Ein Mann erblindet von jetzt auf gleich, während er im Auto an der Ampel auf grünes Signal wartet. Passanten helfen dem Mann in die nächstgelegene Augenheilpraxis, wo sich der Arzt dem Fall annimmt und den blinden Patienten untersucht. Er kann die Ursache nicht feststellen und findet den Fall höchst ungewöhnlich. Der Blinde unterdessen muss heimgeschickt werden, da man gegenwärtig nichts für ihn tun kann. Der Augenarzt, ganz verblüfft von dem Fall, konsultiert abends Daheim seine Bücher auf der Suche nach einer Lösung für das Problem des spontan Erblindeten. Während er liest, wird er von derselben Blindheit erfasst.
Weitere Fälle der Spontanerblindung werden überall in der Stadt bekannt. Die epedemische Erblindung wird überall bald das Weiße Übel genannt. Anders als bei der uns bekannten Blindheit sehen die Betroffenen im Buch ein grelles Weiß vor Augen. Die Regierung beschließt die Erkrankten und jene, die im Verdacht stehen sich ebenfalls infiziert zu haben, auch wenn sie noch nicht erblindet sind, in einem ehemaligen Sanatorium zu internieren.
Der Augenarzt verständigt die Regierung, seine Frau bringt ihn zur Internierung. Mit den Worten, sie sei auch in diesem Moment erblindet, wird auch die Frau des Augenarztes in das Sanatorium gebracht. Sie offenbart ihrem Mann, dass sie weiterhin sehen kann aber es für sie keine Option war ihn alleine zu lassen. Als Leser betrachtet man das Geschehen fortan durch ihre Augen; es sind die einzigen, die noch sehen können.
In den kommenden Wochen füllt sich das Internierungslager, der Platz wird rar und die vom Militär für die Blinden bereitgestellten Rationen reichen bald längst nicht mehr für diejenigen in der Unterbringung. Jene knappen Rationen werden von einer Gruppe niederträchtiger Blinder beschlagnahmt, sobald sie eintreffen, und sie verlangen Bezahlung im Gegenzug für das Essen. Die erblindeten Menschen verlernen das Menschsein, wer nicht jemanden kennt, betrachtet ihn misstrauisch und feindselig, jeder ist sich selbst der Nächste. In all dem Chaos versucht die Frau des Arztes einen Überblick und vor allem einen Rest an Menschlichkeit zu bewahren. Als sie durch eine Konfrontation mit der niederträchtigen Gruppe Blinder herausfinden, dass auch außerhalb der Internierungsanstalt die Stadt vom Weißen Übel heimgesucht wurde, macht sich die Frau mit ihrem Mann und einer kleinen Gruppe Blinder, die in den ersten Tagen der Epedemie interniert wurden, auf den Weg durch die erblindete und verwüstete Stadt.
„Die Stadt der Blinden“ ist eine außergewöhnliche Geschichte, die für mich sogar dystopische Züge hatte. Es hatte etwas von einer Zombieapokalypse, nur dass die Zombies in diesem Buch noch im Besitz ihrer kognitiven Fähigkeiten waren. Während des Lesens hatte ich oft das Gefühl, dass es umso schlimmer ist Menschen zu begegnen, die einander nicht mehr helfen und ihre Menschlichkeit verlieren, als von hirnlosen Zombiehorden zu lesen. Das Buch setzt an der Menschlichkeit des Lesers an und schafft es Mitgefühl aus ihm zu ziehen, obwohl es so unpersönlich ist; denn die Figuren im Buch werden nur beschrieben, nie benannt. So gibt es eine Person, die nur „die Frau mit der dunklen Brille“ genannt wird oder ein anderer als „der erste Blinde“. Auch gibt es keine Wörtliche Rede, die Sätze fallen durcheinander und man fragt sich manchmal, wer sie geäußert hat und ob nach einem Komma ein anderer weiterspricht oder noch dieselbe Person. Eine wirklich interessante Geschichte!