Platzhalter für Profilbild

mabuerele

Lesejury Star
offline

mabuerele ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit mabuerele über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.03.2023

Neue Hoffnung für Matze

Matze macht fette Beute
0

„...Matze hat Hunger. Es gibt verschieden Arten von Hunger. Einmal den Hunger nach etwas Leckerem, etwas Besonderem, und dann den Hunger, der einfach nur Hunger ist. Matze hat einfach nur Hunger...“

Mit ...

„...Matze hat Hunger. Es gibt verschieden Arten von Hunger. Einmal den Hunger nach etwas Leckerem, etwas Besonderem, und dann den Hunger, der einfach nur Hunger ist. Matze hat einfach nur Hunger...“

Mit diesen Sätzen beginnt ein Kinderbuch, das in Hamburg im Jahre 1833 spielt. Matzes Vater vertrinkt das Geld. Für den 12jährigen Matze und seinen kleinen Bruder Jan gibt es nur zwei Möglichkeiten: betteln oder stehlen.
Der Autor hat eine berührende und tiefgründige Geschichte geschrieben. Der Schriftstil ist kindgerecht und gut lesbar. Die historischen Gegebenheiten werden anschaulich und nachvollziehbar beschrieben.
Matze bricht mit seinem Bruder Jan ausgerechnet ins Haus des Polizeiherrn ein. Dort wird er von dessen Tochter Leni erwischt. Jan gelingt die Flucht. Als der Hausherr erscheint, muss Matze damit rechnen, ins Zuchthaus zu kommen. Zufällig kommt der Polizeiherr aber mit Johann Hinrich Wichern. Der nimmt Matze mit ins Rauhe Haus. Da hört er von Amanda, Wicherns Frau:

„...Iss, so viel du willst. [...] Im Rauhen Haus geht niemand hungrig ins Bett und hier geht niemand mit Hunger in den Tag...“

Sehr realistisch werden die Verhältnisse in dem Kinderheim beschrieben. Schnell stellt Matze fest, dass er nicht eingeschlossen ist. Er soll nicht aus Zwang bleiben, sondern freiwillig.
Grundlage des Zusammenlebens ist der christliche Glaube. Er bestimmt den Tagesablauf. Auch wenn einer der Jungen damit Probleme hat, wird er nicht anders behandelt wie die anderen. Die Vielschichtigkeit der Gemeinschaft wird gut herausgearbeitet. Manche der Jungen haben schon mehr erlebt, als es für sie gut ist. Aber über die Vergangenheit wird nicht mehr gesprochen. Warum und wieso wird eindeutig im Buch erklärt. Wichtig ist, dass nun für alle ein Neuanfang möglich ist. Die Jungen bekommen Unterricht, dürfen später ein Handwerk erlernen und ihnen werden soziale Werte des Zusammenlebens vermittelt. Natürlich bleiben Konflikte nicht aus.
Matze möchte, dass auch sein kleiner Bruder im Rauhen Haus aufgenommen wird. Dafür geht er ein großes Risiko ein. Wird das Folgen haben?
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Im Rauhen Haus wurde Kinder eine Zukunft gegeben, die nach den Vorstellungen der Zeit eigentlich solche keine hatten. Der Erziehungsstil Wicherns setzte völlig neue Maßstäbe. Es zählte die Gemeinschaft, nicht der Profit.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.03.2023

Spannender Krimi

Winzerblut
0

„...Das singende Geräusch der Klinge, ein Klirren, ein Schwertstreich, der knapp an Kellers Kopf vorbei in den Nachthimmel zischte...“

Angetrunken wie er war, köpft Felix von Leinhardt mit dem Schwert ...

„...Das singende Geräusch der Klinge, ein Klirren, ein Schwertstreich, der knapp an Kellers Kopf vorbei in den Nachthimmel zischte...“

Angetrunken wie er war, köpft Felix von Leinhardt mit dem Schwert eine Flasche Rotwein. Thorsten Keller warnt ihn. Das geht nur bei Sekt. Felix will nicht hören. Dann verblutet Thorsten zu seinen Füßen.
Der Autor hat erneut einen spannenden Krimi geschrieben. Gleichzeitig ist die Geschichte gespickt mit Sachinformationen über den Weinbau. Der Schriftstil lässt sich flott lesen.
Frank Achill und Verena Bertling nehmen den Fall auf. Alles deutet auf einen Unfall hin. Für Frank ist der Fall klar, auch wenn bei der Obduktion eine Spur fremdes Blut im Wein gefunden wurde. Andrè Sartorius erklärt Frank, wie ein Rosé entsteht.

„...Das bedeutet, man zieht ohne Pressung in der Regel zehn bis 20 Prozent des Safts ab. Da die roten Traubenhäute dabei weitgehend unverletzt bleiben, ist dieser Most auch nicht rot, sondern nur rosa...“

Verena ist nicht damit einverstanden, dass der Fall ad acta gelegt wird und ermittelt selbstständig weiter. Dabei geht sie gern auch unkonventionell vor.
Andrè interessiert, wie es zur Verunreinigung des Weins kam. Er lässt sich bei einem Winzer anstellen, der sich auf Bioweine spezialisiert hat. Dass gerade dessen Wein verunreinigt war, verwundert.
Ab und an gibt es Rückblenden in die Vergangenheit. Gerade die Familie Leonhardt ist ziemlich rücksichtslos vorgegangen, um ihre Anbaufläche vor 10 Jahren vergrößern zu können. Das hat sie nicht beliebt gemacht. Der Biowinzer allerdings hat sich quergestellt. In diesen Teilen des Romans sind sehr viele Emotionen im Spiel.
Sehr genau wird erläutert, wie man vorgeht und wie lange es dauert, eine neue Weinsorte zu entwickeln. Und dann weiß man lange noch nicht, ob die neuen Trauben wirklich eine Qualitätswein liefern. Der Winzer erklärt das Andrè, als er ihm eine besondere Flasche Wein anbietet. Doch die Arbeit von 20 Jahren war umsonst. Die Pflanzen existieren nicht mehr. Als Leser weiß ich durch weitere Rückblenden in das Geschehen vor einem Jahr, was passiert ist, aber nicht durch wen.
Am Ende bleibt keine Frage offen.
Der Krimi hat mich sehr gut unterhalten. Ich mag die Mischung aus hohem Spannungsbogen und Sachinformationen, die mir der Autor bietet.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.03.2023

Mit dem Ziel vor Augen

Die Radfahrerin
0

„...Für John Dowe begann die Radtour seines Lebens im Kaminzimmer eines Herrenclubs des Bostoner Nobelviertels Back Bay. Doch das wusste er noch nicht, als er in die Pferdedroschke stieg...“

Mit diesen ...

„...Für John Dowe begann die Radtour seines Lebens im Kaminzimmer eines Herrenclubs des Bostoner Nobelviertels Back Bay. Doch das wusste er noch nicht, als er in die Pferdedroschke stieg...“

Mit diesen Worten beginnt die Geschichte einer Frau, die um die Welt radelte. Es war die Wette zweier Männer, die sie zu diesem Abenteuer anregte.
Die Autorin hat einen abwechslungsreichen und gut recherchierten historischen Roman geschrieben. Die wenigen Fakten, die sie zu dem Leben der Anna Cohen Kopchovsky gefunden hat, hat sie zu einer gelungenen Geschichte verwoben.
Der Schriftstil lässt sich flott lesen. Hinzu kommt, dass um das Ganze eine Rahmenhandlung gelegt wurde, die das Erzählen der eigentliche Handlung begründet. Nach vielen Jahren trifft Anna ihre älteste Tochter wieder, die mittlerweile Nonne ist. Ihr erzählt, was sie damals zu ihrer Entscheidung bewogen hat und was sie auf der Reise alles erlebt hat. Sie hofft, damit ihre Tochter zu berühren und wieder eine Beziehung zu ihr aufbauen zu können.
Die Geschichte beginnt in Boston im Jahre 1894. Die junge Anna ist verheiratet, hat drei Kinder und muss trotzdem oder gerade deshalb zum Unterhalt der Familie beitragen. Sie verkauft Inserate und ist dabei sehr geschickt. Ihr wird auch die folgende Annonce angeboten:

„...Gesucht: gesunde, junge Frau, die sich zutraut, mit den Fahrrad in fünfzehn Monaten um die Welt zu fahren. 10000 Dollar Preisgeld...“

Anna lebt beengt mit der Verwandtschaft im jüdischen Viertel. Ihr Mann ist Hausierer, 15 Jahre älter, aber mehr in der Synagoge anzutreffen als auf Arbeit. Bisher hat Anna nie auf einem Fahrrad gesessen. Jetzt aber bewirbt sie sich um den Job.
Sehr detailliert wird beschrieben, wie die Vorbereitung vonstatten geht. Mehrmals steht Anna kurz davor aufzugeben. Doch die Chance auf ein besseres Leben und eine ungeahnte Freiheit treibt sie immer wieder voran. Sie akzeptiert es deshalb auch, unter dem neuen Namen Annie Londonderry zu reisen.
Die wesentlichen Etappen der Reise werden spannend geschildert. Anna schreibt Tagebuch. Die Auszüge daraus werden kursiv wiedergegeben. Es bleibt mir als Leser überlassen, einzuschätzen, was davon Realität und was Phantasie war. Anna hat die Fähigkeit, Menschen für sich einzunehmen. Sie weiß, wie man die Leute begeistert und bei der Stange hält. Das muss sie auch, denn die Wettbewerbsbedingungen schreiben ihr vor, wie viel Geld sie während der Fahrt einzuspielen hat.

„...Es kam ihr vor, als würde ihre gewagte Radreise sie aller Klassenschranken entheben – man begegnete ihr nicht mehr als mittellose Jüdin aus dem Ghetto, sondern als bewundernswerter Frau...“

Ein Personenverzeichnis, eine Zeittafel ein Glossar und Schlussbemerkungen runden das Buch ab.
Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Sie zeigt eine mutige Frau mit viel Phantasie, die das Abenteuer ihres Lebens bewältigt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.03.2023

Berührende Geschichte

Wie mit Gold verwoben
0

„...Elfjährige schleppten Körbe mit neuen Fäden an und leere Spulen kamen in eine Tonne, die von noch jüngeren Mädchen weggetragen wurden...“

Kinderarbeit war in Massachusetts im Jahre 1846 die Regel. ...

„...Elfjährige schleppten Körbe mit neuen Fäden an und leere Spulen kamen in eine Tonne, die von noch jüngeren Mädchen weggetragen wurden...“

Kinderarbeit war in Massachusetts im Jahre 1846 die Regel. Ihr Verdienst wird für die Familie gebraucht. Es ist nur ein Aspekt, der in der kurzen Geschichte anklingt.
Die Autorin hat eine abwechslungsreiche und tiefgründige Geschichte geschrieben. Der Schriftstil ist ausgereift und bringt die Situation in der Fabrik gut auf den Punkt.
Isabel ist eine der Arbeiterinnen in der Textilfabrik. Nach dem Tode des Besitzers verschlechtert der Verwalter konsequent die Bedingungen, um den Profit zu erhöhen.
Gut geschildert wird der Produktionsprozess

„...Schiffchen mit dem Schussfäden wurden durch die Kettfäden geschossen und die Weberblätter drückten die Fäden des fertigen Gewebes aneinander...“

Isabel ist sehr hilfsbereit. Das wird vom Verwalter nicht gern gesehen. Hinzu kommt, dass sie sich in ihre Freizeit im örtlichen Waisenhaus engagiert. Sie macht auch aus ihrem tiefen Glauben kein Geheimnis.
Dann erscheint der Erbe in der Fabrik. Er hatte sich in ähnlichen Werken in England umgesehen. Auch sein Handeln wird durch seinen Glauben geprägt. Allerdings hat er noch nicht begriffen, dass Gnade ein Geschenk ist. In der Fabrik sieht er sofort, was alles schief läuft. Das aber gefällt dem Verwalter nicht.

„...Genauso wie sich die Mädchen keines der Geschenke verdient hat, die ihr Wohltäter ihnen gebracht hat, könnte er sich bei Gott nie etwas verdienen...“

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeichnet die Lebensverhältnisse sehr realistisch. Da passt selbst der fast märchenhafte Schluss.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.03.2023

Spannender historischer Krimi

Tödlicher Schlaf
0

„...Und so ist das Blut an meinen Händen nicht rot, die verschlissenen Vorhänge des Zimmers nicht dunkelgrün und die hölzernen Möbel nicht dunkelbraun. Hellgraue und dunkelgraue Töne bestimmen das Bild ...

„...Und so ist das Blut an meinen Händen nicht rot, die verschlissenen Vorhänge des Zimmers nicht dunkelgrün und die hölzernen Möbel nicht dunkelbraun. Hellgraue und dunkelgraue Töne bestimmen das Bild in meinen Kopf, das ich von diesem Abend im Juni 1907 habe...“

Dieser Worte stehen fast zu Beginn des ersten Kapitels. Dann führt mich die Geschichte drei Monate zurück.
Der Autor hat einen fesselnden historischen Krimi geschrieben. Der Schriftstil passt sich dem Genre an. Er lässt sich flott lesen.
Der Bakteriologe Carl – Jakob lebt bei seine Tante Isolde. Dort quartiert sich gerade auch die lebenslustige Agatha ein. Die junge Frau hofft auf eine Stelle an der Hamburger Oper. Sie ist ein Wirbelwind und sehr geradezu. Das zeigt auch ihre Information zu den in London lebenden Eltern.

„...Solange Moses das Geld verdient und Henriette es ausgeben kann, führen sie eine glückliche Ehe. Meine Mutter ist eine Frau des neunzehnten Jahrhunderts. Es reicht ihr, auf Händen getragen zu werden. Sie will nicht selbst laufen...“

Das Zitat ist ebenfalls ein Beispiel dafür, wie gekonnt der Autor mit Ironie und Sarkasmus umgeht.
Carl – Jakob, der Ich-Erzähler, kümmert sich im Hafenkrankenhaus um seinen alten Schulfreund Ludolf. Der war in Afrika an der Seite von Robert Koch und liegt nun mit der Schlafkrankheit in Hamburg. Nebenbei erfahre ich eine Menge über die Krankheit und zeitgemäße Behandlungsmöglichkeiten. Die gibt es nämlich fast nicht. Sie sind noch in der Erprobung. Als Ludolf plötzlich stirbt, ist sich Carl – Jakob sicher, dass dies Mord war. Ludolf wollte ihn Dokumente übergeben, die er an einem unbekannten Ort versteckt hat, kam aber nicht mehr dazu.
Während sich Carl-Jakob auf die Suche nach den Dokumenten macht, bringt sich Agatha aktiv in der Frauenbewegung ein. Es ist heftig, wie mit den jungen Frauen in der Kaffeerösterei umgegangen wird.

„...Miedjes sind junge Frauen, die bei der Kaffeerösterei die Stinker aussortieren. [...] Die Bohnen werden auf großen Tischen ausgeschüttet, und die Miedjes picken mit den jungen Augen und den flinken Fingern die faulen Bohnen raus...“

Was der Herr des Hauses nicht sagt, ist, dass die Miedjes auch Freiwild für die Vorarbeiter sind. Hinter den Kaffeesäcken ist viel Platz.
Das Buch verfügt über einen hohen Spannungsbogen und manch überraschende Wendung. Carl-Jakob ahnt nicht, in welches Wespennest er gestochen hat und an welch unerwarteten Ort er auf die erhofften Spuren trifft. Gleichzeitig wird ein anschauliches Bild der Zeitverhältnisse vermittelt. Die deutsche Kolonialpolitik ist immer mal wieder Thema.
Die Geschichte wird konsequent und logisch zu Ende geführt. Es bleibt keine Frage offen.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es ist eine geschickte Kombination aus Spannung und Faktenwissen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere