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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.03.2023

Erinnerungen an eine unbekannte Heimat

Rendsburg
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Oft beginnt man erst in der Ferne, sich für die Besonderheiten seiner Heimat zu interessieren. Neulich war es dann soweit, als ich beim Stöbern auf Bücher über die Stadt Rendsburg gestoßen bin.

Dieses ...

Oft beginnt man erst in der Ferne, sich für die Besonderheiten seiner Heimat zu interessieren. Neulich war es dann soweit, als ich beim Stöbern auf Bücher über die Stadt Rendsburg gestoßen bin.

Dieses Büchlein ist eher ein kleiner Bildband, aber es macht sehr viel Spaß durchzublättern und die Bilder zu entschlüsseln. Es ist erstaunlich wie wenig man seine Heimat wiedererkennt, wenn man einen Bildausschnitt von 100-130 Jahre früher zu Gesicht bekommt. Warum habe ich mich früher nicht mehr für meine Stadt interessiert, die auch in meiner Kindheit und Jugend so viel sichtbares Erbe seiner mittelalterlichen Vergangenheit aufwies?

Veröffentlicht am 29.03.2023

Urbane Evolution

Darwin in der Stadt Die rasante Evolution der Tiere im Großstadtdschungel
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Der Mensch hat sich im Laufe seiner Existenz auf diesem Planeten so viel weiterentwickelt, dass er als der Meister der Ökosystem-Ingenieure bezeichnet werden kann, als ein Lebewesen, das seine Umwelt zu ...

Der Mensch hat sich im Laufe seiner Existenz auf diesem Planeten so viel weiterentwickelt, dass er als der Meister der Ökosystem-Ingenieure bezeichnet werden kann, als ein Lebewesen, das seine Umwelt zu seinen Gunsten verändert. Biber, die Dämme bauen, sind ebenfalls Öko-Ingenieure. Ihre Veränderungen der Umwelt sind jedoch verhältnismäßig klein im Gegensatz zu denen der Menschen.

Im Jahr 2050 werden laut Prognosen der Vereinten Nationen zwei Drittel aller Menschen in Städten mit einer Einwohnerzahl über einer Millionen oder mehr wohnen. Und wir sind nicht allein.
Die Verstädterung des Menschen hat auch Tiere angezogen, und damit tun sich für Biologen neue Forschungsfelder auf. „Darwin in der Stadt“ beschäftigt sich mit der urbanen Evolution, eine genetische Anpassung der Tiere in unserem städtischen Umfeld. Glaubte Darwin zur Erstveröffentlichung seines berühmtesten Werks, der „Entstehung der Arten“ noch, dass die Evolution einer Art eine lange Zeitspanne in Anspruch nimmt, war er sich bei Auflagen späterer Jahre selbst davon überzeugt, dass Arten auch in kürzeren Zeitabständen evolvieren. Die Themenfelder, die Menno Schilthuizen daher anspricht und vor allem auch belegt, sind unglaublich interessant. Durch dieses Buch werde ich wahrscheinlich mein ganzes restliches Leben beim Betrachten von Tauben daran denken, dass diese deshalb eine so dunkle Gefiederfarbe haben, weil sie auf Dächern u.ä. aufgenommene Schwermetalle aus ihren Körpern in die Federn auslagern.
Die Evolution derselben Art folgt in Städten anderen Regeln als auf dem Land, und Schilthuizen beleuchtet in seinem Buch an verschiedensten Arten, dass dies nicht nur bei einer oder zweien, sondern bei einer Vielzahl – ob Flora oder Fauna – zu beobachten ist.

Dieses Buch zu lesen war eine interessante Reise durch meine städtische Umgebung, die ich jetzt teilweise mit anderen Augen betrachten werde. Wer sich für Biologie oder Evolution interessiert, wird hier sicher noch einmal mit neuen Ansätzen versorgt!

Veröffentlicht am 29.03.2023

Dieses Buch sollte Pflichtlektüre an amerikanischen Schulen werden!

Wie du mich siehst
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Der Klappentext lässt ein dramatisches Leseerlebnis über ein kompliziertes Leben bereits erahnen. Wirf zusätzlich eine komplizierte Liebe in den Mix, und du rennst genauso schnell wie ich durch diesen ...

Der Klappentext lässt ein dramatisches Leseerlebnis über ein kompliziertes Leben bereits erahnen. Wirf zusätzlich eine komplizierte Liebe in den Mix, und du rennst genauso schnell wie ich durch diesen Jugendroman!

Shirin ist 16, Muslima und mit ihrer Familie schon schon dutzende Male umgezogen, war an so vielen verschiedenen Schulen, dass sie all die Vorurteile gar nicht mehr zählen kann, denen sie ausgesetzt war.
Im Laufe der Jahre hat sie sich ein dickes Fell zugelegt. Unter ihrem Kopftuch hört sie selbst im Unterricht die meiste Zeit Musik, um damit die Menschen um sie herum auszublenden. Sie schaut niemanden an, versucht unsichtbar zu sein und ist doch immer wieder Zielscheibe für rassistische und anderweitig beleidigende Zurufe.
Im Biologieunterricht wird Ocean ihr Projektpartner, und er entwickelt ein Interesse an Shirin, das ihr Angst macht, denn sie empfindet genauso für ihn. Sie weiß mit all den demütigenden Erfahrungen ihres bisherigen Lebens aber auch, dass Ocean nicht auf das vorbereitet ist, was passiert, wenn sie zulässt, dass sie sich gegenseitig in ihr Leben lassen.

Man kann nur erahnen wie es für muslimische Menschen nach dem 11. September in den USA gewesen sein muss. Das ist keine Erfahrung, die man machen möchte! Das Buch bringt einem den Fremdenhass ziemlich nahe, und ich habe oft Wut gegenüber den Mitschülern von Shirin empfunden, die sie so gequält haben. Es war für mich ein Buch, das unter die Haut ging, und wie gesagt, ich habe es überraschend schnell durchgelesen. Tahereh Mafis Geschichte um die Highschool-Schülerin Shirin sollte Pflichtlektüre an amerikanischen Schulen werden!

Veröffentlicht am 29.03.2023

Barry Jonsberg entwickelt sich zu einem meiner Lieblingsautoren!

Was so in mir steckt
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„Was so in mir steckt“... Ja, was steckt denn in Rob Fitzgerald? Rob ist ein sehr schüchterner 13-Jähriger, der sich verliebt hat. Er ist wirklich zurückgezogen und hat eigentlich nur einen Freund, wenn ...

„Was so in mir steckt“... Ja, was steckt denn in Rob Fitzgerald? Rob ist ein sehr schüchterner 13-Jähriger, der sich verliebt hat. Er ist wirklich zurückgezogen und hat eigentlich nur einen Freund, wenn man seine Eltern und seinen liebenswert-verrückten Großvater nicht mit dazu zählt. Ein häufiger Begleiter sind allerdings auch die Panikattacken.

Rob hofft auf Ratschläge seiner Eltern und seines Freundes Andrew, um das Mädchen seines Herzens zu beeindrucken. Andrew schlägt Rob sportliche Aktivitäten vor, die Rob zunächst zögerlich annimmt, mithilfe seines Kumpels aber über alle Erwartungen hinaus meistert. Sein Opa schlägt ihm Vegetarismus zu, und auch wenn Rob immernoch das Wasser im Mund zusammenläuft beim Anblick eines leckeren Steaks, wird er zum Aktivisten. Seltsamerweise erhält Rob SMS von einer unbekannten Nummer, die ihn mit gestellten Herausforderungen dazu ermuntern selbstbewusster zu werden und so seine Identität zu finden. Seine Angebetete wird durch Robs Aktionen auf ihn aufmerksam, jedoch ist dies tatsächlich längst nicht mehr so wichtig. Rob findet zu sich selbst, und während der Schulfeier am Ende des Jahres gibt es eine Überraschung für alle (inklusive den Leser!).


Ich möchte nicht zu viel spoilern, aber dieser Coming-of-Age-Roman ist sehr lesenswert und die sich offenbarenden Themen des Buches nicht nur für Jugendliche interessant.

Schien es zunächst so, als plätschere die Geschichte so dahin, ergibt alles irgendwann einen Sinn, dass es einem wie Tomaten von den Augen fällt. Barry Jonsberg hat mich schon mit „Das Blubbern von Glück“ beeindruckt, und „Was so in mir steckt“ hat mich jetzt dazu veranlasst auch weitere seiner noch lieferbaren Bücher lesen zu wollen (sind schon bestellt!).

Veröffentlicht am 29.03.2023

Schreiben ohne Druck

Leben, schreiben, atmen
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Den Namen Doris Dörrie verbinde ich nach wie vor in erster Instanz mit einem ganz großen deutsch-japanischen Filmerlebnis, „Kirschblüten – Hanami“. Der Film hat, als ich ihn vor über zehn Jahren das erste ...

Den Namen Doris Dörrie verbinde ich nach wie vor in erster Instanz mit einem ganz großen deutsch-japanischen Filmerlebnis, „Kirschblüten – Hanami“. Der Film hat, als ich ihn vor über zehn Jahren das erste Mal sah, einen tiefen Eindruck in mir hinterlassen. Als ihr Name dann beim Betreten der Buchhandlung aus der Bestsellerliste meinen Augenwinkel streifte, konnte ich dem Impuls nicht widerstehen und hab ein Exemplar erstanden.


Es liest sich flüssig weg, und nach einer kurzen Einleitung folgt Dörrie ihrer eigenen Einladung und beginnt zu schreiben. Ich könnte mir gut vorstellen, dass sie das Buch sogar in einem Rutsch durchgeschrieben hat, denn die erschriebenen Gedanken und Erinnerungen wirken wie aus einem einzigen Guss. Jeder der Episoden, die der Einleitung folgen, hängt eine kurze Inspiration an, ein paar Vorschläge über was und wie man schreiben kann. Und dann schreibt sie auch direkt weiter. Das Buch scheint sehr persönlich, es offenbart Teile von Dörries Leben und zeigt wie viel man beim Schreiben von sich selbst in die entstehenden Zeilen steckt. Normalerweise kein Anhänger von Kurzgeschichten, hat es mich sehr erstaunt wie schnell mich Dörrie innerhalb der ersten Zeilen einfangen und für ihre jeweilige Geschichte abholen konnte. Auch wenn ich selbst nicht direkt losgeschrieben habe, so fand ich mich während der kurzen Anleitungen nach ihren Stories immer wieder auch gedanklich in meiner eigenen Vergangenheit, bis ich umblätterte und die nächste Geschichte verschlang.


Es gibt sicher bessere Anleitungen zum kreativen Schreiben, Dörries Buch ist meines Erachtens hingegen vor allem ein schönes Beispiel davon, was dabei herauskommen kann, wenn man einfach mal losschreibt. Besonders macht dieses Buch, dass Dörrie dem Akt des Schreibens unmittelbar den Druck nimmt ein perfektes Produkt schaffen zu wollen. Sie stellt das Schreiben dem Atmen und Leben nebenan, und so ist das Schreiben ein Nebenprodukt; die Geschichten befinden sich durch das verlebte Leben schon in unseren Köpfen, wir müssten sie nur herausbekommen ohne den Anspruch zu haben, dass es erfolgreich sein muss. Sie propagiert Schreiben um des Schreibens willen und nimmt so manchem Unentschlossenen sicher damit einigen Erfolgsdruck.