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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.10.2023

Packend und handwerklich geschickt erzählt, Highlight!

Wo auch immer ihr seid
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Inhalt:
Kiều verliert an Weihnachten ihre Oma, an die sie sich kaum erinnern kann, schliesslich hat ihr Vater seit fünfzehn Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Familie. Dann aber reist Kiều mit ihren ...

Inhalt:
Kiều verliert an Weihnachten ihre Oma, an die sie sich kaum erinnern kann, schliesslich hat ihr Vater seit fünfzehn Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Familie. Dann aber reist Kiều mit ihren Eltern zu ihrem Onkel Sơn nach Kalifornien, wo sich die ganze Familie zur Testamentseröffnung treffen soll. Während sie noch mit ihrer eigenen Beziehung hadert, wird sie mit einer seltsam fremden und zugleich vertrauten Welt konfrontiert, in der sie sich zuerst zurechtfinden muss, bevor sie ihre Familie erneut kennenlernen kann.

Meine Meinung:
Ich bin sehr froh, dieses Buch in der Bibliothek gefunden zu haben, so hat nämlich mein Lesemonat gleich mit einem Highlight gestartet. Khuê Phạms (autofiktional verzerrte) Familiengeschichte, ihre liebevolle und genau beobachtende Erzählweise und die differenzierte und sehr berührende Auseinandersetzung mit sich selber hat mich begeistert. Das Buch habe ich in wenigen Tagen verschlungen und dabei hatte ich stets das Gefühl, mit am Esstisch, im Flieger oder im Zimmer zu sitzen und hautnah miterleben zu dürfen, wie eine Familie nach so vielen Jahren zusammenfindet, sich neu organisieren muss, und dabei zugleich von gefühlt unüberwindbaren Grenzen voneinander getrennt und trotzdem auch irgendwie vereint ist.

Schreibstil und Aufbau:
In einem ersten Erzählstrang erleben wir die in Berlin lebende Kiều, welche kaum Vietnamesisch spricht und vor fünfzehn Jahren zuletzt in Vietnam war und schliesslich mit ihren Eltern nach Kalifornien reist, wo sie sich zuerst im ganzen Chaos der Kulturen zurechtfinden muss. Anhand des zweiten Erzählstrangs, der Geschichte der Jugendjahre von Kiềus Vater Minh, der während des Vietnamkriegs von seiner Familie nach Deutschland geschickt wird, um Medizin zu studieren, lernen wir etwas über eine in Deutschland mit der kommunistischen Partei sympathisierende Studierendenorganisation. Während Minh realisiert, welche unterschiedliche Kriegspropaganda kursiert, wird es für ihn immer schwieriger, die Erzählungen seiner in Vietnam verbliebenen Familie einzuordnen. In einem dritten Erzählstrang begleiten wir Minhs Bruder Sơn während seiner Flucht von Saigon nach Kalifornien.
Es hat mich beeindruckt, wie Phạm diese durchaus komplexen historischen Hintergründe absolut gekonnt in ihren Roman einbaut. So oft lesen wir Berichte aus einer amerikanischen Perspektive auf diesen furchtbaren, so lange andauernden Krieg. Aber Khuê Phạm gibt ihrer vietnamesischen Familie eine Stimme und lässt tief in eine nachhaltig traumatisierte Gesellschaft blicken.

Meine Empfehlung:
Ich bin voller Lob für diesen Roman, der äusserst komplexe historische Hintergründe aber auch Themen wie Herkunft, Rassismus und Zugehörigkeit so vielschichtig und packend erzählt. Dieses Buch ist wirklich eine Entdeckung für mich und ich empfehle es euch allen weiter.

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Veröffentlicht am 27.07.2023

Sehr berührend und mit feinsinnigem Humor erzählt

Nur ein einziger Tanz
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Inhalt:
Nach dem Tod ihrer Mutter und an einem schwierigen Punkt in ihrer Beziehung sorgt ein Brief aus den Niederlanden dafür, dass Rike Kehrmann auf den Spuren einer tragischen Liebesgeschichte nach ...

Inhalt:
Nach dem Tod ihrer Mutter und an einem schwierigen Punkt in ihrer Beziehung sorgt ein Brief aus den Niederlanden dafür, dass Rike Kehrmann auf den Spuren einer tragischen Liebesgeschichte nach Amsterdam reist. Dort trifft sie Hendrik Rhee, die ehemalige grosse Liebe ihrer Mutter und bemerkt, dass sie erst einige Dinge in ihrem Leben ordnen muss, bevor sie nach vorne schauen und mit ihrer Vergangenheit Frieden schliessen kann.

Meine Meinung:
Auf dieses Buch von Hermien Stellmacher habe ich mich schon lange gefreut, weil ich ihre Erzählsprache sehr, sehr gerne mag und weil die Entstehungsgeschichte dieses Romans so spannend ist. Stellmacher hat nämlich ganz etwas ähnliches erlebt, wie ihre Protagonistin Rike Kehrmann: nach dem Tod ihrer Mutter hat sie einen Brief einer damaligen Freundin ihrer Mutter bekommen und sich daraufhin auf eine spannende und emotionale Spurensuche gemacht. Davon hat sie bei Instagram berichtet und mich mit diesem Erlebnisbericht sofort neugierig gemacht.
Es hat mir sehr gefallen, wie gekonnt sie ihre persönliche Erfahrung mit ganz viel Zartheit, Humor und natürlich Fantasie zu einer ruhigen, bewegenden und lange nachhallenden Geschichte gesponnen hat. Vor allem die sehr realistische und selbstbestimmte Entwicklung ihrer Protagonistin hat mir sehr gut gefallen.

Schreibstil und Aufbau:
Stellmacher beschreibt ihre Figuren äusserst vielschichtig und mitten aus dem Leben gegriffen. Hendriks WG würde ich zu gerne besuchen und mit der fröhlichen Runde einen Kaffee trinken oder das Tanzbein schwingen und auch Rike würde ich gerne kennenlernen. Besonders beeindruckt hat mich, dass dieses Buch äusserst ruhig und poetisch erzählt ist und über einen feinsinnigen Humor verfügt. Freundschaft, Liebe und das Vermissen aber auch Vergebung und Neuanfänge spielen eine grosse Rolle in der Geschichte.
Einige überraschende Wendungen sorgen für eine ganz spannende Entwicklung der Protagonistin, die mich tief beeindruckt haben. Ausserdem haben die Beschreibungen von Amsterdam den Wunsch in mir geweckt, wieder einmal in diese spannende Stadt zu reisen und die Beschreibungen der kulinarischen Genüsse haben mich immer wieder hungrig gemacht, wie ich mir das von Hermien Stellmachers Geschichten gewohnt bin.

Meine Empfehlung:
Einmal mehr hat Hermien Stellmacher mich mit einem Roman begeistert, der ganz ohne Schnickschnack und mit um so mehr Gefühl und Klugheit auskommt. Die berührende, poetisch erzählte Geschichte mit den liebevoll skizzierten Figuren lege ich euch sehr ans Herz und wünsche dem Buch viele weitere Leser*innen.

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Veröffentlicht am 27.05.2023

Ein wichtiges, erschütterndes Buch

Secondhand-Zeit
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Inhalt:
Dieses Buch ist eine tiefschürfende Reportage und beinhaltet Interwiews - Monologe - und einen ausführlichen Anhang. Es kommen Menschen zu Wort, welche die Sowjetunion und den Zerfall der Sowjetunion ...

Inhalt:
Dieses Buch ist eine tiefschürfende Reportage und beinhaltet Interwiews - Monologe - und einen ausführlichen Anhang. Es kommen Menschen zu Wort, welche die Sowjetunion und den Zerfall der Sowjetunion miterlebt haben und welche teilweise durch die Hölle gehen mussten, aber überlebt haben und nun erzählen können, was ihnen widerfahren ist.

Meine Meinung:
Vor allem während meines Bachelorstudiums (2011-2014) habe ich mich intensivst mit Komponist*innen der damaligen Sowjetunion (wenn auch zwar vor allem Georgiens) beschäftigt und das Thema hat mich nie wieder losgelassen. HIER habe ich dazu auch etwas geschrieben. Deshalb hat mir eine damalige Kommilitonin 2014 "Secondhand-Zeit" geschenkt. Ich habe sofort mit dem Lesen begonnen, das Buch aber dann wieder zur Seite gelegt. Der Reportageband hat es nämlich definitiv in sich. Nicht nur wirken die Texte oft schwerfällig und sogar teilweise wirr, sondern sind vor allem die Inhalte nichts für leichte Nerven. Die Nobelpreisträgerin Alexijewitsch hat nämlich mit zahlreichen Menschen Interviews geführt, respektive bei gemeinsamen Gesprächen ein Band mitlaufen lassen. Wir lesen also teilweise sehr lange, abgehackte, von der Autorin unkommentierte Monologe von Menschen, die in der Sowjetunion geboren worden sind und Revolutionen, Unterdrückung, Krieg und Folter erlebt haben. Die erlebt haben, wie Widerstände niedergeknüppelt, Verwandte in nassen Särgen zurückgebracht, Kinder an die Front gegangen und gefestigte Überzeugungen sowie der Glauben an das Gute im Menschen in den Grundfesten erschüttert worden sind.
Nach dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine habe ich das Buch wieder hervorgeholt und nun vor wenigen Tagen beendet. Es hat mich immer wieder zutiefst bewegt und ich musste zahlreiche Lesepausen einlegen. Teilweise, um den Inhalt sacken zu lassen, teilweise auch, um ein paar Ereignisse zu recherchieren. Das Buch fordert, da es wenige Informationen, sondern fast ausschliesslich Erfahrungsberichte beinhaltet. Es ist aber genau deshalb ein enorm wichtiges und starkes Buch, weil es betroffene Menschen zu Wort kommen lässt und lange nachhallt.

Meine Empfehlung:
"Secondhand-Zeit" ist ein enorm wichtiges Buch, ein Buch, das warnt, hinsieht, zu Wort kommen lässt. Aber auch ein Buch, das schmerzt und aufwühlt und für das ich sämtliche mögliche Triggerwarnungen aussprechen muss.

Veröffentlicht am 30.03.2023

Ein Herzensbuch

Kummer aller Art
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Inhalt:
Liebeskummer, Schlaflosigkeit, grosse Träume, leise Wünsche, laute Schritte, Hundespaziergänge, Nachbarschaftsliebe, Zwänge, Ängste, Fürsorge, Sehnsucht, Abschied, Glück... In 39 herzerwärmenden ...

Inhalt:
Liebeskummer, Schlaflosigkeit, grosse Träume, leise Wünsche, laute Schritte, Hundespaziergänge, Nachbarschaftsliebe, Zwänge, Ängste, Fürsorge, Sehnsucht, Abschied, Glück... In 39 herzerwärmenden Texten - ursprünglich für die "Psychologie heute" geschriebene Kolumnen, die Leky eigens für dieses Buch überarbeitet hat - nähert sich Leky in humorvoller, tröstlicher und genau beobachtender Art allen grossen und kleinen Gefühlen und Alltäglichkeiten der Menschheit hat. Wiederkehrende und liebevoll skizzierte Figuren wie die Nachbarin Frau Wiese, der Nachbar Herr Pohl mit seinem Hund Lori oder auch der Onkel Ulrich sorgen dafür, dass man sich beim Lesen immer willkommener und umsorgter fühlt.

Meine Meinung:
Von Mariana Leky habe ich bereits "Was man von hier aus sehen kann" (der Film lohnt sich übrigens auch sehr) sowie "Liebesperlen" gelesen und geliebt. In "Kummer aller Art" zeigt die Autorin, dass sie auch in den kürzesten Texten ganz grosse Geschichten und Gefühle erzählen kann. Obwohl die meisten ihrer Figuren grossen und kleinen Kummer mit sich herumtragen, ist da doch so viel Platz für Liebe, Freundschaft und Trost. Genauestens beobachtend und gewohnt poetisch erzählend nähert sich Leky dem Kummer ihrer Figuren an und zeigt auf kluge und kurzweilige Art, dass es in Ordnung ist, stets Kummer mit sich herumzutragen oder dass man dem Kummer manchmal ein Schnippchen schlagen kann oder dass er manchmal kleiner wird, wenn man ihn teilt oder einfach lange genug wartet. Diese Buch ist eine literarische Umarmung, ein buchiges "Kopf hoch" und eine Erinnerung an die schönen zwischenmenschlichen Begegnungen in unserem Leben.
Mariana Leky ist eine begnadete Erzählerin, die unglaublisch schöne literarische Bilder zeichnet und deren besondere Spezialität die Beschreibungen von Menschen sind. Egal, wie sonderlich eine Figur scheint, Leky nähert sich ihr stets auf wohlwollende, achtsame, respektvolle Weise und dies berührt mich stets bis ins Innerste.

Meine Empfehlung:
Ich möchte dieses Buch am liebsten allen Menschen in meinem Umfeld schenken, die es gerade nicht so leicht haben oder einfach generell allen Menschen. Ich hätte gerne noch sehr viele weitere Kummer-Erzählungen gelesen und empfehle euch dieses Herzensbuch sehr gerne weiter.

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Veröffentlicht am 27.03.2023

Spannend, eindringlich und trotzdem sehr humorvoll erzählt

Laienspiel
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Inhalt:
Kommissar Kluftiger kann sich vor Herausforderungen kaum retten. Er steckt mitten in den Endproben für die grosse Freilichtspiel-Inszenierung des "Wilhelm Tell", Erika Kluftinger hat ihn und das ...

Inhalt:
Kommissar Kluftiger kann sich vor Herausforderungen kaum retten. Er steckt mitten in den Endproben für die grosse Freilichtspiel-Inszenierung des "Wilhelm Tell", Erika Kluftinger hat ihn und das Ehepaar Langhammer zu einem Tanzkurs angemeldet, bei dem Klufti Doktor Langhammer ungewollt nahe kommt, der Umzug in neue Büroräumlichkeiten steht unmittelbar bevor und österreichische Ermittler bringen einen brisanten Fall ins Allgäu, der das BKA auf den Plan ruft, mit Terroristen ist schliesslich nicht zu spassen...

Meine Meinung:
Kommissar Kluftinger und das Autorenduo Klüpfel-Kobr laufen in diesem Krimi definitiv zu Höchstleistungen auf. Nicht nur ist dieser Kluftinger der in meinen Augen bisher unterhaltsamste Teil der Reihe, der Fall ist auch äusserst klug und spannend erzählt. Nicht selten ist es unser grummeliger Liebslingskommissar, der entscheidende Hinweise liefert und die richtigen Fragen stellt, der aber auch immer wieder für grosse Erheiterung sorgt. Kluftinger wird Teil einer Sonderermittlungstruppe, die von Faruk Yildrim, Terrorexperte des BKA, geleitet wird. Nicht nur wird die diffuse Bedrohung durch einen Terroranschlag im Allgäu äusserst realistisch thematisiert, auch unterschiedliche Vorurteile gegenüber Religionen und spannende Diskussionen zwischen Klufti und Yildrim sorgen für Tiefgang. Spannend finde ich, dass Kluftinger einerseits kein Fettnäpfchen auslässt und dass vor allem durch sein Unverständnis gegenüber der moderndsten Technik auch einiges an Situationskomik entsteht, dass aber andererseits auch immer Platz für leise, nachdenkliche Töne ist. Was geschieht, wenn plötzlich unschuldige Bürgerinnen und Bürger durch anonyme Drohungen gefährdet sind, was es mit den Menschen macht, wenn plötzlich alles und alle ein potenzielles Ziel darstellen, wird dabei eindringlich gezeigt. Vor allem das Ende des Krimis hat es mir diesbezüglich angetan und ich bin schon sehr neugierig auf weitere spannende Fälle aus dem Allgäu.

Meine Empfehlung:
Ganz ehrlich: dieser vierte Teil der Kluftinger-Reihe hat mich bis jetzt am besten unterhalten. So lustig (und trotzdem nicht plump) war Klufti noch nie und der Fall hat es ebenfalls in sich und ist klug und packend aufgebaut. Von mir gibt es eine sehr herzliche Leseempfehlung.

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