Profilbild von lielo99

lielo99

Lesejury Star
offline

lielo99 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit lielo99 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.05.2023

Leider werden die Traumata der Nachkommen von Schoah und Verfolgung unterschätzt

Mameleben
0

Michel Bergmann eilt ins Krankenhaus. Zu seiner Mutter. Die nahm 20 Schlaftabletten und wurde sprichwörtlich im letzten Augenblick von der Nachbarin gefunden. Mutter und Sohn wohnen weit auseinander. Nein, ...

Michel Bergmann eilt ins Krankenhaus. Zu seiner Mutter. Die nahm 20 Schlaftabletten und wurde sprichwörtlich im letzten Augenblick von der Nachbarin gefunden. Mutter und Sohn wohnen weit auseinander. Nein, nicht weil Michael die Mutter nicht in der Nähe haben wollte. Sie mochte nicht aus ihrem Zuhause ziehen. „Einen alten Baum verpflanzt man nicht“, das war ihr Motto. Vielleicht lag es ja daran, dass sie vor den Nationalsozialisten fliehen musste und ihre Eltern im KZ ermordet wurden. Früh musste sie alleine klar kommen und ihrem Sohn ein Fundament für seine Zukunft bereiten.

Welch ein Buch. Mame, wie der Autor seine Mutter liebevoll nennt, war auf dem besten Weg, eine gute Ärztin zu werden. Dann raunten die Nachbarn über schlimme Dinge, die den Juden angetan wurden. Die Eltern glaubten es nicht. Der Vater war doch schon im 1. Weltkrieg dabei und kämpfte für die Deutschen. Aber dann wurde ihr der Schulbesuch verboten. Sie musste alles abbrechen und mitansehen, wie ihre Familie deportiert wurden. Sie konnte in die Schweiz flüchten, allerdings wurden die Flüchtlinge nicht gut behandelt.

Herr Bergmanns Ausführungen über seine Mutter haben mich tief berührt. Ja, sie w a r schwierig, aber zugleich liebenswert. Was das Schicksal für sie bereit hielt, kann niemand nachempfinden. Und das sich ihre Erlebnisse auch in ihrem Sohn weitertrugen, ist wohl ganz natürlich. Wie geduldig müssen Frauen und Kinder von Männern sein, deren Familien so viel Leid erfuhren.

„Mameleben“ wurde in eine so angenehmen und berührenden Sprache geschrieben, dass ich kaum das Lesen unterbrach. Besonders gut gefiel mir auch dieses jüdische Lied über die Mame. Ganz wunderbar. Ich danke dem Autor für dieses wertvolle Werk, das ich mit Sicherheit noch häufiger lesen werden. Einen Sternenregen sowie eine Empfehlung gibt es von mir ebenfalls.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.04.2023

Das Grauen des Krieges bildhaft erzählt

Das Gedächtnis des Winters
0

Hauptmann Paul Bauer ist 46 Jahre alt und als Chirurg an der Ostfront eingesetzt. Vier Monate nach dem Beginn des „Unternehmen Barbarossa“ schlingert er mit weiteren Soldaten durch einen Kiefernwald in ...

Hauptmann Paul Bauer ist 46 Jahre alt und als Chirurg an der Ostfront eingesetzt. Vier Monate nach dem Beginn des „Unternehmen Barbarossa“ schlingert er mit weiteren Soldaten durch einen Kiefernwald in Russland. Der „Gröfaz“, („Größter Feldherr aller Zeiten“) kommandiert noch immer seine Untergebenen herum und will nicht wahrhaben, dass der Krieg längst verloren ist. An Russland wird er sich die Zähne ausbeißen. Fatal, dass für ihn ein Menschenleben weniger als nichts an Wert hat.

Im Winter 1941 bekommen Bauer und seine Leute den Befehl, ein Feldlazarett aufzubauen. Nicht in einem Zelt, sondern im Landsitz des berühmten L. Tolstoi. In Jasjana Poljana, mitten in der Einöde. Menschen, die hier leben, heißen die Soldaten nicht willkommen. Warum sollten sie auch. Was die Deutschen damals anrichteten, das schürte nur Hass und Verachtung von den Einheimischen.

Der Autor Steven Conte ist bestens vertraut mit dem Leben des berühmten russischen Schriftsteller. Er beschreibt nicht nur sein Anwesen sehr detailliert. Auch auf das Buch „Krieg und Frieden“ weist er immer wieder hin. Und das gefiel mir sehr gut. Der heftige Winter, die Kälte und der Frust der Soldaten, all das ist so bildhaft dargestellt, dass ich gefesselt war mich fast an diesen Ort wähnte. Die zarte Liebe zwischen Bauer und einer selbstbewussten Russin nimmt keinen übermäßigen Raum ein und das schätzte ich ebenfalls.

Ein ansprechendes Cover ist bei neuen Büchern selten vorhanden, hier wurde es perfekt gewählt. Der Leser sieht sofort, dass ihn der Roman in die Einöde einer kargen Winterlandschaft entführt. Nicht nur, aber überwiegend für Kenner der russischen Literatur, wird
„Das Gedächtnis des Winters“ ein Lesegenuss sein. Die Übersetzung von Joannis Stefanidis ist sehr gut gelungen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.04.2023

Historische Fakten kombiniert mit Spannung, sehr gut

Tatort Rheinbrücke
0

Hauptkommissarin Franca Mazzari genießt ihren lang ersehnten Urlaub in Italien, der Heimat ihres Vaters. Und zuhause müssen ihre Kollegen sich an einen kniffeligen Fall herantasten. Auf einem Plateau vor ...

Hauptkommissarin Franca Mazzari genießt ihren lang ersehnten Urlaub in Italien, der Heimat ihres Vaters. Und zuhause müssen ihre Kollegen sich an einen kniffeligen Fall herantasten. Auf einem Plateau vor den Brückenpfeilern in Remagen, lag ein Mann. Per Kopfschuss getötet. Das Schlimme daran ist, dass die Waffe Eigentum einer Polizistin war. Sie wurde bei einer Demo in Remagen schwer verletzt. Dabei verlor sie auch ihre Waffe. Aber stimmt das wirklich so, wie sie es schildert?

Das Cover sprach mich sofort an. Ich kenne die Brückentürme noch als Abenteuerspielplatz für uns „Pänz“. Wie oft lag ich oben und sonnte mich. Oder wir starteten wilde Verfolgungsjagden in den Türmen. Und nein, ich wurde nicht enttäuscht. Die Autorin führte mich durch mein Remagen der Vergangenheit. Die Seherin Buchela und ihr Neffe kommen genauso zu Wort, wie der alte Bürgermeister Kürten. Aber das ist es nicht alleine, was mich an diesem Buch so beeindruckte.

Niemals zuvor las ich, was im Zusammenhang mit Antiziganismus vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg geschah. Ist es, weil Roma und Sinti bis heute als Minderheit gelten? Oder gibt es tatsächlich nur wenige Menschen, die sich damit beschäftigen? In dem Buch „Tatort Rheinbrücke“ geht es nicht nur um den Aufmarsch der Rechten in Remagen. Der fand übrigens im Jahr 2022 nicht mehr statt und ich hoffe sehr, dass es dabei bleibt.

Aber zurück zum Thema Antiziganismus. Eine junge Polizistin, ja, genau die, die während einer Demo niedergeschlagen wurde, ist eine Romina, der die Tatwache gehörte. Sie liest ein Tagebuch ihres Großvaters und exakt d a s war es, was mich so sehr erschütterte. Dazu gibt Gabriele Keiser auch noch Empfehlungen zu weiterführender Literatur von Autoren, die sich für das Leid der Sinti und Roma einsetzten.

Nein, hier geht es nicht nur um die unsägliche Geschichte Deutschland. Es ist ebenfalls ein spannender Krimi, der fesselt und gefangen nimmt. Ich danke der Autorin für spannende, aber auch zum Nachdenken anregende Unterhaltung. Ganz klare Empfehlung gibt es von mir.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.04.2023

Mama, ich will leben

Geliebte Kinder
0

Die Autorin des Buches „Geliebte Kinder“ ist die Mutter von Olaf. Einem liebenswerten Jungen, der mit Trisomie 21 geboren wurde. Was sie damals, 1975 erlebte, das schildert sie in dieser Biographie. Sie ...

Die Autorin des Buches „Geliebte Kinder“ ist die Mutter von Olaf. Einem liebenswerten Jungen, der mit Trisomie 21 geboren wurde. Was sie damals, 1975 erlebte, das schildert sie in dieser Biographie. Sie beschreibt, wie ihre Umwelt auf die Geburt reagierte und mit welchen herabwürdigenden Kommentaren sie konfrontiert wurde.

Das wunderschöne Cover zeigt zwei fröhliche Kinder. Sie wollen leben und bereichern nicht nur das Leben ihrer Familie. Wie kann eine Gesellschaft es zulassen, dass 98% der Kinder mit DS (dem Down-Syndrom) abgetrieben, also im Mülleimer entsorgt werden? Selbst die sogenannte „Spätabtreibung“ ist gestattet. Aber zurück zum Buch. Frau Maren Müller-Erichsen erzählt vom Leben mit Olaf und auch ihren eigenen Lebensweg erwähnt sie. Nach dem ersten Schock wächst Olaf gemeinsam mit seinem größeren Bruder gut behütet, und vor allen Dingen gefördert auf.

Olaf hat das große Glück, dass sein Bruder ihn mit unter seine Fittiche nimmt. Er lehrt ihn sprechen und sie unternehmen sehr viel miteinander. Olaf kann ein selbständiges Leben führen, welches dann leider viel zu früh beendet wurde. Er starb am 08.04.2021 auf der Intensivstation im Uniklinikum Gießen. Das zu der Zeit grassierende tödliche Virus, war Schuld an seinem Tod.

Neben dem Leben Olafs erfährt der Leser auch einiges über die Anfänge der „Aktion Sorgenkind“ und seiner Einrichtungen. Heute heißt es „Aktion Mensch“ und die Initiative wächst zum Glück weiter. Zum Schluss schenkt die Autorin den Lesern auch einige Bilder von Olaf. Das Buch hat mich sehr berührt und zuweilen erbost. Es wäre so schön, wenn wir auch oder gerade Menschen annehmen könnten, die anders sind als die sogenannte „Norm“.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.04.2023

Rasante Spannung bis zum Schluss

Der Privatdetektiv
0

Romain Tendre ist Wirt der Taverne Provencale, die in einem kleinen Bergdorf namens Gourdon steht. Er ist bekannt für seine Spezialitäten und Kunden aus allen Regionen verweilen gerne bei ihm. Am letzten ...

Romain Tendre ist Wirt der Taverne Provencale, die in einem kleinen Bergdorf namens Gourdon steht. Er ist bekannt für seine Spezialitäten und Kunden aus allen Regionen verweilen gerne bei ihm. Am letzten Tag eines jeden Jahres bietet er zudem auch noch perfekte Unterhaltung an. Der schweizer Privatdetektiv Florian Räber unterhält dann die Gäste. Er erzählt von seinen spannendsten Fällen. Nach Mitternacht Räber er dann zur kleinen Holzhütte mitten im Wald, wo er für einen Monat Auszeit vom Alltag nimmt. Alles ist ruhig und nie verläuft sich jemand in diese Einöde. Bis in dieser Neujahrsnacht ein lautes Klopfen die Ruhe stört. Florian öffnet und vor ihm steht eine junge Frau. Sie bittet um seine Hilfe und er lässt sie eintreten.

Auch wenn Florian zunächst skeptisch ist, das, was die junge Frau erzählt, scheint ihm dann doch zu abenteuerlich, um wahr zu sein. Schon am nächsten Tag hat er Fakten und diese sprechen für den Wahrheitsgehalt ihres Berichtes. Sie weckte nicht nur seinen Beschützerinstinkt. Der Sinn für Gerechtigkeit lässt ihn handeln, zumal auch sein Leben schon bald in Gefahr gerät.

Lebendige Sprache mit vielen Dialogen und rasante Spannung, so schätze ich Krimis. Der Autor Patrick Salm hat mal wieder ein Buch so ganz nach meinem Geschmack veröffentlicht. Die Story ist realistisch und die unvorhersehbaren Wendungen sorgten bei mir bis zum Schluss für aufgeregten Lesegenuss.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere