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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.03.2023

Die Nacht - das unbekannte Universum

Lebendige Nacht
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Das Titelbild ist wunderschön und spannend zugleich. Der lebhafte Schreibstil und die anschaulichen Beschreibungen machen richtig Spaß und wecken die Lesefreude. Ich kenne übrigens tatsächlich fünf Tag-Schmetterlinge ...

Das Titelbild ist wunderschön und spannend zugleich. Der lebhafte Schreibstil und die anschaulichen Beschreibungen machen richtig Spaß und wecken die Lesefreude. Ich kenne übrigens tatsächlich fünf Tag-Schmetterlinge und einen Nacht-Falter. Test also halbwegs bestanden.
Sophia Kimmig stellt uns die Nacht in all ihren Facetten und Betrachtungsmöglichkeiten vor. Die Tiere und Pflanzen, die die Nacht zu ihrer Domäne erklärt haben, nehmen darin den Großteil des Buches ein. Aber auch wie sich unsere Betrachtungsweise der Nacht im Laufe der Zeit entwickelt hat, wird eingehend dargestellt. Dichtung und Literatur, Malerei, Gesetzgebung, Philosophie und soziales nocturnes Leben: “So eröffnet die zweite Hälfte des Tages dem Menschen einen Raum dafür, im Schutze der Nacht die Vielfalt des Menschseins wertungsfrei auszuleben” (S. 166)
Auch das Thema, wie wir Menschen die Nacht zerstören und viele Tiere dadurch in Gefahr bringen, kommt zur Sprache: die Papageientaucher Islands die wegen der nächtlichen Beleuchtung in den Ortschaften den Weg zum Meer nicht finden. Genauso ergeht es frisch geschlüpften Schildkröten, die von der exzessiven Straßenbeleuchtung abgelenkt werden. Das Insektensterben wird durch die Beleuchtung noch beschleunigt und verstärkt. Zug- und Stadtvögel, Fledermäuse, Frösche und Kröten, Bäume, die in der Nähe von Laternen stehen, “Egal ob innere Uhren, saisonale Rhythmen, Orientierung, mondgetriebenes Verhalten… Licht zur falschen Zeit stört das empfindliche Räderwerk der Natur” (S. 205)
Die treffenden Beschreibungen und Definitionen, die die Autorin verwendet, sind humorvoll und einprägsam. “Im dreidimensionalen Raum unterwegs, jeder Nahrung gegenüber offen, schlau und neugierig, mit Super-Tastsinn und der Fähigkeit zum Lösen von Problemen im Gepäck - der Waschbär ist das Schweizer Taschenmesser unter den Stadtwildtieren” (S. 187)
Die Bilder im Buch sind der Hit! Ob es die Eule die einen schräg anblickt ist, der Waschbär der uns aus der Baumhöhle angähnt, der kleine Bilch der einen Baum hochklettert, der anmutige Nachtfalter, oder die Fledermaus im vollen Anflug, die Bilder sind bezaubernd.

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Veröffentlicht am 28.03.2023

Ein opulentes Bild der italienischen Renaissance

Florentia - Im Glanz der Medici
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Die italienische Renaissance tut sich in diesem Buch vor unseren Augen auf, mit all ihrer Pracht und Glanz aber auch mit ihren Schattenseiten; Komplotten, Morden, Ränken und Intrigen. Die Mächtigen der ...

Die italienische Renaissance tut sich in diesem Buch vor unseren Augen auf, mit all ihrer Pracht und Glanz aber auch mit ihren Schattenseiten; Komplotten, Morden, Ränken und Intrigen. Die Mächtigen der Zeit (ok, auch heute) überließen nichts dem Zufall, von einem Turnier bis zu einer politisch arrangierten Ehe und wechselnden strategischen Bündnissen zwischen den italienischen Stadtstaaten. Florenz steht zu Recht im Zentrum des Buches. Zu keiner Zeit waren da so viele und herausragende Künstler versammelt. Noah Martin hat zu Anfang seines Buches eine Liste mit den handelnden Personen gestellt. Das liest sich wie ein “Who is Who” der Malerei und Bildhauerei der Rinascita: Verrocchio, Leonardo da Vinci, Sandro Botticelli, Filippino Lippi, Ghirlandaio. Aber auch die politischen Größen der Zeit sind im Roman vertreten: Lorenzo de Medici, il Magnifico, sein Bruder und Unterstützer, Giuliano, der von Gicht geplagte Vater Piero, Francesco della Rovere Papst Sixtus IV, die Bankiere und zeitweise Rivalen der Medici Jacopo und Francesco Pazzi, der Herzog von Mailand Galeazzo Maria Sforza, der Herzog von Urbino Federico de Montefeltro, Cristoforo Moro, der Doge von Venedig, usw usf.
Die mehr oder weniger offen ausgelebten Rivalitäten und Fehden zwischen den großen Familien in Florenz, wie am Beispiel der Pazzi gegen die Medici zu sehen ist, zeigen eigentlich im Kleinen wie es um die Bündnisse und Rivalitäten zwischen den italienischen Stadtstaaten steht: Wechselnde Bündnisse zwischen Florenz, Mailand, Venedig, Neapel und Vatikan in Rom und dazwischen das Schicksal kleinerer Städte, wie Volterra, Pisa, Urbino, die ständig um ihre Unabhängigkeit fürchten müssen. Söldnerheere ziehen durch die Länder, brandschatzen und plündern alles im Weg, weil oft das Plündern ihre einzige Bezahlung ist, Nein, in Italien des 15. und 16. Jahrhunderts war es nicht leicht zu leben. Und doch hat diese Zeit eine unglaubliche Blüte der Malerei und Bildhauerei hervorgebracht
Noah Martin gelingt es, diese großartige und grausame Zeit zugleich vor unseren Augen auferstehen zu lassen. Die Kapitel zeigen zu Anfang an, zu welcher genauen Zeit die Handlung spielt und wer der Hauptakteur in dem Kapitel ist. Der Prolog wirkt zunächst verstörend, löst ein Unbehagen aus, um sich aber dann später im Roman in all seiner Grausamkeit und Perfidie zu offenbaren. Das Buch selber möchte ich mit einem Strom vergleichen. Breit und gewaltig fließt der Strom der Handlung, ergreift alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens der Menschen, die in diesem Strom leben und mitschwimmen, um dann zum absoluten Höhepunkt (Stromschnellen und Wasserfall) in der Verschwörung und Mord der Pazzi Familie zu kommen. Danach fließen Strom und Leben weiter in gewohnter Weise, Bündnisse werden bekräftigt, indem Florenz seine bedeutendsten Maler nach Rom und Mailand sozusagen als Botschafter des Friedens entsendet. Leonardo da Vinci soll in Mailand als Bildhauer arbeiten, Sandro Botticelli wird in Rom seine Malerei im Dienst des Papstes stellen. Ein guter Abschluss für einen Roman, der zugleich das Kontinuum des Lebens zeigt.

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Veröffentlicht am 20.03.2023

Wunderschöner historischer Roman

Das Haus an der Herengracht
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Amsterdam in längst vergangener Zeit, und doch, some things never change. Damals wie
heute gab und gibt es Probleme wegen der Rassenzugehörigkeit. Und "gemischtes Blut"
kann ein Makel sein, wenn man sich ...

Amsterdam in längst vergangener Zeit, und doch, some things never change. Damals wie
heute gab und gibt es Probleme wegen der Rassenzugehörigkeit. Und "gemischtes Blut"
kann ein Makel sein, wenn man sich in der Gesellschaft behaupten will.
Jessie Burton lässt das alte Amsterdam des achtzehnten Jahrhunderts vor unseren Augen
wieder auferstehen. Die Straßen und Gassen, die herrschaftlichen Häuser, die üppigen
Damenkleider aus deren Stoff geschickte Schneiderinnen heutzutage zwei oder drei Kleider
nähen könnten. Und doch ist nicht alles Gold, was glänzt. In manchen Anwesen ist Meister
Schmalhans der Koch, Möbel und Teppiche mussten verkauft werden, in den
repräsentativen Räumen, die zur Straße hin lagen wurde an manchen Abenden nur
Kerzenlicht gezeigt, um den Nachbarn zu zeigen, “wir nutzen alle Räume, wir sind nicht so
arm, wie ihr glaubt”. Auch im Haus der Familie Brandt ist es so weit gekommen. Die
ehemals herrschaftlichen Tage des Reichtums sind vorbei, Die Familie muss an allen Ecken
und Enden sparen. Da würde eine reiche Heirat der achtzehnjährigen Tochter Thea die
Familie vor dem sicheren Ruin retten. Um Theas Hautfarbe und Geburt aber gibt es ein
Geheimnis, so dass eine reiche Heirat nicht sicher ist. Und doch, ein Anwärter wäre auch bei
der Hand. Jakob van Loos hat es aber mehr auf das zentral gelegene Anwesen der Familie
abgesehen, denn auf Theas Hand. Das Mädchen selbst liebt Walter, den Kulissenmaler des
Amsterdamer Theaters.
Arme Thea, Die große Liebesenttäuschung bleibt ihr nicht erspart. Aber sie will auch nicht
Jakob heiraten. Und so findet sie eine Lösung, die auch ihr Vater und Tante und sogar das
alte Kindermädchen akzeptieren können. Das ist wohl die einzige Möglichkeit, ein ehrliches
Leben zu führen, ohne sich zu verkaufen, ohne seinen eigenen Wert zu mindern. Die
Familie kehrt Amsterdam mit all seinem Klatsch und Tratsch, heimlichen Augen, Lügnern,
Betrügern und Erpressern den Rücken. Amsterdam ist ja nur eine Stadt im beginnenden 18.
Jahrhundert, aber die Menschen lassen die Stadt nicht richtig liebenswert erscheinen.
Peter Knecht, der Übersetzer des Werkes, hat höchstes Lob verdient. Er ist diesem nicht
immer leichten Werk gerecht geworden.

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Veröffentlicht am 20.03.2023

Ein Krimi mit viel Lokalkolorit

Tod in Siebenbürgen
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Bram Stoker war nie in Rumänien, hat trotzdem seinen Dracula in dem Land platziert. Lioba
Werrelmann war in Rumänien, hat ihre Hausaufgaben gemacht, Gut fundierte Kenntnisse
über Land und Leute, ihre Mentalität, ...

Bram Stoker war nie in Rumänien, hat trotzdem seinen Dracula in dem Land platziert. Lioba
Werrelmann war in Rumänien, hat ihre Hausaufgaben gemacht, Gut fundierte Kenntnisse
über Land und Leute, ihre Mentalität, ihr Leben einst und heute und über die unglaublich
leckere und einfache Küche. Ich liebe Palukes mit Milch!
Die Beschreibungen eines siebenbürgischen Dorfes, seiner Bräuche und Sitten haben mich
beeindruckt. Auch die Korruption, die in Rumänien in allen Bereichen grassiert, findet einen
festen Platz in diesem Buch. Neben der Holzmafia ist auch die Müllmafia leider sehr aktiv in
Rumänien. In diesem Buch sind die Geschäfte mit Giftmüll im Vordergrund. Paul
Schwartzmüller, ein “Heruntergekommener”, wie in Siebenbürger nach Westdeutschland
Ausgewanderte und zu Besuch Gekommene genannt werden, ist ein typischer
Siebenbürger. Es passieren ihm lauter schlimme bis schräge Sachen. Und was macht er? Er
sucht zuerst die Schuld bei sich. Ob er schlafwandelt, oder besoffen war, oder sonst etwas,
er fühlt sich schuldig. Dass andere ihn vergiften wollten, das kommt ihm nicht in den Sinn,
dass andere ihm Böses wollen oder nicht ehrlich zu ihm sind, auf den Gedanken kommt er
überhaupt nicht oder nur sehr schwer. Dafür aber ist ihm nicht bewusst, welch schwere
Schuld er als vierzehnjähriger auf sich geladen hatte, mit einem langen Aufsatz über seine
Ferienaufenthalte bei seiner geliebten Tante Zinzi und was für eine heilkundige Frau sie war.
In seiner kindlichen Naivität schildert er Zinzis gute Taten und Heilungen, ohne zu wissen,
die Tante hat illegale Abreibungen vorgenommen. Im kommunistischen Rumänien waren
Abtreibungen strikt verboten, wurden mit schweren Gefängnisstrafen geahndet. Paul schrieb
in seinem Aufsatz von Frauen “die nachts weinend an ihr Tor klopfen”, die Tante nahm sie
mit in ihre Stube “und wie diese Frauen im Morgengrauen blass, aber lächelnd vom Hof
schlichen”. (S. 243).Damit hat Paul die Tante praktisch den Behörden ausgeliefert. Diese
schwere Schuld war Paul 35 Jahre lang nicht bewusst. Er trug sie zwar latent mit sich, ohne
zu wissen, worin genau seine Schuld bestand. Deswegen sucht er bei all den schlechten
Begebenheiten, die ihm im Dorf widerfahren, die Schuld bei sich, auch wenn er bei diesen
Sachen unschuldig ist.
Das Buch ist sehr spannend geschrieben, es erfolgen auch mehrere Showdowns, so richtig
hollywoodreif. Letztlich wird aber der Mörder entlarvt Paul Schwartzmüller kehrt zurück nach
Deutschland zu seinem Job bei der Zeitung. Das Buch schreit direkt nach einer Fortsetzung.
Einige Fragen sind nicht restlos geklärt. Was ist mit dem fehlenden Finger des Pfarrers?
Verfügt Maia über magische Kräfte eigentlich? Was ist mit den Lieferanten des Giftmülls?
Die Deponie wird zwar saniert, aber wo wird die nächste heimlich eröffnet? Maia und Paul -
könnte da was werden? Das sind so Fragen, die hoffentlich genug Stoff für ein nächstes
Buch liefern.
Das Titelbild ist das Braner Schloss, wie es seit hunderten von Jahren steht.
Geheimnisumwittert beflügelt es die Phantasie. Auch wenn Vlad der Pfähler, eines der
Vorlagen für Stokers Dracula, nie in diesem Schloss geweilt hat. Der ganze Kitsch, der um
das Schloss herum in Holzbuden verkauft wird, dient nur der Geschäftemacherei. Falls Ihr,
werte Leser mal nach Siebenbürgen reisen wollt, bloß nicht dem Tand zu Fußen des
Schlosses verfallen!

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Veröffentlicht am 12.03.2023

Wunderschöner historischer Roman

Das Haus an der Herengracht
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Amsterdam in längst vergangener Zeit, und doch, some things never change. Damals wie heute gab und gibt es Probleme wegen der Rassenzugehörigkeit. Und "gemischtes Blut" kann ein Makel sein, wenn man sich ...

Amsterdam in längst vergangener Zeit, und doch, some things never change. Damals wie heute gab und gibt es Probleme wegen der Rassenzugehörigkeit. Und "gemischtes Blut" kann ein Makel sein, wenn man sich in der Gesellschaft behaupten will.
Jessie Burton lässt das alte Amsterdam des achtzehnten Jahrhunderts vor unseren Augen wieder auferstehen. Die Straßen und Gassen, die herrschaftlichen Häuser, die üppigen Damenkleider aus deren Stoff geschickte Schneiderinnen heutzutage zwei oder drei Kleider nähen könnten. Und doch ist nicht alles Gold, was glänzt. In manchen Anwesen ist Meister Schmalhans der Koch, Möbel und Teppiche mussten verkauft werden, in den repräsentativen Räumen, die zur Straße hin lagen wurde an manchen Abenden nur Kerzenlicht gezeigt, um den Nachbarn zu zeigen, “wir nutzen alle Räume, wir sind nicht so arm, wie ihr glaubt”. Auch im Haus der Familie Brandt ist es so weit gekommen. Die ehemals herrschaftlichen Tage des Reichtums sind vorbei, Die Familie muss an allen Ecken und Enden sparen. Da würde eine reiche Heirat der achtzehnjährigen Tochter Thea die Familie vor dem sicheren Ruin retten. Um Theas Hautfarbe und Geburt aber gibt es ein Geheimnis, so dass eine reiche Heirat nicht sicher ist. Und doch, ein Anwärter wäre auch bei der Hand. Jakob van Loos hat es aber mehr auf das zentral gelegene Anwesen der Familie abgesehen, denn auf Theas Hand. Das Mädchen selbst liebt Walter, den Kulissenmaler des Amsterdamer Theaters.
Arme Thea, Die große Liebesenttäuschung bleibt ihr nicht erspart. Aber sie will auch nicht Jakob heiraten. Und so findet sie eine Lösung, die auch ihr Vater und Tante und sogar das alte Kindermädchen akzeptieren können. Das ist wohl die einzige Möglichkeit, ein ehrliches Leben zu führen, ohne sich zu verkaufen, ohne seinen eigenen Wert zu mindern. Die Familie kehrt Amsterdam mit all seinem Klatsch und Tratsch, heimlichen Augen, Lügnern, Betrügern und Erpressern den Rücken. Amsterdam ist ja nur eine Stadt im beginnenden 18. Jahrhundert, aber die Menschen lassen die Stadt nicht richtig liebenswert erscheinen.
Peter Knecht, der Übersetzer des Werkes, hat höchstes Lob verdient. Er ist diesem nicht immer leichten Werk gerecht geworden.

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