Erschreckend realistische Dystopie
Institut für gute MütterNur 2 Stunden hat Frida ihre Tochter Harriet allein gelassen, doch die Nachbarn melden sie der Kinderschutzbehörde. Harriet wird ihr entzogen, lebt von nun an beim Vater und seiner neuen Frau und Frida ...
Nur 2 Stunden hat Frida ihre Tochter Harriet allein gelassen, doch die Nachbarn melden sie der Kinderschutzbehörde. Harriet wird ihr entzogen, lebt von nun an beim Vater und seiner neuen Frau und Frida wird verurteilt. Nur, wenn sie sich bereit erklärt, an einem 1-jährigen Trainingsprogramm teilzunehmen, bekommt sie möglicherweise ihr Kind zurück. Und so zieht sie mit anderen Frauen in ein altes College, wo Demütigungen und Schuldzuweisungen von nun an ihre täglichen Begleiter sein sollen.
„Institut für gute Mütter“ ist der Debütroman der Autorin Jessamine Chan und wurde von Friederike Hofert aus dem Englischen übersetzt. Erzählt wird, zumeist chronologisch, aus der Sicht der Protagonistin Frida in der dritten Person und der Gegenwartsform. Hin und wieder springt die Handlung aber auch in die Vergangenheit zurück und beleuchtet wichtige Wendepunkte in Fridas Leben. Wo wäre sie heute ohne die Scheidung? Wäre sie eine bessere Mutter geworden, wenn ihre eigene etwas mehr Zuneigung zu ihr gezeigt hätte? Hätte sie bessere Chancen, wenn sie nicht die Tochter chinesischer Einwanderer wäre?
Obwohl es sich um eine Dystopie handelt, erscheint alles sehr realitätsnah und im Bereich des Möglichen. Im Trainingszentrum entwickeln sich zwischen den Frauen schnell Allianzen, aber auch Feindschaften. Manche haben sich nur Kleinigkeiten zu schulden kommen lassen, andere ihre Kinder misshandelt und eingesperrt. So oder so ist der Umgang mit den Frauen erschreckend, sie sollen umerzogen werden, wie Maschinen funktionieren und sich mit Sätzen wie „Ich bin eine schlechte Mutter, aber ich lerne, eine gute zu sein“ selbst erniedrigen.
Bleibt der Erfolg aus, werden die Frauen bestraft – was umso wütender macht, wenn wir im erfahren, wie vergleichsweise locker es im Camp für die Väter zugeht. Geübt wird stets an erschreckend echt wirkenden Roboterkindern, die im Aussehen und Alter dem eigenen Kind gleichen. Sie können Schmerzen fühlen und echte Emotionen empfinden – eine Tatsache, die noch eine neue thematische Dimension hinzufügen: Dürfen wir so mit Maschinen umgehen, nur weil sie nicht, wie wir, menschlich sind?