Profilbild von Bavaria123

Bavaria123

Lesejury Profi
offline

Bavaria123 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Bavaria123 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.09.2023

Halt dien Muul, du oole Hex!

Als wir an Wunder glaubten
0

Auf dem Buchcover steht ein stolzer schwarz weißer Hahn. Hähne gelten im Volksglauben als Symbol für Wachsamkeit und Kampfeslust. Er erinnert die Christen daran, sich vor dem Bösen in Acht zu nehmen. So ...

Auf dem Buchcover steht ein stolzer schwarz weißer Hahn. Hähne gelten im Volksglauben als Symbol für Wachsamkeit und Kampfeslust. Er erinnert die Christen daran, sich vor dem Bösen in Acht zu nehmen. So passt er hervorragend zu der Geschichte, die Helga Bürster in "Als wir an Wunder glaubten" erzählt.

Die Autorin nimmt uns mit, in das norddeutsche abgeschieden im Moor liegende Dorf Unnenmoor, in die Zeit kurz nach dem 2. Weltkrieg. Die Männer sind tot oder verschollen, die Frauen sind allein mit Haus, Hof und Kind. Von diesen Frauen lernen wir unter anderem Anni und Edith und einen Teil ihrer Geschichten kennen.

Der Roman ist ausgesprochen atmosphärisch geschrieben, man merkt, dass die Autorin das Leben auf dem norddeutschen Land kennt. Sie beschreibt die Szenen sehr bildhaft, charakterisiert die Personen deutlich. Was mir sehr gefällt, als Mädchen aus einem niedersächsischen Dorf, sind die eingestreuten plattdeutschen Dialoge.

Helga Bürster berichtet von den Kriegstraumen, Hexen, Wunderheilern, Geistern und Armut. Von Aberglaube und übler Nachrede. Man fühlt förmlich die Hoffnungslosigkeit und die Suche nach Orientierung.

Ich habe das Buch sehr gern gelesen, auch wenn es an manchen Stellen recht düster war. Es war vor allem aber auch spannend und letztlich auch Hoffnung machend. So vergebe ich gerne 5 Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.09.2023

Der Sohn von niemanden erzählt

Ich, Sperling
0

Das Cover gefällt mir sehr gut, vielleicht weil ich gerade das Mosaiken für mich als Hobby gefunden habe. Ein schönes Blau, mit einem Vogel und die goldene Schrift. Und wenn man genau hinschaut, sieht ...

Das Cover gefällt mir sehr gut, vielleicht weil ich gerade das Mosaiken für mich als Hobby gefunden habe. Ein schönes Blau, mit einem Vogel und die goldene Schrift. Und wenn man genau hinschaut, sieht man die Schlange. Will sie den Vogel fressen?

"Ich, Sperling", diesen Titel trägt das neue 598 Seiten starke Buch von James Hynes.

Der Autor nimmt uns mit in das 4. Jahrhundert nach Christi, in das spanische Carthago Nova. Und diese Reise ist eine in vielerlei Hinsicht gewaltige Reise.

Ein alter Mann, der sich Jakob nennt, erzählt von seinem Leben. Er beginnt seine Erinnerungen in einer halbdunklen, heißen Küche eines Bordells, wo er als kleiner Junge auf einer rissigen Steinplatte sitzt. Schon bei den ersten Schilderungen wird einem bewusst, dass es hart und ruppig zugehen wird in seinem Dasein.

Der eigentlich namenlose Junge steht in der Hierarchie weit unten, noch unter den männlichen und weiblichen Sklaven.

Die Geschichte ist heftig, teilweise wirklich grausam. So, wie die Menschheit teilweise grausam war und auch noch ist.
Dabei ist der Schreibstil von James Hynes klar, ausgesprochen bildhaft und in den Bann ziehend. Ich konnte das Buch kaum aus den Händen legen.

Dass der Autor viel und gut recherchiert hat, merkt man sehr schnell. Auch wenn es ein fiktiver Roman ist, so hat er die Zeit und die Personen absolut glaubhaft dargestellt.

Das Buch ist brutal, tiefsinnig, leider in einigen Aspekten auch immer noch aktuell. Ich empfehle es mit allen 5 Sternen, wenn auch mit dem Hinweis, dass es sicher nichts für schwache Nerven oder schlechte Zeiten ist.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.08.2023

Ein Märchen vom Suchen und Finden

Paradise Garden
0

Das Cover passt. Zum einen zum Diogenes Verlag, zum anderen zu der Geschichte.

Genau so habe ich mir dann die 14jährige Protagonistin Billie, die eigentlich den Namen Erzsébet trägt, beim Lesen vorgestellt. ...

Das Cover passt. Zum einen zum Diogenes Verlag, zum anderen zu der Geschichte.

Genau so habe ich mir dann die 14jährige Protagonistin Billie, die eigentlich den Namen Erzsébet trägt, beim Lesen vorgestellt. Sie verliert früh - viel zu früh - ihre Mutter Marika durch einen schrecklichen Unfall. Nach diesem Verlust und einem nicht gewollten Zusammenleben mit ihrer ungarischen Großmutter macht Billie sich auf die Suche um ihren unbekannten Vater zu finden.

Elena Fischer hat mich schon mit den ersten Seiten in den Bann gezogen. Das Zusammenleben von Billie und Marika ist einprägsam geschrieben. Die Mutter ist ausgesprochen liebevoll, fantasiereich und bereitet ihrer Tochter auch ohne viel Geld ein schönes Leben. So können sie sich am Anfang des Monats einen Eisbecher namens "Paradise Garden" leisten, am Ende reicht es trotz zwei Jobs dann nur noch zu Nudeln mit Ketchup und viel Hingabe.

Die Schilderung der Gefühlswelt der jungen Tochter nach dem Tod ihrer Mutter kann ich bestens nachempfinden. Meine Mutter verstarb, als ich 10 Jahre jung war und die Gedanken am Sarg kommen meinen von damals sehr nah.

Als sich Billie dann auf den Weg macht, um ihren Vater zu suchen wandelt sich der Roman zu einem Märchen, was aber nicht stört, wenn man sich darauf einlassen kann. Wenn ich auch das lange Autofahren, unbemerkt sogar an den Tankstellen, ziemlich unrealistisch finde.

In nicht zu langen Kapiteln erzählt Elena Fischer eine Geschichte voller Wendungen. Der Schreibstil ist dabei emotional, bildreich und umgangssprachlich.

Ich empfehle dieses Buch gerne mit allen fünf Sternen als Sommerbuch 2023, wobei es sehr viel besser ist, als das momentane Sommerwetter.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.07.2023

Drei Schwestern und ihre Eltern

Elternhaus
0

Ute Mank ... ja, das ist für mich keine unbekannte Autorin. Vor zwei Jahren habe ich ihr Werk "Wildtriebe" gelesen und es zwischenzeitlich auch schon mehrfach verschenkt.

Nun liegt mit "Elternhaus" also ...

Ute Mank ... ja, das ist für mich keine unbekannte Autorin. Vor zwei Jahren habe ich ihr Werk "Wildtriebe" gelesen und es zwischenzeitlich auch schon mehrfach verschenkt.

Nun liegt mit "Elternhaus" also ihr zweiter Roman vor. Und ich habe mich so richtig darauf gefreut.

Das Cover ist nicht so schön, wie das der "Wildtriebe", aber es passt schon recht gut zur Geschichte.

Drei Schwestern und ihre nun gebrechlicher werdenden Eltern sind die wesentlichen Figuren. Sanne, Petra und Gitti stehen sich eh schon nicht mehr sehr nah, wie wird es dann erst sein, wenn sie sich entscheiden müssen, wie es mit Vater und Mutter, aber auch mit deren Haus weiter geht?

Ute Mank hat ein zeitloses, lebensnahes Problem für dieses Buch gewählt. Sehr vielen von uns wird es eines Tages treffen.
Die Autorin beschreibt das Verhältnis der Schwestern untereinander und zu den Eltern ausgesprochen lebensnah. Keine Person wirkt konstruiert. Auch die Gefühle und die Beziehungen untereinander sind absolut realistisch dargestellt. In nicht wenigen Familien werden Dinge verdrängt, nicht angesprochen und schon gar nicht verarbeitet.

Ich bin sehr schnell, sehr tief in den Roman getaucht. Ich kenne das gebrechlicher Werden der Eltern und den Verlust von sogar zwei Elternhäuser. Und in so manch einer Szene habe ich letztendlich auch an mich und meine Schwester gedacht.

Mir hat das Buch richtig gut gefallen. Es ist sprachlich authentisch und auch liebevoll. Und wenn man sich auf diesen Roman einlassen kann, wird man mit einem tollen Leseerlebnis belohnt, das noch eine ganz Zeit nachhallt.

Ich empfehle "Elternhaus" gern mit 5 Sternen.


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.03.2023

Begegnung im Brombeerhain

Morgen und für immer
0

Der Brombeerzweig auf dem Cover ist schlicht, aber schön und hat mich neugierig gemacht. Welche zarte oder eher dornige Geschichte mag sich dahinter verbergen?

Es ist die Geschichte von Kajan Dervishi ...

Der Brombeerzweig auf dem Cover ist schlicht, aber schön und hat mich neugierig gemacht. Welche zarte oder eher dornige Geschichte mag sich dahinter verbergen?

Es ist die Geschichte von Kajan Dervishi und sie beginnt im Winter 1943 in Albanien. Dort im Bergdorf Rragam lebt Kajan bei seinem Großvater, seine Eltern sind in den Partisanenkrieg gezogen. Der deutsche Deserteur Cornelius bringt Kajan das Klavierspielen bei und dem Bauernjungen gelingt es, damit zu einem großartigen Pianisten heran zu reifen. Er verliebt sich ausgerechnet in Elizabeta, die Tochter eines Regimekritikers. Das kann Kajans Mutter Sadie nicht ertragen, und schafft es, das Paar zu trennen.
Das bedeutet für Kajan eine Flucht über die DDR, nach Westberlin und schließlich nach Amerika.

Das Buch beginnt schon traurig und zugleich aktuell, als sich Kajan mit seinem Großvater über den Krieg unterhält und dieser sagt: " Der Krieg entsteht zuerst in einigen wenigen Köpfen, dann in vielen Köpfen, von den Köpfen wandert er in die Hände und Beine und von dort in die Augen. Und dort, in den Augen bleibt er, auch nachdem er vorbei ist. Halte dich vom Krieg fern, Kajan, sieh nie hin, der Krieg ist furchtbar."

Ermal Meta, selbst 1981 in Albanien geboren, hat einen bewegenden Debütroman, der sich in sechs Teile gliedert, geschrieben. Er lässt seine Leserschaft an schönen und glücklichen Momenten teilhaben. Aber da gibt es viel mehr auch die tragischen, qualvollen und kaum zu ertragenden Szenen.
Durch den empathischen Schreibstil, der durchaus auch seiner Karriere als Musiker und Songwriter geschuldet sein darf, nimmt man direkt teil und ist tief in das Geschehen gezogen.
Die Personen sind detailreich und lebhaft. Zusammen mit Kajan habe ich gelitten und auch geweint.
Und ich habe viel gelernt über Albanien, diesen Staat auf der Balkanhalbinsel, dessen Historie mir bisher nicht so bekannt war. Aber ich wurde immer wieder dazu gebracht, manche Ereignisse nach zu recherchieren.

Mich hat das Buch sehr bewegt und es wird noch eine ganze Zeit Nachhall finden. Ich empfehle es mit allen 5 Sternen eigentlich jedem und jeder Erwachsenen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere