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Brüderchen – Clara Dupont-Monod
Was passiert mit einer Familie, wenn ein behindertes, ein besonderes Kind hineingeboren wird? Von einem Tag auf den anderen ist nichts mehr wie es mal war. Beziehungen verändern ...
Brüderchen – Clara Dupont-Monod
Was passiert mit einer Familie, wenn ein behindertes, ein besonderes Kind hineingeboren wird? Von einem Tag auf den anderen ist nichts mehr wie es mal war. Beziehungen verändern sich, Familienmitglieder leiden auf verschiedenste Art und Weise. Genau diese Verschiebungen im so fragilen wie gleichzeitig so robusten Familiengefüge sind das Thema dieses bemerkenswerten Romans.
Mich persönlich hat diese Geschichte sehr berührt. Mit Beziehungen in der Familie kennt sich jeder aus. Es ist etwas, das uns ausmacht, das selbstverständlich ist. Dazu kommt, dass die Figuren dieses Romans keine Namen tragen. Keiner von ihnen. Es gibt Mutter und Vater, den großen Bruder, die Schwester und natürlich das Brüderchen. Ich hätte es wohl nicht für möglich gehalten, aber gerade dieses „Namenlose“ scheint dem Leser die Familie noch näher zu bringen. In diese bestehende, gut funktionierende vierköpfige Familie wird also nun ein Kind hineingeboren, das anders ist. Es wird niemals laufen, sprechen lernen. Klar, im ersten Moment dominieren Schmerz und Trauer bei den Eltern. Den Geschwistern wird die Bedeutung erst nach und nach klar werden.
Es ist faszinierend und bedrückend zugleich, wie die einzelnen Familienmitglieder leiden und versuchen mit der Situation zurecht zu kommen. Denn das ist ganz unterschiedlich. Geprägt werden sie durch die Behinderung des Brüderchens jedoch alle, die Geschwister bis hinein in ihr eigenes Erwachsenenleben. Gut, dass die Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet wird. Ganz besonders erwähnenswert und absolut genial finde ich jedoch die Erzählperspektive aus der Sicht der Steine in den Mauern am Hof der Familie. Wohlwollend und doch mit etwas Distanz berichten sie von dem Geschehen am Hof in den französischen Cevennen. Nicht nur die Steine, auch die Menschen, die auf dem Hof leben sind sehr naturbezogen. So gibt es auch immer wieder tolle Beschreibungen der Natur in den Bergen. Wirklich absolute Klasse!
„Die Berge machten seekrank. Auf dem Hof fühlte es sich manchmal so an, als wäre man von gigantischen, in der Bewegung erstarrten Wellen umgeben, auf denen grüne Gischt schäumte. Wenn Wind aufkam und an den Bäumen rüttelte, hörte man ein Meeresrauschen. Dann erinnerte der Hof an eine sturmumtoste Insel.“
Eine Sprache, die so knapp und klar, beinahe lapidar erzählt und doch beinahe poetisch und auf den Punkt die großen Themen unseres Lebens behandelt. Jeder Satz ist eine Wucht. So erschafft die Autorin auf gerade mal 176 Seiten ein extrem berührendes, kraftvolles Werk über eine Familie, die mit einem Schicksalsschlag fertig werden muss. Die dabei immer wieder scheitert, jedoch niemals aufgibt.
Ein Werk, das mich absolut begeistert zurücklässt. Großartig! 5 Sterne.