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Ovidius_Naso

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Veröffentlicht am 02.02.2024

Lieblich unbeliebt

Eine unbeliebte Frau
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„Eine unbeliebte Frau“ von Nele Neuhaus erscheint 2009 als erster Teil der bisher elf publi-zierten Kriminalromane um die Ermittler Oliver von Bodenstein und Pia Kirchhoff im List, ein Verlag der Ullstein ...

„Eine unbeliebte Frau“ von Nele Neuhaus erscheint 2009 als erster Teil der bisher elf publi-zierten Kriminalromane um die Ermittler Oliver von Bodenstein und Pia Kirchhoff im List, ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH.

Die Handlung spielt im Main-Taunus-Kreis und erstreckt sich über fünfzehn Tage – vom 28. August bis zum 11. September 2005. Am selben Tag werden zwei Leichen gefunden: zum einen die des Oberstaatsanwalts Dr. Joachim Hardenbach, den Oliver von Bodenstein schon seit 20 Jahren gut kennt und diesen deshalb erschüttert, in einem Weinberg, zum anderen die einer attraktiven Frau vor einem Aussichtsturm. Handelt es sich bei Hardenbachs Tod gewiss um einen Suizid, so erfährt man schnell, dass die junge Isabel Kerstner an den Folgen eines Mordes gestorben sein muss. Bei den Ermittlungen um Isabel Kerstner, eine talentierte Pferdereiterin im Gut Waldhof, wird schnell deutlich, dass sie bei so gut wie allen in ihrem Bekanntenkreis unbeliebt war. Fast alle hätten einen Mordmotiv haben können.

Und fast alle auftretenden Figuren verdächtigt man mindestens ein Mal des Mordes. Nele Neuhaus schafft einen fortwährenden Spannungsbogen, der sich bis zum letzten Kapitel hält. Einerseits erzielt sie das, indem man als Leser oder Leserin raffiniert in die Irre getrieben wird. Bis zum Schluss konnte ich mir nicht sicher sein, ob ich mit meiner Vermutung richtig lag, wer Isabel Kerstner letzten Endes ermordet hat. Andererseits schafft sie das durch ihren unkomplizierten, sehr flüssigen und alltagstauglichen Schreibstil. Ich hatte das Gefühl, die Seiten förmlich zu verschlingen. Grundsätzlich mag ich lange Kapitel nicht, da sie sich für mich wie eine halbe Ewigkeit anfühlen und eher einer Qual gleichen. Obwohl „Eine unbeliebte Frau“ mehrere Kapitel, die länger als zwanzig Seiten sind, umfasst, machte mir das nichts aus. Ich musste nämlich unbedingt erfahren, wie es weitergehen würde.
Auf stilistischer Ebene hat mir besonders der Umgang mit Humor gefallen. Es war nicht übertrieben eingesetzt, sondern mit Maß an geeigneten Stellen, sodass sich zwischendurch auch ein Lächeln auf dem Gesicht abzeichnete oder gar kurz schmunzelte. Das machte die Figuren meiner Meinung nach nahbarer und realitätsnah, das Lesen insgesamt unterhaltsam und kurzweilig. Ferner mochte ich ungemein, wie die Figuren umschrieben werden. So wird der Arzt, der die Leichenschau von Isabel durchführte, als Zwerg und die grimmige Tierarzthelferin als Mops beschrieben. Auch dies machte meine „Lesesitzungen“ unterhaltsam und kurzweilig.
Einzig die mehrfach verwendeten Floskeln nach dem Schema „Was hast du für einen Trottel von Ehemann?“ – das ist ein ausgedachtes Beispiel, um den sprachlichen Aspekt zu verdeutlichen – haben mich leicht gestört, da ich sie persönlich unschön finde, tragisch ist dies aber in keiner Weise.

Insgesamt mochte ich, wie Nele Neuhaus die Figuren in ihrem Kriminalroman aufgebaut hat. Ein mir sehr sympathischer Charakter, der öfters während der Lektüre auftritt, ist Thor-dis. Sie offenbart sich als taffe, junge Frau, die anfangs ein wenig mysteriös charakterisiert wird. Auch die – zugegebenermaßen etwas klischeehafte, neugierige und alles wissende – Nachbarin der Kerstners mit ihrem Akzent ist mir sympathisch in Erinnerung geblieben.
Zu den beiden Hauptfiguren Oliver von Bodenstein und Pia Kirchhoff habe ich aber noch keine Brücke aufbauen können. Sie waren für mich nicht nahbar genug, auch wenn ich sie grundsätzlich auch sympathisch finde. Meines Erachtens hätten beide noch tiefgründiger herausgearbeitet werden können. Zwar erfährt man einiges über die familiären Umstände beider Figuren, aber dabei bleibt es auch. Ich hätte mir gewünscht noch mehr von ihrem In-nenleben zu erfahren.

Zuletzt möchte ich noch auf Titel und Cover eingehen. Das Cover deckt sich mit der düsteren Atmosphäre, die anfangs herrscht, und passt zum Taunus. Während der Vordergrund sehr scharf ist, erscheint der Hintergrund verschwommen. Dies steht in engem Zusammenhang mit der Handlung. Man meint als Leser oder Leserin den vollen Überblick zu haben, dabei hat man nie den vollständigen Durchblick hinter den Kulissen. Immer wieder übersieht man etwas. Immer wieder werden mehr Puzzleteile auf den Tisch geschüttet, die sich scheinbar nicht zu einem Bild zusammenfügen möchten. Immer wieder wird man in die Irre getrieben.
Der Titel „Eine unbeliebte Frau“ passt sehr. So gut wie alle Figuren berichten Negatives über die Ermordete. Sie scheinen alle eher froh zu sein, dass sie gestorben ist, anstatt ihr hinterherzutrauern.

Der Kriminalroman „Eine unbeliebte Frau“ ist ein solider Einstieg in die Buchreihe um die Ermittler Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein. Der Erzählstil von Nele Neuhaus ist meines Erachtens herausragend, was sich im Aufrechterhalten des Spannungsbogens und der unkomplizierten Sprache zeigt.
Lediglich die Hauptfiguren hätten tiefgründiger herausgearbeitet werden können, sodass ich mich ihnen besser nähern kann. Dies wird aber vielleicht in den folgenden Bänden gemacht.
Für Freunde der Kriminalliteratur ist „Eine unbeliebte Frau“ absolut lesenswert. Von mir gibt es eine eindeutige Kaufempfehlung. Diese richte ich zugleich auch an mich selbst für die weiteren zehn Bände, da ich nun wissen möchte, wie sich Pia Kirchhoff und Oliver von Bo-denstein im Laufe der ganzen Buchreihe entwickeln werden und welche weiteren spannenden Fälle sich Nele Neuhaus ausgedacht hat.

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Veröffentlicht am 28.01.2024

Mitreißender Schreibstil neben weniger mitreißenden Figuren

Morgen, morgen und wieder morgen
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Es ist an einem Tag in der Mitte der 90er-Jahre, als sich die Kindheitsfreunde Sam Masur und die Computerspieldesign-Studentin Sadie Green an einer U-Bahn-Station nach mehreren Jahren wieder begegnen. ...

Es ist an einem Tag in der Mitte der 90er-Jahre, als sich die Kindheitsfreunde Sam Masur und die Computerspieldesign-Studentin Sadie Green an einer U-Bahn-Station nach mehreren Jahren wieder begegnen. Was beide seit Beginn iherer Freundschaft miteinander verbindet, ist vor allem die Liebe zu Videospielen. Bald darauf schließen sich beide zusammen, um Videospiele zu entwickeln, und bauen eine erfolgreiche Firma auf. Aufkommende Rivalitäten und Missverständnisse sollen ihre Freundschaft auf die Probe stellen.

Mit "Morgen, morgen und wieder morgen" gelingt Gabrielle Zevin eine äußerst mitreißende Lektüre über die Freundschaft und deren verschiedensten Nuancen.

Persönlich hat mir Gabrielle Zevins Schreibstil sehr gut gefallen. Zwar gebraucht sie oft Fachtermini der Videospielbranche; diese sind jedoch keinesfalls notwendig, um das Geschriebene zu verstehen, sodass die Lektüre von einer breiten Leserschaft gelesen werden kann. Was Gabrielle besonders gut schafft, ist, die Leserschaft am Ball zu halten. Dies gelingt ihr unter anderem mithilfe von Vorausdeutungen, die aber nie zu viel verraten. Wenn diese dann im Verlauf der Geschichte erneut aufgegriffen werden, kommt dann das Aha-Erlebnis.

Gabrielle Zevin spricht im Verlauf der Lektüre viele gesellschaftsrelevanten Themen an. Diese verarbeitet sie auf "leichter" Art. Doch sind diese keine leichte Kost: Meines Erachtens hat man das Gefühl, durch die Vielfalt an Themen schnell satt zu werden. Es gleicht einem großen Buffet, von dem man nicht alles essen kann. Man hat nicht die Möglichkeit, diese Themen komplett zu verdauen, da sie hintereinander erwähnt werden, ohne vollständig ausgeführt oder zum Teil gar nochmals aufgegriffen zu werden. So habe ich als Leser nicht die Möglichkeit, mich tiefer damit auseinanderzusetzen.

Die Figuren fand ich gut gestaltet, hätten insgesamt aber tiefgründiger herausgearbeitet werden können. Über den größten Teil der Lektüre habe ich mich zu den Figuren nicht so verbunden gefühlt. Deren Handlungen waren oft nicht nachvollziehbar, auch wenn genau diese Handlungen die Geschichte ausmachen. Was ich dennoch spannend fand, ist, wie ich die Protagonisten im Verlauf der Geschichte wahrgenommen habe. Während mir Sam anfangs nicht wirklich gefallen hat, konnte ich gegen Ende mit ihm mitfühlen. Das Gegenteil war mit Sadie Green der Fall: Anfangs konnte ich sie besser nachvollziehen als gegen Ende.

Insgesamt ist "Morgen, morgen und wieder morgen" eine solide Lektüre, die sich trotz der Bandbreite an gesellschaftsrelevanten Themen sehr gut lesen lässt. Der Schreibstil treibt den Leser bzw. die Leserin an, immer weiter zu lesen. Eine tiefgründige Auseinandersetzung mit den vielen Themen gestaltet sich aber schwierig.

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Veröffentlicht am 03.02.2024

Leider abgebrochen

Erbin des verlorenen Landes
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„Erbin des verlorenen Landes“ von Kiran Desai ist in der vorliegenden Taschenbuch-Ausgabe im August 2013 im Berlin Verlag in der Piper Verlag GmbH erschienen.

Die Handlung spielt in der Mitte der 1980er ...

„Erbin des verlorenen Landes“ von Kiran Desai ist in der vorliegenden Taschenbuch-Ausgabe im August 2013 im Berlin Verlag in der Piper Verlag GmbH erschienen.

Die Handlung spielt in der Mitte der 1980er Jahre. Gleich zu Anfang wird das Anwesen eines pensionierten Richters, wo auch seine Hündin Mutt, seine Enkelin Sai und ein Koch leben, von Aufständischen gestürmt. Es handelt sich hierbei um „Ghorkas“, indische Nepalesen, die für Unabhängigkeit kämpfen. Dies soll die historische Randgeschichte und die politische Lage Indiens darstellen. Parallel wird die Geschichte von Biju, dem Sohn des Kochs, erzählt, der in den USA ausgewandert ist, aber keinen sicheren Arbeitsplatz findet.

Beim Zusammenfassen der Handlung habe ich schon meine Probleme, denn ich habe den Roman nach genau 80 Seiten abgebrochen.

Für mich persönlich ist kein Funke übergesprungen. Vergeblich wartete ich auf ein kleines Ereignis, das mich zum Lesen motivierte. Nicht einmal der Schreibstil der Autorin und der Erzählstil der Handlung haben mich fesseln können. Von der historischen und politischen läge erfährt man bisher wenig. Die Figuren sind sehr oberflächlich. Nach 80 Seiten erwarte ich schon, dass es etwas gibt, dass mich an die Figuren binden könnte. Und wenn es nur Hass ist...
Damit sage ich nicht, dass der Roman schlecht geschrieben oder der Roman insgesamt schlecht ist. Es entspricht schlichtweg nicht meinem persönlichen Geschmack.
Was ich im Ansatz interessant fand, ist die Geschichte um Sai. Man erfährt, warum sie jetzt beim Richter lebt und von ihrer Kindheit. Gern hätte ich noch mehr erfahren, stattdessen wird in den ersten 80 Seiten vermehrt der Fokus auf den Koch und seinen Sohn gelegt.

Das Lesen hat sich die ganzen Seiten über sehr zäh angefühlt. Ich habe mich immer gefreut, wenn ich endlich eine Seite beendet habe, aber Spaß am Lesen hatte ich nicht. Dies ist der Hauptgrund, warum ich für mich entschieden habe, die Lektüre abzubrechen.
Entsprechend kann ich die weitere Handlung in keiner Weise beurteilen. Vielleicht ändert es sich im Verlauf der Geschichte und es hätte mich doch noch fesseln können. Ich werde es wohl nie erfahren…

Zusammenfassend kann ich sagen, dass mich persönlich der Schreib- und Erzählstil nicht fesseln konnten. Die Figuren – bis auf Sai, aber nur ansatzweise – fand ich langweilig gestaltet. Vom historischen Hintergrund erfährt man wenig, aber vollständig beurteilen kann ich das eben nicht, da ich die Lektüre nach kurzer Zeit abgebrochen habe. Daher kann ich auch keine Kaufempfehlung aussprechen, bin aber der Überzeugung, dass sich jeder ein eigenes Bild machen sollte.

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