.

Wenn heute die Straßen im Iran voll mit Frauen im Iran sind, die »Für Frauen, Leben, Freiheit!« ihre Leben riskieren, so hat Reyhaneh Jabbari ihren großen Anteil daran. Im Angesicht des Todes wächst die junge Frau über sich hinaus.

Das Buch ist stellenweise kaum zu ertragen, wenn zu lesen ist, mit welchen perfiden Mitteln die junge Frau als Schuldige hingestellt wird. Wie man sie selbst und die Eltern mit falschen Versprechungen lockt, nur um dann in aller Heimlichkeit das Urteil zu vollstrecken, obwohl das gegen die gültigen Gesetze verstößt. Nicht einmal die rituellen Handlungen anlässlich des Begräbnisses werden Reyhaneh Jabbari zugestanden. Am liebsten hätte man ihren Leichnam wohl an Schweine verfüttert.

Fazit:

Dieser Hommage an eine mutige junge Frau, für die der Tod nicht das Ende des Lebens war, gebe ich gerne 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 05.03.2023

Models, Mord und Hochzeitsstress

Letzter Tropfen
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Familie Gasperlmaier ist im Hochzeitsfieber, wollen doch Stefanie und Katharian sich das Ja-Wort geben. Doch statt seiner Frau Christine zur Hand gehen zu können, muss sich Gasperlmaier mit dem toten Fotografen ...

Familie Gasperlmaier ist im Hochzeitsfieber, wollen doch Stefanie und Katharian sich das Ja-Wort geben. Doch statt seiner Frau Christine zur Hand gehen zu können, muss sich Gasperlmaier mit dem toten Fotografen einer Castingshow herumplagen. Als sich dann herausstellt, dass der Mann ermordet worden ist, ist Frau Leutnant Doktor Kohlross wieder mit an Bord. Es gibt jede Menge Verdächtige, denn der Tote war nicht nur ein Alkoholiker und Spieler, sondern auch ein Sammler von Geheimnissen aus der Vergangenheit verschiedener Personen.

Bei der Befragung der Teilnehmerinnen an dem TOMOTY stellt sich heraus, dass eine den Bewerb verlassen hat und seit Längerem nicht mehr gesehen worden ist. Und Suzy McDonald, die Veranstalterin, ist auch alles andere als behilflich.

Und dann scheint auch noch das Solarboot, auf dem die Trauung stattfinden soll, von der McDonald für ihre Zwecke gebraucht werden. Gasperlmaier, sonst die Ruhe in Person, erklärt dem Bootsführer mit Unterstützung zweier Juristen und der Braut, wo der Bartl den Most herholt.

Ob die Hochzeit wie geplant stattfinden wird und das Verbrechen aufgeklärt werden kann, lest bitte selbst.

Meine Meinung:

In seinen nunmehr zehnten Fall gefällt mir Gaspermaier recht gut. Er hat sich vom einsilbigen Dorfsheriff mit einer Vorliebe für Leberkäse zu einem guten Ermittler entwickelt. Daran hat neben seiner Christine auch die Frau Doktor Kohlross vom Bezirkspolizeikommando Liezen ihren Anteil. Sie weiß ihn zu nehmen, gibt ihm das nötige Selbstvertrauen. Überhaupt sind die Charaktere ziemlich lebensecht gestaltet. Die Frau Doktor mit ihrem Faible für schicke Kostüme und ebensolchen Pumps, die leider für den Polizeialltag nicht ganz tauglich sind, bringt mich immer wieder zum Schmunzeln.

Der heimliche Star dieses Jubiläumsbandes ist natürlich der kleine Theo, Gasperlmaiers Enkel, der beinahe dem Brautpaar die Show stiehlt.

Es scheint, dass Hochzeiten ansteckend sind, denn die Frau Doktor plant selbiges mit ihrem Lehrer, der eher aussieht wie ein Mitglied der Bergrettung. Bin schon neugierig, wie das in einem nächsten Band untergebracht wird.

Nachdem ich ja alle Gasperlmaier-Krimis kenne, habe ich seine langsame, aber stetige Entwicklung miterlebt. Möge er noch weitere zehn Jahre bis zu seiner Pension den Tätern auf der Spur sein.

Das Cover ist ein Eyecatcher und die abgerundeten Ecken sind das Markenzeichen des Haymon-Verlags.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Jubiläumsband 5 Sterne und eine Leseempfehlung. Allerdings sollten Neueinsteiger beim ersten Band beginnen, sonst brächte man sich um viele Stunden Lesevergnügen.