Worum geht es?
Bei „Du sollst nicht leben“ handelt es sich um den 6. Band einer Reihe.
DI Phil Brennan wird zu einem Tatort gerufen: Mutter und Kind wurden mit einer Armbrust erschossen, der Vater musste alles mitansehen. Und nicht nur das. Der Kindsvater wurde von dem Mörder sogar vor die Wahl gestellt: Sein Leben oder das seiner Familie. Er entschied sich für sein eigenes.
Währenddessen geht Marina Esposito, Brennans Ehefrau, einem anderen Fall in einer Psychiatrie nach. Eine Frau wurde dort eingeliefert, die zwei Männer dazu gebracht haben soll, ihre Freundinnen für sie umzubringen. Fallstudien, wie sie selbst es nennt. Und aus irgendeinem Grund scheint sie sich ganz besonders für Marina und ihren Mann zu interessieren…
Meine Meinung
Der Krimi fängt vielversprechend an. Man ist gleich mitten im Geschehen, darf den Mörder bei seiner „Arbeit“ erleben und sympathisiert überraschenderweise mehr mit diesem als mit dem vermeintlichen Opfer. Aufgrund dessen hatte ich mir schon durch die Leseprobe viel von dem Buch versprochen, wurde jedoch letztendlich bis zum Ende nicht völlig mitgerissen.
Der Schreibstil ist im Grunde gut zu lesen, sodass ich auch als etwas langsamere Leserin schnell über die Seiten flog. Es kommen jedoch immer wieder Längen auf, die den seitenlangen, unnötigen Beschreibungen von Lebensgeschichten oder Gedankengängen verschuldet sind, die im Grunde viel kürzer gefasst werden könnten oder keinen direkten Nutzen für das Voranschreiten der Handlung haben. Ebenso gibt es zu viele ausführliche Umgebungsbeschreibungen, die für mich in einem Krimi nichts zu suchen haben, wenn sie für den Fall nicht von Relevanz sind. Dadurch wurde der Handlung ihre Dynamik und mir die Lust am Lesen genommen, weil ich mich durch diese Passagen fast schon quälen musste.
Zu Anfang hatte mich an dem Buch vor allem angesprochen, dass man nicht nur einen, sondern gleich zwei spannende Fälle mitverfolgt, zwischen denen immer wieder hin und hergewechselt wird. Mit der Zeit fand ich diesen ständigen Wechsel jedoch anstrengend, da man sich auf diese Weise nie völlig auf einen Fall einlassen konnte. Ebenso musste der eine Fall hinter dem anderen zurückstecken, da er irgendwann nur noch wenig thematisiert wurde.
Zwei weitere Aspekte, die ich auf Dauer nervend fand, waren der Perspektivenwechsel und die Erzählform. Bis zur Hälfte des Buches tauchen immer mehr Personen auf, deren Verbindung zu den Fällen nicht auf Anhieb zu erkennen ist - dadurch wird es irgendwann unübersichtlich und verwirrend. Die Erzählform ist jedoch ganz besonders merkwürdig. Man hat es hier mit einer Mischung aus allwissendem und personalem Erzähler zu tun. Zwar verfolgt man das Geschehen aus der Sicht einer Person, jedoch wird zwischen den Personen stellenweise noch auf derselben Seite gewechselt. Trotz – oder vielleicht gerade wegen – dieses umfassenden Einblicks in alle beteiligten Personen bekommt man nur einen sehr oberflächlichen Eindruck von ihnen.
Da dies mein erstes Buch aus der Reihe ist, kannte ich die Charaktere noch nicht. Daran habe ich mich jedoch auch nicht groß gestört, denn es tun sich keine enormen Wissenslücken auf, die das Verstehen der Handlung erschweren würden. Leider fehlte mir die Sympathie für die Protagonisten: Während mir Phil mit seiner überkorrekten Art, die in direktem Widerspruch zu seiner angeblich „unkonventionellen Herangehensweise“ (die sich bspw. durch das Tragen von individueller Kleidung äußert – Moment. Es äußert sich sogar nur darin.) steht, auf die Nerven ging, langweilte mich Marina mit ihrer passiven Art. Wirklich viel hat sie nämlich nicht zu dem Fall beigetragen. Die Highlights in diesem Buch waren für mich tatsächlich die „Bösewichte“, die Mörder und Verrückten. Und Sperring, der wirklich unkonventionell handelte und mich hin und wieder mit seinen lockeren Sprüchen zum Lachen brachte.
Da man die Täter schon kennt und die Morde etc. sogar live mitverfolgt, kommt wirkliche Spannung erst in der zweiten Hälfte des Buches auf - dann nimmt es aber tatsächlich deutlich an Fahrt auf. Es passiert unglaublich viel und man möchte immer weiterlesen, um zu wissen, was als nächstes passiert. Leider kommt die Auflösung des Falls (wobei man davon ja auch nicht wirklich sprechen kann, wenn man den Täter als Leser schon kennt) viel zu schnell und unspektakulär. Der Plot-Twist wird nicht gut aufgebaut, was der Story den Überraschungseffekt nimmt. Ein entscheidender Hinweis wird einem viel zu früh zugeworfen, um den Fall schon alleine aufklären zu können, wenn man mit dem entsprechenden Filmklassiker vertraut ist. Diesbezüglich liefert das Buch, zumindest den einen Fall betreffend, also auch keine neue Idee. Abgekupfert von einem der bekanntesten Filmklassikern überhaupt, was mich nicht gestört hätte, wenn die Auflösung überraschender gekommen wäre.
Fazit
Mir hat dieses Buch leider wieder gezeigt, dass ich Krimis, in denen die Täter schon bekannt sind und aus deren Sicht man ebenfalls liest, nicht viel abgewinnen kann. Ich brauche nicht nur das Miträtseln um deren Hintergrundgeschichte, sondern auch um deren Identität. Der Plot-Twist war zwar absolut nach meinem Geschmack, jedoch wurde dessen Potential nicht ausgeschöpft. Die richtige Atmosphäre kam nicht auf, das Timing von Hinweisen und Auflösung stimmte nicht. Der andere Fall fing interessant und spannend an, verlor mit der Zeit aber seinen Reiz.
Von mir gibt es 3 Sterne. Kann man mal lesen, muss man aber nicht.