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FranziskaBo96

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.04.2023

Liebe, Verlust und Musik

Morgen und für immer
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"Morgen und für immer" erzählt die Lebensgeschichte von Kajan, der in den 30ern in Albanien geboren wird. Während des zweiten Weltkrieges kämpfen seine Eltern als Partisanen gegen die Deutschen, weshalb ...

"Morgen und für immer" erzählt die Lebensgeschichte von Kajan, der in den 30ern in Albanien geboren wird. Während des zweiten Weltkrieges kämpfen seine Eltern als Partisanen gegen die Deutschen, weshalb er bei seinem Großvater unterkommt. Eines Tages verirrt sich der deutsche Deserteur Cornelius in den Garten des alten Mannes, der ihn daraufhin aufnimmt. Als Dank gibt Cornelius seinem Kajan Klavierstunden und weckt in ihm eine Leidenschaft, die ihn bis an sein Lebensende begleiten und an die verschiedensten Orte der Welt bringen wird.

Mann, was für ein Buch. Wenn man mir vor dem Lesen gesagt hätte, dass ich danach so begeistert wäre, hätte ich es bestimmt nicht geglaubt - jetzt bin ich mir ziemlich sicher, dass es sich um eines meiner Jahresfavoriten handelt. Die Geschichte ist unheimlich spannend erzählt. Es passiert so unheimlich viel - und ich denke, man könnte dem Autor vorwerfen, dass er es manchmal zu actionreich und vielleicht auch ein bisschen unrealistisch macht, aber mich hat das irgendwie überhaupt nicht gestört. Man fiebert einfach unheimlich mit Kajan, seiner Familie und den zahlreichen Nebencharakteren mit.

Tatsächlich habe ich mich immer mal an Amor Towles erinnert. Meta schafft es, die teilweise doch recht komplexe Geschichte sehr kohärent zu erzählen, ohne Fäden zu verlieren und bringt auf erstaunliche Weise immer wieder Elemente aus vorherigen Teilen der Story zurück. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal laut beim Lesen eines Buchs gejubelt habe, aber hier war es definitiv der Fall - das Wort "Epos" trifft den Inhalt einfach irgendwie am besten.

Meiner Meinung nach greift der Klappentext (und irgendwie viele Rezensionen, die ich gelesen habe) viel zu viel der Handlung voraus. Ich finde, je weniger man über die Geschichte weiß, desto mehr wird man von ihr und den oft überraschenden Wendungen und Kniffen begeistert sein.

Ihr seht, ich war von diesem Buch schwer begeistert. Wie schade, dass noch nicht so viel darüber gesprochen wird - das muss sich ändern!

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Veröffentlicht am 23.03.2023

Damit hätte ich nicht gerechnet

Immer am Meer entlang
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Paul und Josi eint, dass sie beide in umgebauten Gefährten für ein Jahr die europäischen Küsten entdecken wollen - doch bis auf diesen Fakt könnten die beiden kaum unterschiedlicher sein. Während Josi ...

Paul und Josi eint, dass sie beide in umgebauten Gefährten für ein Jahr die europäischen Küsten entdecken wollen - doch bis auf diesen Fakt könnten die beiden kaum unterschiedlicher sein. Während Josi nämlich seit Jahren kontrolliert auf diesen Trip spart und alles genaustens geplant hat, ist für Paul diese Reise eine spontane Reaktion auf eine Quarter-Life-Crisis, die er mit seinem großzügigen Gehalt relativ spontan unternehmen konnte. Immer wieder treffen die beiden aufeinander und obwohl die gegensätzlichen Charaktere sich immer wieder aneinander reiben, sprühen irgendwann die Funken.

Ich bin ganz ehrlich: Als ich mit dieser Lektüre angefangen habe, hätte ich nicht gedacht, dass ich am Ende so davon begeistert sein würde. Ein Beweis mehr, dass man nicht immer alle Genrebücher über einen Kamm scheren kann und nicht alle Liebesromane nach dem gleichen Schema geschrieben sind.

Die große Stärke des Buches ist sicherlich der Roadtrip-Charakter. Man hat am Ende einfach total Lust, selbst mal wieder an die Küste zu fahren (und das sage ich als jemand, der sonst nicht so der Riesenfan vom Meer ist). Die Reiseziele werden einfach super ausdrücklich beschrieben, gleichzeitig werden aber auch die Nachteile des Vanlifes angebracht. Und während Selbstfindung sicherlich eines der zentralen Themen des Buches ist, hatte ich nie das Gefühl, dass es irgendwie in dieses typische Blabla abdriftet, das bei solchen Geschichten leider öfters auftaucht. Allgemein gefiel mir sehr gut, dass die Liebesbeziehung nicht das einzige war, was die Protagonisten umgetrieben hat und dass manchmal einfach nur die Reise weiterging, ohne zu viel über die Liebe zu schwafeln.

Auch sonst spricht die Autorin zwischenzeitlich ein paar spannende Themen, zum Beispiel die Sicherheit beim Alleinreisen von Frauen an. Interessant fand ich auch, dass die männlichen Figuren hier mal weichere Seiten zeigen durften, allen voran ein alleinerziehender Vater als Nebenfigur, der die Care-Arbeit auch mal wirklich nicht auf irgendwelche weiblichen Familienmitglieder abwälzt.

Natürlich könnte man dem Buch vorwerfen, dass es gerade gegen Ende etwas kitschig wird und dass es auch etwas vorhersehbar ist, aber ich denke, das wäre bei dem Genre irgendwie ungerecht. Von mir bekommt "Immer am Meer entlang" daher wohlverdiente 5 Sterne und eine dicke Empfehlung für die Urlaubslektüre!

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Veröffentlicht am 11.03.2023

So viel zu erzählen auf nur knapp 200 Seiten

Ruhm und Verbrechen des Hoodie Rosen
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Hoodie hat in seinen fünfzehn Lebensjahren bisher kaum Erfahrungen außerhalb seiner jüdisch-orthodoxen Gemeinde gemacht - bis er auf Anne-Marie trifft. Sie entspricht so gar nicht den Vorstellungen seiner ...

Hoodie hat in seinen fünfzehn Lebensjahren bisher kaum Erfahrungen außerhalb seiner jüdisch-orthodoxen Gemeinde gemacht - bis er auf Anne-Marie trifft. Sie entspricht so gar nicht den Vorstellungen seiner Kultur und zu allem Übel ist sie die Tochter der Bürgermeisterin, die sich mit seiner Gemeinde einen harten Kampf um ein Wohnprojekt liefert. Trotzdem verliebt Hoodie sich in sie, was so einige Wellen in seiner Welt auslöst.

"Ruhm und Verbrechen des Hoodie Rosen" hat mich wirklich überrascht. Ich hatte mit einem netten Jugendroman gerechnet, der sich vor allem mit Antisemitismus befasst, aber es ist so viel mehr. Auch Generationenkonflikte, das Erwachsenwerden und Traumata werden hier angesprochen - eine Themendichte, die bei knapp 200 Seiten wirklich erstaunlich ist. Dabei bekommt man aber nie das Gefühl, dass die Geschichte überladen ist oder zu viel will.

Besonders gut gefiel mir, was für einen guten Einblick der Autor in die jüdisch-orthodoxe Kultur gibt. Wir lernen Hoodies doch sehr spezielle Welt, deren Bräuche und auch ein paar Vokabeln der jiddischen und hebräischen Sprachen kennen. Dabei merkt man, dass der Autor Respekt vor dieser Lebensweise hat, zeigt aber trotzdem problematische Aspekte in ihr auf - sicherlich ein Spagat, der gar nicht so einfach ist.

Ich denke, gerade die Kürze des Buches kann so manchen Lesemuffel vielleicht zum Griff zu dieser Lektüre überzeugen. Von mir bekommt Hoodie Rosen fünf wohlverdiente Sterne und eine dicke Empfehlung!

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Veröffentlicht am 11.03.2023

Die Geister, die ich nicht rief

Dead Romantics
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Florence hat eine Gabe, die sie persönlich eher als einen Fluch ansieht: Sie kann mit Geistern reden, die alle auf der Erde noch etwas erledigen müssen. Nach einer unangenehmen Geistergeschichte in der ...

Florence hat eine Gabe, die sie persönlich eher als einen Fluch ansieht: Sie kann mit Geistern reden, die alle auf der Erde noch etwas erledigen müssen. Nach einer unangenehmen Geistergeschichte in der Schulzeit ist sie von ihrer Heimatstadt nach New York geflüchtet, wo sie nun als Ghostwriterin der erfolgreichen Romance-Autorin Ann Nichols tätig ist - und das obwohl sie der Liebe eigentlich abgeschworen hat. Nun muss sie doch notgedrungen in ihre Heimat zurückkehren, während ihr Lektor Ben versucht, sie davon zu überzeugen, wieder an die Liebe zu glauben.

"Dead Romantics" hat eine Menge Ebenen. Wir bekommen Einblicke in das Verlagswesen, aber auch in die Bestattungsindustrie, wir haben es mit Geistern zu, leichte Mystery-Elemente sind auch vorhanden und natürlich gibt es jede Menge Romantik (mit ein paar leicht expliziten Sexszenen). Ich kann mir gut vorstellen, dass das manchen vielleicht zu viel wird, und auch ich war am Anfang etwas überwältigt von der Fülle an interessanten Aspekten der Story. Doch für mich wurde die Geschichte so einzigartig und entpuppte sich als überraschend schönes Leseerlebnis!

Gut gefallen hat mir auch, dass die romantische Beziehung nicht das einzige und auch nicht das Hauptthema des Buches ist. Für mich ging es hier vor allem um Familie, Trauerbewältigung und Verarbeitung unserer Vergangenheit. Die Autorin schafft eine wunderbare Welt mit interessanten Nebencharakteren und interessanten Kniffen, die vielleicht nicht total unvorhersehbar und oft auch etwas kitschig sind, aber trotzdem dafür sorgen, dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann.

Ich glaube, "Dead Romantics" ist nichts für jeden, aber wer mal eine etwas andere Romance-Story lesen möchte, wird mit diesem Buch sicher ganz viel Freude haben!

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Veröffentlicht am 09.03.2023

Interessante Familienaufarbeitung

Nackt in die DDR. Mein Urgroßonkel Willi Sitte und was die ganze Geschichte mit mir zu tun hat
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Der Untertitel des Buches sagt eigentlich schon so ziemlich alles, was man über "Nackt in die DDR" inhaltlich wissen muss. Der Autor, Urgroßneffe des bekannten DDR-Malers Willi Sitte macht sich auf Spurensuche ...

Der Untertitel des Buches sagt eigentlich schon so ziemlich alles, was man über "Nackt in die DDR" inhaltlich wissen muss. Der Autor, Urgroßneffe des bekannten DDR-Malers Willi Sitte macht sich auf Spurensuche in der Familiengeschichte, nachdem seine Großmutter ein privates Gemälde des Künstlers herauskramt. So bekommen wir nicht nur eine Biografie des zur DDR oft zwiegespalten eingestellten Sitte, sondern lernen auch andere interessante Persönlichkeiten der Familie sowie Zeitgenossen und ihre Werdegänge kennen.

Normalerweise lese ich eigentlich nur Biografien von Menschen, die ich kenne, und da ich mich eigentlich auch nicht sonderlich für Kunst interessiere, lag das Buch nicht wirklich in meinem Beuteschema. Doch der bereits erwähnte Untertitel catchte mich und nach einer kurzen Leseprobe war ich von der Thematik begeistert.

Ich habe ungefähr dasselbe Alter wie der Autor und auch ich bin Ostdeutschland aufgewachsen, so ziemlich meine ganze Familie waren irgendwann mal DDR-Bürger. Tatsächlich stelle auch ich mir in letzter Zeit häufiger die Frage, ob und wenn ja wie sich die ganze Geschichte auf mein Leben ausgewirkt hat, und Aron Broks erforscht dieses Thema auf ganz spannende Weise. Willi Sitte und seine Einstellung zur DDR war für mich tatsächlich ein überraschend interessantes Thema, und tatsächlich konnte ich hier auch Parallelen zu den Menschen in meinem Umfeld finden. Nebenbei lernt man natürlich auch sehr viel über Kunst und künstlerisches Schaffen in der DDR, ein Thema was sicherlich auch nicht genug Aufmerksamkeit bekommt. Seit vergangenem Jahr bin ich ständig auf der Suche nach ostdeutschen Autor*innen, die mir einen differenzierten Blick auf unsere Menschen und unsere Geschichte geben können und Aron Broks hat sich definitiv in die Liste meiner Neuentdeckungen eingereiht.

Einziges Manko: Ich hätte es sehr schön gefunden, wenn es von den besprochenen Bildern irgendwie kleine Abbildungen gegeben hätte. Da ich aber verstehe, dass das vom Druck her sicher schwer geworden wäre, gibt es da keinen Abzug. Trotzdem empfehle ich beim Lesen ab und zu mal Willi Sitte und seine Zeitgenossen zu googeln, um ein bisschen ein besseres Verständnis für die Kunst zu bekommen.

Ich bin mir sicher, dass das Buch nichts für jeden ist und definitiv eine recht enge Zielgruppe hat. Für mich kam das Buch jedoch genau zur rechten Zeit und konnte mir tolle Denkanstöße geben.

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