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Veröffentlicht am 05.08.2017

Eine selbsternannte Einzelkämpferin entdeckt sich ganz neu

Ich, Eleanor Oliphant
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Eleanor Oliphant ist fast 30 Jahre alt und arbeitet seit ihrem Uniabschluss als Buchhalterin in einer Grafikdesign-Agentur. Auf der Arbeit ist sie fleißig, mit ihren Kollegen aber nicht auf einer Wellenlänge, ...

Eleanor Oliphant ist fast 30 Jahre alt und arbeitet seit ihrem Uniabschluss als Buchhalterin in einer Grafikdesign-Agentur. Auf der Arbeit ist sie fleißig, mit ihren Kollegen aber nicht auf einer Wellenlänge, und so verbringt sie die Mittagspausen allein mit Kreuzworträtseln. Das Wochenende verbringt sie mit Wodka in ihrer Wohnung und spricht meist erst wieder mit jemandem, wenn sie montags zur Arbeit geht. Zweimal im Jahr schaut eine Sozialarbeiterin bei ihr nach dem Rechten. All das ist für Eleanor normal und okay. Doch dann verliebt sie sich in einen Musiker und beschließt, in ihrem Leben einige Veränderungen vorzunehmen. Als in der IT auch noch ein neuer Kollege anfängt und sie gemeinsam bei einem alten Mann Hilfe leisten, ist in ihrem Leben so einiges los. Doch irgendetwas ist in ihrer Vergangenheit passiert, das sie bis heute verfolgt und nie ganz loslässt.

Das Cover des Buches sieht auf den ersten Blick bunt und unbeschwert aus. Doch in der oberen Ecke ist es ganz schwarz gefärbt, und dort steht eine Person – vermutlich Eleanor, deren soziale Interaktion sich auf das absolut nötigste beschränkt. Eleanor gibt dem Leser zu Beginn des Buches in nüchterner, sachlicher Sprache einen Überblick über ihre stets gleich ablaufende Woche, mit der sie sich arrangiert hat. In einer bizarren Situation beim Arzt lässt sie sich außerdem Schmerzmittel verschrieben und erklärt dem Leser schließlich, dass sie sich in einen Musiker verliebt hat, der für sie perfekt ist.

Schnell wird klar, dass Eleanor alles andere als ein durchschnittliches Leben führt. Sie bezeichnet sich selbst als Einzelkämpferin und Überlebende und lässt keinen anderen Menschen an sich heran. Im Kontakt mit anderen verhält sie sich zudem reichlich ungeschickt. Sie weiß, dass die Kollegen über sie lästern, doch das ist ihr egal. Eleanor tat mir wirklich leid und die Szenen, in denen sie so offensichtlich ins Fettnäpfchen tritt konnten mich berühren. Gleichzeitig konnte ich aufgrund ihres befremdlichen Verhaltens die Distanz der Kollegen teils nachvollziehen. Eleanor macht immer wieder Andeutungen über eine schwere Kindheit und ständig wechselnde Pflegefamilien, sodass ich neugierig wurde, was damals wohl vorgefallen ist, das bis heute nachwirkt.

Nach kurzer Zeit geschehen mehrere Dinge, die Eleanors Leben durcheinanderwirbeln. Für ihre baldige Beziehung zum Musiker will sie sich selbst etwas herrichten und macht dabei ganz neue Erfahrungen bei der Maniküre und dem Brazilian Waxing. Gleichzeitig hat sie einen neuen Kollegen in der IT, Raymond, der gern mit ihr redet und sich von ihrer verschrobenen, förmlichen Art nicht abschrecken lässt. Durch ihn und einem alten Mann, dem die beiden helfen, lernt sie zu verstehen, was es bedeutet, Zeit mit anderen zu verbringen und eine Familie zu haben. Eleanor verhält sich bei all dem sehr naiv, doch es war wirklich schön zu sehen, wie sie durch das Interesse anderer an ihr als Person regelrecht aufblüht und selbst merkt, dass ihr das Zusammensein mit Anderen Spaß macht.

Ich hatte Eleanor wirklich gern, doch was mich bei der Lektüre am meisten störte waren diverse Ungereimtheiten in Bezug auf ihren Charakter. Zum Beispiel löst sie gern Kreuzworträtsel, schaut viel Fern und hört Radio, weiß aber nicht, wer Spongebob Schwammkopf oder die Village People sind. Diese Bildungslücken waren in der jeweiligen Situation amüsant, in dem Ausmaß für mich aber wenig nachvollziehbar. Auch konnte ich nicht verstehen, warum sie früher so oft die Pflegefamilie wechseln musste – haben alle Pflegeeltern wirklich so schnell aufgegeben? Und trotz ihres asketischen Lebensstils in einer winzigen Sozialwohnung hat sie nach acht Jahren Arbeit fast kein Erspartes – verdienen Buchhalter in Glasgow so unglaublich wenig? Das sind nur einige Beispiele, die mich immer wieder stutzen ließen.

Es hat mir Spaß gemacht, Eleanor dabei zu begleiten, wie sie Stück für Stück lernt, auf andere Menschen einzugehen und dass das Leben mehr bietet als Arbeit und Wodka. Es gibt viele schöne Situationen, aber auch einige Rückschläge, die mich hoffen ließen, dass sie trotzdem nicht aufgibt. Ich habe mich sehr für sie gefreut, dass sie mit Raymond einen Freund an ihrer Seite hat, der den Kontakt zu ihr während Höhen und Tiefen halten will. Eleanor macht eine tolle Entwicklung durch und will sich schließlich auch ihrer Vergangenheit stellen. Zum Schluss ging es mir dann etwas zu schnell. Gerne hätte ich Eleanor mit ihrem neuen Blick auf sich selbst noch einige weitere Seiten begleitet.

„Ich, Eleanor Oliphant“ erzählt die Geschichte von Eleanor, die soziale Kontakte möglichst vermeidet und sich selbst als Einzelkämpferin sieht. Doch dann verliebt sie sich, begegnet einem neuen Kollegen und findet sich in für sie ganz neuen Situationen wieder, die sie zu der Frage bringt: Ist es wirklich okay für sie, sich ganz allein durchzuschlagen? Trotz einiger Ungereimtheiten in Bezug auf ihren Charakter hat mit diese lebensbejahende Geschichte über Freundschaft und die kleinen Dinge im Leben gut gefallen. Ich vergebe vier Sterne.

Veröffentlicht am 05.08.2017

Eine Prinzessin auf der Flucht vor ihrem Schicksal

Der Kuss der Lüge
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Arabella Celestine Idris Jezelina ist die Erste Tochter des Hauses Morrighan und damit eine Prinzessin. Doch während ihre Brüder und Schwestern selbst wählen dürfen, wen sie heiraten wollen, wurde für ...

Arabella Celestine Idris Jezelina ist die Erste Tochter des Hauses Morrighan und damit eine Prinzessin. Doch während ihre Brüder und Schwestern selbst wählen dürfen, wen sie heiraten wollen, wurde für sie eine Ehe mit dem Prinzen des Königreichs Dalbreck arrangiert. Auch wenn die Prinzessin, die am liebsten nur Lia genannt wird, nicht über die sogenannte Gabe verfügt, ist die Hochzeit doch wichtig für ein Bündnis der Reiche gegen das barbarische Venda. Doch Lia ist nicht bereit, ihr Schicksal hinzunehmen. Am Tag ihrer Hochzeit flieht sie zusammen mit ihrer Dienerin und Freundin Pauline aufs Land, wo die beiden Arbeit in einem Gasthof erhalten. Lia wähnt sich in Sicherheit. Sie ahnt nicht, dass ihr zwei Personen dicht auf den Fersen sind. Der eine ist der Prinz. Der andere ein Attentäter…

Das Cover von „Der Kuss der Lüge“ zeigt ein vom Betrachter abgewandtes Mädchen. Im Hintergrund sind zwei Männer zu sehen. Auch wenn ich die Farben fast schon zu düster finde vermittelte mir das Cover einen guten ersten Eindruck von Lia und den beiden Männern, die ihr auf den Fersen sind. Das Buch beginnt am Tag von Lias Heirat mit einem Mann, den sie noch nie zuvor gesehen hat. Sie muss lange Zeremonien über sich ergehen lassen und ihre Eltern erinnern sie immer wieder daran, dass sie mit der Heirat dem Königreich einen Dienst erweist. Schon nach wenigen Seiten befand sie sich auf schon auf der Flucht vor dieser für sie angedachten Bestimmung.

Lia lernte ich als wild entschlossen kennen, den Zwängen und Traditionen zu entkommen und ein normales Leben zu führen. Ich bewunderte ihren Mut, sich so offen gegen ihre mächtige Familie zu stellen. Gleichzeitig fand ich es aber auch naiv, dass sie denkt, sie könne wirklich in einem Gasthof arbeiten und nicht erkannt werden. Kein Wunder, dass der Prinz und der Attentäter sie in kürzester Zeit finden. Obwohl die beiden sich reichlich merkwürdig verhalten, kommt Lia nicht auf die Idee, dass sie wegen ihr gekommen sind.

Der besondere Reiz dieses Buches ist, dass man lange nicht weiß, wer der Prinz ist und wer der Attentäter, denn beide begegnen Lia zeitgleich. Kurze Kapitel aus der Sicht der beiden geben Einblick in ihre höchst unterschiedlichen Gedankengänge, und trotzdem fällt es schwer, diese den Handelnden zuzuordnen. Auch wenn meine erste Vermutung sich im Nachhinein als richtig entpuppte, geriet ich immer wieder ins Zweifeln. Lias Beziehung zu beiden Männern intensiviert sich zunehmend und ich war neugierig, wohin das führen wird. Es kommt zu einigen romantischen, unterhaltsamen, aber auch dramatischen Szenen. Insgesamt wurde die ganze Situation aber sehr in die Länge gezogen, sodass der Reiz irgendwann verloren ging und ich mich zu langweilen begann.

Nach 350 Seiten kam endlich wieder Schwung in die Geschichte und die Spannung stieg schlagartig an. Identitäten werden enthüllt und Lia befindet sich in einer verzwickten und gefährlichen Situation, in der sie zeigen muss, was wirklich in ihr steckt. Dabei macht sie eine tolle Entwicklung durch, sie gewinnt an Stärke und verliert an Naivität. In die Geschichte kommt buchstäblich Bewegung und ich fand es interessant, die Welt, in der Lia lebt, besser kennenzulernen. Allmählich erhielt ich einen Überblick über die verschiedenen Bevölkerungsgruppen und die politische Situation. Gleichzeitig bleibt das Buch emotional, denn verzweifelte und hoffnungsvolle Momente folgen rasch aufeinander. Das letzte Buchdrittel hat mir deshalb mit Abstand am Besten gefallen. Diesen ersten Band der Reihe rundet schließlich eine Szene ab, die eine Überraschung bietet, Spannung verspricht und meine Neugier auf die Fortsetzung wecken konnte.

„Der Kuss der Lüge“ erzählt die Geschichte von Lia, die ihrem Leben als Prinzessin am Tag ihrer arrangierten Heirat entflieht und sich in einem kleinen Dorf ein normales Leben aufbauen will. Doch der Prinz und ein Attentätet sind ihre schon auf den Fersen, sodass der Leser eine emotionale und gleichzeitig spannende Geschichte erlebt. Nach einigen Längen schöpft die Geschichte ihr Potential zunehmend aus und konnte mich immer besser unterhalten. Ich vergebe knappe vier Sterne und freue mich auf den zweiten Teil, in dem die Geschichte sich hoffentlich weiter steigern kann!

Veröffentlicht am 05.08.2017

Olivia arbeitet als Patissière im angesagten Emerson Club in Boston – bis sie an einem Abend mit einem flambierten Baked Alaska einen Brand verursacht. Noch in derselben Nacht flieht sie zu ihrer besten Freundin Hannah nach Guthrie in Vermont. Eigentlich

Die Zutaten zum Glück
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Olivia arbeitet als Patissière im angesagten Emerson Club in Boston – bis sie an einem Abend mit einem flambierten Baked Alaska einen Brand verursacht. Noch in derselben Nacht flieht sie zu ihrer besten ...

Olivia arbeitet als Patissière im angesagten Emerson Club in Boston – bis sie an einem Abend mit einem flambierten Baked Alaska einen Brand verursacht. Noch in derselben Nacht flieht sie zu ihrer besten Freundin Hannah nach Guthrie in Vermont. Eigentlich wollte Olivia dort nur für ein paar Tage bleiben. Doch als sie von Hannah erfährt, dass der nahegelegene Landgasthof „Sugar Maple Inn“ eine Patissière sucht, bewirbt sie sich. Die Besitzerin Margaret zeigt sich unbeeindruckt von Olivias bisheriger Karriere, gibt ihr aber eine Chance. Von allen Seiten schlägt ihr zunächst Skepsis entgegen, doch allmählich findet sie Freunde. Vor allem Martin, der wegen seines kranken Vaters vorübergehend in die Heimat zurückgekehrt ist, scheint mehr als nett zu sein…

Das Cover des Buches sieht wirklich zum Anbeißen aus. Da ich sehr gern backe war mein sofort Interesse geweckt, als ich las, dass sich das Buch um eine Patissière dreht. Die Protagonistin Olivia lernt man bei der Arbeit kennen, wo sie gerade ihre Spezialität, einen Baked Alaska, den Gästen präsentieren soll. Doch der brennende Nachtisch rutscht ihr aus den Händen und schon steht der Club in Flammen. Gut konnte ich verstehen, dass Olivia einfach nur weg will. Ihre beste Freundin Hannah steht ihr bei und will sie rasch davon überzeugen, doch erst mal länger bei ihr zu bleiben.

Da Olivia Geldsorgen hat, kommt ihr der neue Job im Sugar Maple Inn inklusive kostenloser Unterkunft gerade recht. Doch als Stadtkind muss sie sich erst einmal an das Kleinstadtleben in Guthrie gewöhnen, wo jeder jeden kennt und gelästert wird, was das Zeug hält. Außerdem scheint es zwischen der zugeknöpften Besitzerin Margaret und Jane White, gegen die Margaret nach zahlreichen Siegen seit drei Jahren im Backwettbewerb verliert, ein altes Zerwürfnis zu geben. Sicherheit gibt Olivia die Arbeit, die sie meisterhaft beherrscht: Brot backen, Desserts zubereiten und Torten herstellen. Die Beschreibungen ihrer Künste machten mir immer wieder Appetit und Lust, mich selbst in die Küche zu stellen.

Olivia findet bald auch Freunde: Den Milchlieferanten Tom, den Küchenchef Alfred und außerdem Dotty, Margarets beste Freundin, sowie ihren Mann Henry und ihren Sohn Martin. Vor allem die Musik hilft ihr dabei, denn sie tritt mit ihrem Banjo in Toms Band ein und lernt von Henry, eine Dulcimer zu spielen. Mit Martin versteht sie sich mehr als gut und verbringt immer mehr Zeit mit ihm und seiner Familie. Ich fand es schön, zu sehen, wie Olivia allmählich ankommt. In der Kleinstadt lernt sie auf ganz neue Weise, was Freundschaft und Zusammenhalt heißt. Ich konnte mich gut in sie einfühlen und habe es genossen, an ihrer Seite in der Küche zu stehen und durch die Stadt zu streifen.

Bald ziehen aber auch dunkle Wolken am Himmel auf. Hannah fühlt sich vernachlässigt und Jane White versprüht hr Gift. Schließlich überschlagen sich die Ereignisse und Olivia gerät in eine rasante, emotionale Berg- und Talfahrt. Ich fand ihr Verhalten in dieser Zeit allerdings nicht ganz nachvollziehbar. Sie trifft einige weitreichende Entscheidungen, die ich überhaupt nicht gut fand und bei denen ich ihr gerne ins Gewissen geredet hätte. Das übernehmen schließlich andere – für mich aber zu spät. Das Ende hält schließlich einige schöne Überraschungen bereit und konnte mich versöhnlich stimmen.

„Die Zutaten zum Glück“ erzählt die Geschichte von Olivia, die sich nach einem beruflichen Malheur aus Boston zu ihrer besten Freundin in die Kleinstadt Guthrie flüchtet und dank eines neuen Jobs beschließt, für eine Weile zu bleiben. Bald findet sie neue Freunde und vor allem der charmante Martin weckt ihr Interesse. Doch es schlägt ihr auch Missgunst entgegen, und so mancher hat seine Geheimnisse. Ein schöner Roman rund um Freundschaft, süße Speisen und Musik, der beim Lesen gute Laune macht!

Veröffentlicht am 05.08.2017

FLORA - Sei mutig!

Jeder Tag kann der schönste in deinem Leben werden
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Flora Banks lebt nur im Hier und Jetzt, denn sie hat eine anterograde Amnesie. Sie ist siebzehn und speichert seit sieben Jahren keine neuen Erinnerungen mehr ab. Mittels Nachrichten auf ihren Händen, ...

Flora Banks lebt nur im Hier und Jetzt, denn sie hat eine anterograde Amnesie. Sie ist siebzehn und speichert seit sieben Jahren keine neuen Erinnerungen mehr ab. Mittels Nachrichten auf ihren Händen, ihrem Notizbuch, auf dem Handy und dem Computer erinnert sie sich selbst immer wieder daran, was gerade passiert und was ihr wichtig ist. Als sie eines Tages auf einer Party den Freund ihrer besten Freundin küsst, passiert etwas Unglaubliches: Sie erinnert sich am nächsten Tag noch daran! Allerdings ist Drake nun zum Studieren an den Nordpol gezogen und ihre beste Freundin spricht nicht mehr mit ihr. Als ihre Eltern sie dann völlig überstürzt allein zu Hause lassen, beginnt sie einen Mailaustausch mit Drake. Daraus entwickelt sich ein waghalsiger Plan…

Als ich zum ersten Mal von diesem Buch gehört habe, war mein Interesse sofort geweckt. Wie kann ein Mensch, der seit sieben Jahren keine neuen Erinnerungen mehr speichern kann, sein Leben organisieren? Nach einem kurzen Prolog, in dem sich die Protagonistin an einem rätselhaften und kalten Ort befindet, begegnet man ihr auf einer Party wieder. Floras kurzzeitige Erinnerungen löschen sich in regelmäßigen Abständen, und gerade ist es wieder passiert. Sie muss nun erst einmal herausfinden, wo sie ist, warum sie dort ist und wen sie kennt. Von Beginn an war ich überrascht davon, wie routiniert ihr das Lesen ihrer Notizen und die Neuorientierung von der Hand geht. Tatsächlich klappt das so gut, dass ich es am Anfang kaum glauben konnte. Nach Notizen zu suchen ist Flora trotz Amnesie in Fleisch und Blut übergegangen, auf diese Tatsache muss man sich als Leser einlassen.

Das Tempo ist zu Beginn des Buches hoch und Flora passieren viele Dinge, die sie so noch nicht erlebt hat. Am wichtigsten ist wohl der Kuss, an den sie sich plötzlich erinnern kann. Dieser führt jedoch zum Bruch mit ihrer besten Freundin Paige, und als ihre Eltern überstürzt abreisen und Paige bei ihr wähnen ist sie zum ersten Mal für längere Zeit allein. Wie sie das wohl meistern wird?

Die Autorin ermöglichte es mir, ganz nah bei Flora zu sein und zu verstehen, was in ihrem Kopf vorgeht. Sie versucht immer wieder auf Neue, sich selbst möglichst viele aussagekräftige Notizen zu hinterlassen, um später wieder zu verstehen, was gerade passiert und was ihr Ziel ist. So liest sie sich ein ums andere Mal zuerst durch die Notizen mit Grundwissen zu ihrem Leben und dann durch die spezielleren Nachrichten, die ihr die aktuelle Situation erklären. Dadurch gab es einige Wiederholungen, die aber gleichzeitig noch nachvollziehbarer machten, wie es in Floras Kopf aussieht. Dennoch zog sich die Handlung für mich hin und wieder etwas in die Länge.

Zu Beginn habe ich mich mit Flora etwas schwer getan. Warum küsst sie ohne nachzudenken einen Jungen, an den sie keine Erinnerung hat? Insgesamt verhält sie sich aufgrund ihres Handicaps sehr naiv, denn es steckt immer noch viel von der Zehnjährigen in ihr, an die sie sich erinnern kann. Beim Lesen entwickelte ich zunehmend Beschützerinstinkte und hätte Flora gern so manchen Rat gegeben. Gleichzeitig fand ich sie aber auch sehr mutig, denn plötzlich überlegt sie nicht mehr lang, sondern stürzt sich ins Abenteuer. Ich fand es toll, zu sehen, wie sie dank ihrer Erinnerungshilfen eine große Motivation entwickeln und sich auf eine längere Reise begeben kann.

Auf ihrem Abenteuer kann Flora zeigen, was in ihr steckt und dass sie an Herausforderungen wachsen kann. Es hat mir Spaß gemacht, sie dabei zu begleiten, auch wenn nicht alles so läuft wie geplant. Zum Ende hin gibt es dann noch mal einige gute und böse Überraschungen für Flora und den Leser. Es wird noch einmal vieles durcheinander geworfen, was man bislang zu wissen glaubte. Das war spannend, aber fast schon zu dramatisch für meinen Geschmack. Das hoffnungsvolle Ende rundet die Geschichte schließlich gelungen ab.

In „Jeder Tag kann der schönste in deinem Leben sein“ kann Flora seit sieben Jahren keinen neuen Erinnerungen speichern – bis sie sich an einen Kuss mit einem Jungen erinnert, der nun zum Studieren an den Nordpol gezogen ist. Indem die Geschichte aus Floras Perspektive erzählt wird, wurde sie für mich zu einem besonders intensiven Leseerlebnis. Gut konnte ich nachvollziehen, was in Floras Kopf passiert und bewunderte, wie mutig sie trotzdem ihr Leben meistert. Gerne empfehle ich das Buch mit dieser ganz besonderen Protagonistin weiter.

Veröffentlicht am 05.08.2017

Auf dem Weg zum optimierten Selbst

Transition
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In einer nicht allzu fernen Zukunft haben Karl und seine Frau Genevieve ernsthafte Probleme damit, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Sie arbeitet als Grundschullehrerin, er als Ghostwriter für akademische ...

In einer nicht allzu fernen Zukunft haben Karl und seine Frau Genevieve ernsthafte Probleme damit, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Sie arbeitet als Grundschullehrerin, er als Ghostwriter für akademische Arbeiten. Trotz des doppelten Einkommens können sie kaum die Miete für ihre winzige Stadtwohnung bezahlen, geschweige denn an Kinder denken. Um sich einige Annehmlichkeiten zu leisten, hat Karl deshalb etwas nachgeholfen – nun steht er vor der Wahl, wegen Online-Betrugs und Steuerdelikten fünfzehn Monate ins Gefängnis zu gehen oder mit Genevieve an „Transition“ teilzunehmen. In diesem Selbstoptimierungsprogramm leben sie beide sechs Monate bei Mentoren und müssen deren Anweisungen befolgen. Das scheint Karl die deutlich bessere Wahl zu sein, ihre Mentoren Janna und Stu wirken aufrichtig interessiert. Doch dann entwickeln sich die Dinge anders, als es Karl lieb wäre…

Ein Programm, das eine umfassende Selbstoptimierung verspricht? Das klang für mich nach einem interessanten Aufhänger für einen Roman, zu dem ich deshalb neugierig griff. Zu Beginn des Buches lernt man Karl und Genevieve als zwei Menschen kennen, die finanziell trotz regelmäßigem Einkommen völlig ruiniert sind. Grund dafür ist die überteuerte, winzige Stadtwohnung – was ich bei der aktuellen Entwicklung der Mietpreise nachvollziehen konnte – aber auch ein gelegentliches Über-die-Stränge-Schlagen der beiden.

Karl wurde mir nicht allzu sympathisch mit seinen dubiosen Jobs wie gefaketen Produktrezensionen, Steuerung von Klick-Farmen und Ghostwriting für Studenten. Es war daher wenig verwunderlich, dass die ganze Sache irgendwann nach hinten losgeht und er sich nach wenigen Seiten wegen Online-Betrugs und Steuerdelikten verantworten muss. Transition scheint die perfekte Lösung für gescheiterte Existenzen wie Karl und Genevieve zu sein. Letztere scheint mehr auf Zack zu sein als Karl, macht sich aber ebenfalls nicht allzu viele Gedanken um Finanzen und Zukunft.

Gemeinsam mit den beiden startet man ins Transition-Programm, wo es von strahlenden Gestalten nur so wimmelt. Janna und Stu, die zugewiesenen Mentoren, machen sich eifrig und engagiert an die Einführung. Die beiden dürfen bei ihnen in einem schicken Haus wohnen und ihre Jobs behalten, doch ihre Finanzen werden ab sofort von Transition gesteuert. Hinzu kommen notwendige tägliche Tagebucheinträge, Haushaltspflichten, Sporteinheiten und ein tägliches Zeitungslesepensum. Genevieve stürzt sich begeistert in all das, während Karl es mit einer guten Portion Skepsis angeht. Ich wartete darauf, dass die Sache einen Haken hat, und konnte Karls Haltung deshalb gut nachvollziehen.

Karl macht bald einige merkwürdige Entdeckungen und beginnt, Nachforschungen zu vorherigen Teilnehmern anzustellen. Das Ergebnis verwirrte erst einmal mehr, als dass es Fragen beantwortet hätte. Ist Karl paranoid oder sind seine Zweifel vielleicht doch berechtigt? Gleichzeitig verhalten sich Janna und Stu in verschiedenen Situationen unangemessen und es wird klar, wie abhängig Karl von ihnen ist. Und trotzdem wächst ihr Einfluss auf Genevieve, die Karl zunehmend entgleitet. Die Geschichte schlägt einen ruhigen Ton an und ich wartete darauf, dass hinter der nächsten Ecke der große Knall wartet. Doch dieser bleibt aus, vielmehr befindet sich Karl auf einer kontinuierlichen Abwärtsspirale, die er mal mehr, mal weniger absichtlich aber beständig hinabrutscht.

Auch wenn es unter dem Strich lange keine herausstechend dramatischen Ereignisse oder völlig überraschenden Wendungen gab, konnten die kleinen Enthüllungen und Entwicklungen mein Interesse an der Geschichte erhalten. Der Leser wird behutsam an die Katastrophe herangeführt. Als diese schlussendlich eintritt und auch die größeren Zusammenhänge klar werden, hätte ich mir dann aber doch noch etwas mehr Schwung gewünscht. Doch die Geschichte endet genauso unaufgeregt, wie sie erzählt wurde und lässt mich mit einigem Stoff zum Nachdenken zurück.

„Transition. Das Programm“ erzählt die Geschichte von Karl und Genevieve, die finanziell ruiniert sind und als Alternative zu Karls Gefängnisaufenthalt sechs Monate zu Mentoren ziehen, die ihnen ein besseres Leben ermöglichen sollen. Doch mit welchen Schritten will Transition das erreichen, und was passiert, wenn man nicht bei allem mitziehen will? Eine interessante Geschichte zur Frage, wie weit Selbstoptimierung gehen könnte und sollte.