Profilbild von Herbstrose

Herbstrose

Lesejury Star
offline

Herbstrose ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Herbstrose über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.01.2024

Kreuzberger Provinzklamauk

Wiener Straße
0

Berlin-Kreuzberg, im November 1980: In die freie Wohnung über dem Café Einfall zieht eine 4er-WG ein, die bisherigen Untermieter von Erwin Kächele, Frank Lehmann, Kächeles Nichte Chrissie und die beiden ...

Berlin-Kreuzberg, im November 1980: In die freie Wohnung über dem Café Einfall zieht eine 4er-WG ein, die bisherigen Untermieter von Erwin Kächele, Frank Lehmann, Kächeles Nichte Chrissie und die beiden Möchtegernkünstler Karl Schmidt und H.R.Ledigt. Ein Nachbar renoviert die Wohnung, Frank übernimmt das Putzen im Café, Chrissie bekommt einen Job hinter der Theke und die beiden Künstler arbeiten an ihren Werken für die große Kunstausstellung „Haut der Stadt“, dessen Kurator Wiemer sich in Chrissies Mutter Kerstin verguckt hat. Das Fernsehen kommt auch in die Wiener Straße. Sie wollen in dem von P.Immel, seinem Kumpel Kacki und der österreichischen Arsch-Art-Gruppe besetzten Haus filmen. Als dann noch ein Kontaktbereichsbeamter, der einen abgesägten Alleebaum sucht, erscheint, kommt Unruhe in der Straße auf …

Sven Regener, geb. 1961 in Bremen, ist ein deutscher Schriftsteller, Drehbuchautor und Musiker, der hauptsächlich durch seine Romane der „Lehmann-Serie“ bekannt wurde. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Berlin-Prenzlauer Berg.

Durch begeisterte Presseberichte wurde ich auf den Autor und das Buch aufmerksam, doch leider konnte es meine Erwartungen nicht erfüllen. Humor und Witz suchte ich in der Geschichte vergeblich, allenfalls etwas Situationskomik blitzte dann und wann durch. Warum ein Autor seinen Protagonisten Namen wie P.Immel oder Kacki gibt und eine Gruppe Arsch-Art und eine Band Dr. Votz nennt, ist mir unerklärlich. Ist das der viel gepriesene Humor? Lobenswert ist allenfalls der Einfallsreichtum Regeners, dem es gelungen ist, die absurdesten Szenen in Slapstick-Manier in die Geschichte einzubauen. Aber ein abgewirtschaftetes Café, ein ehemaliger Intimfriseurladen, ein besetztes Haus, eine Kettensäge, ein abgesägter Baum und ein paar schräge Typen machen noch lange keinen guten Roman.

Fazit: Etwas Situationskomik, ansonsten Klamauk und Albernheiten - für mich enttäuschend.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.03.2023

Der andere Bruder

Brüderchen
0

In einem Bergdorf in den Cevennen wird ein Baby geboren. Nach einem bereits 9jährigen Jungen und einem 7jährigen Mädchen ist es das dritte Kind der Familie. Ein hübscher Junge mit dunkelbraunem Haar und ...

In einem Bergdorf in den Cevennen wird ein Baby geboren. Nach einem bereits 9jährigen Jungen und einem 7jährigen Mädchen ist es das dritte Kind der Familie. Ein hübscher Junge mit dunkelbraunem Haar und schwarzen Augen, wie die geladenen Freunde und Nachbarn einstimmig feststellen. Drei Monate später fiel den Eltern auf, dass das Kind nur still dalag, ohne zu brabbeln und ohne sich zu bewegen und seine dunklen Augen blickten ins Leere – das Kind war blind, ein regloser Körper mit offenen Augen. Wie werden die Eltern mit diesem Schicksalsschlag umgehen und wie reagieren die Geschwister auf das mehrfach behinderte Brüderchen?

Clara Dupont-Monod, geb. 1973 in Paris, ist eine französische Schriftstellerin und Journalistin, die beim Radiosender France Inter eine eigene Literatursendung hat. Sie schreibt und veröffentlicht seit 1998. Für „Brüderchen“, das im französischen Original 2021 unter dem Titel „S’adapter“ erschienen ist und lange auf den dortigen Bestsellerlisten stand, erhielt die Autorin neben dem Prix Femina auch den Prix Goncourt des Lycéens.

Mit großen Erwartungen begann ich mit dem Lesen dieses Buches. Die Geschichte eines Kindes, das behindert zur Welt kommt, musste mal erzählt werden. Ich erwartete vom Schmerz der Eltern und ihren Umgang damit zu erfahren, doch davon ist wenig die Rede. Stattdessen schreibt die Autorin über das Verhältnis und die Gefühle der Geschwister zu dem behinderten Kind, die für mein Empfinden doch sehr seltsam sind. Ja selbst ein viele Jahre später geborenes viertes Kind der Familie redet in seinen Gedanken mit dem bereits verstorbenen behinderten Geschwisterchen, das es nie kennen gelernt hat. Die Geschichte wird neutral und emotionslos erzählt, und zwar von den Steinen (!) am Weg und in der Mauer des Anwesens! Eine wörtliche Rede sucht man vergebens, selbst die Namen der beteiligten Personen werden in diesem Roman nie genannt, stattdessen liest man vom „großen Bruder“, von „der Schwester“ und vom „Nachgeborenen“. Das behinderte Kind selbst wird nur „das Kind“ genannt.

Die im Voraus zu lesenden Lobeshymnen kann ich nicht verstehen. Das Buch bekommt von mir 2 wohlwollende ** dafür, dass das Thema Behinderung endlich einmal Einzug in die Literatur gefunden hat (ich hatte bisher noch nichts darüber gelesen). Die Umsetzung ging jedoch leider für mein Empfinden völlig daneben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.12.2022

Viel Lokalkolorit – wenig Krimi

Aufblattelt
0

Zunächst möchte ich bemerken, dass ich die Österreicher sehr mag und schätze und selbst nahe der österreichischen Grenze wohne. Was mir jedoch hier aufgetischt wurde, war eindeutig zu viel des Guten. Der ...

Zunächst möchte ich bemerken, dass ich die Österreicher sehr mag und schätze und selbst nahe der österreichischen Grenze wohne. Was mir jedoch hier aufgetischt wurde, war eindeutig zu viel des Guten. Der ganze Text wimmelt von speziellen österreichischen (burgenländischen?) Phrasen, Werbung für heimische Produkte und seltsamen Gebräuchen, die selbst mir als Süddeutsche fremd waren. Einige der Redensarten werden zwar übersetzt bzw. eingedeutscht, aber leider erst mehrere Seiten später, was beim Lesen auf dem eReader äußerst umständlich ist.

Die Handlung zieht sich zäh dahin, von Krimi ist erst ab etwa der Hälfte des Buches etwas zu merken, ausschweifende Erklärungen über Wald, Wild und Pflanzen überwiegen. Nicht nur typisch burgenländische Speisen werden erwähnt, sondern auch Orte, Lokale und Hintergründe genannt, die kaum jemand nennenswert findet und die man wohl nie besuchen wird. Für Österreicher bzw. Burgenländer mag das Buch sehr interessant sein, können sie doch anhand der ausführlichen Beschreibungen die Gegend besuchen, für alle anderen ist es einfach nur ermüdend. Es gibt zwar einige Tote - ob Unfall, Selbstmord oder Mord bleibt lange unklar – und die örtliche Polizei (die aus einem Mann und einer Frau besteht) bemüht sich auch redlich um Aufklärung. Der Schluss wartet dann mit einer Überraschung auf, die die Geschichte noch recht spannend macht, die aber nach meinem Empfinden nicht zu dem zuvor geschilderten Charakter der betreffenden Person passen will.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.03.2022

Seinen Gedanken kann man nicht entfliehen …

Das Vorkommnis
0

„Wir haben übrigens denselben Vater.“ Dieser flüchtig dahin gesprochene Satz, den eine Unbekannte einer Autorin im Anschluss einer Lesung aus ihrem neuen Roman sagt, stellt ihr Leben und ihre Gedankenwelt ...

„Wir haben übrigens denselben Vater.“ Dieser flüchtig dahin gesprochene Satz, den eine Unbekannte einer Autorin im Anschluss einer Lesung aus ihrem neuen Roman sagt, stellt ihr Leben und ihre Gedankenwelt auf den Kopf. Plötzlich zweifelt sie an ihrem bisherigen Dasein, stellt das Familiengefüge infrage und reflektiert über Gegenwart und Vergangenheit. Als sie bald darauf mit ihren beiden Kindern und ihrer Mutter für einige Zeit in den USA lebt versucht sie ihr Verhältnis zu ihrem Vater zu analysieren, die Beziehung zu ihrem Mann zu klären und ihre Rolle als Mutter zu überdenken. Ihre Gedankengänge werden dabei immer wirrer …

Die Autorin Julia Schoch wurde 1974 in Bad Saarow geboren und lebt heute als Übersetzerin und freie Schriftstellerin mit ihrem Mann und zwei Kindern in Potsdam. Für ihre Werke erhielt sie bereits zahlreiche Auszeichnungen und stand einige Male auf Platz 1 der SWR-Bestenliste.

„Das Vorkommnis“ ist, wie die Autorin selbst sagt, ein autofiktionaler Roman mit dem Untertitel „Biographie einer Frau“. Das Vorkommnis ereignet sich gleich am Anfang und weckte in mir große Hoffnungen auf eine spannende, oder zumindest interessante Geschichte. Doch leider wurde ich enttäuscht. In vielen kurzen Kapiteln macht sich die Protagonisten ihre Gedanken und stellt ihr bisheriges Leben auf den Prüfstand. Ziemlich wirr springt sie dabei hin und her, von der Gegenwart in die Vergangenheit und fügt dazwischen auch einige Blicke in die Zukunft ein. Sie grübelt nach über ihre Familie, ihre Ehe und ihre Mutterschaft, doch niemand wird dabei namentlich genannt. Selbst ihre Kinder erwähnt sie nur als „das ältere Kind“ und „das jüngere Kind“. Die Probleme, die sie immer und immer wieder anspricht, sind in meinen Augen banal und ihre Gedanken dazu belanglos, so dass ich mich in die Denkweise der Autorin bzw. Protagonistin nicht einfühlen konnte. Als störend und den Lesefluss hemmend empfand ich auch die vielen in Klammern eingefügten Erklärungen und Nebensätze. Aus den genannten Gründen interessieren mich auch die beiden geplanten Fortsetzungen nicht.

Fazit: Ein Buch, das ich mit großen Erwartungen begonnen hatte, zu dem ich aber letztendlich keinen Bezug fand.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.02.2022

Der Weg war das Ziel …

Gehen, ohne je den Gipfel zu besteigen
0

Zu seinem 40. Geburtstag erfüllte sich der italienische Schriftsteller Paolo Cognetti den lange gehegten Wunsch, eine 4wöchige Trekkingtour in die Dolpo-Region im Himalaya, im Grenzgebiet zwischen Tibet ...

Zu seinem 40. Geburtstag erfüllte sich der italienische Schriftsteller Paolo Cognetti den lange gehegten Wunsch, eine 4wöchige Trekkingtour in die Dolpo-Region im Himalaya, im Grenzgebiet zwischen Tibet und Nepal. In Begleitung seiner beiden Freunde Nicola und Remigio, im Rucksack das Buch Auf der Spur des Schneeleoparden von Peter Matthiessen, der diese Tour etwa 40 Jahre zuvor gegangen war, schlossen sie sich einer Reisegruppe aus den Alpen an. Mit zwölf Einheimischen, die für Zelte, Ausrüstung und Proviant verantwortlich waren und fünfundzwanzig Maultieren, auf denen das Gepäck verstaut wurde, begab sich die 10köpfige Gruppe im Oktober 2017 von Kathmandu aus auf eine Tour, die sie über Fünftausender-Pässe, vorbei an buddhistischen Klöstern und Yak-Herden, in die abgeschiedensten Gegenden führen wird.

In Optik und Haptik macht das kleine Buch jedenfalls was her und wirkt sehr edel. Bereits der Titel „Gehen, ohne je den Gipfel zu besteigen“ lässt erahnen, dass es dem Autor bei dieser Trekkingtour um spirituelle Erfahrungen geht. Immer wieder vergleicht er sich mit Peter Matthiessen und zieht dessen Buch zurate. Dabei bleiben leider Gespräche und zwischenmenschliche Begegnungen mit seinen Freunden im Hintergrund, während der Autor sich ganz auf die Landschaft, auf die Tier- und Pflanzenwelt, und auf Skizzen des Gesehenen konzentriert. Dennoch hat mich das Buch nicht gepackt. Ich konnte weder die Erhabenheit der Berge, noch die Strapazen der Wanderer oder die Sinnsuche Cognettis wirklich erkennen, was wohl an der doch recht ‚flachen‘ Schreibweise liegen mag.

Fazit: Ein Buch, das mich inhaltlich nicht begeistern konnte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere