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Veröffentlicht am 23.03.2023

Die Grausamkeiten des Krieges

Der Wintersoldat
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Der hochbegabte, Wiener Medizinstudent Lucius meldet sich ein bisschen blauäugig als Freiwilliger zu Beginn des 1. Weltkrieges, in der Hoffnung endlich Praxiserfahrung als angehender Arzt sammeln zu können. ...

Der hochbegabte, Wiener Medizinstudent Lucius meldet sich ein bisschen blauäugig als Freiwilliger zu Beginn des 1. Weltkrieges, in der Hoffnung endlich Praxiserfahrung als angehender Arzt sammeln zu können. Doch wider Erwarten schickt man ihn in ein kleines Behelfslazarett in den Karpaten, wo lediglich eine Ordensschwester, Margarethe, den Laden alleine schmeißt, da der letzte Arzt getürmt ist.

Margarethe merkt schnell, dass der neue Arzt ein blutiger Anfänger ist und schafft es aber mit ihrer listigen Art dem überforderten Lucius ihr beträchtliches Wissen zu vermitteln, so dass er nach einiger Zeit für das Lazarett und die eingelieferten Soldaten doch noch von Nutzen ist.

Eines Tages wird ein Soldat eingeliefert, dem körperlich nichts zu fehlen scheint, der aber ganz offensichtlich schwer traumatisiert ist. Margarethe und ihm gelingt eine deutliche Besserung seines Zustandes, bevor dem jungen Arzt ein schwerwiegender Fehler unterläuft.

Dem Autor Daniel Mason ist mit seinem Roman. „Der Wintersoldat“ ein bildgewaltiger, atmosphärisch dichter Roman gelungen, der jedoch nichts für schwache Nerven ist. An ekligen und grausamen Details im Kriegsgeschehen wird nicht gespart. Lucius ist ein junger Mann aus gutem Hause, und genauso ist auch die Sprache in diesem Roman gewählt, ein bisschen antiquiert aber passend zu der Zeit in der der Roman spielt. Das hat mir gut gefallen. Neben den Wirren des Krieges erzählt der Roman auch eine komplizierte Liebesgeschichte. Ich finde diesen Hoffnungsschimmer braucht es auch in dem Roman, der sonst zu düster und deprimierend wäre.

Ich hatte mit dem Roman ein paar Anlaufschwierigkeiten und fand den 2. Teil des Buches deutlich besser als den Anfang.

Es war ein starkes Buch mit drastischen Szenen, dass schonungslos über die Schrecken des Krieges erzählt, über Schuld und Sühne und die Schwierigkeiten nach diesen traumatischen Erfahrungen mit dem Leben weiterzumachen. Sehr eindrucksvoll war es die Entwicklung von Lucius zu sehen, der vom naiven Studenten zum verantwortungsvollen, empathischen Arzt herangereift ist und der sich z.b. mit aller Macht für seine Patienten eingesetzt hat, wenn diese, nachdem die Wunden mal soeben wieder verheilt waren, schon wieder an die Front zurückbeordert werden sollten. Auch Margarethe war eine besondere und bewundernswerte Protagonistin, die ich sehr mochte.


Ich hatte das Buch als Hörbuch vorliegen. Die Vertonung durch Stefan Kaminsky war ausgezeichnet.

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Veröffentlicht am 23.03.2023

Ein Hörgenuss

Die Wahrheit der Dinge
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Zum Inhalt:

Richter Petersen hat mit zunehmendem Alter plötzlich Zweifel an seiner Integrität. Seine Frau wirft ihm Selbstgefälligkeit vor und hat der Ehe eine Pause verordnet. Er, ein Richter aus Leidenschaft, ...

Zum Inhalt:

Richter Petersen hat mit zunehmendem Alter plötzlich Zweifel an seiner Integrität. Seine Frau wirft ihm Selbstgefälligkeit vor und hat der Ehe eine Pause verordnet. Er, ein Richter aus Leidenschaft, hielt sich immer für objektiv, aber mehrfach sind seine Urteile inzwischen vom BGH in Karlsruhe korrigiert worden, was ihm zu denken gibt.

Eine alte Wunde bricht wieder auf, als Corinna Maier entlassen wird. Sie hatte in seinem Gerichtssaal noch vor der Urteilsverkündung den Angeklagten erschossen. Ein Alptraum. Petersen hat nie verstanden, warum sie bis zum letzten Tag gewartet hat und beschließt sie im Gefängnis abzuholen, um mit ihr zu sprechen.



Frank Petersen ist ein angenehmer Protagonist und mir gefiel, dass er sich aus freien Stücken auf die schmerzhafte Reise zu sich selbst begeben hat. Ich fand es interessant seine Fälle nochmal von einem anderen Blickwinkel zu beleuchtet zu sehen.

Fragen der Schuld und der Gerechtigkeit werden aufgeworfen, und es geht um Selbstjustiz, Vorurteile und Fremdenhass.

Der Autor hat das Rad nicht neu erfunden aber der Roman hat mich gefesselt und berührt und mich über die moralischen Grauzonen nachdenken lassen.


Mich hat das Buch als Hörbuch begleitet. Mit dem Sprecher Herbert Schäfer hat der Verlag eine wirklich gute Wahl getroffen.

Ich habe ihm super gerne zugehört, so dass die knapp 8 Stunden Hörzeit wie im Flug vergangen sind.


Das Buch ist inspiriert von 2 wahren Kriminalfällen, dem Fall Bachmeier und dem Fall Amadeu Antonia Kiowa. Wenn man die Fälle nicht kennt, sollte man sie vor dem Lesen nicht googeln, um sich nicht selbst zu spoilern.

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Veröffentlicht am 11.03.2023

Leben retten aus Berufung

Keine halben Sachen
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Notärztin Dr.med Carola Holzner‘s 2. Buch „Keine halben Sachen“ nimmt uns Leser mit in die Notfallmedizin und zeigt uns mal eine andere Sicht auf das Gesundheitswesen, nämlich die, von den Helfern auf ...

Notärztin Dr.med Carola Holzner‘s 2. Buch „Keine halben Sachen“ nimmt uns Leser mit in die Notfallmedizin und zeigt uns mal eine andere Sicht auf das Gesundheitswesen, nämlich die, von den Helfern auf uns Patienten.

Doc Caro berichtet locker und leicht mit viel Herzblut über Erlebtes aus ihrem Medizineralltag. Neben Notfällen, die trotz schlechtester Chancen gut ausgegangen sind wie z.B. das Wunder von Wittlich, gibt es natürlich auch schreckliche Tragödien, bei denen der Einsatz nicht gut ausging. Das ist mitunter traumatisch auch für die Helfer. Umso wichtiger, dass auch für die Mediziner heute psychologische Hilfe bereit steht um Erlebtes aufarbeiten und verarbeiten zu können.

Kopfschütteln und Wut verursachen Einsätze, bei denen egoistische Patienten das Gesundheitssystem ohne die Spur eines schlechten Gewissens für sich ausnutzen und leider nicht einmal dafür belangt werden können.

Frau Dr Holzner ist eine sehr empathische Person und mit ganzem Herzen Notfallmedizinerin. Sie wirkt sehr bodenständig und sympathisch und hat für ihre Leser einige gute Tips parat.

Ich habe dieses gut lesbare Sachbuch gerne gelesen, mich gut unterhalten gefühlt und nebenher noch einiges gelernt.

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Veröffentlicht am 21.02.2023

Deutschenmädchen

Als Großmutter im Regen tanzte
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Als Juni vor ihrem gewalttätigen Ehemann in das Haus ihrer verstorbenen Großeltern auf eine kleine norwegische Insel flüchtet, will sie eigentlich nur zur Ruhe kommen, ihre Gedanken ordnen und entscheiden, ...

Als Juni vor ihrem gewalttätigen Ehemann in das Haus ihrer verstorbenen Großeltern auf eine kleine norwegische Insel flüchtet, will sie eigentlich nur zur Ruhe kommen, ihre Gedanken ordnen und entscheiden, ob sie das Kind, dass in ihr wächst behalten möchte. Sie hat das Haus geerbt, da auch ihre Mutter nicht mehr lebt. Beim Aufräumen entdeckt sie alte Fotos, die ihre Großmutter mit einem anderen Mann als ihrem Großvater zeigen.
Juni ist geschockt und irritiert und beginnt zu recherchieren, was wohl die Beweggründe ihrer Großmutter für ihr lebenslanges Schweigen waren.

Ein zweiter Erzählstrang führt direkt in die Vergangenheit. Juni‘s Großmutter Tekla ist noch eine junge Frau 1945. Sie verliebt sich in den deutschen Soldaten Otto und folgt ihm gegen den Willen ihrer Eltern in seine Heimat nach Deutschland. Von ihren Landsleuten als Deutschenmädchen verachtet, wird ihr bei der Ausreise sogar ihr norwegischer Pass eingezogen, was ihre Entscheidung unwiderruflich macht. Sie erlebt unvorstellbares Grauen in Demmin, dem Heimatort von Otto aber auch Menschen, die ihr in größter Not helfen.

In der 2. und selbst der 3. Nachkriegsgeneration haben die Kriegserlebnisse noch nachhaltige Auswirkungen auf die Familie, das zeigt dieser Roman und das Beispiel von Großmutter Tekla sehr eindrücklich. Das Schweigen und Verdrängen der Kriegsgeneration führte auch in ihrer Familie zu Missverständnissen und großen Problemen.

Mich hat der Roman sehr beeindruckt. Die Tragödie von Demmin , von der ich zum ersten Mal gelesen habe, hat mich geschockt und berührt.
Die Autorin hat sehr gut recherchiert und mir neue Einblicke in die Zeit des 2 Weltkrieges verschafft. Der historische Teil, der das Erlebte der Großmutter erzählt hat mir allerdings besser gefallen als die Gegenwart. Leider blieb Juni als Protagonistin ein bisschen blass.
Trotzdem empfehle ich den Roman sehr.

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Veröffentlicht am 19.02.2023

Krisen stärken die Feinde der Demokratie

Unsre verschwundenen Herzen
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Der Roman „ Unsere verschwundenen Herzen“ von Celeste Ng führt uns in eine nähere Zukunft in den USA. Aus Sicht des zwölfjährigen Bird erfahren wir, das er alleine mit seinem Vater in Harvard lebt. Das ...

Der Roman „ Unsere verschwundenen Herzen“ von Celeste Ng führt uns in eine nähere Zukunft in den USA. Aus Sicht des zwölfjährigen Bird erfahren wir, das er alleine mit seinem Vater in Harvard lebt. Das ist nicht immer so gewesen. Vor der großen Krise, hat die Familie gemeinsam mit der Mutter zusammengelebt. Doch diese hat seinen Vater und ihn vor mehreren Jahren verlassen.

Der Grund ist ihm als Kind nicht wirklich klar, doch mit der Wirtschaftskrise hat es große politische Veränderungen gegeben. Man hat der Öffentlichkeit suggeriert, dass China verantwortlich sei für die katastrophale wirtschaftliche Situation des Landes und ein neues Gesetz beschlossen, dass Amerika zu neuer Stärke verhelfen solle.



Das neue Gesetz PACT - Preserving American Culture and Traditions

verspricht alle antiamerikanischen Elemente aufzuspüren, um eine Zersetzung der Nation zu verhindern.



Natürlich denkt man sofort an Trumps Wahlspruch: Make America great again.

Doch das Gesetz geht noch weiter und enthält einen Passus, der es den Behörden erlaubt, verfassungsfeindlich gesinnten Bürgern die Kinder zu entziehen und diese zur Adoption freizugeben. Schließlich sollen die Kleinen von ihren Eltern nicht antiamerikanisch erzogen werden.

Chinesischstämmige Bürger aber auch Einwohner mit asiatischen Wurzeln, die seit mehreren Generationen in den USA leben, haben es seitdem schwer und werden offen diskriminiert und diffamiert. Man erfährt, dass auch Margaret, Bird‘s Mutter chinesische Wurzeln hat. Sie ist Künstlerin und ihr Gedicht „Unsere verschwundenen Herzen“ ist zur Parole des Widerstands geworden, denn immer mehr Kinder verschwinden aus ihren Herkunftsfamilien.

Als Bird einen Brief seiner Mutter findet, macht er sich auf Spurensuche. Er möchte unbedingt für sich herausfinden, warum seine Mutter ihn verlassen hat. Seinen Vater kann er nicht fragen, da dieser schweigt und mit seiner Mutter nichts mehr zu tun haben möchte.

Nachdem wir im 1. Teil des Buches, der mir sehr gut gefallen hat, Bird folgen und so langsam in dieses zukünftige Amerika eintauchen, begleiten wir im 2 Teil Margaret, erfahren von ihrem Privatleben und wie sie zum Widerstand gekommen ist. Mit Margaret bin ich nicht wirklich warmgeworden. Sie wirkte auf mich doch recht kühl und distanziert. Der Gedanke, dass durch Kunst und Literatur eine wirksame Widerstandsbewegung aufgebaut werden kann, ist zwar reizvoll aber vielleicht auch ein bisschen naiv. Schade fand ich, dass das titelgebende Gedicht im ganzen Roman nicht als Ganzes abgedruckt wurde. Das Ende war passend aber nicht ganz so meins.



Sehr lesenswert fand ich das Nachwort der Autorin. Ihr ist mit Beginn der Pandemie 2020 ein deutlicher Anstieg der antiasiatischen Diskriminierung aufgefallen. Wie reagiert man am besten darauf? Wegducken, weil man zunächst einmal nicht betroffen ist oder aktiv dagegen angehen, auch wenn man Repressalien zu befürchten hat? Eine funktionierende Demokratie braucht Zivilcourage, denn nicht selten wird die Meinungsfreiheit unter dem Deckmantel von Sicherheitsgedanken einfach eingeschränkt, wie im Buch beschrieben. Auch das Verfahren Kinder als Druckmittel aus ihren Familien zu reißen, ist keine Erfindung der Autorin, sondern leider an die Realität angelehnt, wie sie im Nachwort belegt.

Ich fand das Buch auf jeden Fall ausdrucksstark und lesenswert, auch wenn es aufgrund oben genannter Kritikpunkte kein Highlight für mich war.

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