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Lust_auf_literatur

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.05.2023

Unterhaltsames Lesehighlight am Puls der Zeit

Nur eine weitere Geschichte
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„Elektrisierend, zutiefst beunruhigend und so zufriedenstellend.“ so der Blurb von Meg Mason auf dem Klappentext.
Ich bin elektrisiert und zufrieden gestellt.
Aufgeregt und sehr gut unterhalten würde ...

„Elektrisierend, zutiefst beunruhigend und so zufriedenstellend.“ so der Blurb von Meg Mason auf dem Klappentext.
Ich bin elektrisiert und zufrieden gestellt.
Aufgeregt und sehr gut unterhalten würde ich noch hinzufügen.

Dieser außergewöhnliche Debütroman der australischen Schriftstellerin Jaqueline Maley hat mich sehr begeistert! Die Kurzbeschreibung führte mich minimal in die Irre, den die darin beschrieben Handlung nimmt gar nicht so viel Raum innerhalb der Gesamthandlung ein. Es ist eben nur eine weitere Geschichte.

Im Herzen dieses Romans steht für mich die alleinerziehende Mutter Suzy, die sich als toughe Journalistin durch ihr Leben struggelt. Auf Grund einer ihrer Enthüllungsstories hat sich eine Bloggerin umgebracht, deren Fake-Krebserkrankung sie geoutet hatte.
Der Shitstorm lässt nicht auf sich warten und auch noch ein Jahr später verfolgen sie Drohbriefe und Anfeindungen.
Auch ansonsten ist Suzy Leben, mit spießbürgerlichen Augen gesehen, chaotisch. Eine Affäre mit ihrem verheirateten Zeitungsboss und parallel ein Sex-Ding mit einem jüngeren Künstler sorgen für emotionale Ablenkung. Ihre vierjährige Tochter betreut sie liebevoll, der Vater des Kindes hat sich aus dem Staub gemacht.
Beruflich, privat und finanziell geht es nach der Bloggerinnen Sache steil bergab und dann taucht irgendwann auch noch die trauernde und wütende Mutter der Bloggerin bei ihr auf und will ihr die wahre Geschichte ihrer Tochter erzählen…

Abgesehen davon, dass es großartige und gesellschaftskritische Unterhaltung ist, mochte ich an Maleys Roman besonders diese unglaubliche Modernität und Aktualität ihrer Geschichte. Ihre Figur Suzy, und auch die Bloggerinnen Mutter Jan, wirken auf mich wahnsinnig authentisch in ihrer Komplexität und bieten eine große Identifikationsfläche für mich als Leser*in. Maley beschreibt die Widersprüchlichkeiten von Muttergefühlen, von Wut, von Verlangen und Scham, von Schuld und dem eigenen Versagen. Das holt mich emotional einfach direkt ab und gefällt mir beim Lesen richtig gut.
Sexistische und misogyne Strukturen thematisiert Maley im Vorbeigehen, stellt aber den Pragmatismus ihrer Figur Suzy, damit umzugehen immer in den Vordergrund.

Ja und auch das Ende gefällt mir richtig gut, denn letztendlich war auch der Roman nur eine weitere Geschichte aus einem Leben, das danach noch ohne uns weitergehen wird.

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Veröffentlicht am 12.04.2023

Ein großartiger Bergsteigerroman mit Tiefgang!

Der unendliche Gipfel
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Ich bin sehr, sehr, sehr begeistert!
In diesem Roman fand ich die volle Magie der Literatur für mich in perfekter Kombination: ein komplettes Abtauchen aus dem Alltag in ein spannendes Abenteuer und gleichzeitig ...

Ich bin sehr, sehr, sehr begeistert!
In diesem Roman fand ich die volle Magie der Literatur für mich in perfekter Kombination: ein komplettes Abtauchen aus dem Alltag in ein spannendes Abenteuer und gleichzeitig eine tiefe Reflexion über das, was uns Menschen antreibt und ausmacht!

Wie der Titel schon suggeriert, hat der Niederländer Heijmans hier einen Bergsteigerroman geschrieben. Sein ebenfalls niederländischer Protagonist Walter Welzenbach beginnt während des Studiums mit seinem Freund Lenny mit dem Klettern und bald besteigen die beiden ihre ersten Berge. Das Bergfieber wird zum Mittelpunkt von Walters Leben aber auch letztendlich seine Einsamkeit.
Dann am Berg kämpft jeder für sich alleine.

Heijmans Roman hat stellenweise den Charakter eines spannenden Abenteuerromans. Er beschreibt Kletter- und Bergsteigerszenen so authentisch und nervenaufreibend, dass ich googeln musste, ob Figur und Autor nicht doch etwa ein und die selber Person sind.
Das Rahmengerüst der Erzählung ist Walters einsame und quälende Besteigung seines letzten Gipfels. Zwischendurch streut Heijman Rückblicke aus Walters Erinnerung an die Freundschaft mit Lenny ein und an vergangene Bergabenteuer. Zusätzlich finden sich Reminiszenzen an bekannte Bersteigerlegenden, was mich ganz besonders freut. Sie sind alle da: Kurz, Bonatti, Mallory, Rutkiewicz, Messner, Krakauer und viele mehr, deren Geschichten und Schicksale mich schon lange faszinieren.

Unter der Oberfläche des Abenteuersszenarios stellt Heijman große Fragen. Fragen nach Freiheit und Verantwortung, nach Freundschaft und der Einsamkeit. Die Frage, ob der Mensch im innersten Kern doch immer alleine ist?
Eine eindeutige Antwort gibt Heijman nicht, er zeigt aber wie verletzlich, klein und verloren wir sein können angesichts der Größe der Berge und des Lebens.
Und so blättere auch ich verloren und emotional die letzten Seiten um und doch erfüllt von der Kraft dieser Wahnsinnsgeschichte!

Eine fette Empfehlung für euch und ein Muss für Liebhaber:innen von Bergabenteuern. Ein echtes Highlight!

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Veröffentlicht am 30.03.2023

Lesenswert und spannend. Ein dystopische Gesellschaftskritik!

Institut für gute Mütter
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◾️ Habt ihr Kinder?
Würdet ihr sagen, ihr seid ein gutes Elternteil?
Das bestimmt. Aber seid ihr immer perfekt und macht nie Fehler?

◾️ Frida ist die Mutter von Harriet und macht einen Fehler. Sie lässt ...

◾️ Habt ihr Kinder?
Würdet ihr sagen, ihr seid ein gutes Elternteil?
Das bestimmt. Aber seid ihr immer perfekt und macht nie Fehler?

◾️ Frida ist die Mutter von Harriet und macht einen Fehler. Sie lässt ihre einjährige Tochter für zwei Stunden alleine in der Wohnung zurück, weil sie nach einer schlaflosen Nacht nicht mehr klar denken kann. Ein Nachbar wird auf das schreiende Kind aufmerksam und die Polizei wird eingeschaltet.


◾️ Wir befinden uns in Amerika in einer fiktive Zukunft (oder der Gegenwart?), in der der Kinderschutz neue Dimensionen angenommen hat.
Und so findet sich Frida plötzlich in einem Albtraum wieder: Ihr wird wegen Vernachlässigung und Aussetzung ihrer Tochter der Prozess gemacht, dem eine Evaluierung ihres Verhaltens per permanenter Videoüberwachung vorausgeht.
Doch Fridas Abweichung vom perfekten Mutterbild ist zu groß und sie verliert das Sorgerecht an ihren Ex-Mann. Die einzige Möglichkeit, die Vormundschaft für Harriet wiederzuerlangen ist ein einjähriger Besuch des Instituts für gute Mütter…

◾️ Hier sollen die Frauen lernen, wahre, gute Mütter zu werden.
Denn eine gute Mutter stellt immer ihr Kind an erster Stelle.
Eine gute Mutter weiß was ihr Kind braucht.
Eine gute Mutter kann die Schmerzen ihres Kindes durch ihre Liebe heilen.
Eine gute Mutter opfert sich für ihr Kind auf.
Und eine gute Mutter kann alles schaffen, wenn sie ihr Kind wirklich liebt.

◾️ Dieses Institut…ist wie ein wahr gewordener Alptraum meiner eigenen Ängste! Chan entwirft in ihrem Roman eine Gesellschaft, in der das Mutterbild derart übersteigert ist, dass es entmenschlicht ist. Das Mütter nicht mehr als Menschen sieht, sondern als Care- und Liebesroboter und vor allem immer perfekt!

◾️ Ich empfinden den Roman und die darin enthaltene Gesellschaftskritik als brandaktuell und trotz der Überzeichnung als äußerst treffend und beängstigend. Chan zeigt in ihrem Roman, wie fest manifestiert ein gewisses Mutterbild in unseren Köpfen und in der Gesellschaft sein kann und welche perversen Konsequenzen daraus resultieren können.

◾️ Neben dem permanenten leichten Trigger, den das Lesen bei mir verursacht, ist der Roman auch noch gute Unterhaltung. Chan schreibt fesselnd und ich folge der Geschichte immer mit einer Mischung aus Spannung und Unbehagen.

◾️ Für mich ein wirklich großartiges Leseerlebnis, das neben der Unterhaltung zeitgemäße und wichtige Gesellschaftskritik bietet!

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Veröffentlicht am 17.03.2023

Ein literarisches Abenteuer

Über die Berechnung des Rauminhalts I
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Wegen solchen Romanen liebe ich das Lesen von Büchern!
„Über die Berechnung des Rauminhalts I“ ist ein großartiges Literatur Abenteuer.
Es ist ein sprachliches Erkunden, ein Erforschen, eine Reise ins ...

Wegen solchen Romanen liebe ich das Lesen von Büchern!
„Über die Berechnung des Rauminhalts I“ ist ein großartiges Literatur Abenteuer.
Es ist ein sprachliches Erkunden, ein Erforschen, eine Reise ins Unbekannte.

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Die Ich-Erzählerin Tara Selter ist in einer Zeitschleife gefangen. Immer wieder erlebt sie den 18. November von Neuem, während alle anderen Menschen um sie herum den 18. November das erste Mal erleben.
Je mehr 18. Novembers Tara erlebt, desto weiter weg rückt die Erinnerung an den 17. November, der doch für alle anderen erst „gestern“ war.
Kommt euch irgendwie bekannt vor? Genau, das Gerüst erinnert vage an den Filmklassiker „und täglich grüßt das Murmeltier“, ist aber damit nicht wirklich vergleichbar.

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In Balles groß angelegtem Romanprojekt, von dem das erst der erste Band von sieben ist, geht es weniger um die praktischen Mechanismen der Zeitschleife (wobei die Details auch thematisiert werden) als vielmehr um die inneren Mechanismen und zwischenmenschlichen Auswirkungen.
Tara ist mit Thomas verheiratet und ihre Beziehung ist sehr liebevoll und zärtlich.
Doch während für Thomas die Zeit nicht stehen bleibt, tut sie es für Tara.

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Ihre Realitäten entfernen sich voneinander.


Ich musste an die vielen ganz konkreten Situationen denken, in denen wir diesem Mechanismus begegnen. Mir sind viele Beispiele eingefallen, aber besonders dachte ich an meine allererste Elternzeit. Plötzlich fällt man aus der Zeit, während für alle anderen das Leben weitergeht. Ein Aufspalten der erlebten Realität, eine plötzliche Distanz zwischen mir und den anderen, die immer größer wird, je länger der Zustand andauert.

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Auf diese Weise lädt uns Balle oft ein, in weitere Deutungsebenen abzutauchen und frei zu assoziieren und zu interpretieren.

Der Roman ist definitiv kein schneller Actionroman, im Gegenteil, die stellenweise monochromen Kapitel verdeutlichen die Monotonie der immer selben Tage, aus denen es für Tara keinen erkennbaren Ausweg gibt.
So bin ich überrascht (und erfreut), dass der Roman zum Ende hin deutlich an Spannung aufbaut, die zum Weiterlesen antreibt und schließlich mit einem Cliffhanger endet.

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Mir hat dieser erste schmale Band richtig gut gefallen. Ein tolles literarisches Abenteuer, losgelöst von den Zwängungen der rein fiktionalen Erzählung. Ich freue mich auf den nächsten Band der dänischen Schriftstellerin!

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Veröffentlicht am 13.03.2023

Intensive lyrische Spurensuche

Ein Geist in der Kehle
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Die Sunday Times schreibt „Außergewöhnlich, intensiv, lyrisch.“

Genauso.

Dieser wunderbare Roman hat mir außergewöhnlich gut gefallen, das Lesen der lyrischen Sprache ein wahrer Genuss, die behandelten ...

Die Sunday Times schreibt „Außergewöhnlich, intensiv, lyrisch.“

Genauso.

Dieser wunderbare Roman hat mir außergewöhnlich gut gefallen, das Lesen der lyrischen Sprache ein wahrer Genuss, die behandelten Themen intensiv.

Mir war anfänglich nicht ganz klar, dass es nicht um einen fiktiven Roman handelt, sondern um einen stark autobiographisch inspirierten Text.
Doireann Ní Ghríofa verwebt in ihrem Roman ihre eigene Geschichte mit der Geschichte von Eiblhín Dubh Ní Chonaill, einer irischen Adeligen, die im 18. Jahrhundert das Caoineadh geschrieben hat. Das Caoineadh ist ein national sehr bekanntes altes gälischen Klagelied, worin Eiblhín Dubh Ní Chonaill die Ermordung ihres Mannes beschreibt und ihre tiefe Trauer danach.

Ní Ghríofa hat, wie wieviele Schulkinder, den Text in ihrer Jugend kennengelernt und er begleitet sie seither.
Sie beschreibt wunderbar diese intime und verletzliche Zeit nach der Geburt ihrer Kinder und die erste Zeit mit einem neugeborenen Baby. Dieser Kokon aus Liebe und Aufopferung und dem tiefen weiblichen Band, das die Menschen zeitenübergreifend verbindet. Diese Ambivalenz zwischen erschöpfter Leere und Erfüllung. In meinen Augen eine der schönsten und nuanciertesten Beschreibungen von junger Mutterschaft, die ich in letzter Zeit gelesen habe.

𝙋𝙤𝙚𝙩𝙞𝙨𝙘𝙝 𝙪𝙣𝙙 𝙥𝙧𝙤𝙨𝙖𝙞𝙨𝙘𝙝 𝙯𝙪𝙧 𝙜𝙡𝙚𝙞𝙘𝙝𝙚𝙣 𝙕𝙚𝙞𝙩.

Ní Ghríofa spürt durch die Verszeilen des Caoineadh eine tiefe Verbundenheit mit Eiblhín Dubh Ní Chonaill und möchte mehr über das Leben der Adeligen erfahren. Eine obsessive Bessesenheit beginnt, die Ní Ghríofa über Jahre begleiten und über schwere Zeiten hinweghelfen wird. Die Autorin wird später selbst in einem Interview sagen, dass sie während des Schreibprozesses wie unter einem Bahn stand und das ist deutlich durch die Zeilen zu spüren. Eine Zwanghaftigkeit, eine Unabdingbarkeit Eiblhín Dubh Ní Chonaills Geschichte zu erzählen.
Getragen von dem Wunsch dieser Frau, deren Anwesenheit so oft aus männlichen Texten gelöscht wurde, eine neue Bedeutsamkeit zukommen zu lassen.

𝘿𝙚𝙣𝙣 𝙙𝙞𝙚𝙨 𝙞𝙨𝙩 𝙚𝙞𝙣 𝙬𝙚𝙞𝙗𝙡𝙞𝙘𝙝𝙚𝙧 𝙏𝙚𝙭𝙩.

Ich habe das Lesen von Ní Ghríofas magischer und lyrischer Sprache sehr genossen und fühlte mich in ihrem Text erkannt und gesehen.
Ich denke, es ist einer dieser Romane, mit dem nicht zwangsläufig jeder warm wird, da die Themen sehr persönlich und intim sind. Von mir eine klare Empfehlung, sich an diesem wunderbaren Roman zu versuchen und sich emotional ganz darauf einzulassen!

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