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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.03.2023

Aktueller denn je

Die verlorene Ehre der Katharina Blum
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Ich schreibe wahrscheinlich nichts neues, wenn ich über die verlorene Ehre der Katharina Blum berichte, es ist schließlich Heinrich Bölls bekanntestes Werk.

Der Einstieg in die Lektüre fiel mir nicht ...

Ich schreibe wahrscheinlich nichts neues, wenn ich über die verlorene Ehre der Katharina Blum berichte, es ist schließlich Heinrich Bölls bekanntestes Werk.

Der Einstieg in die Lektüre fiel mir nicht leicht. Man wird direkt mit reichlich Namen bombardiert in einem literarischen Szenario, das an Prozessakten erinnert. Abschnittweise wird die Vernehmung der Katharina Blum nacherzählt, die einem flüchtigen Verbrecher Hilfe geleistet hat dem Zugriff der Polizei zu entkommen. Den Mann lernte sie auf einer Feier kennen, nahm ihn mit nach Hause und verliebte sich Hals über Kopf nach einer gemeinsamen Nacht in ihn. Die Loyalität zu ihm zu halten ungeachtet des Verbrechens, das er begangen haben mag, wird ihr zum Verhängnis, als ein sensationsheischendes Tageblatt (im Buch nur die „ZEITUNG“ genannt) ihren Anteil an der Flucht nicht nur veröffentlicht, sondern ihr Privatleben auf eine pervers tatsachenverdrehende Weise ausschlachtet. Aus einer unbescholtenen, unscheinbaren Bürgerin wird dann eine Täterin, als ihr Hass auf den Verantwortlichen der verdrehten Berichterstattung sie dazu treibt den Journalisten der ZEITUNG zu töten.

Interessant ist wie wenig sich an manchen Methoden seit 1974 geändert hat, als Böll das Buch veröffentlichte. Sein in „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ verarbeitetes Thema ist in einer Zeit, in welcher der Begriff „Fake News“ entstanden ist, aktueller denn je.
Ein wirklich gutes Buch trotz des gewöhnungsbedürftigen Anfangs!

Veröffentlicht am 21.03.2023

Ein literarischer Leckerbissen für kurze Lesestunden

Herr und Hund
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Hund: Liebster Freund des Menschen. Diese Kurzgeschichte zwischen dem Herrn und seinem Hund Bauschan sticht durch intensive und lebendige Beschreibungen heraus. Detailliert, zeitweise blumig, aber in wohldurchdachter ...

Hund: Liebster Freund des Menschen. Diese Kurzgeschichte zwischen dem Herrn und seinem Hund Bauschan sticht durch intensive und lebendige Beschreibungen heraus. Detailliert, zeitweise blumig, aber in wohldurchdachter Sprache beschreibt der Herr seinen durchaus liebgewonnenen Hund, der sich dem Urteil des Herrn nach aber auch oftmals ein wenig unbedarft zeigt, aber auch die Landschaft, welche Herr und Hund auf täglichen Spaziergängen bewandern.
Als der Hund eines Tages krank wird und für mehrere Tage in ein Tierklinikum muss, bestreitet der Herr seine Spaziergänge allein und erkennt anhand seiner Lustlosigkeit und mangelnder Freude die gewohnte Umgebung abzulaufen wie sehr ihm der Hund trotz seiner unperfekten Art doch fehlt.
Eine kurze Geschichte, die ich vor allem wegen des literarisch sehr gehobenen Sprachstils gern gelesen habe.

Veröffentlicht am 21.03.2023

Geschichten teilen

Gemeinsam Lesen macht Spaß
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Eine lesebegeisterte Truppe aus vier unterschiedlichen Tieren fragt sich irgendwann, wo Bücher eigentlich herkommen. Jeder hat eine unterschiedliche Vermutung, wo Bücher herkommen. Sie schmieren sich Marmeladenbrote ...

Eine lesebegeisterte Truppe aus vier unterschiedlichen Tieren fragt sich irgendwann, wo Bücher eigentlich herkommen. Jeder hat eine unterschiedliche Vermutung, wo Bücher herkommen. Sie schmieren sich Marmeladenbrote als Reiseproviant und machen sich auf eine Bücherjagd.
Unter einem Busch finden sie ein Buch, und weil sie so gespannt sind, lesen die vier Tiere es auch begeistert sogleich und erklären es zu ihrem neuen Lieblingsbuch. Auf der letzten Seite lesen sie jedoch, „PFOTEN WEG!“, weil das Buch dem dicken Bären gehört. Selbst ja große Geschichtenliebhaber stellen sie sich vor, dass der Bär ein so großartiges Buch sicher vermissen muss und entscheiden sich es ihm zurückzubringen. An der Haustür des Bären angekommen, ist allerdings niemand zu Hause, und das Buch passt auch nicht in den Briefkasten, weshalb sie kurzerhand durch ein offenes Fenster einsteigen und sehen, dass der Bär eine riesige Sammlung von Büchern hat. Voller Neugier vertiefen sich die vier Tiere marmeladenbrotmampfend in die Auswahl neuer Leseabenteuer, bis sie ein lauter werdendes Stapfen vernehmen und sich ängstlich verstecken – schließlich sind sie ja ohne Erlaubnis in des Bären Wohnung eingedrungen. Der Bär, genauso vernarrt in Bücher wie die vier Tiere, setzt sich erstmal in seinen Sessel und nimmt ein Buch, stellt jedoch fest, dass jemand ein ganzes Marmeladenbrot in sein Buch gesteckt hat. Wütend brüllt der Bär und fragt, wer seine Bücher gelesen hat. Die verängstigten Tiere kommen aus ihrem Versteck hervor und gestehen sich dem Bären, dass sie sein Buch im Wald gefunden haben, welches sie ihm zurückbringen wollten und dann so von seinen Büchern zu Hause fasziniert waren, dass sie einfach loslesen mussten. Der Bär ist dankbar, dass das erklärte Lieblingsbuch der vier Tiere wieder da ist, da es auch sein Lieblingsbuch ist. Die Tiere wollen sich gerade auf den Weg nach Hause zu ihrem einzigen Buch machen, als der Bär ihnen vorschlägt, dass sie bei ihm bleiben können und er ihnen vorliest – aber nur, wenn sie sich vorher die Marmeladenpfötchen waschen. Der Bär hat daraufhin die Idee eine Bücherei aufzumachen, um auch andere Tiere an den Geschichten teilhaben zu lassen, denn gemeinsam lesen macht Spaß!

Geschichten um Bücher sind toll, besonders im kindgerechten Format sind sie einfach zauberhaft. Dieses Buch vermittelt zudem noch, dass man mit dem Eigentum anderer vorsichtig umgehen soll und sowas wie Bücher nicht schmutzig machen soll, indem man sich die Hände vorher nicht wäscht. Es ruft zu einer Neugier für die wunderbaren Geschichten dieser Welt auf.
Mir gefallen auch die Illustrationen mit den satten Farben sehr gut, und da ein Fuchs in der Geschichte vorkommt, hat das Buch mich ja ohnehin schon vollends für sich gewonnen!

Veröffentlicht am 19.03.2023

Die erstInnen ihrer Art

Die unerzählte Geschichte
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Vera Weidenbach hat sich einige Frauen ausgeguckt, deren Geschichte sie auf verdiente Weise erzählen wollte. Allen diesen Frauen ist gemein, dass sie im Schatten von Männern untergehen, welche ihre Errungenschaften ...

Vera Weidenbach hat sich einige Frauen ausgeguckt, deren Geschichte sie auf verdiente Weise erzählen wollte. Allen diesen Frauen ist gemein, dass sie im Schatten von Männern untergehen, welche ihre Errungenschaften für sich deklariert haben.

Kennt ihr zum Beispiel Flora Tristan? Nein? Karl Marx und Friedrich Engels sind euch natürlich bekannt. Flora Tristan war eine alleinstehende, erwerbstätige Frau. Ihre Beobachtungen des Proletariats in Industriestädten verarbeitete sie in diversen Schriften - fünf Jahre, bevor Engels und Marx ihre berühmten Abhandlungen veröffentlichten.
Es folgen Namen wie Cecilia Payne, eine Astronomin, deren Erkenntnisse lange Henry Russell zugesprochen wurden; Mary Ann Evans, die sich aus ihrem Pseudonym George Eliot outen muss, als die Urheberschaft ihres Werkes von einem Mann beansprucht wird; oder Lucia Maholny, die ihre innovativen Bauhaus-Fotografien von Walter Gropius zurückklagen musste.

Weidenbach hat die vorgestellten Portraits subjektiv gewählt. Es gibt noch viel mehr Frauen, deren Geschichte es wert wäre erzählt zu werden, um ihnen die Anerkennung zuteil werden zu lassen, für die Männer gefeiert wurden.
Leser:innen, denen Rebekka Endlers "Das Patriarchat der Dinge" gefallen hat, sei Weidenbachs "Die unerzählte Geschichte" ans Herz gelegt!

Veröffentlicht am 19.03.2023

Zwischen Tristesse und Zynismus

Keine gute Geschichte
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Dieses Gefühl, als ich die letzte Seite des Buches umschlage und da einfach eine Leere aus fehlenden Antworten ist. Noch einmal zurückkehren in die Geschichte, vielleicht doch die Antworten bekommen, nach ...

Dieses Gefühl, als ich die letzte Seite des Buches umschlage und da einfach eine Leere aus fehlenden Antworten ist. Noch einmal zurückkehren in die Geschichte, vielleicht doch die Antworten bekommen, nach denen auch Arielle gesucht hat...


Aber zurück auf Anfang: Mit einer mittelschweren Depression kehrt Arielle in ihr Problemviertel zurück. Eigentlich hatte sie es geschafft, lebt in Düsseldorf, verdient als Social-Media-Managerin viel Geld und ist der ärmsten Postleitzahl Deutschlands entkommen. Nachdem der Anruf einer früheren Freundin sie darüber informiert, dass ihre Großmutter Hilfe benötigt, kehrt sie zurück. Zeitgleich verschwinden im Viertel zwei Mädchen. Mit diesem Ereignis kommen die Leichen ihrer Vergangenheit an die Oberfläche - vielmehr diese eine Leiche in Form ihrer Mutter. Was ist mit Rita vor 24 Jahren passiert? Ist sie tot oder hat sie das Undenkbare getan und ihr Kind zurückgelassen, um ein neues Leben zu beginnen, an einem Ort, wo alles besser ist als hier in Katernberg?
In der Tristesse des alten Viertels kommt Arielle nicht umhin, sich die Fragen zu stellen, die sie tief in sich begraben hatte. Überfordernd drängen sich auch die Fragen nach den eigenen Identitäten auf: wer man ist und wer man ohne die Bürde einer abwesenden, womöglich toten Mutter hätte sein können.

„Keine gute Geschichte“ könnte allzu deprimierend sein, hätte Autorin Lisa Roy nicht genug bissig-bitteren Zynismus mit eingestreut. Für mich war dieser Humor wie kleine Inseln, auf ich mich vor dem Ertrinken in Arielles Aussichtslosigkeit gerettet habe. Aber auch sonst ist die Sprache klar und kraftvoll, und es war mir trotz des düsteren Grundtenors eine Wonne dieses Debüt zu lesen. Es lohnt sich, Lisa Roys Schaffen zu verfolgen!