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Veröffentlicht am 23.03.2023

Mutter und Tochter Primavesi - zwei unangepasste Frauen

Mäda & Mäda
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Autorin Margret Greiner ist für ihre packenden Romanbiografien rund um Frauen des Fin de Siècle bekannt. Nach Emilie Flöge (2014), Charlotte Salomon (2017) oder Margaret Stonborough-Wittgenstein (2018) ...

Autorin Margret Greiner ist für ihre packenden Romanbiografien rund um Frauen des Fin de Siècle bekannt. Nach Emilie Flöge (2014), Charlotte Salomon (2017) oder Margaret Stonborough-Wittgenstein (2018) widmet sie sich nun zwei weiteren unkonventionellen Frauen: Eugenia Primavesi(1874-1962) und deren Tochter Gertrude Primavesi (1903–2000), die jeweils Mäda gerufen wurden.

Was die beiden Mädas so besonders macht? Ihre Namen sind untrennbar mit Gustav Klimt (1862-1918) und den Wiener Werkstätten verbunden. Gustav Klimt malte die beiden in den Jahren 1912 und 1913 auf Auftrag von Otto Primavesi. Mit den Wiener Werkstätten hatte Otto Primavesi weniger Glück, denn sein Einsatz dafür hat ihn de facto ruiniert.

Anhand von zahlreichen, im Anhang angegebenen Quellen, zeichnet Margret Greiner die Leben der beiden Frauen nach. Einige Fotos aus den Archiven lassen uns in die Welt der Familie Primavesi eintauchen.

Sowohl Mutter als auch Tochter sind Symbole für ein unkonventionelles Frauenleben. Allerdings jedes auf seine eigene Art. So legt Mutter Mäda ihr gesamtes Vermögen und ihre Beziehungen in den Erhalt der Wiener Werkstätten und versucht eine politische Karriere, die mit dem Ständestaat endet, so geht Tochter Mäda einen anderen Weg: Sie emigriert mit Umwegen nach Kanada und gründet dort ein Kinderheim, das nach modernsten Erkenntnissen lange Jahre auch von ihr selbst geführt wird.

Ach ja, die beiden Bilder - sie spielen natürlich in diesem Buch auch eine Rolle. Das Bild der Tochter wird, nach der Zusammenbruch von Ottos Firmenimperium, 1928 wie viele andere Vermögenswerte verkauft. Die „Kleine Primavesi“ gelangt in den Besitz von Jenny Steiner aus der Familie Pulitzer. Steiner kann nach dem Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland noch rechtzeitig das Land verlassen. Ihr Vermögen und die zahlreichen Kunstschätze wurden von den Nazis beschlagnahmt und in den 1950er restituiert. Die „Große Primavesi“ bleibt jahrelang verschollen. Erst 1987 taucht es bei einer Versteigerung auf. Es war bis dahin im Besitz von Tochter Mäda.

Meine Meinung:

Ich schätze Margret Greiners Vorliebe für unangepasste Frauen aus dem Fin de Siècle. In wohlgesetzten Worten schreibt sie ihre penibel recherchierten Romanbiografien. Dort wo Quellen, weil z.B. Briefe oder Tagebücher fehlen, wenig hergeben, werden die Lücken elegant gefüllt. Zusätzlich erfährt die interessierte Leserschaft zahlreiche Details aus der Geschichte dieser Zeit. Dieser „Geschichtsunterricht“ findet so subtil und unterschwellig statt, dass sich die Leser dessen gar nicht bewusst werden.

Was bleibt von den Primavesis?

Zahlreiche Kunstwerke bedeutender Künstler wie Gustav Klimt oder Bildhauer Anton Hanak, die heute in verschiedenen Museen der Welt hängen oder wie Hanaks Skulpturen stehen. Die Villa Primavesi in Wien sowie jene in Olomouc (Olmütz) sind erhalten geblieben und aufwändig renoviert worden.

Das Cover zeigt Ausschnitte aus den beiden Gemälden von Gustav Klimt: Das farbenfrohe der Mutter und das in Blautönen gehaltene der Tochter. Eine gut gelungene Idee, die beiden wie eine Spielkarte darzustellen. Das Buch ist gediegener Ausstattung als Hardcover im Verlag Kremayr & Scheriau erschienen.

Fazit:

Diesem Buch, das sich mit zwei faszinierenden Frauen beschäftigt, gebe ich leichten Herzens 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 23.03.2023

Wien is(s)t anders

Süßes wildes Wien
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Wien is(s)t anders - genascht wird, was in Wien wächst...


Nach „Wildes Wien: Gegessen wird, was in der Stadt wächst" erfreut uns Autorin Alexandra Maria Rath mit diesem Buch über Süßspeisen. Deren Zutaten ...

Wien is(s)t anders - genascht wird, was in Wien wächst...


Nach „Wildes Wien: Gegessen wird, was in der Stadt wächst" erfreut uns Autorin Alexandra Maria Rath mit diesem Buch über Süßspeisen. Deren Zutaten wachsen zumeist in Wien. Gut, Schokolade leider nicht - aber sie wird in auch in Wien erzeugt.

Das Konzept des Buches ist ähnlich dem Vorgänger. Prachtvolle Fotos von ebenso prachtvollen historischen Gebäuden wie die Kuffner-Sternwarte, Schönbrunn, die Hofburg und der Narrenturm, der mit seinem Spitznamen „Gugelhupf“ nicht fehlen darf, sowie einige Kleinodien wie der Türkenschanzpark dürfen hier nicht fehlen. Zu jedem dieser Orte gibt es Wissenswertes zu lesen.

Was das mit den Süßspeisen zu tun hat?

Manche der Zutaten, wie zum Beispiel die Früchte des Maulbeerbaums, finden sich nur dort (Türkenschanzpark). Das Rezept zur Maulbeer-Joghurt-Torte (S.120) ist übrigens neben den Mini-Pawlowas (S. 62) mein Favorit. Dazu hat mich der wilde Affe gebissen und ich will unbedingt einen Maulbeerbaum im Garten. Aber, keine Bange: Man kann die Maulbeeren auch durch die viel leichter erhältlichen Brombeeren ersetzen.

Die Hustenzuckerl aus Tannenwipferl (also den feinen jungen Trieben der Tanne) hat meine Oma schon hergestellt. Wir sind dazu in den Wienerwald gefahren (mit Tramway und Bus) und haben verbotenerweise die hellgrünen Triebe gepflückt, denn die standen und stehen unter Naturschutz. Naturschutz steht übrigens bei der Autorin ganz weit oben. Nimm nur soviel, wie du auch wirklich essen kannst, nimm nur das, was du wirklich kennst (manches hat einen giftigen Zwillingsbruder) und achte auch die forstrechtlichen Bestimmungen (siehe S. 14).

Wusstet ihr schon, dass Zuckerl früher nur in Apotheken verkauft werden durften?

Wien gilt als lebens- und liebenswerteste Stadt der Welt. Vor allem ihre grüne Seite lockt zahlreiche Menschen hierher. Die kulinarische Vielfalt, vor allem bei Süßem ist Grund genug für Autorin Alexandra Rath den kleinen, verborgenen Schätzen der Kulinarik nachzugehen.

Die Fotos der Stadt und der köstlichen Süßspeisen sind vom Meisterspeisenfotografen Stefan Mayer in Szene gesetzt. Da läuft einem das Wasser schon beim Betrachten im Mund zusammen.

Fazit:

Abermals ein tolles Geschenk, diesmal für alle Naschkatzen unter den Einheimischen und Gästen. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Lese- sowie Nachmach-Empfehlung.

Veröffentlicht am 19.03.2023

Fesselnd bis zur letzten Seite

Salzburger Abgründe
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Dieser Auftakt zu einer neuen Krimi-Reihe hat es in sich.

Zunächst schwenkt die Autorin, die ich schon aus ihren Sissi-Krimis kenne nach Berlin, wo ein schwarz gekleideter Mann das Café stürmt, in dem ...

Dieser Auftakt zu einer neuen Krimi-Reihe hat es in sich.

Zunächst schwenkt die Autorin, die ich schon aus ihren Sissi-Krimis kenne nach Berlin, wo ein schwarz gekleideter Mann das Café stürmt, in dem Dina Stassny, eine Ermittlerin aus Salzburg sitzt, und erschießt eine Frau. Dina wollte eigentlich noch ein paar Tage in Berlin bleiben, doch angesichts des Ereignisse kehrt sie gleich nach Salzburg zurück und muss sich gleich, gemeinsam mit Adrian Billinger einem Mord in der Mozart-Stadt widmen:

Der ärztliche Leiter einer Salzburger Kinderwunschklinik wird erschlagen in seinem parkähnlichen Garten aufgefunden und wird nicht der einzige Tote bleiben.

Welches Motiv steckt hinter den Morden?

Meine Meinung:

Jenna Theiß ist ein fesselnder Krimi gelungen, der die Leser in so manchen Abgrund blicken lässt. Gut gefällt mir, dass rechtliche Aspekte einer Samen- bzw. Eizellenspende sehr subtil erklärt werden und auf die Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland hingewiesen wird.

Geschickt werden Spuren gelegt und wieder verworfen. Die Story ist komplex und scheint ein wenig verworren zu sein. Doch langsam entwirren die Ermittler die Fäden.

Dabei entdeckt Dina Stassny, dass sie eine besondere Gabe hat, die sie bislang nicht recht einordnen konnte. Sie ist eine sogenannte Super-Recognizerin, also eine Person, die über eine herausragende Fähigkeit der Gesichts(wieder)erkennung verfügt. Diese Gabe ist in Österreich noch (?) aktenkundig, während der Berliner Kollege, der sie wegen des Anschlags betreut hat, ihr dazu gratuliert.

Die Charaktere sind gut herausgearbeitet. Natürlich darf ein missgünstiger Kollege auch nicht fehlen.

Der Krimi bleibt bis zu seinem Ende spannend und lässt sich sehr gut lesen. Ich habe mich gut unterhalten gefühlt.

Fazit:

Diesem fesselnden Auftakt zu einer neuen Krimi-Reihe aus Salzburg kann ich gerne 5 Sterne geben und hoffe auf eine baldige Fortsetzung.

Veröffentlicht am 19.03.2023

Fesselnd bis zur letzten Seite

Requiem
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Diese schier unglaubliche Geschichte ist symptomatisch für die Intrigen, die sich so oder so ähnlich in den 1930er-Jahren in Deutschland zugetragen haben.

Fritz Eberle, der 22-jährige Sohn des Bäckermeisters ...

Diese schier unglaubliche Geschichte ist symptomatisch für die Intrigen, die sich so oder so ähnlich in den 1930er-Jahren in Deutschland zugetragen haben.

Fritz Eberle, der 22-jährige Sohn des Bäckermeisters hat sich, angefeuert von der lieben Verwandtschaft, in den Kopf gesetzt, ein gefeierter Cellist zu werden, obwohl er weder Lust am Üben noch entsprechendes Talent hat. Doch die Zeiten stehen auf Sturm und man kann ungestraft Posten, die Juden innehaben, übernehmen.
Opfer des Möchte-gern-Cellisten ist der jüdische Cellist Erich Krakau, der am städtischen Symphonieorchester tätig ist. Krakau ist der letzte jüdische Musiker, denn die anderen haben die Stadt und das Land längst verlassen.

Eberle muss ausgerechnet Erich Krakau vorspielen, der Eberles Unvermögen natürlich sofort erkennt. Danach entspinnt sich eine Intrige, an der sich beinahe die ganze Stadt beteiligt. Krakau wird unter fadenscheinigen Gründen verhaftet.

Meine Meinung:

Dieser von Peter Graf entdeckte und bislang unveröffentlichte Roman von Karl Loeser ist eine besondere Lektüre, denn er enthält nicht nur eigene Erlebnisse des Autors, sondern nimmt tatsächliche Ereignisse des NS-Terrors vorweg. Das Werk ist VOR der Vernichtung der Juden geschrieben.

Der Roman erzählt nicht nur die Geschichte der Judenverfolgung, sondern auch den Aufstieg von Habenichtsen, Scharlatanen und Emporkömmlingen, die durch die Partei aufsteigen können.

Ich selbst habe noch eine Frau gekannt, die es von der Prostituierten zur Leiterin einer Wiener Jugendfürsorgeanstalt gebracht hat. Sie hat im Haus meiner Großmutter gewohnt und ich hatte als Kind immer Angst vor ihr.

Die Erzählung fesselt durch die gehobene Sprache und lässt das Kopfkino anlaufen. Der Spannungsbogen ist zu Beginn recht flach, wächst aber stetig an und bleibt letzten Endes bis zum Schluss sehr hoch.

Eindringlich schildert der Autor, wie Boshaftigkeiten im Kleinen funktionieren und letztlich zum großen Terror führen, weil jeder Angst hat.

Es ist Loesers Familie zu verdanken, dass dieser Roman, der ursprünglich „Der Fall Krakau“ nach Loesers Tod 1999 veröffentlich werden konnte. Denn der Autor hat ihn, neben anderen Werke, heimlich auf deutsch geschrieben und aus Angst in der neuen Heimat Brasilien als Jude erkannt und diffamiert zu werden, nicht veröffentlich.

Fazit:

Diesem bislang unveröffentlichten prophetischen Roman gebe ich sehr gerne 5 Sterne und eine Leseempfehlung. Der Familie Loesers muss man danken, dass das Werk das Licht der Öffentlichkeit erblicken durfte.

Veröffentlicht am 19.03.2023

Fesselnd bis zur letzten Seite

1923 – Kampf um die Republik
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Dieses Sachbuch ist eines der vielen, die zur 100. Wiederkehr der Ruhrkrise von 1923 erscheinen.

Dem renommierten Historiker Ralf Georg Reuth gelingt es ausgezeichnet, dieses „Schicksalsjahr“ der jungen ...

Dieses Sachbuch ist eines der vielen, die zur 100. Wiederkehr der Ruhrkrise von 1923 erscheinen.

Dem renommierten Historiker Ralf Georg Reuth gelingt es ausgezeichnet, dieses „Schicksalsjahr“ der jungen Republik Deutschland Revue passieren zu lassen.

Nach einem ausführlichen Vorwort spannt Reuth in neun Kapiteln gekonnt den Bogen über die schwierige Lage.

1. Jänner und Februar
2. März und April
3. Mai und Juni
4. Juni, Juli und August
5. August und September
6. September und Oktober
7. Oktober
8. Oktober und November
9. November und Dezember

Den Abschluss bildet die Vorschau auf die Jahre 1924 bis 1926.

Dabei zeigt er die Spannungen und Grabenkämpfe der beteiligten politischen Lager auf und gibt nicht nur Rückblicke in die Vergangenheit, in denen der Autor die Ursachen für das Jahr 1923 beleuchtet, sondern auch Ausblicke auf die kommenden Jahre von 1924 bis 1926.

Den Monaten September, Oktober und November sind gleich mehrere Kapitel gewidmet, da sich hier die Lage zuspitzt.

Meine Meinung:

Ralf Georg Reuth hat mit diesem Werk eine ziemlich umfassende Darstellung der Ereignisse geliefert, die er von mehreren Seiten betrachtet. Er spart weder die Rolle der Siegermächte und hier vor allem Frankreich aus, noch das Unvermögen der deutschen Politiker, sich auf einen zumindest kleinsten Nenner zu einigen. Über allem schwebt die dunkle Wolke des Kommunismus mit seinen brutalen Auswüchsen, vor denen man zurecht Angst hat, aber gleichzeitig die drohende Gefahr von rechts nicht oder nur wenig gefährlich erachtet.

Die großen geopolitischen Zusammenhänge sind sehr beschrieben, auch wenn das eine oder andere für den Leser ein wenig zu detailverliebt erscheint. Über die genauen Prozentzahlen von Wahlergebnissen kann getrost hinweg gelesen werden.

Fazit:

Diesem unglaublich spannend und interessant geschriebenen Buch über eine völlig verrückte Zeit in Deutschland gebe ich gerne 5 Sterne.